Urteil des LSG Saarland vom 26.01.2006

LSG Saarbrücken: treu und glauben, verwaltungsakt, rückforderung, tod, abtretung, witwenrente, hinterbliebenenrente, vertrauensschutz, empfang, entreicherung

LSG Saarbrücken Urteil vom 26.1.2006, L 1 RA 16/04
zu Unrecht erbrachte Sozialleistung - überzahlte Rente nach Tod des Versicherten -
Rückforderung - Rücküberweisungsanspruch gegenüber dem Geldinstitut - Abtretung von
Rentenansprüchen - Vertrauensschutz
Leitsätze
1. Der vorrangige Rücküberweisungsanspruch gegenüber dem Geldinstitut nach § 118 Abs
3 SGB VI besteht nicht, wenn die überzahlte Rente auf ein Konto überwiesen wurde, zu
dem der verstorbene Versicherte keinen Zugriff hatte und auf dem die überzahlte Rente
zum Zeitpunkt des Rücküberweisungsverlangens bereits abverfügt war und der
Verstorbene auf diesem Konto kein eigenes Guthaben hatte.
2. Bei einem Rückforderungsanspruch gegen die Empfängerin einer überzahlten
Rentenleistung (§ 118 Abs 4 S. 1 SGB VI) kann sich diese nicht auf Entreicherung oder
Vertrauensschutz berufen.
3. Der Rentenversicherungsträger kann eine Zahlung, die aufgrund einer Abtretung erfolgt
ist, die diese Zahlung nicht erfasst, nach § 50 As. 2 S. 1 SGB X zurückfordern. Hierbei ist
nur der allgemeine rechtsstaatliche (verfassungsverwaltungsrechtlich) gebotene
Vertauensschutz (Rechtsgedanke aus § 45 Abs. 2 SGB X) zu beachten (BSG, Urteil v.
24.07.2001 - B 4 RA 102/00 R).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das
Saarland vom 20.01.2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Klage- und für das Berufungsverfahren auf jeweils 2.468,21
EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin verpflichtet ist, überzahlte Rentenleistungen
iHv 2.285,32 EUR (= 4.469,70 DM) und einen weiteren Betrag iHv 182,89 EUR (=
357,70 DM), der ihr aufgrund einer vorgelegten Abtretung gezahlt wurde, an die Beklagte
zurückzuerstatten.
Der 1919 geborene und am 20.05.2001 verstorbene Versicherte der Beklagten, G.K.
(Vater der Klägerin), bezog ab 01.12.1984 Altersruhegeld. Er war seit 17.04.1998 mit M.
P.-K. verheiratet. Nachdem er im August 2000 zur Klägerin zog, die der Beklagten eine von
ihrem Vater am 21.11.1995 erteilte notariell beurkundete Generalvollmacht vorlegte,
überwies die Beklagte die Altersrente auf ein Konto der Klägerin bei der Beigeladenen bis
einschließlich Juli 2001. Ab dem 01.06.2001 erhielt die Witwe (M. P.-K.) des Versicherten
Große Witwenrente von der Beklagten (Bescheid vom 05.10.2001).
Mit Schreiben des Rentenservice der Deutschen Post vom 28.06.2001, gerichtet an die
Beigeladene, wurde die nach dem Tod des Versicherten für Juni und Juli 2001 gezahlte
Versichertenrente iHv 2.285,32 EUR (= 4.469,70 DM) unter Hinweis auf § 118 Abs. 3
Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zurückgefordert. Auf der Rückseite dieses
Schreibens führte die Beigeladene unter dem 07.07.2001 aus, die Rentenbeträge seien
auf dem Konto der Tochter gutgeschrieben worden und zum Zeitpunkt des Eingangs der
Rückforderung bereits abverfügt gewesen. Der zurückgeforderte Betrag sei nicht zur
Befriedigung eigener Forderungen verwendet worden.
