Urteil des LSG Saarland vom 13.04.2010

LSG Saarbrücken: befreiung von der versicherungspflicht, private krankenversicherung, vag, rücknahme der klage, zuschuss, verfassungskonforme auslegung, krankheit, existenzminimum, heizung, betrug

LSG Saarbrücken Urteil vom 13.4.2010, L 9 AS 15/09
Arbeitslosengeld II - Höhe des Zuschusses zum Versicherungsbeitrag zur privaten
Krankenversicherung - Rechtsanalogie - verfassungskonforme Auslegung
Leitsätze
Im Wege verfassungskonformer Auslegung von § 26 Abs. 2 SGB II ist bei Beziehern von
Arbeitslosengeld II, die privat krankenversichert sind und aufgrund der Neuregelung in § 5
Abs. 5 a Satz 1 SGB V ab dem 01.Januar 2009 auch nicht mehr durch den Bezug von
Arbeitslosengeld II versicherungspflichtig werden, der Beitrag zur privaten
Krankenversicherung in voller Höhe zu übernehmen.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom
20. Juli 2009 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat auch die dem Kläger im Berufungsverfahren entstandenen
außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch um den Anspruch des Klägers auf Übernahme der von ihm
aufzubringenden Beiträge zur privaten Krankenversicherung in voller Höhe.
Der 1974 geborene Kläger ist von Beruf Volljurist und war nach Beendigung seiner
Referendarzeit zunächst als selbstständiger Rechtsanwalt tätig.
Erstmals am 29. Juni 2006 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs –
Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Seit der Zeit als Referendar, während der er
Beamter auf Widerruf war, ist er durchgängig privat krankenversichert. Die ihm im Jahr
2003 erteilte Anwaltszulassung ruht seit Februar 2009. Zum Zeitpunkt der Antragstellung
betrug der monatliche Gesamtbeitrag des Klägers für seine private Versicherung 217,75
Euro, wobei davon ein Betrag von 16,82 Euro auf die private Pflegeversicherung entfiel.
Mit Bescheid vom 28. Juli 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 29. Juni
2006 bis zum 30. Juni 2006 Leistungen in Höhe von 33,50 Euro und für die Zeit vom 01.
Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2006 in Höhe von monatlich 497,04 Euro. Dabei war der
Bewilligung ein monatlicher Zuschuss in Höhe von 112,20 Euro zur Krankenversicherung,
14,45 Euro zur Pflegeversicherung und 78,00 Euro zur Rentenversicherung zu Grunde
gelegt worden. Mit Schreiben vom 01. Juni 2007, eingegangen bei der Beklagten am 04.
Juni 2007, teilte der Kläger in der Folge mit, dass er für die Zeit nach dem 30. Juni 2007
keinen weiteren Antrag auf Leistungen nach dem SGB II stellen wolle.
Erst am 26. Januar 2009 beantragte der Kläger erneut bei der Beklagten die Gewährung
von Leistungen nach dem SGB II. Ausweislich der Bescheinigung der privaten
Krankenversicherung vom 05. November 2008 beträgt der Gesamtbeitrag seit dem 01.
Januar 2009 225,28 Euro. Davon entfällt ein Betrag von 17,89 Euro auf die private
Pflegeversicherung. Eine Versicherung im Basistarif der privaten Krankenversicherung
würde demgegenüber einen monatlichen Betrag von 569,63 Euro ergeben. Hinzu kämen
Aufwendungen für die Pflegeversicherung in Höhe von 71,66 Euro im Monat. Die von dem
Kläger aufzubringenden Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung belaufen
sich insgesamt auf pauschal 250,00 Euro im Monat.
Mit Bescheid vom 16. März 2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger sodann vorläufig für
die Zeit vom 26. Januar 2009 bis 31. Januar 2009 Leistungen in Höhe von 90,85 Euro
sowie in Höhe von jeweils 724,21 Euro monatlich für den Zeitraum vom 01. Februar 2009
bis zum 30. Juni 2009. Dabei rechnete die Beklagte im Januar 2009 ein noch zu
erwartendes Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit in Höhe von 54,00 Euro an.
Insgesamt wurde bei der Berechnung ein Zuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von
129,54 Euro und zur Pflegeversicherung in Höhe von 17,79 Euro, jeweils monatlich,
129,54 Euro und zur Pflegeversicherung in Höhe von 17,79 Euro, jeweils monatlich,
berücksichtigt. Die tatsächlich anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung wurden nur
bis zu dem Betrag von 225,88 Euro im Monat übernommen.
Dagegen legte der Kläger am 28. März 2009 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor,
dass die von ihm eigentlich beabsichtigte Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung
seit dem 01. Januar 2009 aufgrund § 5 Abs. 5a des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs
– Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) nicht mehr möglich sei, so dass eine
Kostensenkung in diesem Bereich ausgeschlossen sei. Er habe bei der Krankenversicherung
den günstigsten Tarif gewählt. Es entstehe eine monatliche Deckungslücke von 77,95
Euro, die er aus einem Regelsatz von 351,00 Euro bestreiten müsse. Dies bedeute, dass
22,21 % des Regelsatzes für die Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen aufgewendet
werden müssten. Dadurch sei sein Existenzminimum nicht mehr gewährleistet. Auch liege
ein Verstoß gegen das Bedarfsdeckungsprinzip vor. Es sei gerade die Absicht des
Gesetzgebers gewesen, jedem Bezieher von Arbeitslosengeld II einen kostenfreien Zugang
zur Krankenversicherung zu gewähren. Bei Einführung von § 5 Abs. 5a SGB V habe der
Gesetzgeber offensichtlich vergessen, § 26 SGB II entsprechend anzupassen. Auch habe
er, der Kläger, einen Anspruch auf Übernahme der tatsächlich anfallenden Stromkosten in
Höhe von 24,12 Euro und nicht nur in Höhe des Betrages von 20,74 Euro.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des
Klägers zurück. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, für Bezieher von
Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht
versicherungspflichtig und nicht familienversichert seien und die für den Fall der Krankheit
bei einem privaten Krakenversicherungsunternehmen versichert seien, gelte gemäß § 26
Abs. 2 Nr. 1 SGB II § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG).
