Urteil des LSG Saarland vom 28.07.2004

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LSG Saarbrücken Urteil vom 28.7.2004, L 2 KR 21/02
Krankenversicherung - stationäre oder teilstationäre Versorgung in Hospizen - Berechnung
der Zuschusshöhe - Berücksichtigung von Leistungen der Pflegeversicherung
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland
vom 01.07.2002 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 330,42 EURO (646,24 DM) zu zahlen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Erstattungsanspruch nach § 102 Abs. 1 des Zehnten
Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) wegen angeblich zu wenig geleisteter Zuschüsse der
Beklagten für einen stationären Hospizaufenthalt des Versicherten R. M. (künftig: M.).
M. war wegen einer Aids-Erkrankung im Endstadium in der Zeit vom 26.04.1999 bis zu
seinem Todestag am 19.05.1999 im P.-M.-Hospiz der Diakonie des Evangelischen
Krankenhauses in S. (künftig: Hospiz) untergebracht. Er wurde in Pflegestufe III eingestuft.
Mit Schreiben vom 27.04.1999 beantragte das Hospiz bei der Beklagten die anteilige
Kostenübernahme für M. Beigefügt war eine ärztliche Bescheinigung, nach der eine
stationäre Betreuung in einem Hospiz notwendig sei, weil eine Krankenhausbehandlung
dadurch nicht erforderlich werde und eine ambulante häusliche Krankenpflege nicht
durchgeführt werden könne. Mit Schreiben vom 30.06.1999 teilte der Kläger als
überörtlicher Träger der Sozialhilfe der Beklagten mit, dass das Hospiz die von der
Beklagten gemäß dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) bzw. § 39a des Fünften
Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht erbrachten Leistungen vorsorglich bei ihm, dem
Kläger, geltend gemacht habe. Er bitte um Mitteilung der Zahlungen nach § 39a SGB V.
Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, für die Zeit vom 01.05. bis 19.05.1999 habe
sie insgesamt (Krankenkasse und Pflegekasse) 5.850,40 DM erstattet. Die Beklagte fügte
eine Rechnung des Hospizes für den Monat Mai in Höhe von 5.850,40 DM bezüglich des
Aufenthaltes des M. bei.
Mit der Beklagten durchschriftlich bekannt gegebenem Schreiben vom 30.09.1999 an das
Hospiz machte der Kläger einen Erstattungsanspruch gemäß §§ 102 ff. SGB X geltend. Zur
Begründung trug er vor, nach der Vergütungsvereinbarung für stationäre Hospize gemäß §
39a SGB V i. V. m. § 85 SGB XI sei bei der von der Beklagten erbrachten Zahlung an das
Hospiz eine Verknüpfung der Leistungen gemäß § 43 SGB XI i. V. m. § 39a SGB V nicht
erkennbar. Seitens der Beklagten werde lediglich der Differenzbetrag bis zum 10. Tage der
Unterbringung analog der 75-%-Deckelung zu den Leistungen nach § 39a SGB V gezahlt,
sodass die Leistungen nach der Bezugsgröße 1999 "in Höhe von 264,20 DM" (Anm:
gemeint war offenbar 264,60 DM) nicht voll ausgeschöpft seien. Zwecks Sicherstellung der
Hilfe seien die ungedeckten Kosten in Höhe von 646,27 DM seinerseits im Rahmen des
Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) bereits an das Hospiz ausgezahlt worden. Da
Sozialhilfeleistungen im Verhältnis zu anderen möglichen Leistungsarten nach dem SGB
nachrangiger Natur seien, mache er vorsorglich einen Erstattungsanspruch geltend. Er -
der Kläger - berechne die Pflegekosten des M. wie folgt:
19 x 341,93 DM 6.496,67 DM abzügl.
Pflegeversicherungsleistungen 2.800,00 DM abzügl. Leistungen d. Krankenversicherung
gemäß § 39a SGB V (19 x 264,60 DM) 5.027,40 DM.
Damit sei M. zuzahlungsfrei.
Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 11.10.1999. Gemäß der
Vergütungsvereinbarung für stationäre Hospize zahle die Pflegekasse für einen
pflegebedürftigen Hospizbewohner den in § 43 SGB XI genannten Leistungsbetrag
entsprechend der für den Bewohner festgesetzten Pflegestufe. Darüber hinaus zahle die
Krankenkasse den nach § 39a SGB V i.V.m. der Satzung festgesetzten Leistungsbetrag.
Dieser Zahlbetrag dürfe gemeinsam mit der Leistung der Pflegekasse 90 % des
tagesbezogenen Bedarfssatzes nicht überschreiten. Die Berechnung bezüglich M. für den
Zeitraum 01.05. bis 19.05.1999 im Hospiz stelle sich damit wie folgt dar:
Leistung der Pflegekasse:
vom 01.05. bis 11.05.1999 10 x 275,03 DM 1 x 49,70 DM
= 2.800,00 DM
Leistung der Krankenkasse:
vom 01.05. bis 10.05.1999 10 x 66,90 DM vom 11.05. bis 19.05.1999 9 x 264,60
DM = 3.050,40 DM
Der Eigenanteil des Hospizbewohners belaufe sich damit auf 646,24 DM.
Hiermit erklärte sich der Kläger nicht einverstanden. Die Aufteilung der Leistungen der
Pflegeversicherung auf die ersten 11 Tage sei - so der Kläger - rechtswidrig. Der Hinweis
auf einen tagesbezogenen Bedarfssatz, der nicht überschritten werden dürfe, sei in dieser
Weise auch unter Hinweis auf § 3 der aktuellen Vergütungsvereinbarung nicht
nachzuvollziehen. Mit der bereits der Beklagten bekannten Berechnung des Klägers sei eine
Verteilung der Leistungen der Pflegekasse auf den gesamten Bewilligungszeitraum wie in
Fällen der stationären Pflege gemäß § 43 SGB XI gewährleistet und die tagesbezogene
Vergütung nach § 2 der Vergütungsvereinbarung werde nicht überschritten. Er mache das
Recht auf vollständige Bezahlung des Aufenthaltes des M. gemäß § 91a BSHG geltend und
lege gleichzeitig gegen die bisherige Entscheidung Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2000, zugestellt am 06.06.2000, wies die Beklagte
den Widerspruch zurück. Sie erläuterte und vertiefte ihr Berechnungsmodell, das sie
tabellarisch wie folgt fasste:
AOK-Pflegekasse 01.05. - 11.05.1999 2.800,00 DM
AOK-Krankenkasse 01.05. - 10.05.1999 10 Tage x 66,90 DM 669,00 DM
11.05. - 19.05.1999 9 Tage x 264,60 DM 2.381,40 DM
Eigenanteil des M. 11.05. 1 Tag 27,63 DM
12.05. - 19.05.1999 8 Tage x 77,33 DM 618,64 DM
insgesamt 6.496,67 DM
Das Berechnungsmodell des Klägers entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben des §
39a SGB V. Schließe man sich der Ansicht des Klägers an, führe dies dazu, dass für die
Zeit, für die die Pflegeversicherung einen Teil der Kosten übernehme, der Zuschuss der
Krankenversicherung zusammen mit den Leistungen der Pflegeversicherung die
kalendertäglichen Gesamtkosten übersteige. Um dieses rechtswidrige Ergebnis zu
vermeiden, sei eine kalendertägliche Betrachtungs- und Berechnungsweise notwendig.
Vom Tag der Aufnahme ins Hospiz an nehme die Pflegekasse ihre Leistungspflicht bei
Pflegebedürftigkeit des Hospizbewohners auf. Die Pflegekasse übernehme nach § 43 Abs.
5 SGB XI die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der medizinischen
Behandlungspflege und der sozialen Betreuung im Rahmen der gesetzlichen Pauschale, hier
in Höhe von monatlich 2.800,- DM maximal begrenzt auf 75 % des Heimentgeltes. Je nach
Dauer des Aufenthaltes komme die Pauschale vollständig zur Anwendung oder aber es
würden lediglich 75 % des Heimentgeltes gezahlt. Eine kalendertägliche Aufteilung der
Pauschale entspreche nicht den Regelungen des SGB XI, da in jedem Fall das konkret
angefallene Heimentgelt Grundlage für die Berechnung nach § 43 Abs. 5 SGB XI sei.