Mit Schreiben vom 30.08.2001 forderte die Beklagte daraufhin den überzahlten
Rentenbetrag iHv 2.285,32 EUR unter Verweis auf § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI von der
Klägerin zurück. Mit Schreiben vom 09.10.2001 wiederholte die Beklagte ihr
Rückforderungsbegehren und wies darauf hin, dass eine am 27.09.2001 abgegebene
telefonische Erklärung, dass die Rückzahlung der überzahlten Rente nicht erforderlich sei,
weil diese mit der Witwenrente verrechnet werde, falsch gewesen sei.
Daneben machte die Klägerin - noch zu Lebzeiten des Versicherten - gegenüber der
Beklagten eine Rentenabtretung geltend. Sie übersandte der Beklagten hierzu ein von ihr
allein unterschriebenes Schriftstück vom 02.04.2001, worin es heißt:
„Ich, G.K. und meine Frau schulden Frau Dr. I. S. R., ... W., ... einen Betrag in Höhe von DM
32.000,00.
Meine Altersrente ... ist derzeit noch an Frau C. Sch. abgetreten. Sobald diese Forderungen
ausgeglichen sind, soll aus meiner Rente der pfändbare Betrag an Frau Dr. R. abgetreten
werden, zum Ausgleich der o.g. Forderung ...".
Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin am 26.04.2001 in Form einer
Drittschuldnererklärung nach § 840 Zivilprozessordnung (ZPO) mit, dass die mit
Abtretungserklärung vom 02.04.2001 geltend gemachte Forderung anerkannt werde. Es
würden jedoch bereits vorrangig zu erfüllende sonstige Forderungen bestehen.
Nach dem Tod des Versicherten wies die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 16.08.2001 an
die Beklagte erneut auf die erfolgte Rentenabtretung hin und bat um Mitteilung, ob ihre
Forderung auch bezüglich der Witwenrente bestehen bleibe. Der Witwe des Versicherten
und der Klägerin wurde sodann am 27.09.2001 mitgeteilt, dass von der monatlichen
Witwenrente aufgrund der Abtretung vom 02.04.2001 der pfändbare Betrag iHv 182,89
EUR (= 357,70 DM) ab dem 01.11.2001 der Klägerin zur Zahlung angewiesen werde.
Nachdem die Witwe des Versicherten die Beklagte um Aufklärung über die ihr angezeigte
Abtretung bat und auch mitteilte, dass die ihr zustehenden Rentenleistungen für drei
Monate nicht auf ihr Konto überwiesen worden seien, erinnerte die Beklagte die Klägerin
mit Schreiben vom 31.10.2001 an die Rückzahlung der überzahlten Rente iHv 2.285,32
EUR und führt darin weiterhin aus, dass eine Überprüfung der Abtretungserklärung vom
02.04.2001 ergeben habe, dass die vorgenommene Pfändung der Hinterbliebenenrente
nicht korrekt gewesen sei. Die Abtretungserklärung sei nicht von der Witwe des
Versicherten unterschrieben und könne deshalb nicht zur Pfändung der
Hinterbliebenenrente führen. Der für den Monat November 2001 gezahlte Betrag iHv
182,89 EUR sei zu erstatten.
Nach weiteren Zahlungserinnerungen vom 13.02. und 29.04.2002 forderte die Beklagte
sodann mit Bescheid vom 14.10.2002 von der Klägerin die überzahlte Rente iHv 2.285,32
EUR und den für November 2001 geleisteten Abtretungsbetrag iHv 182,89 EUR zurück. In
dem Bescheid wurde ausgeführt, die Unrechtmäßigkeit der Zahlung hätte die Klägerin
zweifelsfrei erkennen können, da mit dem Tod des Rentenempfängers der Anspruch auf
Zahlung der Rente weggefallen sei. Insgesamt seien daher 2.468,21 EUR zu erstatten.