Bestehe auch bei einem nach Satz 4 verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit nach dem
SGB II oder dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs – Sozialhilfe – (SGB XII)
Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder SGB XII, beteilige sich der zuständige Träger
nach dem SGB II oder SGB XII auf Antrag des Versicherten im erforderlichen Umfang,
soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden werde. Bestehe unabhängig von der Höhe des
zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II oder SGB XII, gelte Satz 4
entsprechend; der zuständige Träger zahle den Betrag, der auch für einen Bezieher von
Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen sei (§ 12 Abs. 1c
Satz 5 und 6 VAG). Der Kläger gehöre zum Personenkreis des § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II und
ab dem 26. Januar 2009 sei Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II eingetreten.
Entsprechend der Regelung in § 12 Abs. 1c Satz 6 2. Halbsatz VAG habe sie, die Beklagte,
im angefochtenen Bescheid einen Zuschuss in Höhe der Beiträge zur gesetzlichen
Krankenversicherung bewilligt. Diese würden derzeit 129,54 Euro monatlich für die
Krankenversicherung und 17,79 Euro für die Pflegeversicherung betragen. Für die Zeit vom
26. Januar bis 31. Januar 2009 seien die anteiligen Beiträge von 25,91 Euro für die
Krankenversicherung und 3,56 Euro für die Pflegeversicherung erbracht worden. Soweit
der tatsächlich zu zahlende Beitrag höher sei als der Beitrag zur gesetzlichen Versicherung,
müsse er vorläufig unberücksichtigt bleiben. Die Bewilligung der Leistungen sei wegen zu
erwartenden Einkommens vorläufig erfolgt. Werde bei der noch endgültig zu bewilligenden
Leistung Einkommen zu berücksichtigen sein, könne der begehrte Differenzbetrag von
diesem Einkommen abgesetzt werden. Da im angefochtenen Bescheid kein Einkommen
berücksichtigt worden sei und die Absetzung daher nicht möglich sei, bleibe eine Lücke, für
deren Ausgleich derzeit weder durch die Grundsicherung nach dem SGB II noch nach dem
SGB XII eine rechtliche Grundlage bestehe. Die Entscheidung bezüglich der zu
übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung entspreche § 22 SGB II.
Gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. März 2009 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 30. März 2009 hat der Kläger am 08. April 2009 vor dem
Sozialgericht (SG) für das Saarland Klage erhoben. Zur Begründung hat er sein Vorbringen
aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, dass er aus
seiner vorangegangenen Tätigkeit als Anwalt keine Einnahmen mehr erzielen werde, da er
aufgrund rückständiger Darlehensbeträge die restlichen Forderungen an den Gläubiger
abgetreten habe. Er könne den Differenzbetrag bezüglich der Versicherungsbeiträge daher
nicht vom Einkommen absetzen, da keines mehr vorhanden sei. Er verfüge derzeit nicht
über die notwendigen Mittel, um die Prämie selbst zu zahlen, weshalb eine Verschuldung
drohe, denn er sei verpflichtet, die vereinbarte Prämie in voller Höhe zu entrichten. Auch
habe er einen Anspruch auf Übernahme der Stromkosten in der tatsächlich anfallenden
Höhe.
Nachdem der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2009 die Klage
bezüglich der Gewährung höherer monatlicher Energiekosten zurückgenommen hat und
die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2009 den Bescheid vom
16. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2009 für
endgültig erklärt hat, hat das SG für das Saarland mit Urteil vom 20. Juli 2009 unter
Änderung des angefochtenen Bescheides die Beklagte verurteilt, dem Kläger Leistungen
nach dem SGB II für die Zeit ab dem 26. Januar 2009 nach Maßgabe der gesetzlichen
Vorschriften unter Berücksichtigung monatlicher Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe
von 207,39 Euro und monatlicher Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 17,89 Euro
zu gewähren. Zur Begründung hat das SG für das Saarland ausgeführt, dass sich der
Anspruch des Klägers aus einer entsprechenden Anwendung des § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II
ergebe. Eine vergleichbare Interessenlage liege vor. Der einzig und allein in Betracht
kommende § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II gebe den Beziehern von Arbeitslosengeld II, die
freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert seien, für die Dauer des
Leistungsbezug einen Anspruch auf Übernahme des Beitrags in voller Höhe. Diese
Vorschrift sehe also anders als die Parallelvorschrift für die Privatversicherten, nämlich § 26
Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 12 Abs. 1c Satz 6 Halbsatz 2 VAG, gerade keine
summenmäßige Begrenzung der Beitragsübernahme vor. Ein sachlicher Grund für diese
Differenzierung sei nicht ersichtlich. Auch eine planwidrige Regelungslücke sei gegeben.
