Urteil des LSG Saarland vom 28.04.2009
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LSG Saarbrücken Urteil vom 28.4.2009, L 2 P 4/08
Soziale Pflegeversicherung - Pflegehilfsmittel - Ermöglichung einer selbständigeren
Lebensführung - höhenverstellbares Pflegebett - Unbeachtlichkeit eines erhöhten
Sturzrisikos
Leitsätze
Eine Pflegekasse hat eine bei ihr versicherte pflegebedürftige Person gemäß §§ 40 Abs. 1
Satz 1, 29 Abs. 1 SGB XI mit einem höhenverstellbaren Pflegebett zu versorgen, wenn
damit eine auch nur geringe Teilmobilität erreicht wird. Der Hinweis der Pflegekasse auf ein
erhöhtes Sturzrisiko ist dann unbeachtlich, wenn das Risiko auch bei dem zuvor zur
Verfügung gestellten höheren Standardpflegebett objektiv bestanden hat.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom
12.2.2008 sowie der Bescheid vom 1.2.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
22.8.2007 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin mit einem höhenverstellbaren Pflegebett mit einer
absenkbaren Liegehöhe bis 22 cm zu versorgen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die bei der Beklagten pflegeversicherte Klägerin von der
Beklagten eine Sonderanfertigung eines Pflegebettes beanspruchen kann.
Die 1971 geborene Klägerin leidet von Geburt an an einer infantilen zerebralen Parese,
einer spastischen Tetraplegie sowie einer psychischen Verlangsamung. Sie erhält
Leistungen aus der Pflegeversicherung der Pflegestufe II und wohnt in Sa. in einem
behindertengerechten Einzimmer-Appartement in einem Haus des Paritätischen
Wohlfahrtverbandes mit Inanspruchnahme eines ambulanten Pflegedienstes. Sie ist
Rollstuhlfahrerin und ihr linker Arm und das rechte Bein sind besonders beeinträchtigt.
Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Versorgung mit einem Pflegebett mit einer
Liegehöhe von 22 cm bis 62 cm. Im jetzigen, höheren Standardpflegebett schaffe sie es
nicht, alleine den Transfer auf die Toilette zurückzulegen. Der medizinische Dienst der
Krankenversicherung (MDK) sah keinen Grund für eine Höhenverstellung von 22 cm bis 62
cm, auch nicht bei der Körpergröße der Klägerin von 154 cm.
Durch Schreiben vom 1.2.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, der MDK habe die
Versorgung abgelehnt. Eine Indikation für dieses Bett liege nicht vor.
Die Betreuerin der Klägerin erhob hiergegen mit Schreiben vom 20.2.2007 Widerspruch.
Ein Gutachten des MDK vom 4.7.2007, auch zur Pflegestufe der Klägerin, kam zum
Ergebnis, dass es der Klägerin trotz großer Anstrengungen nicht möglich gewesen sei, sich
alleine im Bett aufzurichten. Auch wenn sie am Bett sitze, könne sie nur unter großer
körperlicher Anstrengung in den Rollstuhl und zurück, letztlich nur mithilfe einer Pflegekraft.
Das Spezialbett sei nicht geboten, weil Hilfe des Pflegepersonals ständig angezeigt sei.
Dieses im Vergleich zu einem Standardbett tiefer absenkbare Pflegebett bringe keine
Vorteile. Der Transfer könne hierdurch weiterhin nicht selbstständig bewältigt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.8.2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin
zurück.
Im anschließenden Klageverfahren, in dem die Klägerin erneut auf ihr Bemühen um
Selbstständigkeit und darauf verwiesen hat, dass sie deswegen an einer Reittherapie
teilnehme, hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) ein Gutachten bei Dr. H. eingeholt,
welches am 17.11.2007 erstellt und am 7.1.2008 ergänzt wurde. Dr. H. stellte fest, dass
man zur Erleichterung der Pflege im Oktober 2007 ein Pflegebett als Serienmodell mit einer
Höhe von 52 cm angeschafft habe; die Klägerin meine, dieses Bett sei zu hoch und sie
könne nicht in den Rollstuhl gelangen. Zusammenfassend kam dieser Gutachter zum
Ergebnis, ein tieferes Bett könne die Selbständigkeit der Klägerin zwar fördern, allerdings
sei dies riskant und könne Unfälle provozieren. Die Unterbringung im Heim sorge für eine
fast optimale pflegerische Versorgung mit Hilfestellungen bei Transfers. Risiken seien höher
als der potentielle Nutzen.