Hiergegen erhob die Klägerin am 14.11.2002 Widerspruch und führte aus, die
Rentenzahlung sei aufgrund einer Abtretungserklärung erfolgt, deren Rechtswirksamkeit
die Beklagte bejaht habe. Es sei auch eine Entreicherung eingetreten. Die Rente sei
verbraucht und könne nicht mehr zurückgezahlt werden. Eine Rückforderung sei zudem
unangemessen. Es seien Verbindlichkeiten des Versicherten nach dessen Tod erfüllt
worden. Die ausgezahlte Rente sei nicht in ihre Vermögensmasse geflossen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2003, zugestellt am 25.08.2003, wies die Beklagte
den Widerspruch zurück und führte u.a. aus, mit Ablauf des Sterbemonats sei der
Rentenanspruch nach § 102 Abs. 5 SGB VI erloschen, so dass die Klägerin nach § 118 Abs.
4 Satz 1 SGB VI als Empfängerin des überzahlten Rentenbetrages erstattungspflichtig sei.
Sie könne sich nicht auf Vertrauensschutz bzw. Entreicherungs- oder
Haftungseinschränkungen berufen. Der irrtümlich für November gezahlte Abtretungsbetrag
in Höhe von 182,89 EUR könne nach § 50 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)
zurückgefordert werden. Mit der Abtretungserklärung vom 02.04.2001 sei der pfändbare
Betrag aus der Altersrente des Versicherten abgetreten worden. Die Klägerin sei selbst im
Besitz der Abtretungserklärung gewesen und habe daher auch ohne weitere rechtliche
Kenntnisse erkennen können, dass hier lediglich die Altersrente und nicht die
Hinterbliebenenrente abgetreten gewesen sei. Der aus der Hinterbliebenenrente gezahlte
Betrag habe ihr nicht zugestanden. Auch im Wege des Ermessens könne auf eine
Rückforderung nicht verzichtet werden, da das rechtliche Interesse der Verwaltung an der
Rückforderung höher einzustufen sei als ihr Interesse.
In dem am 22.09.2003 eingeleiteten Klageverfahren vor dem Sozialgericht für das
Saarland (SG) hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und unter Wiederholung ihres
bisherigen Vorbringens im Wesentlichen ausgeführt, ihr seien rechtliche Unterschiede
zwischen einer Alters- und einer Hinterbliebenenrente nicht geläufig.
Mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2004 hat das SG den Bescheid vom 14.10.2002 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2003 aufgehoben und hierzu ausgeführt,
die Beklagte habe ihr zustehende Ansprüche nicht durch Verwaltungsakt festsetzen
können, weil zwischen ihr und der Klägerin kein Sozialleistungsverhältnis bestanden habe.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom
02.12.2001 - B 4 RA 53/01 könne der Anspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI nicht durch
Verwaltungsakt geltend gemacht werden, weil zwischen den Verfügenden und der
Rentenkasse kein Über- Unterordnungsverhältnis im Sinne von § 31 Erstes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB I) bestehe. Vielmehr seien derartige Ansprüche im Wege der
Leistungsklage zu erheben. Entsprechendes gelte für die Rückforderung nach § 50 SGB X.
Ein Sozialversicherungsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten habe nicht
vorgelegen, so dass eine Erstattung nach § 50 Abs. 2 SGB X nicht möglich sei.