Zeitgleich mit der Pflegekasse nehme aber auch die Krankenkasse ihre Leistungspflicht
nach § 39a SGB V in Form eines Zuschusses unter Anrechnung der Leistungen anderer
Sozialleistungsträger auf. Folglich seien Leistungen der Pflegekasse von den
kalendertäglichen Kosten des Hospizes abzuziehen, denn Pflegeleistungen seien andere
Sozialleistungen i. S. des § 39a SGB V. Der Zuschuss in Höhe von mindestens 264,60 DM
nach der Satzung der Beklagten (Wert für das Jahr 1999) vermindere sich somit an allen
Kalendertagen, an denen Leistungen der Pflegekasse bewirkt würden. In der Praxis
bedeute dies, dass in den ersten Tagen eines Hospizaufenthaltes die vollen Leistungen der
Pflegeversicherung zur Verfügung stünden, die dann kalendertäglich bis zur Höhe der
Hospizkosten (zur Zeit 341,93 DM) durch Leistungen der Krankenversicherung aufgestockt
würden. Erst ab dem Tag, an dem die monatliche Leistung der Pflegeversicherung
erschöpft sei, zahle die Beklagte den vollen satzungsmäßigen Zuschuss, der im Jahr 1999
264,60 DM betragen habe.
Der Kläger erhob mit zwei Schriftsätzen, die jeweils am 05.07.2000 beim Sozialgericht für
das Saarland (SG) eingingen und die zunächst bei zwei verschiedenen Kammern des SG
geführt wurden (S 1 KR 133/00 und S 19 P 89/00), Klage gegen die "Pflegekasse und
AOK-Gesundheitskasse i. S.". Mit Schriftsatz vom 16.10.2000 erklärte der Kläger, die
Klage richte sich gegen die Krankenkasse der Beklagten. Ihm stehe ein
Erstattungsanspruch gegen die Pflegekasse nicht zu. Er beantrage die Verbindung der
beiden Verfahren und die Beiladung der Pflegekasse. In den Klageverfahren bezogen sich
die Beteiligten auf die bereits vorgebrachten Argumente und vertieften diese.
Nachdem SG die Verfahren durch Beschluss vom 27.04.2001 zur gemeinsamen
Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden hatte, wies es die Klage durch
Gerichtsbescheid vom 01.07.2002 ab. Das SG führte im Wesentlichen aus, es handele
sich um eine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da im
Rahmen von Erstattungsstreitigkeiten ein durch Verwaltungsakt regelbares Über-
/Unterordnungsverhältnis nicht bestehe. Ein Vorverfahren sei daher ebenso entbehrlich
gewesen wie die Einhaltung einer Klagefrist. Dem Kläger stehe kein Erstattungsanspruch
nach § 102 Abs. 1 SGB X gegen die Beklagte zu, weil die Beklagte mit den von ihr
erbrachten Leistungen ihre Leistungspflicht nach § 39a Abs. 1 SGB V vollständig erbracht
habe und der Betrag von 646,27 DM als Eigenanteil des Versicherten verbleibe. Die
Berechnungsweise der Beklagten entspreche den gesetzlichen Vorgaben des § 39a SGB V.
Hingegen würde die Berechnungsweise des Klägers dazu führen, dass für die Zeit, für die
die Pflegeversicherung einen Teil der Kosten übernehme, der Zuschuss der
Krankenversicherung zusammen mit den Leistungen der Pflegeversicherung die
kalendertäglichen Gesamtkosten übersteige. Dies widerspreche der Vorgabe des § 39a S.
3 SGB V, sodass eine kalendertägliche Betrachtungs- und Berechnungsweise notwendig
sei.
Das SG ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung zu.
Gegen den am 04.07.2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18.07.2002
Berufung eingelegt.