Dies sei immer dann der Fall, wenn bei vergleichbarer Interessenlage die gesetzliche
Regelung unvollständig sei. Es gebe keinen sachlichen Grund für die Differenzierung
zwischen Privatversicherten und gesetzlich Versicherten im dargelegten Sinne. Insoweit sei
das Gesetz unvollständig. Diese Regelungslücke sei auch planwidrig. Zu Recht weise der
Kläger darauf hin, dass es die Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, jedem Bezieher von
Arbeitslosengeld II einen kostenfreien Zugang zur Krankenversicherung zu gewähren, um
das Existenzminimum zu gewährleisten. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1a SGB V seien nämlich
lediglich diejenigen Bezieher von Arbeitslosengeld II von der gesetzlichen
Versicherungspflicht ausgenommen, die auf ihren Antrag hin, also mit ihrem ausdrücklichen
Willen, von der Versicherungspflicht befreit seien. Für diese Personen sei der Zuschuss zur
privaten Krankenversicherung gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 SGB II alter Fassung auf die Höhe
des Beitrags begrenzt, der ohne die Befreiung von der Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen gewesen wäre. Diese Ungleichbehandlung sei
aber auf deren eigenen Willen zurückzuführen und demnach von sachlichen Gründen
getragen gewesen. Dies gelte nicht für die Leistungsbezieher, die seit dem 01. Januar
2009 der Regelung des § 5 Abs. 5a SGB V unterfallen würden. Diese Personen seien nicht
auf ihren Antrag und damit auf eigenen Willen hin von der Versicherungspflicht
ausgeschlossen, sondern kraft Gesetzes. Somit bestünden keine sachlichen Gründe, um
zwischen den Privatversicherten und freiwillig Versicherten zu differenzieren. Das Gericht
habe keinen Zweifel daran, dass der Gesetzgeber bei Erkennen der vorstehend erörterten
Regelungslücke die Übernahme der Beiträge von Beziehern von Arbeitslosengeld II, die bei
einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert seien, mutmaßlich ähnlich
geregelt hätte wie bei Beziehern von Arbeitslosengeld II, die freiwillig in der gesetzlichen
Krankenversicherung versichert seien. Hinsichtlich der Beiträge zur privaten
Krankenpflegeversicherung komme § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB II zum Tragen. Hiernach
würden für die Dauer des Leistungsbezuges die Aufwendungen für eine angemessene
private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang übernommen werden. Unter
Bezugnahme auf das bereits Dargelegte sei der volle Beitrag zur privaten
Pflegeversicherung notwendig und somit zu berücksichtigen.
Das SG für das Saarland hat die Berufung ausdrücklich zugelassen. In Ausführung des
erstinstanzlichen Urteils hat die Beklagte den Bescheid vom 01. Oktober 2009 erlassen.
Danach wurden für die Zeit vom 26. Januar 2009 bis zum 31. Januar 2009 Leistungen in
Höhe von 106,44 Euro und für die Zeit vom 01. Februar bis zum 30. Juni 2009 in Höhe von
monatlich 802,16 Euro bewilligt. Bei dem Bescheid handelt es sich wiederum um einen
vorläufigen Bescheid und es ist weiterhin eine Anrechnung eines Einkommens in Höhe von
54,00 Euro in der Zeit vom 26. Januar bis zum 31. Januar 2009 erfolgt.
Gegen das der Beklagten am 10. November 2009 zugestellte Urteil hat sie am 08.
Dezember 2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor: Für die Übernahme von
Krankenversicherungsbeiträgen von monatlich mehr als 129,54 Euro fehle es an einer
Rechtsgrundlage. Der Anspruch des Klägers auf Übernahme der Beiträge zur privaten
Krankenversicherung stütze sich auf § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 12 Abs. 1c Satz 6
2. Halbsatz VAG. Danach sei die Höhe des Zuschusses auf den Betrag begrenzt, der auch
für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu
tragen sei, und zwar gemäß § 232a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V auf monatlich 129,54 Euro.
Eine höhere Beitragstragung durch sie, die Beklagte, scheide aus. Eine analoge Anwendung
von § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II scheide aus, da der Gesetzgeber betreffend den hier zu
entscheidenden Sachverhalt eine Regelung in § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II getroffen habe, so
dass bereits keine planwidrige Regelungslücke vorliege. Eine Auslegung der Vorschrift des §
12 Abs. 1c Satz 6 2. Halbsatz VAG dahingehend, dass entsprechend der Rechtsfolge des §
26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II die tatsächlich anfallenden Beiträge in voller Höhe zu übernehmen
seien, scheitere am eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Eine verfassungskonforme
Erweiterung der gesetzlichen Regelung im Hinblick auf eine Gefährdung des
Existenzminimums bei Bedarfsunterdeckung sei nicht erforderlich. Denn das Ruhen des
Krankenversicherungsschutzes könne nicht festgestellt werden. In Fällen, in denen
Hilfebedürftigkeit nachgewiesen sei, ende das Ruhen des Leistungsanspruchs, sofern es vor
Eintritt der Hilfebedürftigkeit eingetreten sei, oder setze im Falle einer bereits zuvor
nachgewiesenen Hilfebedürftigkeit erst gar nicht ein. Dies ergebe sich aus § 193 Abs. 6
Satz 5 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Zwar verleite der Wortlaut dieser
Regelung dazu, sie lediglich auf die Fälle zu beschränken, in denen die Hilfebedürftigkeit erst
nach Eintritt des Ruhens entstanden sei. Es sei indes nichts dafür ersichtlich, dass der
Gesetzgeber die Behandlung von Leistungsempfängern danach habe differenzieren wollen,
zu welchem Zeitpunkt in Relation zu bestehenden Beitragsrückstände Hilfebedürftigkeit im
Sinne des SGB II eingetreten sei. Im Gegenteil dürfte eine solche Auslegung im Hinblick auf
das Gleichheitsgebot Bedenken begegnen. Bezüglich der Aufwendung zur privaten
Pflegeversicherung erkläre sie, die Beklagte, sich bereit, einen Zuschuss in Höhe der
tatsächlich angefallenen Beiträge zur privaten Pflegeversicherung in Höhe von monatlich
17,89 Euro zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
1. das Urteil des SG für das Saarland vom 20. Juli 2009 aufzuheben,
2. die Klage, soweit sie noch anhängig ist, abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, er schließe sich den Rechtsausführungen des SG für das
Saarland im angefochtenen Urteil an. Das private Krankenversicherungsunternehmen
werde nach § 193 Abs. 6 VVG im Falle von zweimonatigen Beitragsrückständen
leistungsfrei. Das Ruhen ende erst, wenn die Rückstände beglichen worden seien. Die Hilfe
des Staates müsse die Mindestvoraussetzungen für menschenwürdiges Dasein
sicherstellen. Aus dem Grundgesetz folge ein Anspruch auf Gewährung eines
Existenzminimums. Damit sei keinesfalls vereinbar, dass durch den Bezug von
Grundsicherungsleistungen in Folge einer gesetzlich vorgegebenen Bedarfsunterdeckung
monatlich Schulden anfallen würden. Der Gesetzesbegründung sei mit keinem Wort zu
entnehmen, dass dem Gesetzgeber die Folgen des Ausschlusses der Privatversicherten
aus der gesetzlichen Krankenversicherung durch den Arbeitslosengeld II-Bezug und die neue
Regelung des § 26 Abs. 2 SGB II mit der Beschränkung des Zuschusses auf den Beitrag in
der gesetzlichen Krankenversicherung vor Augen gestanden habe. Für diese Sichtweise
spreche auch der Zweck und die systematische Stellung des § 12 VAG. Dieser regele das
Verhältnis zwischen privater Krankenversicherung und potenziellen Versicherungsnehmern.