Gegen den ihr am 30.01.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am
25.02.2004 Berufung eingelegt und ausgeführt, Anspruchsgrundlage sei zum einen § 118
Abs. 4 Satz 1 SGB XI, zum anderen § 50 Abs. 2 SGB X. Mit Bescheid vom 14.10.2002
seien sowohl die über den Tod hinaus gezahlte Rente iHv 2.285,32 EUR zurückgefordert
worden, als auch die im Rahmen einer Abtretung fälschlicherweise aus der
Hinterbliebenenrente geflossenen 182,89 EUR. Beide Forderungen seien zu Recht mit
Verwaltungsakt geltend gemacht worden. § 118 Abs. 4 sei insoweit zum 29.06.2002
geändert worden. Absatz 3 dieser Vorschrift finde dabei keine Anwendung, da die Klägerin
selbst Kontoinhaberin des Kontos gewesen sei, auf das die laufenden Rentenzahlungen
überwiesen worden seien, d.h. die Klägerin sei ohne vorherige Prüfung der Entreicherung
des Geldinstituts als Empfängerin der Geldleistung erstattungspflichtig. Dies ergebe sich
aus der Entstehungsgeschichte und dem Wortlaut dieser Regelung. Im Übrigen stehe
lediglich die Zahlung von 182,89 EUR mit der Abtretungserklärung in Zusammenhang, die
als eine Sozialleistung zu Unrecht erbracht worden sei. Dieser Betrag sei aufgrund der
vermeintlichen Pflicht aus der Abtretungserklärung an die Klägerin gezahlt worden. Damit
sei - für die Klägerin erkennbar - bewusst und zweckgerichtet deren Vermögen um diesen
Betrag vermehrt worden. Nachdem der Fehler bemerkt worden sei, habe die Beklagte die
Zahlung zu Ende November 2001 eingestellt. Nach § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X sei die zu
erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 20.01.2004 aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Ansicht, die Zahlungen der Beklagten stünden ihr aufgrund der Abtretung
vom 02.04.2001 zu. Im Übrigen habe die Beklagte nicht durch Verwaltungsakt handeln
dürfen, da zwischen ihr und der Beklagten kein Sozialleistungsverhältnis vorliege. § 118
Abs. 4 Satz 2 SGB VI in der Neufassung könne auf den vorliegenden Sachverhalt nicht
angewandt werden.
Mit Beschluss vom 11.07.2005 wurde die D. Bank AG dem Rechtsstreit beigeladen und
mit Verfügung vom gleichen Tag zur Beantwortung von Fragen, u.a. über Kontoinhaber
und Kontostand zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten, aufgefordert. Hierzu hat die
Beigeladene mit Schriftsatz vom 06.10.2005 mitgeteilt:
„Im Hinblick darauf, dass es sich bei dem gegenständlichen Konto nicht um ein Konto des
Rentenempfängers, sondern um das Konto einer dritten Person handelte, bitten wir um
Verständnis, dass wir uns weiterhin auf unser Auskunftsverweigerungsrecht berufen...".
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemachten Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und der
Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen
zulässig.
Sie ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG in dem angefochtenen Gerichtsbescheid
den Bescheid der Beklagten vom 14.10.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
10.07.2003 aufgehoben. Denn die Beklagte kann von der Klägerin die Rückerstattung von
2.285,32 EUR (I.) und 182,89 EUR (II.) verlangen.
I.) Der Anspruch der Beklagten auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Rentenleistungen in
Höhe von 2.285,32 EUR (= 4.469,70 DM) hat seine rechtliche Grundlage in § 118 Abs. 4
Satz 1 SGB VI, in der seit dem 29.06.2002 geltenden Fassung.
In § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI ist bestimmt, dass Personen, die die Geldleistung
(unmittelbar) in Empfang genommen haben, dem Rentenversicherungsträger zur
Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet sind.
Erstattungspflichtig nach dieser Vorschrift sind daher diejenigen, die Geldleistungen für
Zeiten nach dem Tod des Berechtigten in Empfang genommen oder über den
entsprechenden Betrag verfügt haben (Kreikebohm, Sozialgesetzbuch SGB VI, 2. Aufl.
2003, § 118 Randnr. 14). Der Klägerin wurden die für Juni und Juli 2001 gezahlten
Rentenbeträge von insgesamt 2.285,32 EUR auf ihr Konto bei der Beigeladenen
überwiesen. Sie ist daher „Empfängerin" im Sinne dieser Vorschrift. Sie hat auch
vorgetragen, das Geld in Empfang genommen und ausgegeben zu haben (Schriftsatz vom
23.08.2005).