Er wiederholt und vertieft die bereits vorgebrachten Argumente und stellt klar, dass in
seinem Schriftsatz vom 16.10.2000 hinsichtlich der Klage gegen die Pflegekasse eine
Klagerücknahme zu sehen sei.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts für das
Saarland vom 01.07.2002 die Beklagte zu verurteilen, ihm 330,42 Euro (626,24 DM) zu
erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihre bereits dargelegte Rechtsansicht und den Gerichtsbescheid des
SG. Sie verweist zudem darauf, dass § 1 Abs. 3 S. 1 des Heimgesetzes auch für
stationäre Hospize Anwendung finde und es sich bei dem P.-M.-Hospiz somit um ein
Pflegeheim handele. Im Übrigen sei § 87a SGB XI mittlerweile geändert worden. In Abs. 1
sei zum Ausdruck gebracht worden, dass auch das Pflegegeld kalendertäglich zu
berechnen sei. Aus der Gesetzesbegründung werde deutlich, dass es sich hierbei lediglich
um eine Klarstellung handele, der Gesetzgeber eine kalendertägliche Berechnung mithin
von Anfang an gewollt habe.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hob sie den Widerspruchsbescheid vom
24.05.2000 auf.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten verwiesen, der Gegenstand der
mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die vom SG zugelassene und damit statthafte und auch ansonsten zulässige Berufung des
Klägers als überörtlicher Träger der Sozialhilfe hat Erfolg, denn ihm steht gegen die
Beklagte der mit am 06.10.1999 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben geltend
gemachte Erstattungsanspruch gemäß § 102 Abs. 1 SGB X in Höhe von 646,24 DM
(330,42 Euro) zu. Insoweit hat er für den Aufenthalt des M. in der Zeit vom 1.5.-
19.5.1999 vorläufig Zahlungen an das Hospiz auf Grund von § 27 BSHG geleistet, die die
Beklagte nach § 39a SGB V vorrangig (§ 2 BSHG) hätte erbringen müssen. Für eine
Anwendung des § 104 SGB X ist kein Raum, denn gemäß § 44 Abs. 2 BSHG ist für die
vorliegenden Konstellationen alleinige Grundlage der Erstattung § 102 SGB X (vgl. auch
BSG, Urteil vom 01.07.2003, B 1 KR 13/02 R).
Nach § 39a SGB V in der für den hier streitigen Zeitraum geltenden Fassung ab 1.1.1997
(vom 23.6.1997, BGBl. I S.1520) haben Versicherte, die keiner Krankenhausbehandlung
bedürfen, im Rahmen der Verträge nach Satz 4 Anspruch auf einen Zuschuss zu
stationärer oder teilstationärer Versorgung in Hospizen, in denen palliativ-medizinische
Behandlung erbracht wird, wenn eine ambulante Versorgung im Haushalt oder der Familie
des Versicherten nicht erbracht werden kann. Die Höhe des Zuschusses ist in der Satzung
der Krankenkasse festzulegen. Er darf kalendertäglich 6 vom Hundert der monatlichen
Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) nicht
unterschreiten und unter Anrechnung der Leistungen anderer Sozialleistungsträger die
tatsächlichen kalendertäglichen Kosten nach Satz 1 nicht überschreiten. Die
Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich vereinbaren mit den für die
Wahrnehmung der Interessen der stationären Hospize maßgeblichen Spitzenorganisationen
das Nähere über Art und Umfang der Versorgung nach Satz 1.
Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 39a Satz 1 SGB V sind in Bezug auf M. erfüllt. Dies
ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Die Beteiligten sind nur unterschiedlicher
Auffassung über die Höhe und die konkrete Berechnung des Zuschusses der Beklagten
unter Berücksichtigung der dem M. für den Monat Mai zugeflossenen Pflegeleistungen
gemäß § 43 Abs. 5 SGB XI (in der Fassung des Gesetzes vom 5.6.1998, BGBl. I S. 1229)
in Höhe von 2.800,- DM.