Normzweck sei nicht, das Rechtsverhältnis zwischen Beziehern von Sozialleistungen und
den Sozialleistungsbehörden zu regeln. Dies sei Aufgabe des SGB II bzw. SGB XII. Dieser
Argumentation treffe nicht nur für den Bereich der Sozialhilfe zu, wo die Regelungen des
SGB XII keine direkte Anknüpfung an § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG vorsehen würden,
sondern sei auch im Rahmen der Anwendung von § 26 SGB II zu beachten. Es gehe aus
der Gesetzesbegründung hervor, dass die Verweisung auf § 12 VAG lediglich der
Anwenderfreundlichkeit und Rechtsklarheit habe dienen sollen. Eine Aufklärung des
Wertungswiderspruchs, dass einerseits mit der Einführung eines Basistarifs ein
Versicherungsbedarf geschaffen werde, um der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht
Rechnung zu tragen, aber andererseits dessen Kosten von Grundsicherungsträgern nicht
übernommen würden, gehe daraus nicht hervor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beiden beigezogenen Bände der Verwaltungsakte der Beklagten
Bezug genommen. Der Inhalt der Beiakten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist aufgrund der Zulassung durch das SG für das Saarland gemäß § 144
Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Aufgrund der Rücknahme der Klage bereits vor dem
SG für das Saarland bezüglich der zunächst geltend gemachten höheren Stromkosten
sowie aufgrund des allein auf die Übernahme der Beiträge zur Krankenversicherung
beschränkten Klageantrags (§ 123 SGG) lag der Entscheidung des SG für das Saarland
nämlich lediglich ein geltend gemachter Anspruch auf Übernahme der monatlichen
Differenz von 77,95 Euro in der Zeit vom 26. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2009 zu
Grunde, womit die Berufungssumme von mehr als 750,00 Euro nicht erreicht wurde.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist im Nachgang dazu der Bescheid vom 16.
März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2009. Der
Ausführungsbescheid vom 01. Oktober 2009, mit dem allerdings die zunächst für endgültig
erklärte Bewilligung wieder in eine vorläufige Bewilligung umgewandelt wurde und auch
weiterhin ein Einkommen von 54,00 Euro in der Zeit vom 26. Januar bis 31. Januar 2009
angerechnet wird, enthält für die hier streitige Frage der Übernahmefähigkeit der
Krankenversicherungsbeiträge keinen eigenständigen Regelungscharakter.
Die anschließenden Bewilligungsbescheide für die Folgezeit sind nicht nach § 96 SGG in das
vorliegende Verfahren einzubeziehen. Denn die Klage gegen Folgebescheide setzt in
Anwendung des § 99 Abs. 1 SGG (Klageänderung) grundsätzlich ein Vorverfahren voraus.
Der Anwendung des § 99 SGG liegt die gerechtfertigte Annahme zu Grunde, dass im
Rahmen des SGB XII die Rechtsprechung des BSG zum Arbeitsförderungsrecht zur
analogen Anwendung des § 96 SGG auf Bescheide, die im Rahmen eines
Dauerrechtsverhältnisses nachfolgende Bewilligungszeiträume – mit Ausnahme der
Arbeitslosenhilfe – betreffen, nicht übertragbar ist. Die für die Rechtsprechung zum SGB III
herangezogenen Gesichtspunkte der Prozessökonomie überzeugen im Rahmen des SGB II
ebenso wenig wie im Rahmen des SGB XII. Die Leistungen des SGB II werden regelmäßig
für kürzere Zeiträume bewilligt als nach dem SGB III. Zudem müssen die Leistungsträger
des SGB II nicht nur Änderungen bei der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen
Rechnung tragen, sondern sie müssen diese auch bei der Ermittlung des normativen
Bedarfs beachten, sodass Folgebescheide häufiger als im Arbeitsförderungsrecht neue,
gegenüber dem Ausgangsbescheid besondere Tat- und Rechtsfragen aufwerfen. Schließlich
ergehen im Rahmen des SGB II die Bewilligungsbescheide häufig nicht nur für eine einzige
Person, sondern für mehrere Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft. Unter Berücksichtigung
all dieser besonderen Umstände ist eine analoge Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG auf
Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume im Rahmen des SGB II grundsätzlich nicht
gerechtfertigt. Wenn sich der Kläger allerdings gegen einen Bescheid wehrt, mit dem die
Leistung ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt worden ist, ist Gegenstand des gerichtlichen
Verfahrens - je nach Klageantrag - die gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit. Hat
der Kläger zwischenzeitlich einen neuen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt
und ist dieser Antrag wiederum abschlägig beschieden worden, ist diese (erneute)
Ablehnung in unmittelbarer Anwendung des § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens
geworden; denn diese Ablehnung ersetzt für den späteren Zeitraum den früheren
Ablehnungsbescheid (Bundessozialgericht , Urteil vom 07. November 2006, Az. B
7b AS 14/06 R, veröffentlicht unter www.juris.de).