Ein Rückzahlungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI gegen den Empfänger besteht nach
ständiger Rechtsprechung zwar nur dann, wenn ein vorrangiger Erstattungsanspruch
gegen das Geldinstitut aus § 118 Abs. 3 SGB VI nicht gegeben ist (BSG, Urteil vom
07.10.2004 - B 13 RJ 2/94 R; Urteil vom 08.06.2004 - B 4 RA 42/03 R; Urteil vom
14.11.2002 - B 13 RJ 7/02 R, jeweils m.w.N.). Denn gemäß § 118 Abs. 3 SGB VI gelten
Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto überwiesen
wurden als unter Vorbehalt erbracht (Satz 1). Das Geldinstitut hat sie der überweisenden
Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu
Unrecht erbracht zurückfordern (Satz 2). Satz 3 dieser Vorschrift sieht vor, dass eine
Verpflichtung zur Rücküberweisung nicht besteht, soweit über den entsprechenden Betrag
bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die
Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Im vorliegenden Fall war der
überzahlte Betrag zum Zeitpunkt des Eingangs der Rückforderung jedoch bereits abverfügt
und nicht zur Befriedigung eigener Forderungen der Beigeladenen verwendet worden.
Anhaltspunkte dafür, dass auf dem Konto der Klägerin zum Zeitpunkt des Eingangs der
Geldleistung sowie zum Zeitpunkt des Eingangs der Rückforderung ein Guthaben des
Versicherten bestand, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Klägerin vorgetragen dass die
Rente auf ihr eigenes Konto überwiesen wurde, über das der Versicherte keine
Verfügungsbefugnis hatte. Die Klägerin hat demgemäß die Erteilung einer Auskunft über
den Kontostand und die vorgenommenen Verfügungen zum Zeitpunkt des Todes des
Versicherten verweigert. So hat die Beigeladene in ihrem Schriftsatz vom 06.10.2005
auch mitgeteilt: „Im Hinblick darauf, dass es sich … nicht um ein Konto des
Rentenempfängers, sondern um das Konto einer dritten Person handelte, bitten wir um
Verständnis, dass wir uns … auf unser Auskunftsverweigerungsrecht berufen". Damit
haben sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene deutlich gemacht, dass das Konto nicht
zum Verfügungsbereich des Versicherten gehörte. Die Voraussetzungen eines vorrangigen
Anspruchs gegen die Beigeladene lagen demnach nicht vor.
Die Klägerin kann sich hier auch nicht auf Entreicherung oder Vertrauensschutz berufen.
Denn der Anspruch nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI, der einen eigenständigen öffentlich-
rechtlichen Anspruch begründet, ist unabhängig von der Kenntnis des Empfängers bzw.
des Verfügenden über die Rechtslage und geht als Spezialvorschrift den Regelungen des §
50 SGB X und – als Norm des öffentlichen Rechts – auch den §§ 812 ff. BGB vor
(Kreikebohm, aaO, § 118 Randnrn 12 f, mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung in: BT-
Drucksache 13/2590, S. 25). Daraus folgt, dass der Verpflichtete sich auch nicht auf die
Vertrauensschutzregelungen des § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X in Verbindung mit §§ 45 ff SGB
X oder auf § 818 Abs. 2 BGB berufen kann. Er haftet in vollem Umfang für den Betrag, den
er in Empfang genommen bzw. über den er verfügt hat (Kreikebohm, aaO, § 118 Randnr.
12; Polster, in: Kasseler Kommentar, § 118 Randnr. 14a, mwN). Es kommt daher auch
nicht darauf an, für welchen Zweck die Klägerin das in Empfang genommene Geld
ausgegeben hat oder dass die Beklagte der Klägerin am 27.01.2001 zunächst telefonisch
mitgeteilt hatte, dass die überzahlte Rente mit dem Sterbevierteljahr verrechnet würde, so
dass eine Rückzahlung nicht erforderlich sei.
Die Beklagte war auch - entgegen der Auffassung des SG - gemäß § 118 Abs. 4 Satz 2
SGB VI berechtigt, den Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen.
