Urteil des LSG Saarland vom 18.05.2006

LSG Saarbrücken: geschäftsführer, ablauf der frist, einfluss, ordentliche kündigung, beherrschende stellung, juristische person, sperrminorität, eingliederung, zustellung, stammkapital

LSG Saarbrücken Urteil vom 18.5.2006, L 1 R 25/05
Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH - geringerer
Kapitalanteil als 50 Prozent - Sperrminorität - tatsächlicher Einfluss auf Gesellschaft
Leitsätze
Hat ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH einen geringeren Kapitalanteil als 50 %
inne, liegt sozialversicherungsrechtlich ein die Versicherungspflicht
begründendesabhängiges Beschäftigungsverhältnis vor,es sei denn, er ist aufgrund seines
Kapitaleinsatzes in der Lage, nicht genehme Entscheidungen der Gesellschaft zu
verhindern, insbesondere wenn eine Sperrminorität besteht, oder sein tatsächlicher Einfluss
auf die Gesellschaft ist größer als der ihm aufgrund seines Geschäftsanteils an sich
zustehende Einfluss.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland
vom 18.04.2005 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 01.12.2000 bis 31.07.2002
versicherungspflichtiger Beschäftigter einer GmbH war.
Der 1967 geborene Kläger war Geschäftsführer eines durch Gesellschaftsvertrag vom
16.10.1995 auch von ihm gegründeten Unternehmens, dessen Geschäftsgegenstand laut
Handelsregisterauszug das Presence Providing in internationalen Datennetzen, die
Konzeption und Realisierung von individuellen Netzwerklösungen, die Programmierung im
LAN- und WAN-Bereich, der Entwurf von Einzelplatzlösungen sowie die damit in
Zusammenhang stehenden Schulungen und sonstigen Dienstleistungen ist. Es firmierte
zunächst unter der Bezeichnung S. H. & F. GmbH, später unter der Bezeichnung S. GmbH
(Fa. S.). An dem Stammkapital dieser Gesellschaft von 51.000,00 DM hielt der Kläger
einen Geschäftsanteil von 18.400,00 DM (36,08 %). Aufgrund des Beschlusses der
Gesellschafterversammlung vom 26.10.2000 wurde durch Aufnahme der O. AG als
weiterer Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil von 55 % das Kapital aufgestockt und
die Fa. S. in die Firma O. C. GmbH (Fa. O. GmbH) umgewandelt, an der der Kläger einen
Gesellschaftsanteil von 20 % hielt. Neben dem Kläger waren für die Fa. O. GmbH zwei
weitere Geschäftsführer bestellt. Nach Änderung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse
im November 2002, in deren Rahmen u.a. die O. AG und der Kläger als Gesellschafter
ausgeschieden sind, ist die Gesellschaft in der Beigeladenen aufgegangen.
In dem Geschäftsführervertrag mit der Fa. O. GmbH war vereinbart, dass der Kläger als
Geschäftsführer dieser Gesellschaft ein Bruttojahresgehalt in Höhe von 120.000,00 DM
erhält sowie Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer bis zu 3
Monaten und Anspruch auf Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen hat, der in Abstimmung mit
den anderen Geschäftsführern unter Berücksichtigung der Belange der Gesellschaft
festzulegen war. Zudem wurde dem Kläger eine am jährlichen Geschäftsergebnis
bemessene Tantieme zugesagt. Als Geschäftsführer der Fa. O. GmbH war der Kläger
einzelvertretungsberechtigt und von dem Selbstkontrahierungsverbot nach § 181
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit. Gleiches galt für die beiden anderen
Geschäftsführer der Gesellschaft. Unter dem 13.05.2002 hat der Kläger gegenüber der
Sparkasse Saarbrücken zur Sicherung eines Kontokorrentkredits der Fa. O. GmbH eine
Erklärung über eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einem Betrag von 28.120,00
Euro abgegeben.
Am 29.04.2002 beantragte die Fa. O. GmbH die Feststellung der
Sozialversicherungsfreiheit des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer.
Nach Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 17.07.2003 fest, dass der in der
Zeit vom 01.12.2000 bis 31.10.2002 bei der Fa. O. GmbH als Gesellschafter-
Geschäftsführer beschäftigte Kläger dem Grunde nach in der Kranken-, Pflege-, Renten-
und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig gewesen sei, weil ein die
Versicherungspflicht begründendes abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe.