Mit Annahme des Anerkenntnisses betreffend die Beiträge zur privaten Pflegeversicherung
war der Rechtsstreit auch diesbezüglich erledigt (§ 101 Abs. 2 SGG).
Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt. Bereits mit am 08. Dezember
2009 per Fax eingegangen Schriftsatz der Beklagten vom 08. Dezember 2009 hat diese
gegen das ihr am 10. November 2009 zugestellte Urteil innerhalb der maßgelblichen
Monatsfrist Berufung eingelegt.
II.
Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet. Das SG für das Saarland hat zu
Recht der Klage stattgegeben. Der angefochtene Bescheid (§§ 95, 96 SGG) beschwert
den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, da der Bescheid rechtswidrig ist. Denn
ihm steht ein Anspruch auf Übernahme seiner Beiträge zur privaten Krankenversicherung in
voller Höhe zu. Dahingehend ist § 26 Abs. 2 SGB II verfassungskonform auszulegen.
Im vorliegenden Fall existiert zwar mit § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der ab dem 01.
Januar 2009 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der
gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom
26. März 2007 ) eine nach dem Wortlaut einschlägige Regelung zur
Übernahme von Beiträgen zu einer privaten Krankenversicherung. Ihre wortgetreue
Anwendung würde aber zu einer systemwidrigen Belastung des Klägers mit einem Teil
seiner Beiträge führen. Nach der gesetzlichen Konzeption des SGB II sollen Bezieher von
Arbeitslosengeld II umfassenden Krankenversicherungsschutz genießen, ohne gegen ihren
Willen mit Beiträgen belastet zu sein. Bis zum 31. Dezember 2008 waren Bezieher von
Arbeitslosengeld II gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V generell in der gesetzlichen
Krankenversicherung pflichtversichert. Den pflichtversicherten Beziehern von
Arbeitslosengeld II stehen die Leistungen nach dem SGB V in vollem Umfang zu, ohne dass
sie selbst Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen. Denn gemäß § 251 Abs. 4 SGB V
trägt der Bund deren Beiträge. Von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Krankenversicherung ausgenommen waren bis zum 31. Dezember 2008 lediglich
diejenigen Bezieher von Arbeitslosengeld II, die auf ihren Antrag hin, also mit ihrem
ausdrücklichen Willen, von der Versicherungspflicht befreit waren. Diese Personen erhielten
gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 21. März 2005 (BGBl.
I, Seite 818) vom zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende einen
Zuschuss zu den Beiträgen, die sie für eine private Krankenversicherung zahlten. Zwar war
dieser Zuschuss auf die Höhe des Beitrags begrenzt, der ohne die Befreiung von der
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen gewesen wäre, er
deckte also nicht zwingend den gesamten Beitrag für die private Krankenversicherung ab.
Dies war aber im Ergebnis unproblematisch. Denn eine etwaige Differenz zwischen dem
Zuschuss und dem Beitrag basierte stets auf der eigenen willentlichen Entscheidung des
Hilfebedürftigen, sich von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung
befreien zu lassen. Praktisch dürften von der Möglichkeit einer Befreiung nur diejenigen
Bezieher von Arbeitslosengeld II Gebrauch gemacht haben, deren Beitrag für die private
Krankenversicherung unter oder jedenfalls nur geringfügig über der Grenze des § 26 Abs. 2
Satz 2 SGB II lag.
Seit dem 01. Januar 2009 sind nun gemäß § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V bestimmte Bezieher
von Arbeitslosengeld II von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Krankenversicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V ausgeschlossen, unabhängig davon, ob
dies ihrem Willen entspricht. Betroffen ist, wer unmittelbar vor dem Bezug von
Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat
krankenversichert war und zu den in § 5 Abs. 5 SGB V oder den in § 6 Abs. 1 und 2 SGB V
genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört
hätte. Nur bei Personen, die bereits am 31. Dezember 2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V
wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II versicherungspflichtig waren, setzt sich aus
Gründen des Vertrauensschutzes die Pflichtversicherung für die Dauer der Hilfebedürftigkeit
fort (vgl. § 5 Abs. 5a Satz 2 SGB V in der Fassung des GKV-WSG). Danach war der Kläger
nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtig. Denn unmittelbar vor dem
Bezug von Arbeitslosengeld II, der am 26. Januar 2009 begann, also erst nach dem 31.
Dezember 2008, war er bereits privat krankenversichert. Es bestehen auch keine
Anhaltspunkte für eine Familienversicherung nach § 10 SGB V.
Nach der Begründung des Gesetzgebers handelt es sich bei dieser Regelung um eine
Folgeänderung zur Neuordnung des Verhältnisses von gesetzlichen und privaten
Krankenversicherungen. Da die privaten Krankenversicherungen künftig einen bezahlbaren
Basistarif im Umfang des Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenversicherung für
Personen anlegen müssen, die privat krankenversichert sind oder sein können, erscheint es
nicht länger erforderlich, diese Bezieher von Arbeitslosengeld II in die Versicherungspflicht
der gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehen. Der Gesetzesbegründung ist indes
kein Hinweise darauf zu entnehmen, der Gesetzgeber habe, abweichend von der bis zum
31. Dezember 2008 geltenden Rechtslage, privat krankenversicherte Bezieher von
Arbeitslosengeld II nun gegen ihren Willen mit einen Teil der Krankenversicherungsbeiträge
belasten wollen. Vielmehr sollte sichergestellt bleiben, dass die Betroffenen finanziell nicht
überfordert werden. Dies erschien dem Gesetzgeber offenbar in der Annahme der
Bezahlbarkeit des Basistarifs gewährleistet. Der in § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II neu
geregelten Verweisung auf § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG maß der Gesetzgeber
anscheinend keine materiell-begrenzende, sondern nur eine formal-technische Bedeutung
bei. Denn er rechtfertigt sie allein mit Gründen der Rechtsklarheit und mit
Anwenderfreundlichkeit (SG Karlsruhe, Urteil vom 10. August 2009, Az. S 5 AS 2121/09,
veröffentlicht unter www.juris.de, mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien).
Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die aufgezeigte Beitragslücke als Problem jedenfalls
bereits gesehen und auch angesprochen hat (vgl. BT - Drucksache 16/13965 Seite 25 und
26). So wurde im August 2009 durch einen Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen folgende Frage gestellt: ,,Wie viele Personen, die seit dem 01. Januar 2009
Arbeitslosengeld II beantragt und bezogen haben und privat krankenversichert sind, fallen
unter die Regelung des neuen § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB II, der nur einen Zuschuss des
Trägers der Grundsicherung in Höhe der Leistungen für hilfebedürftige gesetzlich
Versicherte für den eigenen und gegebenenfalls den Beitrag von ebenfalls privat
versicherten Familienmitgliedern zur privaten Krankenversicherung (PKV) vorsieht, und mit
welchen Mitteln empfiehlt die Bundesregierung diesen Menschen, diese Lücke zu schließen,
insbesondere in Anbetracht des Umstandes, dass die wenigsten Betroffenen über ein
ausreichendes Einkommen verfügen, über das sie die Differenz absetzen könnten?’’
In der Antwort der Bundesregierung vom 24. August 2009 heißt es dann unter anderem
wörtlich: ,,Die angesprochene Lücke tritt nur in den Fällen auf, in denen unabhängig von der
Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II besteht… Eine
gesetzliche Neuregelung zu Behebung der beschriebenen Regelungslücke ist in dieser
Legislaturperiode nicht mehr möglich’’ (vgl. auch Landessozialgericht Nordrhein-
Westfalen, Beschluss vom 19. November 2009, Az. L 7 B 334/09 AS).
Bei wortgetreuer Anwendung der seit dem 01. Januar 2009 geltenden gesetzlichen
Regelung würde die vom Gesetzgeber eigentlich bezweckte Rechtsfolge in vorliegendem
Fall verfehlt. Denn ohne dass der Kläger dies wollte, müsste er einen Teil seines
Krankenversicherungsbeitrages selbst tragen. Vom ausdrücklichen Wortlaut des § 26 Abs.
2 Satz 1 Nr. 1 SGB II her hätte die Beklagte nur einen monatlichen Zuschuss in Höhe von
129,54 Euro zu leisten. Nach dieser Vorschrift gilt für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die,
wie der Kläger, in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig und
nicht familienversichert und die für den Fall der Krankheit bei einem privaten
Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG.
Gemäß dem hier maßgeblichen § 12 Abs. 1c Satz 6 Halbsatz 2 VAG zahlt der zuständige
Träger den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen
Krankenversicherung zu tragen ist. In der gesetzlichen Krankenversicherung gelten als
beitragspflichtige Einnahmen bei Personen, die Arbeitslosengeld II beziehen, der 30. Teil des
0,345-fachen der monatlichen Bezugsgröße (§ 232a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V), im
streitigen Zeitraum mithin monatlich 869,40 Euro. Der maßgebliche Beitragssatz betrug
14,9 % (§ 246 i. V. m. § 243 SGB V und § 2 GKV-WSV vom 29. Oktober 2008). Hieraus
ergäbe sich ein Zuschuss in Höhe von nur 129,54 Euro, also in der von der Beklagten
festgesetzten Höhe, so dass sich eben eine Lücke von fast 80,00 Euro ergäbe.
Es ist auch keine anderweitige Rechtsgrundlage ersichtlich, aus der sich der vom Kläger
begehrte Anspruch und somit eine Schließung der Lücke ergeben könnte. Da der Kläger im
streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
bezog, kann sein Anspruch aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes aus § 5 Abs. 2 Satz 1
SGB II auch nicht auf § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB XII gestützt werden. Ein Anspruch aus § 73
Satz 1 SGB XII, der grundsätzlich anwendbar ist, scheidet ebenso aus, da dieser nur in
atypischen Bedarfslagen in Betracht kommt, die nicht bereits durch andere Vorschriften
des SGB XII erfasst sind, was hier mit § 32 SGB XII aber gerade der Fall ist.
Der Kläger hat auch keine zumutbare Möglichkeit, die Lücke zwischen der Höhe seines
Krankenversicherungsbeitrages und des Zuschussteils der Beklagten selbst zu schließen.
Eine weitere Reduzierung seines Krankenversicherungsbeitrages war ausgeschlossen.
Ausweislich der dargestellten Zahlen lag er mit seinem Beitrag bereits deutlich unter der
Hälfte des Basistarifs. Dem Kläger war es auch nicht möglich, den ungedeckten Teil seines
Beitrags zur privaten Krankenversicherung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a SGB II vom
Einkommen abzusetzen. Dem streitigen Zeitraum verfügte er über kein Einkommen. Zwar
verkennt der Senat nicht, dass die Abtretung seiner Honoraransprüche an Gläubiger der
Anrechnung von Einnahmen nicht entgegensteht, da die Begleichung von Schulden
nachrangig zum Einsatz des Einkommens zur Bestreitung des Lebensunterhalts ist. Es ist
vorliegend jedoch auch nicht ersichtlich, dass irgendwelche Einnahmen geflossen sind.