Die Berechnung des Zuschusses durch die Beklagte stimmt entgegen ihrer Ansicht nicht
mit § 39a Satz 3 SGB V überein. Noch zutreffend geht die Beklagte - im Übrigen im
Einvernehmen mit dem Kläger - davon aus, dass sie nach § 39a Satz 2 i.V.m. mit § 12
Abs. 2 ihrer Satzung für das Jahr 1999 - ohne Berücksichtigung anderer Sozialleistungen -
mindestens einen kalendertäglichen Zuschuss in Höhe von 264,60 DM (6 % der damals
festgesetzten monatlichen Bezugsgröße des § 18 Abs. 1 SGB IV von 4.410 DM) zu leisten
hatte.
Auch die Kosten des Hospizes für den Aufenthalt des M. wurden richtig zu Grunde gelegt.
Der tagesbezogene Bedarfssatz des Hospizes in Höhe von 379,92 DM ergibt sich aus § 2
der Vergütungsvereinbarung der Beklagten mit dem Hospiz und aus § 7 Abs. 6 der am
1.5.1998 in Kraft getretenen Rahmenvereinbarung nach § 39a Satz 4 SGB V über Art und
Umfang sowie zur Sicherung der Qualität der stationären Hospizversorgung vom
13.03.1998. Zuschussfähig sind hiernach 90 % (konkret 341,93 DM) dieses
Bedarfssatzes.
Für den hier streitigen Zeitraum 1.5. bis 19.5.1999 ist ferner die Anrechnung des seitens
der Pflegekasse bei der Beklagten gemäß § 43 Abs. 5 SGB XI für den M. an das Hospiz
geleisteten pflegebedingten Aufwendungen in Höhe von pauschal 2.800,- DM nicht zu
beanstanden. Die Pflicht zur Anrechnung dieser Sozialleistung folgt aus § 39a Satz 3 2. HS
SGB V. Rechtswidrig ist allerdings die von der Beklagten vorgenommene Aufteilung des
Betrags der Pflegekasse auf die ersten Tage des Mai mit der Folge, dass für diese Tage
seitens der Krankenversicherung lediglich ein geringerer Zuschuss geleistet wurde.
Anders als bei der stationären Behandlung im Krankenhaus (§ 39 SGB V) haben die
Versicherten für die palliativ-medizinische Behandlung in einem Hospiz bei Erfüllung der
Anspruchsvoraussetzungen des § 39a SGB V keinen Anspruch auf Sach- oder
Naturalleistung der Krankenversicherung, sondern lediglich auf einen Zuschuss, somit auf
eine Teilfinanzierung durch die Krankenkasse. Das SGB V geht davon aus, dass die
stationäre Hospizversorgung auch durch Eigenleistung der Versicherten, Spenden,
ehrenamtliche Leistungen sowie die Pflegeversicherung getragen wird (Höfler in Kasseler
Kommentar Sozialversicherungsrecht Band I, § 39a SGB V Rdnr. 13). Gesetzlich zulässig
ist damit eine Eigenbeteiligung des Versicherten und bei dessen Sozialhilfebedürftigkeit ein
Eintreten der zuständigen Sozialhilfebehörde. Darüber hinaus bietet der Wortlaut des
Gesetzes aber kein konkretes Berechnungsmodell an, auf welche Art und Weise die
Leistungen anderer Sozialleistungsträger zu berücksichtigen sind.
Aus der Begründung des Gesetzes (BT-Drucksache 13/7264 Seite 61) lässt sich nur
entnehmen, dass Leistungen anderer Sozialleistungsträger dann anzurechnen sind, wenn
durch ein ungeschmälertes Zusammentreffen der Leistungen beispielsweise von
Krankenversicherung und Pflegeversicherung ein höherer Betrag als die tatsächlich pro Tag
entstandenen Kosten an das Hospiz gezahlt würde. Nach der Intention des Gesetzgebers
ist also allein zu vermeiden, dass die pflegebedingten Aufwendungen zusammen mit dem
krankenversicherungsrechtlichen Zuschuss den Tagessatz des Hospizes überschreiten.
(Nur) in diesem Fall dürfen die Krankenkassen ihren Zuschuss kürzen. Von dem Willen des
Gesetzgebers ist es aber nicht abgedeckt, dass die Krankenkassen nach eigenem
Ermessen ihre Zuschüsse berechnen und die Zuordnung der anderen Sozialleistung
eigenmächtig festlegen.
