Urteil des LSG Saarland vom 20.09.2006

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LSG Saarbrücken Urteil vom 20.9.2006, L 2 U 130/04
gesetzliche Unfallversicherung - Wegeunfall - Fahrgemeinschaft - sachlicher
Zusammenhang - Mitfahrer - Handlungstendenz - eigenwirtschaftlicher Grund - Umweg -
Tanken
Leitsätze
Unternimmt der Fahrer einer Fahrgemeinschaft einen nicht versicherten Umweg, um in
Luxemburg billiger zu tanken, besteht für den Mitfahrer kein Unfallversicherungsschutz,
wenn der Umweg auch für ihn im eigenwirtschaftlichen Interesse lag und es ihm zudem
zumutbar war den Fahrer zu bitten, ihn vorher zu Hause abzusetzen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland
vom 08.09.2004 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung seines Autounfalls vom 28.03.2002 als Arbeitsunfall.
Am 28.03.2002 (Gründonnerstag) verunglückte der Kläger kurz vor P., als er sich als
Beifahrer mit seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau, der Zeugin U.B., auf
dem Nachhauseweg von der Arbeit bei der Firma H. V. GmbH, E., zum Tanken nach
Sch./Luxemburg befand. Nach dem Tanken sollte die Weiterfahrt nach Hause nach M.
erfolgen. Der Kläger zog sich schwere Verletzungen zu und bezieht mittlerweile
Erwerbsunfähigkeitsrente.
Mit Bescheid vom 15.10.2003 teilte der Beklagte mit, dass Ansprüche auf
Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht beständen. Ein
Arbeitsunfall liege nicht vor, da das beabsichtigte Auftanken des Fahrzeuges in Luxemburg
dem unversicherten privaten Bereich zuzuordnen sei. Da er den Unfall nicht auf dem
direkten Weg zwischen Arbeitsstätte und Zielort (Wohnung in M.) erlitten habe, sondern
zum Unfallzeitpunkt als privater Kunde (Tanken in Luxemburg) bereits über den Zielort M.
hinausgefahren gewesen sei, habe er sich zum Unfallzeitpunkt auf einem unversicherten
Abweg befunden.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, durch das Tanken in
Luxemburg käme man auf Einsparungen bis zu 850,- bis 900,- EUR jährlich. Seiner Ehefrau
sei eine Bitte um Lohnerhöhung mit der Begründung abgelehnt worden, dass sie ja in
Luxemburg tanken könne. Dies zeige ebenfalls, dass hier ein Zusammenhang mit
betrieblichen Interessen bestehe. Des Weiteren liege Versicherungsschutz vor, wenn die
betreffende Verrichtung sich auf die – körperliche und/oder geistige – Leistungsfähigkeit, die
für die versicherte Tätigkeit benötigt werde, in positiver Weise auswirke. Da er und seine
Ehefrau ausschließlich in der Kunden-Neuwerbung tätig seien (Provisionsbasis), sei
souveränes Auftreten frei von finanziellen Ängsten unverzichtbar. Schließlich sei
anzuführen, dass die Grundsätze der Fahrgemeinschaft hier nicht angewandt werden
könnten. Er besitze keinen Führerschein und habe sich also in einem
Abhängigkeitsverhältnis zu seiner damaligen Freundin befunden. Es sei ihm also nicht
möglich gewesen, auf die Einhaltung des direkten Weges zu bestehen. Am Unfalltag habe
seine jetzige Ehefrau ihm erst während der Rückfahrt mitgeteilt, dass sie zum Tanken
durchfahren würde, da sie erst abends informiert worden sei, dass sie samstags arbeiten
solle.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Arbeitgeber mit, dass der Kläger und seine jetzige
Frau ausschließlich im Innendienst tätig seien (Call-Center, Telefondienst). Im Außendienst
seien beide zum Unfallzeitpunkt nicht tätig gewesen.