Mit Urteil vom 12.2.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach § 40 Abs. 1 S. 1 SGB XI
hätten Pflegebedürftige Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur
Erleichterung der Pflege und zur Linderung der Beschwerden beitrügen und eine
selbstständige Lebensführung ermöglichten. Nach S. 2 dieser Norm in Verbindung mit § 29
Abs. 1 SGB XI dürfe die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln unter Beachtung des
Wirtschaftlichkeitsgebotes das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Nach diesen
Normen und den Ausführungen von Dr. H. habe die Klägerin keinen Anspruch auf eine
entsprechende Versorgung. Das Interesse der Klägerin daran, die Eigenständigkeit zu
erhöhen, müsse der Gefahrenabwehr weichen. Es entspreche der Fürsorgepflicht der
Beklagten, die Klägerin nicht mit Hilfsmitteln zu versorgen, von denen eine Gefahr
ausgehen könne.
Gegen das am 18.2.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.3.2008 Berufung
eingelegt.
Sie wolle den Zustand, wie er vor Versorgung mit dem höheren Standardpflegebett
bestanden habe. Dieses Standardbett sei alleine zur Erleichterung der Pflege angeschafft
worden und mit einem höhenverstellbaren Pflegebett könne sie Transfers eigenständig
vornehmen; sie sei eine mündige Patientin, die um die Risiken wisse.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 12.2.2008 sowie
den Bescheid vom 1.2.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 22.8.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr ein
höhenverstellbares Pflegebett mit einer absenkbaren Liegehöhe bis
22 cm zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, es bestehe zwar ein Recht auf Selbstgefährdung, aber sie als
Pflegekasse sei nicht verpflichtet, sich an Experimenten zu beteiligen. Dass die Klägerin vor
Anschaffung des Standardpflegebetts ein tieferes Bett gehabt habe, sei ebenfalls riskant
gewesen und könne gar als Sorgfaltspflichtverletzung ihrerseits oder der Ärzte aufgefasst
werden.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Arzt R. Sch.. Im
Gutachten vom 25.1.2009 kommt er im Wesentlichen zum selben Ergebnis wie Dr. H..
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der
beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg, denn sie hat nach den Regelungen im SGB XI sowie
nach Auswertung der Gerichtsgutachten einen Anspruch auf Versorgung mit dem
begehrten Pflegehilfsmittel.
Zunächst stellt der Senat klar, dass die auch vom SG erwähnten Rechtsgrundlagen der §§
40, 29 SGB XI auf die Situation der Klägerin Anwendung finden. Die Klägerin lebt nämlich
nicht in einer stationären Pflegeeinrichtung, für die § 40 SGB XI, welcher nach der
Titelüberschrift vor § 36 SGB XI nur für häusliche Pflege gilt, nicht eingreift. Vielmehr wohnt
sie in einer behindertengerechten Einrichtung und nutzt den in diesem Haus vorhandenen
ambulanten Pflegedienst für ihren Pflegebedarf. Damit lebt die Klägerin nicht in einer
ambulanten Pflegedienst für ihren Pflegebedarf. Damit lebt die Klägerin nicht in einer
teilstationären oder vollstationären Pflegeeinrichtung.
Ein Anspruch auf das Pflegehilfsmittel eines höhenverstellbaren Pflegebettes besteht, weil
die Tatbestandsvoraussetzungen des § 40 Abs. 1 S. 1 SGB XI gegeben sind. Dass die
Klägerin dieses Hilfsmittel nicht zur Erleichterung der Pflege oder Linderung von
Beschwerden benötigt, ist nicht im Streit. Aber das Merkmal der Ermöglichung einer
selbstständigeren Lebensführung, auf das sich die Klägerin beruft, gibt ihr einen solchen
Anspruch. Mit der Klägerin und den beiden gerichtlichen Sachverständigen ist der Senat der
Überzeugung, dass ein niedrigeres Pflegebett Voraussetzung dafür wäre, dass sie eine
gewisse Teilmobilität erhält. Die Versorgung muss zudem nach § 40 Abs. 1 S. 2 SGB XI
notwendig sein, was auch bedeutet, dass das Hilfsmittel in der Gesamtsituation geeignet
ist, die Selbstständigkeit zu fördern. Diesbezüglich haben zwar die beiden gerichtlichen
Sachverständigen Zweifel geäußert, ob die Klägerin über die körperlichen Ressourcen
verfügt, mit diesem Hilfsmittel eine weitergehende Selbstständigkeit erlangen zu können.