Das Wort "kalendertäglich" im zweiten Halbsatz ".. und unter Anrechnung der Leistungen
anderer Sozialleistungsträger die tatsächlichen kalendertäglichen Kosten nach Satz 1 nicht
überschreiten" des § 39a Satz 3 SGB V, auf das sich die Beklagte zur Stützung ihrer
Rechtsansicht beruft, bezieht sich nicht auf die Leistungen des anderen
Sozialleistungsträgers, sondern auf die Kosten der Versorgung in Hospizen. Dies bedeutet,
dass bei der Berechnung zunächst die tatsächlichen Kosten für den M. pro Tag zu ermitteln
sind, in der Regel der vom Träger des Hospizes zulässig in Rechnung gestellte Betrag je
Kalendertag (Kasseler Kommentar a. a. O. Rdnr. 14), um anschließend davon die
Leistungen anderer Träger für den jeweiligen Tag abzuziehen.
Bei der Frage, wie diese andere Sozialleistung berechnet und im Sinne von § 39a SGB V
von den kalendertäglichen Kosten für die Hospizunterbringung abgezogen wird, ist
zunächst das Recht dieser anderen Sozialleistung, hier folglich die Regelung des § 43 SGB
XI, zu beachten. Anschließend ist eine eigenständige krankenversicherungsrechtliche
Betrachtung vorzunehmen.
§ 43 SGB XI betrifft die Sachleistung der Pflege in vollstationären Einrichtungen, konkret die
pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen für die soziale Betreuung sowie - nach
damals und derzeit geltendem, befristetem Recht - die Aufwendungen für die Leistungen
der medizinischen Behandlungspflege, auf die Pflegebedürftige einen Anspruch haben (§ 43
Abs. 1, Abs. 2 SGB XI). Zur Zeit des Aufenthalts des M. besagte § 43 Abs. 5 Satz 1 SGB
XI, dass die Pflegekasse für Pflegebedürftige der Stufe III - wie es bei M. der Fall war -
pauschal 2.800,- DM im Monat übernimmt, wobei insgesamt der Betrag 75 v. H. des
Gesamtbetrags aus Pflegesatz, Entgelt für Unterkunft und Verpflegung sowie gesondert
berechenbaren Investitionskosten nicht übersteigen darf. Die finanziellen Aufwendungen der
Pflegekasse werden somit monatlich festgelegt und im Voraus für den jeweiligen Monat
gezahlt. Eine kalendertägliche Leistung war im Jahr 1999 dem Bereich der vollstationären
Pflege des Pflegeversicherungsrechts fremd.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 13.03.2001, B 3 P
10/00 R) zu § 36 Abs. 3 SGB XI ist eine Umrechnung der monatlichen Obergrenze für
Leistungen der Pflegestufe III von ebenfalls 2.800,- DM auf einen Tagessatz von 93,33 DM
nicht gestattet. Aus der Beschränkung der Sachleistung könne nicht auf einen gesetzlichen
Tageshöchstsatz von 93,33 DM geschlossen werden. Die gesetzliche Regelung sei so zu
verstehen, dass die Sachleistungen bei häuslicher Pflege - ohne oder mit Unterbrechungen
- an allen Tagen eines Kalendermonats (Durchschnitt 30 Tage) nach dem jeweiligen
Pflegebedarf in Anspruch genommen werden könnten, die Pflegekasse dafür aber
höchstens bis zum Werte von 2.800 DM einzustehen habe. Dies bedeute, dass die
Versicherungsleistungen nicht für den ganzen Monat reichten, wenn die Aufwendungen vor
Ablauf des Kalendermonats bereits den Betrag von 2.800,- DM erreicht hätten. Mit der
Einführung von anteiligen Tageshöchstsätzen ließe sich diese Folge zwar vermeiden; die
zusätzliche Begrenzung auf einen Tagessatz von 93,33 DM lasse sich aber weder dem
Gesetz noch den Gesetzesmaterialien entnehmen.