Bei einer Besprechung mit einem Außendienstmitarbeiter der Beklagten bestätigte der
Kläger, dass die Call-Agenten im Außendienst nur dann tätig geworden seien, wenn ein
Kläger, dass die Call-Agenten im Außendienst nur dann tätig geworden seien, wenn ein
Kunde aus der Umgebung einmal unbedingt von dem zuständigen Call-Agenten im
Außendienst habe betreut werden wollen. Seine Frau habe vor dem Unfall ca. alle sieben
Tage in Luxemburg getankt; so lange habe in etwa eine Tankfüllung ausgereicht. Das
Tanken sei meistens mit der Heimfahrt von der Arbeit verbunden gewesen, in der Regel
freitags oder, falls sie samstags hätten arbeiten müssen, samstags. Dies hätten sie in der
Regel morgens oder am Tag vor dem Tanken ausgemacht. Entweder seien sie zusammen
gefahren oder seine jetzige Ehefrau habe ihn abgesetzt, wenn er etwas zu erledigen
gehabt habe. In ca. 60 % der Fälle sei er zum Tanken mitgefahren. Er habe sich an den
Kosten für die Fahrten zur Arbeit beteiligt und 50,- EUR pro Monat dazugegeben. Als der
Vorgesetzte seiner Ehefrau gesagt habe, dass sie Ostersamstags arbeiten müsse, habe er
dies nicht mitbekommen und seine Frau habe dies auch zunächst nicht erzählt. Vor der
Heimfahrt habe er sich bei seiner Frau nicht erkundigt, ob diese direkt nach Hause fahren
wolle. Auf der Heimfahrt sei seine Frau dann an der Ausfahrt M. vorbeigefahren. Auf seine
Nachfrage hin habe sie erklärt, sie sei nicht herausgefahren, weil sie samstags arbeiten
müsse. Erst zu diesem Zeitpunkt habe er erfahren, dass seine Frau samstags arbeiten
solle und sie nun zum Tanken nach Luxemburg fahren wolle. Es habe sich ein „kurzer,
heftiger und schmerzloser“ Streit angeschlossen. Er habe seine Frau nicht gebeten, an der
nächsten – ca. 5 km entfernten – Ausfahrt umzukehren. Er denke, sie wäre auch dann
nicht an der nächsten Ausfahrt herausgefahren, wenn er sie darum gebeten hätte. Eine
Abfahrt an der nächsten Ausfahrt sei auch deshalb nicht möglich gewesen, da sie in der
Hitze des Streites gar nicht bemerkt hätten, wie sie daran vorbeigefahren seien. Am
Unfalltag habe er noch etwas zu erledigen gehabt; er habe seine Steuererklärung machen
wollen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein überzeugender Grund dafür, dass
die jetzige Ehefrau die beabsichtigte Fahrt zum Tanken in Luxemburg ausgerechnet am
Unfalltag nicht mit dem Kläger abgesprochen haben solle, sei nicht vorgebracht worden. Es
sei auch kaum nachvollziehbar, dass er von der unter Umständen erforderlichen
Samstagsarbeit der Lebensgefährtin vor der Heimfahrt keine Kenntnis gehabt haben solle,
obwohl er mit ihr in einem Büro gesessen habe. Da diese zudem regelmäßig am letzten
Tag der Arbeitswoche auf dem Heimweg in Luxemburg getankt habe, hätte er zudem
damit rechnen können, dass sie am Gründonnerstag nach der Arbeit zum Tanken nach
Luxemburg fahren würde. Weil der Kläger zum Unfallzeitpunkt nichts dringliches habe
erledigen wollen, und er seine Lebensgefährtin zum wöchentlichen Tanken in Luxemburg
überwiegend begleitet habe, sei im Übrigen auch der geschilderte Streit nicht recht
nachvollziehbar. Nicht schlüssig erklärt worden sei zudem, weshalb der Kläger seine
Lebensgefährtin nicht gebeten habe, an der nächsten – ca. 2 km entfernten – Ausfahrt
umzukehren. Letztlich könnte der Unfall vom 28.03.2002 aber auch dann nicht als
Versicherungsfall anerkannt werden, wenn die Schilderung des Klägers zutreffend sei. Das
Tanken in Luxemburg sei dem unversicherten privaten Bereich sowohl des Klägers als auch
seiner Lebensgefährtin zuzuordnen, das Tanken in Luxemburg sei unzweifelhaft aus
eigenwirtschaftlichen Gründen (Geld sparen) erfolgt und nicht dazu bestimmt gewesen,
dem Arbeitgeber zu dienen. Sein monatlicher Kostenbeitrag wäre sicherlich deutlich höher
ausgefallen, wenn seine Lebensgefährtin jeweils in Deutschland getankt hätte. Außerdem
habe der Kläger seine Lebensgefährtin nicht gebeten umzukehren. Die weitere Mitfahrt
zum Tanken habe er somit nicht ausdrücklich abgelehnt.