Nach Art. 8 Nr. 6 des Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherungs-Neuregelungsgesetzes
(HZvNG) vom 21.06.2002 (BGBl. I 2167) wurde § 118 Abs. 4 SGB VI neu gefasst und in
Satz 2 die Regelung aufgenommen, dass der Träger der Rentenversicherung
Erstattungsansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen hat. Die Neufassung ist
am 29.06.2002 ohne Übergangsregelung in Kraft getreten (Art. 25 Abs. 8 HZvNG), so
dass diese auch im Hinblick auf § 300 Abs. 1 SGB VI zum Zeitpunkt der Geltendmachung
des Anspruchs durch Bescheid vom 14.10.2002 anzuwenden war. Nach dem eindeutigen
Wortlaut der Neuregelung („hat"), bestand insoweit kein Ermessen für die Beklagte.
Damit hat die Beklagte zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid in Gestalt des
Widerspruchsbescheids einen Betrag iHv 2.285,32 EUR geltend gemacht. Die
Abtretungserklärung vom 02.04.2001, die sich ausschließlich auf die Versichertenrente
bezog, steht dem nicht entgegen, da ein Rentenanspruch kraft Gesetzes mit dem Tod des
Versicherten endet, ohne dass es eines Entziehungsbescheides bedarf (§ 102 Abs. 5 SGB
VI; vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 11.12.2002 – B 5 RJ 42/01 R). Die
Abtretungserklärung wurde daher mit dem Tod des Versicherten wirkungslos. Sie hatte
auch keine rechtliche Wirkung bezüglich der Witwenrente. Die notarielle Vollmacht vom
21.11.1995 bezog sich ausschließlich auf die Vertretung des verstorbenen Versicherten,
nicht auf dessen Ehefrau. Dass die Klägerin dabei nach ihrem Vortrag im Klageverfahren
nicht zwischen Rente und Witwenrente aus rechtlicher Sicht habe unterscheiden können,
wäre im Übrigen als ein bloßer Rechtsirrtum unbeachtlich, so dass auch dies dem
Rückzahlungsanspruch nicht entgegenstehe würde.
II.) Die Berufung hat auch Erfolg, soweit von der Klägerin durch den angefochtenen
Bescheid ein weiterer Betrag in Höhe von 182,89 EUR (=357,70 DM) zurückgefordert
wird. Insoweit handelt es sich nicht um überzahlte Rentenleistungen nach dem Tod des
Versicherten, sondern um einen Betrag, den die Beklagte von laufenden Leistungen der
Witwenrente der Witwe des Versicherten für den Monat November 2001 aufgrund der
Abtretung vom 02.04.2001 an die Klägerin gezahlt hat.
Rechtsgrundlage der Rückforderung ist § 50 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 SGB X. Danach sind
Leistungen, soweit diese ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, zu
erstatten. Nach Absatz 3 ist die zu erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt
festzusetzen.
Die Zahlung der 182,89 EUR im November 2001 war eine Leistung iSv § 50 Abs. 2 Satz 1
SGB X, da dieser Betrag nach der bei dessen Überweisung von der Beklagten
angenommenen Ansicht aus einer Rentenabtretung entstanden war und danach der
Klägerin zugestanden hätte.
Die 182,89 EUR wurden auch zu Unrecht gegenüber der Klägerin erbracht iSd § 50 Abs. 2
Satz 1 SGB X. Die Beklagte hat diesen Betrag ziel- und zweckgerichtet an die Klägerin
geleistet, ohne dass diese Zahlung von der vorgelegten Abtretungserklärung erfasst war
(s.o.). Der Auszahlungsanordnung lag auch kein Verwaltungsakt zugrunde. Dabei ist das an
die Witwe des Versicherten gerichtete Schreiben vom 27.09.2001, mit dem dieser
mitgeteilt wurde, dass die pfändbaren Rentenanteile abgetreten worden seien, nicht als
Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin anzusehen. Gegenüber dieser erfolgte weder eine
formelle Bewilligung noch ist materiell ein gesetzlicher Anspruch hierauf ersichtlich (vgl.