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Situation der Klägerin, wozu auch die aktuelle
Pflegesituation gehört, ist der Senat aber zu der Überzeugung gelangt, dass mit der
begehrten Versorgung eine selbständigere Lebensführung der Klägerin gefördert werden
kann.
Der Sachverständige Dr. H. hat in seinem Gutachten ausgeführt, die Klägerin wolle die
Selbstständigkeit wieder erlangen und nachts in der Lage sein, ohne fremde Hilfe den
Rollstuhl zu erreichen, um zur Toilette zu fahren. Früher mit einem tieferen Bett sei sie bei
Transfers vollständig selbstständig gewesen. Sie habe auch Stürze in Kauf genommen, die
sie mit Bravour bewältigt habe. Das jetzige Pflegebett sei 52 cm hoch (minimale Höhe,
vom Gutachter gemessen: 49 cm) und sie brauche eines, welches höchstens 22 cm hoch
sei. Durch die Pflegekraft werde erklärt, dass das nunmehr verwendete Pflegestandardbett
aus pflegerischer Indikation notwendig geworden sei. Das normal tiefe Bett sei nicht mehr
ausreichend für die Pflege gewesen, da es zu niedrig gewesen sei. Die Versorgung
mittlerweile mit dem höheren Standardpflegebett sei aus pflegerischer Sicht optimal, dies
werde von der Pflegekraft bestätigt. Die Klägerin gebe an, sie könne bei dem vorhandenen
Pflegebett mit den Füßen den Boden nicht erreichen, sie sei diesbezüglich mittlerweile
untrainiert und benötige ein tieferes Bett, um z.B. nachts wieder in der Lage zu sein, ohne
fremde Hilfe den Rollstuhl zu erreichen, um zur Toilette fahren zu können. Auf der Toilette
sei sie komplett selbständig und brauche keine Hilfen. Die Klägerin wirke intellektuell
unauffällig, willensstark und motiviert zur Erreichung einer möglichen Selbstständigkeit. Sie
wolle ihre alte Fähigkeit mit dem niedrigen Bett wieder erlangen und nehme auch
Komplikationen in Kauf. Sie habe ein Notrufgerät. Die spastische Lähmung der Klägerin
ermögliche kein Gehen und Stehen und die Werkzeugfunktion der rechten Hand sei gerade
ausreichend. Die Demonstration des Transfers von Bett zu Rollstuhl sei sehr beschwerlich
und risikoreich im Hinblick auf einen Sturz und mögliche Komplikationen. Auch der Transfer
zurück sei unsicher und erfordere eine sehr große Kraftanstrengung. Als Hauptproblem
werde die Höhe des Betts angegeben und die geringe Größe der Klägerin. Objektiv sei es
richtig, dass es für die Selbständigkeit günstiger wäre, wenn man das Bett auf eine geringe
Höhe herunterfahre. Nach der Beweisfrage sei aber die aktuelle Hilfsmittelversorgung
ausreichend. Es sei denkbar, dass die Klägerin ein gewisses Maß an Selbstständigkeit
erfahren könne, wenn sie ein niedrigeres Pflegebett benutzen würde. Allerdings sei dies
risikoreich und könne Unfälle provozieren. Verständlich sei, dass die Klägerin dieses Maß an
Selbstständigkeit wiedererlangen wolle, wobei aber die Absicht, eine Pflegeerleichterung
herbeizuführen, eher hypothetisch sei. Die jetzige Unterbringung sorge für eine annähernd
optimale pflegerische Versorgung, weshalb bei Notwendigkeit von Transfers auch
Hilfestellungen in Anspruch genommen werden könnten. Die Erleichterung der Pflege sei
aktuell durch das elektrisch verstellbare Standardpflegebett ausreichend. Eine komplette
Selbstständigkeit werde durch die Verordnung des Spezialbetts mit Höhenverstellung auf
circa 20 cm wohl nicht gewährleistet. Selbstständige Transfers seien zu risikoreich. Die
Risiken seien höher als der potentielle Nutzen. Die Pflege sei durch Fachkräfte tagsüber und
auch nachts gewährleistet.