Diese Rechtsprechung betrifft nicht den Fall der vollstationären Pflege. Ihr kann auch in
einem anderen Bereich als demjenigen der gesetzlichen Pflegeversicherung, nämlich für die
gesetzliche Krankenversicherung und konkret im Fall des Zuschusses nach § 39a SGB V,
nicht entnommen werden, dass die Pflegeleistungen, die am Anfang des Monats quasi zur
freien Verfügung des Versicherten ausgezahlt werden, rechnerisch als in den ersten Tagen
eines Monats vollständig verbraucht gelten, wie es die Beklagte bei ihrem
Berechnungsmodell annimmt. Auch wenn die Aufwendungen der Pflegekasse den im
konkreten Fall wesentlich höheren Bedarf des M. an Pflege, Behandlung und sozialer
Betreuung allenfalls für die ersten Tage des Mai 1999 abdecken konnten, heißt dies nicht,
dass der Zuschuss der Beklagten an diesem Verbrauch der Pflegeaufwendungen
auszurichten ist. Diese Argumentation der Beklagten übersieht nämlich die in § 39a SGB V
normierte Pflicht zur kalendertäglichen Betrachtung. Im Gegensatz zu dem Fall, der der
Rechtsprechung des BSG zu Grunde lag, geht es nicht um eine
pflegeversicherungsrechtliche Frage im Rahmen der häuslichen Pflege, die nicht ständig
anfällt und daher einer Disposition des Pflegebedürftigen unterliegt. Im Fall des Zuschusses
einer Krankenversicherung ist von Bedeutung, dass sich bei der stationären Vollpflege der
Pflege-, Behandlungs- und Betreuungsbedarf relativ gleichmäßig auf die Zeiten des
Aufenthaltes in diesen Einrichtungen verteilt. Der Zuschuss der Krankenkassen ist für den
jeweiligen Kalendertag als "Fehlbedarfsfinanzierung" mit Vorrang anderer Sozialleistungen
konzipiert. In Anbetracht der kalendertäglichen Betrachtungsweise dieses Fehlbedarfs ist
die weitgehende Gleichmäßigkeit der Leistungen des Hospizes über den gesamten
Aufenthaltszeitraum zu berücksichtigen, so dass bei der Berechnung des Zuschusses im
Sinne von § 39a SGB V eine lineare Verteilung der anderen Sozialleistungen, hier der
Pflegeaufwendungen des § 43 Abs. 5 SGB XI, geboten ist.
Dieser linearen Verteilung wird allein die Berechnung des Klägers gerecht, die die 2.800,-
DM, die dem M. von der Pflegekasse für den Monat Mai unbeschränkt zur Verfügung
gestellt wurden, auf die 19 Tage der Versorgung in diesem Monat verteilt, diesen
kalendertäglichen Betrag von 147,37 DM auf den kalendertäglichen Tagessatz von 341,93
DM anrechnet und hieraus den wiederum kalendertäglichen Zuschuss der Beklagten von
194,56 DM errechnet, der noch unter dem Höchstzuschuss der Beklagten von täglich
264,60 DM bleibt. Die Beklagte hätte somit nach § 39a SGB V (19 x 194,56) 3.696,64
DM zahlen müssen und hat nur 3.050,40 DM (10 Tage a 66,90 DM und 9 Tage a 264,60
DM) gezahlt. Damit hat sie nach § 39a SGB V 646,24 DM zu wenig entrichtet. Dem
Kläger, der als überörtlicher Träger der Sozialhilfe 646,27 DM gezahlt hat, steht daher in
Anwendung von § 102 Abs. 1 SGB X der geltend gemachte Erstattungsanspruch in Höhe
von 646,24 DM zu.
Da sich auch aus der Vergütungsvereinbarung des Hospizes mit der Beklagten und der
Pflegekasse bei der Beklagten hinsichtlich der Anrechnung der Pflegegeldleistungen nichts
Abweichendes ergibt, hat die Berufung des Klägers Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 SGG (in der bis zum
01.01.2002 gültigen Fassung), da der Rechtsstreit bereits vor dem Inkrafttreten des 6.
SGG-Änderungsgesetzes am 02.01.2002 rechtshängig geworden ist.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache war die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGG zuzulassen.