Dagegen erhob der Kläger am 11.08.2003 Widerspruch. Er führte zur Begründung aus, in
dem angefochtenen Bescheid sei die Entstehungsgeschichte und Entwicklung des
Unternehmens sowie seine tatsächliche Einbindung in den Geschäftsbetrieb nicht
ausreichend gewürdigt worden. Es habe sich in seinem Falle um eine typische
Vertragskonstellation gehandelt, die in anderen gleichgelagerten Fällen zur Feststellung der
Sozialversicherungsfreiheit geführt habe. Er habe mit Wirkung vom 01.08.2002 mit der Fa.
O. AG ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet.
Durch Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 03.08.2004 wurde der Widerspruch
zurückgewiesen. Darin ist ausgeführt, im Falle des Klägers liege ein abhängiges und damit
dem Grunde nach versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis als Geschäftsführer
vor, weil er entsprechend den durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)
begründeten Voraussetzungen als Gesellschafter keinen maßgeblichen Einfluss auf die
Geschicke der Gesellschaft kraft seines Anteils am Stammkapital habe geltend machen
können, für seine Beschäftigung ein entsprechendes Arbeitsentgelt erhalten habe und
funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der GmbH teil gehabt habe. Beschlüsse der
Fa. O. GmbH seien mit einfacher Mehrheit gefasst worden, wobei sich das Stimmrecht
nach der Höhe der Geschäftsanteile gerichtet habe und nur derjenige maßgeblichen
Einfluss gehabt habe, der mindestens die Hälfte der Geschäftsanteile besessen haben.
Dem Kläger sei es mit nur 20 % der Geschäftsanteile und mangels einer Sperrminorität
nicht möglich gewesen, maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft
auszuüben. Er habe gegen ihn gerichtete Entscheidungen der Gesellschafterversammlung
nicht abwehren können. Dass der Kläger hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Ausübung
der Geschäftsführung weitgehende Gestaltungsfreiheit gehabt habe, stehe einer
Einordnung seiner Tätigkeit als abhängige Beschäftigung nicht entgegen. Entscheidend sei
vielmehr, dass insoweit einseitige Weisungen des Mehrheitsgesellschafters der Fa. O.
GmbH möglich gewesen seien und der Kläger der Überwachung durch diesen unterlegen
habe. Dass tatsächlich derartige Weisungen nicht erfolgt seien, sei unerheblich.
Ausreichend sei insoweit die Möglichkeit der Ausübung des Weisungsrechts. Die
Arbeitsleistung des Klägers sei damit fremdbestimmt gewesen, da sie sich in eine von den
übrigen Gesellschaftern vorgegebene Ordnung des Betriebes eingegliedert habe. Die
Weisungsgebundenheit des Klägers habe sich, wie bei Diensten höherer Art üblich, zur
funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert. Indiz für eine
selbständige Tätigkeit sei hingegen, dass der Kläger die Gesellschaft nach außen hin allein
unter Aufhebung der Beschränkungen des § 181 BGB habe vertreten dürfen und sich für
diese in Höhe von 28.120,00 Euro selbstschuldnerisch verbürgt habe. Demgegenüber sei
jedoch zum einen zu berücksichtigen, dass der Kläger nach dem Geschäftsführervertrag
eine Jahresvergütung in Höhe von 120.000,00 DM brutto erhalten habe. Angesichts der
Zahlung fester Bezüge habe der Kläger kein eine selbständige Tätigkeit kennzeichnendes
Unternehmerrisiko getragen. Zwar sei er aufgrund der vom Geschäftserfolg abhängigen
Tantiemenzahlung indirekt am Gewinn der Gesellschaft beteiligt gewesen; eine Kürzung
bzw. den Wegfall der Bezüge bei schlechter Geschäftslage habe er jedoch nicht befürchten
müssen. Auftretende Schwankungen gezahlter Tantiemen hätten dem Entgeltrisiko
entsprochen, das ein vom Umsatz abhängiger bezahlter Arbeitnehmer ebenfalls zu tragen
habe. Die vom Kläger geleistete Bürgschaft sei im Verhältnis zu seinen laufenden festen
Bezügen unerheblich gewesen und habe noch kein hinreichendes unternehmerisches Risiko
begründet. Schließlich spreche gegen eine selbständige Tätigkeit des Klägers, dass er einen
Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen gehabt habe und im