Zum selben Ergebnis mit ähnlicher Argumentation kommt auch der Gutachter Scha., der
den tiefsten Stand des Standardpflegebetts mit 52 cm angab. Auch ihm gegenüber
erklärte die Klägerin, dass es bei dem Konfektionsbett, das sie vor Anschaffung eines
höheren Pflegebettes benutzt habe, auch zu Stürzen gekommen sei, ohne dass sie sich
ernsthaft verletzt habe. Durch eine Amputation der linken großen Zehe habe sich die
Bewegungsfähigkeit, insbesondere die Belastbarkeit der Beine, noch verschlechtert und
zudem sei sie nicht trainiert. Aus pflegerischen Gründen habe man gegen ihren Willen das
elektrische konventionelle Pflegebett angeschafft. Sie sehe zwar die Notwendigkeit dieses
Pflegebettes ein, da es die Körperpflege im Bett für das Personal erleichtere, andererseits
sei es ihr jetzt nicht mehr möglich, das Bett ohne fremde Hilfe zu verlassen. Sie könne
beim Sitzen im Bett den Boden mit den Füßen nicht erreichen und ohne Bodenkontakt
„gehe gar nichts“; die Stabilität fehle völlig.
Der Gutachter Scha. erkannte die Motivation der Klägerin, ein möglichst selbständiges
Leben trotz der schweren Behinderung zu führen. Ihr sei bewusst, dass sie ständig auf die
Hilfe Dritter angewiesen sei, sie sei aber bereit, gewisse Risiken dafür einzugehen, dass sie
einen Transfer ohne fremde Hilfe vornehmen könne. Die Sturzgefahr räume sie ein. Eine
Gefahr bestehe nach Angaben der Klägerin auch, wenn sie sich vom Rollstuhl auf die
Toilette setze; hierbei seien auch schon Stürze vorgekommen, so dass sie Hilfe herbeirufen
müsse. Der Gutachter äußerte Zweifel, ob ein Transfer vom Rollstuhl in ein tieferes Bett
möglich wäre. Selbst wenn es ihr gelänge, das Gesäß komplett bis ins Bett fallen zulassen,
verbleibe die Frage, ob es ihr möglich wäre, sich so im Bett zu bewegen, dass sie eine
Liegeposition einnehmen könne. Durch die Bereitstellung eines Pflegebettes mit
Einstellmöglichkeiten auf circa 20 cm käme es zu keiner Erleichterung der Pflege, die durch
fremde Personen durchgeführt werde, denn die Körperpflege im Bett setze eine Höhe von
50-60 cm voraus. Demgegenüber würde eine Verringerung der Pflege etwa bei den
Transfers vom Bett zum Rollstuhl nur in sehr geringem Umfang anfallen, nachts etwa
dreimal bis viermal pro Woche. Zweifelhaft bleibe, ob ihr durch das Pflegebett eine
selbstständige Lebensführung ermöglicht würde. Sichergestellt sei nicht, dass
selbstständige Transfers vom Rollstuhl zum Pflegebett gelängen. Die körperliche Situation
der Klägerin sei nahezu identisch mit derjenigen, die Dr. H. geschildert habe. Es bestehe
weiter ein erhebliches Risiko bei dem Transfer der Klägerin sowohl vom Rollstuhl zum Bett
und zurück als auch vom Rollstuhl zur Toilette und zurück. Die Klägerin sei bereit, dieses
Risiko einzugehen. Er halte aber wie Dr. H. ein niedrigeres Pflegebett nicht für erforderlich,
denn die Klägerin würde allenfalls einen geringen Nutzen ziehen, aber ein deutlich erhöhtes
Sturzrisiko eingehen.
Mit ihren Ausführungen beschreiben die beiden Gutachter den Konflikt in der Anwendung
des § 40 Abs. 1 S. 1 SGB XI: einerseits ist das höhere Pflegebett, welches die Klägerin
nunmehr nutzt, für die Erleichterung der Pflege erforderlich. Andererseits strebt die
motivierte Klägerin eine selbstständigere Lebensführung an, was sie als Ziel aber nach den
Angaben der Gutachter mit dem beantragten, niedrigeren Pflegebett nur unter
Inkaufnahme des Sturzrisikos erreichen kann. Nachvollziehbar ist daher der Schluss der
Gutachter, dass die Klägerin derzeit nach wie vor und unabhängig von der Höhe des
Pflegebettes bei solchen Transfers eine Pflegeperson hinzuziehen sollte, um das Risiko
eines Sturzes mit Gefährdung der Gesundheit zu vermeiden.
