Urteil des LSG Saarland vom 04.12.2008

LSG Saarbrücken: wiederkehrende leistung, schiedsspruch, schiedsstelle, geldleistung, pflegeheim, klagerücknahme, auflage, abhängigkeitsverhältnis, öffentlich, niedersachsen

LSG Saarbrücken Beschluß vom 4.12.2008, L 11 B 8/08 SO
Sozialgerichtliches Verfahren - Streitwertfestsetzung - Streitigkeiten bezüglich des
Abschlusses von Vereinbarungen iSd §§ 75ff SGB 12
Leitsätze
1. Für die Streitwertfestsetzung ist § 52 Abs 1 GKG maßgeblich, wenn in einem Streit über
die Höhe der Investitionskosten (Abschluss einer Vereinbarung iSd §§ 75 ff SGB X II) keine
bezifferte Geldleistung geltend gemacht wird, diese jedoch bestimmbar ist.
2. Der Streitwert richtet sich nach der Begehr des Klägers, so dass maßgeblich die
Differenz zwischen dem klägerischen Begehren und dem mit der Klage angefochtenen
Schiedsspruch ist.
3. Bei der Streitwertberechnung sind dabei die Pflegeplätze maßgeblich, die mit Personen
belegt sind, für die der Kläger als Sozialhilfeträger eintrittspflichtig ist.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers vom 22.07.2008 wird der Beschluss des Sozialgerichts für
das Saarland (SG) vom 14.07.2008 abgeändert und der Streitwert für das Klageverfahren
festgesetzt auf 25.960,08 EUR. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten nach erfolgter Klagerücknahme noch um den Streitwert.
Die Beklagte betreibt in H.-E. das Seniorenheim S.A., das als Pflegeeinrichtung zugelassen
ist.
Nachdem Verhandlungen der Beteiligten über den Abschluss einer Vereinbarung über die
Vergütung für die vollstationäre Betreuung/Pflege nicht erfolgreich waren, setzte der Kläger
den Investitionsbetrag für das Seniorenheim S.A. auf 9,20 EUR pro Bett fest. Hiergegen rief
die Beklagte, vertreten durch die jetzigen Prozessbevollmächtigten, die Schiedsstelle
Saarland (§ 80 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch -SGB XII -) an, die am 05.11.2007 in ihrem
Schiedsspruch den Investitionsbetrag für das Seniorenheim S.A. ab 30.05.2007
(Antragseingang bei der Schiedsstelle) auf 15,93 EUR täglich je Pflegeplatz im
Zweibettzimmer und auf 19,06 EUR täglich je Pflegeplatz im Einbettzimmer festsetzte.
Gegen den Schiedsspruch hat der Kläger am 06.12.2007 Klage beim Sozialgericht für das
Saarland (SG) erhoben und ohne Sachvortrag beantragt,
1. die Entscheidung der Schiedsstelle Saarland (§ 80 SGB XII)
aufzuheben,
2. die Beklagte zu verpflichten, mit dem Kläger einen
Investitionsbetrag (§ 76 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) zu vereinbaren, der
bis 30.06.2007 9,20 EUR und ab 01.07.2007 10,07 EUR täglich je
Pflegeplatz im Zweibettzimmer sowie 16,78 EUR täglich im
Einbettzimmer beträgt.
Mit Schriftsatz vom 11.01.2008 hat der Kläger die Klage zurückgenommen.
Die Beklagte hat daraufhin beantragt, dem Kläger die Kosten aufzuerlegen und den
Streitwert gem. § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 42 Abs. 3 Gerichtskostengesetz
(GKG) auf 600.220,60 EUR festzusetzen. Zur Begründung hat sie vorgetragen, es seien
54 Vollzeitpflegeplätze vorhanden, wobei 20 Plätze auf ein 2-Bett-Zimmer und 34 Plätze
auf ein Einzelzimmer entfallen würden. Aufgrund der durch die Schiedsstelle
zugesprochenen höheren täglichen Beträge von 6,73 EUR für ein 2-Bett-Zimmer (15,93
EUR - 9,20 EUR) und 9,86 EUR für ein 1-Bett-Zimmer (19,06 EUR - 9,20 EUR) ergebe sich
ein täglicher Investitionsbetrag iHv 469,84 EUR, der mit 365 Tagen (= 171.491,60 EUR)
und dann weiterhin „gem. § 42 Abs. 3 GKG mit 3,5“ zu multiplizieren sei, was den
angegebenen Streitwert ergebe.