Krankheitsfall habe Entgeltfortzahlung beanspruchen können.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht für das Saarland (SG) hat der Kläger geltend
gemacht, er sei bei der Fa. O. GmbH als natürliche Person der mit Abstand
höchstbeteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer gewesen. Firmenintern sei er für
Personalangelegenheiten zuständig gewesen; insbesondere habe er eigenverantwortlich die
Einstellung sowie die Entlassung sämtlicher Arbeitnehmer vorgenommen und sämtliche
arbeitsrechtlichen Direktionsbefugnisse ausgeübt. Zudem sei er für das Projekt ”e-learning”
zuständig gewesen, mit dem die Gesellschaft eine bestimmte richtungsweisende
Anwender-Software entwickelt habe. Es sei eines der Kernprojekte gewesen, mit dem
etwa ein Viertel der Belegschaft befasst gewesen sei und das betriebsintern den größten
Anteil am Etat gehabt habe. Vor diesem Hintergrund sei seine Geschäftsführertätigkeit für
die Fa. O. GmbH nicht als abhängige Beschäftigung zu bewerten. Indiz hierfür sei, dass er
als Geschäftsführer zugleich Gesellschaftsanteile gehabt habe. Als Geschäftsführer habe er
Entscheidungen eigenverantwortlich ohne Zusammenwirken mit weiteren
Geschäftsführern oder Prokuristen mit Befreiung von § 181 BGB treffen können.
Maßgeblich sei, dass er tatsächlich erheblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft
gehabt habe. Er sei daher insoweit Selbständiger im Sinne des Sozialversicherungsrechts
gewesen. Bereits zum 31.07.2002 habe er die Tätigkeit als Geschäftsführer der Fa. O.
GmbH eingestellt, seinen Geschäftsanteil an der Fa. O. GmbH veräußert und am
01.08.2002 bei der Fa. O. AG eine abhängige Beschäftigung als Leiter der Abteilung
Lernsysteme aufgenommen. Das letzte Geschäftsführergehalt sei für den Monat Juli 2002
gezahlt worden. Der notarielle Vertrag, mit dem er als Geschäftsführer abberufen worden
sei, sei erst am 08.12.2002 geschlossen worden. Bis dahin habe seine
Geschäftsführertätigkeit geruht.
Durch Gerichtsbescheid vom 18.04.2005 hat das SG die Klage abgewiesen und dazu
ausgeführt, der angefochtene Bescheid vom 17.07.2003 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 03.08.2004 sei nicht rechtswidrig und verletze den Kläger
auch nicht in seinen Rechten, denn die von ihm in der Zeit vom 01.12.2000 bis
31.07.2002 ausgeübte Geschäftsführertätigkeit stelle eine versicherungspflichtige
Beschäftigung im Sinne von § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften
für Sozialversicherung – (SGB IV) dar. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung sei Beschäftigung
die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für
eine Beschäftigung seien eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die
Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Bei Gesellschafter-Geschäftsführern sei unter
Berücksichtigung der Umstände im Einzelfall wertend zu entscheiden, ob ein maßgeblicher
Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausgeübt worden sei und damit eine
versicherungsfreie selbständige Tätigkeit vorgelegen habe. Aus der Geschäftsführung und
Organstellung alleine könne eine versicherungsfreie, selbständige Tätigkeit nicht hergeleitet
werden; vielmehr sei auf das Gesamtbild abzustellen. Vorliegend sei bei einer
Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass keine selbständige Tätigkeit vorgelegen
habe. Zwar sprächen gewisse Umstände für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit,
jedoch überwögen bei einer Gesamtbewertung diejenigen Fakten, die gegen eine
Selbständigkeit sprächen. Für eine selbständige Tätigkeit sprächen vorliegend die im
Geschäftsführervertrag erteilte Einzelvertretungsbefugnis, die Befreiung von der
Beschränkung nach §181 BGB, die Tatsache der Nichteingliederung in den Betriebsablauf,
weil keine feste tägliche Arbeitszeit festgelegt gewesen sei, und die selbständige Leitung
der Personalangelegenheiten und eines wesentlichen Projektes sowie eine gewinnbezogene
Vergütung infolge der Tantiemenzusage. Besondere Branchenkenntnisse seien, soweit sie
nicht derart stark seien, dass sie das Gesamtunternehmen bestimmten, nicht erheblich.