Steinwedel, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 50 SGB X Randnr. 29,
mwN). Zudem wäre ein Verwaltungsakt, durch welche die Beklagte (Stamm-)Rechte auf
Alters- und Witwenrente (oder die Einzelansprüche hieraus), die kraft Gesetzes
ausschließlich dem Versicherten bzw. der Witwe zustehen, einem Dritten (hier: der
Klägerin) zuerkennen würde, nichtig iSv § 40 Abs. 2 Nr. 4 und 5 und Abs. 1 SGB X (so
ausdrücklich: BSG, Urteil vom 24.07.2001 - B 4 RA 102/00 R).
Die Rückforderung war auch nicht durch einen Vertrauensschutz ausgeschlossen, wobei
sich dieser vorliegend nicht nach § 50 Abs. 2 S. 2 SGB X in Verbindung mit §§ 45 und 48
SGB X, sondern nur nach dem allgemeinen rechtsstaatlichen
(verfassungsverwaltungsrechtlich) gebotenen Vertrauensschutz (Rechtsgedanke aus § 45
Abs. 2 SGB X) richtet, da § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X nur anwendbar ist, wenn dem
Zahlungsempfänger das Recht oder der Anspruch auf die Zahlung im Rahmen eines
Sozialrechtsverhältnisses überhaupt wirksam durch (wenn auch rechtswidrigen)
Verwaltungsakt zuerkannt werden kann, was hier nicht der Fall ist (s.o.). Der allgemeine
Vertrauensschutz wird dabei in erster Linie durch die Grundsätze von Treu und Glauben
gewahrt (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2001 - B 4 RA 102/00 R). Hier liegen nach den
tatsächlichen Feststellungen jedoch keine Umstände vor, die eine Rückforderung der
182,89 EUR insoweit ausschließen würden. Die Beklagte hatte zwar zunächst eine falsche
Rechtsauffassung hinsichtlich des Umfangs der Abtretungserklärung dahingehend
vertreten, dass diese auch Ansprüche gegen die Witwe umfassen würde.
Dementsprechend wurde der Klägerin mit Schreiben vom 27.09.2001 die Überweisung
des monatlichen Abtretungsbetrages ab November 2001 mitgeteilt. Nachdem die Beklagte
ihren Rechtsfehler erkannt hatte, da sich die Abtretungserklärung vom 02.04.2001, die
von der Klägerin selbst unterschrieben wurde, ausdrücklich nur auf die Rente des
Versicherten bezog, hat sie mit Schreiben vom 31.10.2001 hierauf unverzüglich
hingewiesen und Erstattung begehrt. Aufgrund dessen ist nicht ersichtlich, inwieweit die
Klägerin unter Zugrundelegung der Grundsätze von Treu und Glauben darauf vertrauen
konnte, dass sie die für November 2001 gezahlten 182,89 EUR hätte behalten dürfen,
nachdem auch schon nach dem eindeutigen Wortlaut der Abtretungserklärung - für die
Klägerin erkennbar - diese einen Witwenrentenanspruch nicht erfassen konnte und die
Abtretung erst wirksam werden sollte, wenn eine bestehende vorrangige Abtretung erfüllt
gewesen wäre, was nach den vorliegenden Unterlagen zu diesem Zeitpunkt noch nicht der
Fall war, was der Klägerin mit der Drittschuldnererklärung vom 26.04.2001 auch mitgeteilt
wurde. Diese hatte zudem keine Vertretungsmacht, für und gegen die Witwe des
Versicherten eine entsprechende Erklärung abzugeben, da die Generalvollmacht vom
21.11.1995 nur vom Versicherten erteilt wurde.
Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), wobei es billig erscheint, keinen Kostenausspruch
für bzw. gegen die Beigeladene zu treffen, weil sie keinen Sachantrag gestellt hat (vgl. §
197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 13
Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 Gerichtskostengesetz (GKG), das hier noch in der bis zum
30.06.2004 geltenden Fassung anzuwenden ist, da die Berufung vor dem 01.07.2004
eingelegt worden ist (§ 72 Nr. 1 GKG n.F.).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.