Der Kläger hat hiergegen eingewandt, der Streitwert sei nach § 53 GKG zu berechnen.
Dabei sei Streitgegenstand nur diejenigen Vollzeitpflegesätze, die mit
Sozialhilfeempfängern, für die er zuständig sei, belegt seien, da nur für diesen
Personenkreis eine Vergütungsvereinbarung abgeschlossen werden könne. In dem
Zeitraum ab Antrag bei der Schiedsstelle (30.05.2007) bis zur Klagerücknahme hätten
sich 6 Leistungsempfänger in Vollzeitpflege, davon 4 Personen in einem Einzelzimmer und
2 Personen in einem Doppelzimmer, im Pflegeheim S.A. befunden. Daraus ergebe sich für
die Zeit vom 30.05. bis 30.06.2007 ein Betrag von 52,90 EUR (4 x 9,86 EUR + 2 x 5,86
EUR) und ab dem 01.07.2007 ein Betrag von 20,84 EUR (4 x 2,28 EUR + 2 x 5,86 EUR)
je Tag. Unter „Berücksichtigung des § 17 GKG“ sei dabei von einem Jahresbetrag
auszugehen, so dass allenfalls ein Streitwert von 8.653,36 EUR (32 Tage x 52,90 EUR =
1.692,80 EUR und 334 Tage x 20,84 EUR = 6.960,56 EUR) anzunehmen sei.
Mit Beschluss vom 14.07.2008 hat das SG dem Kläger gem. § 197a SGG iVm § 155 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Kosten auferlegt und entsprechend dem
Beklagtenvortrag den Streitwert gem. § 197a SGG iVm § 42 Abs. 3 GKG auf 600.220,60
EUR festgesetzt.
Gegen die Streitwertfestsetzung hat der Kläger unter Wiederholung seines
erstinstanzlichen Vorbringens am 25.07.2008 Beschwerde eingelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die nach § 68 Abs. 1 Sätze 1 und 3 in Verbindung mit § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG zulässige
Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss vom 14.07.2008 ist im
Umfang des Tenors begründet.
Für Verfahren vorliegender Art, die den Abschluss von Vereinbarungen iSd §§ 75 ff SGB XII
betreffen, gilt für die Streitwertfestsetzung § 197a SGG iVm §§ 1 Nr. 4, 52 Abs. 1 GKG
(LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 19.12.2006 - L 8 B 37/06 SO; LSG Baden-
Württemberg, Beschlüsse vom 13.11.2006 - L 7 SO 2998/06 ER-B und vom 13.07.2006 -
L 7 SO 1902/06 ER-B; Hessisches LSG, Beschluss vom 18.07.2006 - L 7 SO 7/06 ER). §
42 Abs. 3 GKG ist dagegen nicht anwendbar. Diese Vorschrift ist typischerweise für Fälle
gedacht, in denen ein Anspruch streitig ist, der eine dauernd gleichartige wiederkehrende
Leistung in einer abhängigen Stellung betrifft, wie z.B. bei Gehalts- und Versorgungs- oder
Hinterbliebenenansprüchen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage 2008, § 42 GKG,
Rndnrn 41 ff und § 52 GKG Rndnr. 5). Vorliegend geht es jedoch nicht um wiederkehrende
Ansprüche aus einem solchen abhängigen Verhältnis, sondern um den Abschluss einer
Vereinbarung iSd §§ 75 ff SGB XII, die einen öffentlich-rechtlichen Vertrag darstellt (vgl.