Gegen die Annahme einer selbständigen Tätigkeit spreche vorliegend, dass der Kläger
aufgrund seiner Gesellschafterstellung weder Beschlüsse habe herbeiführen noch
verhindern können. Dass er die anteilsstärkste natürliche Person gewesen sei, sei
unerheblich, weil ihn dies nicht in die Lage versetzt habe, die Geschicke der Gesellschaft
maßgeblich zu bestimmen. Seine Abhängigkeit von der Gesellschaft sei sogar so stark
gewesen, dass eine ordentliche Kündigung möglich gewesen wäre. Weiterhin sei
wesentlich, dass der Kläger aufgrund des Gesellschaftsvertrages als Geschäftsführer
Weisungen der Gesellschaft habe entgegen nehmen müssen. Die Eingliederung in den
Betriebsablauf sei auch nicht vollständig aufgehoben gewesen, denn der Kläger sei durch
die Bestimmung eines festen Jahresurlaubs nicht völlig frei in seiner Zeiteinteilung gewesen.
Was die freie Einteilung der täglichen Arbeitszeit betreffe, so sei diese bei Angestellten mit
Direktionsbefugnissen nicht unüblich. Ebenfalls wesentlich für eine unselbständige Tätigkeit
sei, dass der Kläger ein unternehmerisches Risiko nur in Bezug auf den Gewinn, nicht aber
hinsichtlich des Verlustes gehabt habe. Insgesamt spreche demnach mehr gegen als für
eine selbständige Tätigkeit mit der Folge, dass die Tätigkeit des Klägers für die Fa. O.
GmbH als unselbständig zu werten sei.
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 02.05.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der
Gegen den seinen Bevollmächtigten am 02.05.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der
Kläger am 11.05.2005 Berufung eingelegt.
Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, wegen seiner
Spezialkenntnisse in seinem Tätigkeitsbereich Lernsysteme sei er für die Fa. O. GmbH
unentbehrlich gewesen; er habe unter den Geschäftsführern eine absolute Spitzenstellung
eingenommen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts für das Saarland vom
18.04.2005 sowie des Bescheides vom 17.07.2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 03.08.2004 festzustellen, dass die von ihm bei der Firma O.
C. GmbH in der Zeit vom 01.12.2000 bis 31.07.2002 ausgeübte Tätigkeit als
Geschäftsführer nicht versicherungspflichtig war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemachten Inhalt der Akten der Beklagten und der Gerichtsakten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen
zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird vollumfänglich auf die
zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Gerichtsbescheid gemäß § 153 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Versicherungspflicht des Klägers in der Zeit
vom 01.12.2000 bis 31.07.2002 sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch
– Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch
Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch
Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) und § 25 Abs. 1
Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) ergibt. Nach diesen
Bestimmungen unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, in der
Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw.
Beitragspflicht. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist
die im angefochtenen Gerichtsbescheid angeführte Vorschrift des § 7 Abs. 1 SGB IV, nach
deren Satz 1 Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem
Arbeitsverhältnis, ist. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach Satz 2 der genannten
Bestimmung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in der
Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 25.01.2006 – B 12 KR
30/04 R –, Juris, m.w.N.) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom
Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist
dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit,
Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers
unterliegt. Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers
auch eingeschränkt und “zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess” verfeinert sein, wenn
der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.2001 – B
12 KR 10/01 R –, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20 = Juris, m.w.N.).
Diese Grundsätze werden nach der vorgenannten Rechtsprechung des BSG auch bei
Organen juristischer Personen angewandt, wobei es insoweit auch entscheidend auf die
persönliche Abhängigkeit von der Gesellschaft ankommt. Bei den Organen juristischer
Personen, zu denen auch Geschäftsführer einer GmbH gehören, ist eine abhängige
Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil
sie arbeitsrechtlich nicht als Arbeitnehmer gelten (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 3
Arbeitsgerichtsgesetz), im Verhältnis zu sonstigen Arbeitnehmern der Gesellschaft
Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen und sie in der Regel keinen Weisungen Dritter
bezüglich Zeit, Art und Ort ihrer Arbeitsleistung unterliegen. Demgemäß nimmt das BSG
bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung an (vgl.