Der Kläger ist auch nicht verpflichtet, die Differenz zwischen der Höhe seines
Krankenversicherungsbeitrags und des Zuschusses der Beklagten aus der ihm bewilligten
Regelleistung zu begleichen. Gemäß § 20 Abs. 1 SGB II umfasst die Regelleistung zur
Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat,
Haushaltsenergie, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch
Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Auch Aufwendungen
für die Gesundheitspflege muss der Hilfebedürftige mit der Regelleistung bestreiten,
allerdings nur im begrenzten Umfang. Der Regelleistung zugerechnet werden im
Wesentlichen diejenigen Aufwendungen, die ein Versicherter nach dem SGB V regelmäßig
selbst tragen muss, also z. B. Kosten für Praxisgebühr, Zuzahlungen und nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel. Nicht von der Regelleistung umfasst sind hingegen die
Aufwendungen für die Krankenversicherungsbeiträge. Für die Übernahme dieser
Aufwendungen hat der Gesetzgeber mit § 26 Abs. 2 SGB II und § 251 Abs. 4 SGB V
eigenständige Rechtsgrundlagen vorgesehen.
Ein Verzicht des Klägers auf seinen Krankenversicherungsschutz kommt nicht in Betracht.
Denn zum einen ist es eine ausreichende medizinische Versorgung Teil des von Art. 1 Abs.
1 und Art. 20 Abs. 1 GG geschützten Existenzminimums. Zum anderen ist der Kläger
gemäß § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG verpflichtet, eine Krankheitskostenversicherung
abzuschließen und aufrecht zu erhalten. Hätte der Gesetzgeber die Regelungslücke
erkannt, hätte er an die Übernahme der Beiträge von Beziehern von Arbeitslosengeld II, die
bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, mutmaßlich ähnlich
geregelt wie bei Beziehern von Arbeitslosengeld II, die freiwillig in der gesetzlichen
Krankenversicherung versichert sind. Denn die Interessenlage ist bei beiden
Personengruppen gleich, eine Ungleichbehandlung somit verfassungswidrig.
Ein Ergebnis, wonach der Kläger aus seiner Regelleistung monatlich fast 80,00 Euro für
seinen Krankenversicherungsschutz zuschießen müsste, würde ihn in verfassungswidriger
Weise belasten. Die Vorschrift des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II bedarf daher in der
Zusammenschau mit § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II einer – hier ohne Weiteres
möglichen – verfassungskonformen Auslegung.
Denn eine gesetzliche Vorschrift ist nicht verfassungswidrig, wenn eine Auslegung möglich
ist, die im Einklang mit dem GG steht, und die Vorschrift bei dieser Auslegung sinnvoll bleibt
(Bundesverfassungsgericht , Urteil vom 09. Februar 1982, Az. 1 BvR 845/79,
veröffentlicht unter www.juris.de; vgl. insgesamt zur Problematik SG Karlsruhe, aaO, wobei
allerdings in dieser Entscheidung von einer analogen Anwendbarkeit von § 26 Abs. 2 Nr. 2
Halbsatz 1 ausgegangen wird). Im Hinblick auf die hier im Zusammenhang mit der
Regelung in § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II mögliche Auslegung bedurfte es
keines Analogieschlusses zu den Regelungen in § 26 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Die Analogie ist
die Übertragung der für einen oder mehrere Tatbestände im Gesetz vorgesehenen
Regelungen auf einen anderen, aber rechtsähnlichen Tatbestand. Sie überschreitet die
Grenze des möglichen Wortsinns, die für die eigentliche Auslegung grundsätzliche eine
Schranke darstellt (vgl. Heinrichs in Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch,
63. Auflage 2004, Einleitung, RN 58). Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass solange eine
Auslegung – wie hier – möglich ist, dieser der Vorrang vor der Analogie zu geben ist.
Eine solche verfassungskonforme Auslegung hat sich zu orientieren am Regelungszweck
des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II.
Nach dieser Vorschrift wird für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die freiwillig in der
gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, für die Dauer des Leistungsbezugs der
Beitrag übernommen. Anders als § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 12 Abs. 1c Satz
5 und 6 VAG sieht § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II also keine betragsmäßige Begrenzung
der Beitragsübernahme vor. Ein sachlicher Grund für diese Differenzierung ist indes nicht
ersichtlich. Vielmehr ist die Interessenlage von privat Krankenversicherten und freiwillig
gesetzlich Krankenversicherten Beziehern von Arbeitslosengeld II identisch. Beide
Personengruppen müssen mangels Versicherungspflicht oder Familienversicherung in der
gesetzlichen Krankenversicherung selbst für den Fall der Krankheit vorsorgen. Angesichts
dessen erscheint es möglich und geboten, die nach ihrem Wortlaut auf freiwillig Versicherte
in der gesetzlichen Krankenversicherung zugeschnittene Vorschrift des § 26 Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 SGB II zusammen mit § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II hier entsprechend auszulegen
und auf diese Weise der Regelungsabsicht des Gesetzgebers (Krankenversicherungsschutz
der Bezieher von Arbeitslosengeld II ohne Beitragstragung) gerecht zu werden (SG
Karlsruhe, aaO). Die Hilfe des Staates muss die Mindestvoraussetzung für ein
menschenwürdiges Dasein sicherstellen. Im Übrigen beinhaltet das Sozialstaatsgebot auch
die Schaffung sozialer Sicherungssysteme gegen die Wechselfälle des Lebens wie die
Krankenversicherung. Aus diesen Vorgaben folgt, dass im Rahmen des Existenzminimums
auch Fürsorge für den Fall von Krankheit im Umfang einer die grundlegenden Bedürfnisse
abdeckenden Minimalversorgung beinhaltet. Des Weiteren ist zu beachten, dass
Grundsicherungsleistungen zumindest so beschaffen sein müssen, dass der gesetzlich
festgelegte Hilfebedarf gedeckt ist. Keinesfalls ist damit jedoch vereinbar, dass durch den
Bezug von Grundsicherungsleistungen in Folge einer gesetzlich vorgegebenen
Bedarfsunterdeckung monatlich Schulden anfallen (SG Stuttgart, Beschluss vom 13.