Grube/Warendorf, SGB XII, § 75 Rndnr. 25, mwN) und bei dem die Beteiligten - und hier
insbesondere auch der Kläger - nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis iSd § 42 Abs. 3 GKG
stehen. Nachdem der Kläger mit der vorliegenden Klage auch nicht eine bezifferte
Geldleistung, sondern auf Grundlage seines Vorschlags über die Höhe eines
Investitionskostenbetrags den Abschluß einer anderen Vereinbarung als den angefochtenen
Schiedsspruch begehrt und der Inhalt der abzuschließenden Vereinbarung nicht beziffert,
sondern nur bestimmbar ist, ist auch nicht § 52 Abs. 3 GKG einschlägig (vgl. Hartmann,
aaO, § 52 GKG, Rndnr. 20, mwN). Dementsprechend ist, da auch ansonsten „nichts
anderes bestimmt ist“, bei der Streitwertfestsetzung § 52 Abs. 1 GKG maßgeblich.
Der Streitwert bestimmt sich nach dieser Vorschrift nach der sich aus dem Antrag des
Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache. Maßgebend ist der vom Kläger
unmittelbar erstrebte Erfolg seiner Klage, ohne Berücksichtigung der Auswirkungen der
Entscheidung für die anderen Beteiligten (vgl. Hartmann, aaO, § 52 GKG, Rndnr. 8 und 10,
mwN). Der Kläger hat vorliegend, unter Aufhebung des Schiedsspruchs vom 05.11.2007,
den Abschluss einer neuen Vereinbarung mit der Beklagten ab dem 30.05.2007 dergestalt
begehrt, dass ein Investitionsbetrag bis 30.06.2007 von 9,20 EUR und ab 01.07.2007 von
10,07 EUR täglich je Pflegeplatz im Zweibettzimmer sowie 16,78 EUR täglich im
Einbettzimmer betragen sollte (vgl. Klageschrift vom 06.12.2007). Maßgeblich für die
Streitwertfestsetzung ist daher zunächst die Differenz zwischen dem klägerischen
Begehren und dem Schiedsspruch vom 05.11.2007. Diese Differenz beträgt im Zeitraum
vom 30.05.2007 bis 30.06.2007 6,73 EUR für die Belegung in einem 2-Bett-Zimmer
(15,93 EUR - 9,20 EUR) und 9,86 EUR für die Belegung in einem Einzelzimmer (19,06 EUR
- 9,20 EUR). Im Zeitraum ab dem 01.07.2007 beträgt die Differenz 5,86 EUR für die
Belegung in einem 2-Bett-Zimmer (15,93 EUR - 10,07 EUR) und 2,28 EUR für die
Belegung in einem Einzelzimmer (19,06 EUR - 16,78 EUR). Bei der Streitwertberechnung
sind dabei unter Berücksichtigung des klägerischen Begehrens nur die Pflegeplätze
maßgeblich, die mit Personen, belegt sind, für die der Kläger eintrittspflichtig ist, da nur
insoweit für ihn eine wirtschaftliche Bedeutung iSd § 52 Abs. 1 GKG bestand. Dies sind die
sich im Pflegeheim S.A. befindlichen 6 Sozialhilfeempfänger, und zwar 4 Personen in einem
Einzel- und 2 Personen in einem 2-Bett-Zimmer. Unter entsprechender Heranziehung des
Rechtsgedankens des § 42 Abs. 3 GKG ist dabei bei der Berechnung der Bedeutung des
Rechtsstreits für den Kläger von einem 3-Jahreszeitraum auszugehen, da Anhaltspunkte für
einen bestimmten Zeitraum, für den die streitige Vereinbarung gelten sollte, vorliegend
nicht gegeben sind, sondern die Vereinbarung „bis auf Weiteres“ gelten sollte.
Dies bedeutet, dass sich das wirtschaftliche Begehren des Klägers auf insgesamt
25.960,08 EUR beläuft [Jahresbetrag von 8.653,36 EUR {1.692,80 EUR vom 30.05.2007
bis 30.06.2007 (6,73 EUR x 2 Personen x 32 Tage und 9,86 x 4 Personen x 32 Tage)
sowie 6.960,56 EUR ab dem 01.07.2007 (5,86 x 2 Personen x 334 Tage und 2,28 EUR x
4 Personen x 334 Tage)} x 3 Jahre].
Das Beschwerderverfahren ist gebührenfrei, außergerichtliche Kosten sind nicht zu
erstatten (§ 68 Abs. 3 GKG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).