BSG, Urteil vom 18.12.2001 – B 12 KR 10/01 R –, a.a.O.); gleiches gilt für Gesellschafter-
Geschäftsführer mit einer Minderheitsbeteiligung an der Gesellschaft, es sei denn, sie sind
aufgrund ihres Kapitaleinsatzes in der Lage, nicht genehme Entscheidungen der
Gesellschaft zu verhindern oder ihr tatsächlicher Einfluss auf die Gesellschaft ist größer als
der ihnen aufgrund ihres Geschäftsanteils an sich zustehende Einfluss (vgl. BSG, Urteil vom
07.09.1988 – 10 RAr 10/87 –, Juris, m.w.N.). Ein maßgeblicher rechtlicher oder auch nur
tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund der
Gesellschafterstellung schließt ein Beschäftigungsverhältnis im vorgenannten Sinne aus,
wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit
verhindern kann. Eine derartige Rechtsmacht haben GmbH-Gesellschafter regelmäßig
dann, wenn sie zugleich Geschäftsführer sind und mindestens 50 % des Stammkapitals
innehaben. Auch bei geringerer Kapitalbeteiligung kann sich aus den Bestimmungen des
Gesellschaftsvertrages die Rechtsmacht ergeben, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer
mit seinem Anteil alle ihm nicht genehmen Entscheidungen verhindern kann – so genannte
Sperrminorität – (vgl. BSG, Urteil vom 17.05.2001 – B 12 KR 34/00 R –, Juris, m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat das SG vorliegend eine abhängige Beschäftigung
des Klägers in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht. Wie in dem angefochtenen
Gerichtsbescheid zutreffend dargestellt, hatte der Kläger im Klagezeitraum lediglich einen
Anteil am Stammkapital der Fa. O. GmbH von 20 % und im Gesellschaftsvertrag war eine
Sperrminorität zugunsten des Klägers nicht vorgesehen. Dem Kläger fehlte daher die
Rechtsmacht, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung in seinem Sinne herbeizuführen
und damit ihm nicht genehme Entscheidungen zu verhindern. Seiner Funktion als
Gesellschafter-Geschäftsführer kann auch nicht entnommen werden, dass er eine die
Gesellschaft dominierende Stellung hatte. Neben ihm waren zwei weitere Geschäftsführer
bestellt, die ebenfalls alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen nach § 181
BGB befreit waren. Dass der Kläger nach seinen Angaben für einen für die Gesellschaft
bedeutsamen Geschäftsbereich zuständig war, begründet noch keine die Gesellschaft
beherrschende Stellung, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Sonstiger Langtext
I. Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann nicht mit der Revision angefochten werden, weil sie gesetzlich
ausgeschlossen und vom Landessozialgericht nicht zugelassen worden ist.
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision nur zu, wenn sie nachträglich vom
Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der
Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem beim Bundessozialgericht zugelassenen
Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich
beim Bundessozialgericht, Kassel (Postanschrift: 34114 Kassel) einzulegen. Die
Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist beim Bundessozialgericht
eingegangen sein.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen:
a) die Mitglieder und Angestellten von Gewerkschaften, von selbständigen Vereinigungen
von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung, von Vereinigungen von
Arbeitgebern, von berufsständischen Vereinigungen der Landwirtschaft und von den
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche
Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem
sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die
unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit sowie ihres
Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Erfüllung dieser Aufgaben bieten, sofern
die Bevollmächtigten kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind.
Gleiches gilt für Bevollmächtigte, die als Angestellte juristischer Personen, deren Anteile
sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen,
handeln, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und
Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt
und wenn die Vereinigung für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
b) jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt.
Behörden sowie Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts brauchen sich nicht
durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils von einem
zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich zu begründen.
In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die
Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten
Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil
abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann, bezeichnet werden.
Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs.1 Satz 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt
werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist.
II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht
schon durch einen Bevollmächtigten der unter I a) genannten Gewerkschaften oder
Vereinigungen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines
Rechtsanwalts beantragen.
Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim
Bundessozialgericht entweder schriftlich einzureichen oder mündlich vor dessen
Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und
Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der
Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten
und ggf. durch den Schreibwarenhandel bezogen werden.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse - ggf. nebst entsprechenden Belegen - müssen bis zum
Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde (ein Monat nach Zustellung des Urteils)
beim Bundessozialgericht eingegangen sein.
Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt
benannt werden.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht,
einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der
beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.