August 2009, Az: S 9 AS 5003/09 ER, veröffentlicht unter www.juris.de).
Auch ist zu berücksichtigen, dass andernfalls ein Wertungswiderspruch zu der Regelung in
SGB XII auftreten würde. Eine Ungleichbehandlung zwischen Sozialhilfeempfängern und
Leistungsempfängern der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist vorliegend jedoch nicht
gerechtfertigt.
Der Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, wonach in Fällen der vorliegenden Art
allein die Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II mit der Folge der Verneinung eines
Anspruchs des Klägers im wörtlichen Sinn anzuwenden ist, kann, auch soweit sie sich
gegen eine analoge Anwendung richtet, nicht gefolgt werden. Diese Ansicht stellt im
Rahmen der Erwägung einer analogen Anwendung von § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1
SGB II darauf ab, dass eine planwidrige Lücke im Regelungsgefüge des § 26 SGB II i. V. m.
§ 12 VAG nicht zu erkennen sei. Dies folge aus dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens
und der nachfolgenden Debatte zur Beitragslücke. Daraus lasse sich entnehmen, dass die
Lücke zwar gesehen, aber mangels Einigung, wie diese Problematik geregelt werden solle,
im System der privaten Krankenversicherung (PKV) oder zu Lasten der Allgemeinheit, nicht
geschlossen worden sei. Der Staat erfülle seinen Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 20 GG
hier ausreichend dadurch, dass er den privaten Versicherungsunternehmen in § 193 VVG
die Pflicht auferlege, hilfebedürftigen Versicherten auch dann vollen Versicherungsschutz zu
gewähren, wenn sie die PKV-Beiträge nur in Höhe des nach § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II
gewährten Zuschusses entrichteten. Würden die Versicherten in den Basistarif wechseln,
worauf sie einen Anspruch hätten, seien die Kassenärztlichen Vereinigungen und die
Kassenärztlichen Bundesvereinigung nach § 75 Abs. 3a Satz 1 SGB V zur Sicherstellung
der Behandlung verpflichtet, im Gegenzug würden die Leistungserbringer (Ärzte und
Krankenhäuser) nach § 192 Abs. 7 VVG einen Vergütungsanspruch erlangen, den sie direkt
gegen das Versicherungsunternehmen geltend machen könnten. Der im Basistarif
Versicherte sei also nicht zwingend auf das Kostenerstattungsverfahren angewiesen,
womit eine unzulässige Aufrechnung auf die Beitragsansprüche mit Erstattungsansprüchen
von vorneherein ausscheide. Im Übrigen sei eine solche Aufrechnung auch im Normaltarif
eine unzulässige Umgehung der Schutzregelung aus § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG. Die
Anhäufung von Beitragsschulden in Folge der nur teilweisen Beitragsübernahme führe nach
Überwindung der Hilfebedürftigkeit nicht zum Wegfall des KV-Schutzes in
existenzgefährdendem, sprich verfassungswidrigem Umfang. Denn trotz Ruhens des
Versicherungsvertrages erhalte der unkündbar Versicherte die zur Beseitigung von
Schmerzen und die zur Heilung von Krankheit erforderlichen Behandlungen. Der Blick auf
die Rechtsprechung zu § 4 Asylbewerberleistungsgesetz, sofern sie auf dauerhaft
Bleibeberechtigte überhaupt übertragbar sei, zeige, dass der Umfang der
Notfallbehandlung im ruhenden Versicherungsvertrag nicht zu eng ausgelegt werden dürfe.
Selbst wenn man also der Auffassung folgen sollte, dass der Schutz des § 193 Abs. 6 Satz
5 VVG nicht greife, wenn die Beitragsschulden Ausdruck der Hilfebedürftigkeit seien, die
Hilfebedürftigkeit also nicht erst während des Ruhens eintrete, erhielte der
beitragszahlende Hilfebedürftige Krankenversicherungsschutz in einem das
Existenzminimum wahrenden Umfang (SG Berlin, Urteil vom 27. November 2009, Az. S
37 AS 31127/09, veröffentlicht unter www.juris.de; SG Dresden, Beschluss vom 18.
September 2009, Az. S 29 AS 4051/09 ER, ebenfalls veröffentlicht unter www.juris.de;
Klerks Uwe, Der Beitrag für die private Krankenversicherung im Basistarif bei
hilfebedürftigen Versicherungsnehmern nach dem SGB II und dem SGB XII in info also
2009, Heft 4, Seite 153/157).
Diese Auffassung übergeht in nicht tragbarer Weise, dass ein Hilfebedürftiger zwingend in
eine von ihm nicht abwendbare Überschuldung gerät. Aufgrund der dargelegten Argumente
kann sich der Senat dieser Auffassung nicht anschließen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Zulassung der Revision folgt aus § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, da die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat. Die Klärung der streitgegenständlichen Frage über den zu
entscheidenden Einzelfall hinaus ist aus Gründen der Rechtseinheit im allgemeinen
Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und ist auch durch das BSG zu erwarten
(Klärungsfähigkeit; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 09.
Auflage 2008, § 160, RN 6). Bislang ist die Frage der Übernahmefähigkeit der Beiträge zur
privaten Krankenversicherung in voller Höhe wie im vorliegenden Fall nicht geklärt, wobei
die Klärung im Hinblick auf ihre soziale Tragweite auch im allgemeinen Interesse liegt
(Leitherer, aaO, § 160, RN 8).