Die nach § 40 Abs. 1 S. 2 SGB XI erforderliche Notwendigkeit einer solchen Versorgung
wird alleine durch diese Argumentation aber nicht ausgeschlossen. Es darf nämlich nicht
übersehen werden, dass diese Sturzgefahr auch und gerade in der jetzigen Wohnsituation
der Klägerin besteht. Wenn sie sich aus dem vorhandenen Standardpflegebett in den
Rollstuhl begeben will, besteht diese Gefahr, die auch beide Gutachter nur beurteilt haben
und im Hinblick auf die derzeitige und von ihnen besichtigte Wohnsituation auch nur
beurteilen konnten, in gleichem, wenn nicht gar in höherem Maße. Mit der Anschaffung
eines höhenverstellbaren Bettes wird die jetzige Situation objektiv betrachtet nicht
verschlechtert. Die Pflegesituation bleibt gleich, denn das von der Klägerin beantragte
höhenverstellbare Bett kann auf die optimale Pflegehöhe eingestellt werden. Die individuelle
Situation der Klägerin wird aber zudem verbessert, denn sie ist dann in der Lage, das Bett
auf eine Höhe herunter zu fahren, die es ihr erlaubt, mit den Füßen den Boden zu
erreichen. Dies hat die Klägerin bei beiden Gutachtern als wesentlich geschildert und beide
Gutachter sahen auch einen - aus ihrer Sicht geringen - Nutzen hierdurch, wie
beispielsweise in einer Abstützhilfe durch Berühren der Beine des Bodens oder eine bessere
Situation beim Versuch, den Rollstuhl eigenständig und ohne Hilfe zu erreichen. Der Senat
verkennt nicht, dass gerade bei dem eigenständigen Transfer vom Bett in den Rollstuhl
eine Sturzgefahr besteht, die sich auch in der Vergangenheit schon realisiert hatte. Nur ist
diese Situation noch drastischer, wenn die Klägerin versucht, aus ihrem nunmehr
vorhandenen hohen Bett in den Rollstuhl zu gelangen, denn sie kann bei diesem Bett in
sitzender Stellung mit den Füßen den Boden nicht erreichen, was eine Erhöhung der
Gefährdung bedeutet. Der Grund für die Beklagte, dieses höhenverstellbare Pflegebett zu
versagen, ist zwar mit der Absicht, die Gefährdung nicht zu erhöhen, ein nachvollziehbarer.
Die Beklagte erreicht dieses Ziel aber derzeit auch nur dadurch, dass sie auf die Vernunft
und Einsicht der Klägerin vertraut, dass sie einen solchen Transfer ohne Hilfe aus dem
höheren Bett nicht versucht und dass die Höhe des Pflegebetts die Klägerin hiervon abhält.
Der Senat hat aber sowohl nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung als auch
nach Lektüre der Gutachten keinerlei Zweifel daran, dass die Klägerin mit Vernunft und
Bedacht ihre wohnliche Situation bei ihren eigenen Entscheidungen berücksichtigt, ob sie
einen Transfer wagt oder nicht. Im Übrigen darf nicht außer acht bleiben, dass nach
Gutachtenlage auch bislang die Klägerin bei einem Toilettengang und einem dortigen
Transfer vom Rollstuhl auf die Toilette und zurück keine Hilfe hatte und keiner Hilfe
bedurfte. Warum die Pflegesituation für die Klägerin dann schlechter und gefährlicher
werden soll, wenn sie mit einem höhenverstellbaren Pflegebett versorgt wird, ist nicht
erkennbar.
Der Senat sieht daher das Merkmal der Ermöglichung einer selbstständigeren
Lebensführung in § 40 Abs. 1 S. 1 SGB XI durch die Versorgung mit einem wegen
verbesserter Mobilität notwendigen höheren verstellbaren Pflegebett als erfüllt an. Die
Gefährdungssituation ändert sich hierbei nicht zu ihren Ungunsten und es ist zudem
rechtlich zu berücksichtigen, dass die Intention des Gesetzgebers im SGB XI dahin geht,
den Versicherten trotz des Hilfebedarfs ein möglichst selbstständiges und
selbstbestimmtes Leben führen zu lassen (§ 2 Abs. 1 S. 1 SGB XI). Die Hilfen sind darauf
auszurichten, die körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte der Pflegebedürftigen wieder
zu gewinnen und zu erhalten. Unter dieser in § 2 Abs. 1 S. 2 SGB XI genannten Zielvorgabe
ist die von der Klägerin beantragte Versorgung notwendig, denn die durch diese
Versorgung ermöglichte Mobilität, wenn auch zunächst nur in einem geringeren Umfang
und an Tagen, an denen die Klägerin körperlich hierzu in der Lage ist, mag für
nichtbehinderte Personen gering sein, für die Klägerin ist dies sowohl nach den Gutachten
als auch nach dem persönlichen Eindruck durch den Senat ein erheblicher Schritt in
Richtung auf ein selbstbestimmtes Leben im Rahmen ihrer eingeschränkten Möglichkeiten.
Die Berufung hat daher Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.