Die am 03.06.2004 erhobene Klage hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) mit
Gerichtsbescheid vom 08.09.2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt, das Auftanken eines Kraftfahrzeuges, mit dem der Weg nach oder von dem
Ort der Tätigkeit zurückgelegt werde, stelle nach der Rechtsprechung des BSG in der Regel
eine Tätigkeit dar, die dem privaten Bereich und nicht der unter Unfallversicherungsschutz
stehenden betrieblichen Sphäre zuzurechnen sei. Dies gelte im Regelfall schon dann, wenn
die nächstgelegene Tankstelle aufgesucht werde und erst recht, wenn eine weit entfernte
Tankstelle aufgesucht werde, weil der Treibstoff dort billiger sei. Im Übrigen hat das SG
gemäß § 136 Abs. 3 SGG auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
Gegen den ihm am 17.09.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am
12.10.2004 Berufung eingelegt.
Er trägt vor, es sei nicht immer am letzten Tag der Woche, sondern gegen Ende der
Woche getankt worden, das heiße auch ein oder zwei Tage früher. Weiterhin sei immer
vorher abgesprochen worden, ob er seine Lebensgefährtin auf der Fahrt begleiten oder
abgesetzt werden wolle. Manchmal habe er auch öffentliche Verkehrsmittel genutzt, wenn
seine Interessen und die seiner Lebensgefährtin nicht miteinander vereinbar gewesen
seien. Er habe somit am Unfalltag nicht damit rechnen können, dass ein Tankstopp in
Luxemburg eingelegt werde. Hätte seine Lebensgefährtin ihn vorher gefragt, hätte er sie
wahrscheinlich gebeten, ihn zuhause abzusetzen, da er sich für diesen Tag Arbeiten
vorgenommen gehabt habe. Zum Unfallzeitpunkt sei die 2 km entfernte Abfahrt noch gar
nicht vorhanden gewesen, so dass ein Umkehren nicht möglich gewesen sei
beziehungsweise mit einem erheblichen Umweg verbunden gewesen wäre.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts für das Saarland
vom 08.09.2004 sowie des Bescheides vom 15.10.2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26.05.2004 festzustellen, dass es sich bei dem
Autounfall vom 28.03.2002 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid.
Der Berichterstatter des Senats hat die Ehefrau des Klägers, Frau U.B., als Zeugin
vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschrift vom 28.09.2005 verwiesen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten; der Inhalt der Beiakte
war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den
Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte
Tätigkeit). Versicherte Tätigkeiten sind auch das Zurücklegen des von einem unmittelbaren
Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um mit anderen
Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2b
SGB VII).
Durch das Bestehen einer Fahrgemeinschaft wird kein neuartiger Versicherungsschutz –
ausgenommen der erweiterte Schutz für die erforderlichen Umwege – begründet. Vielmehr
müssen auch bei den Mitgliedern einer Fahrgemeinschaft die Voraussetzungen erfüllt sein,
die nach den allgemeinen Grundsätzen für Wege nach und von dem Tätigkeitsort verlangt
werden (vgl. BSG, Urteil vom 26.01.1988 – 2 RU 12/87; Keller in Hauck, SGB VII, K § 8
Rdnr. 252). Wird von der Fahrgemeinschaft der gemeinsame Weg zu den Orten der
Tätigkeiten – entsprechendes gilt für den Rückweg – unterbrochen und ein anderer Weg
eingeschoben, sind alle Teilnehmer der Fahrgemeinschaft versichert, wenn die
Unterbrechung bei einem von ihnen wesentlich mit seinem versicherten Tätigkeitsbereich
zusammenhängt (vgl. BSG a.a.O.).
1.) Vorliegend stand der Umweg nach Luxemburg in keinem Zusammenhang mit der
versicherten Tätigkeit des Klägers oder seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen
Ehefrau. Bereits in seinem Urteil vom 11.12.1980 hat das BSG (2 RU 71/78) entschieden,
dass dann, wenn sich wie hier nicht während der Fahrt die Notwendigkeit zum Tanken
ergibt, sondern der erhebliche Umweg deshalb gewählt wird, um billiger zu Tanken, ein
ursächlicher Zusammenhang zwischen der Zurücklegung des Umweges und der
Beschäftigung im Unternehmen nicht besteht. Beruht ein Umweg auf privaten Gründen, ist
entscheidend, ob die dadurch bedingte Verlängerung des Weges unter Berücksichtigung
alle Umstände des Einzelfalles als erheblich anzusehen ist. Dies ist dann der Fall, wenn die
private Verrichtung nicht nur „so im Vorbeigehen“ erledigt werde. In seinem Urteil vom
24.06.2003 (B 2 U 40/02 R) hat das BSG diese Rechtsprechung aufrechterhalten und
entschieden, selbst eine Wegeverlängerung von nur 100 Metern (von 1.600 auf 1.700 m)
stelle keine unbedeutende Verlängerung des Weges dar. Davon ausgehend ist der viele
Kilometer betragende Umweg nach Luxemburg nicht unerheblich.
2.) Macht der Fahrer einer Fahrgemeinschaft aus privaten Gründen einen Umweg, ist
umstritten, unter welchen Voraussetzungen die Mitfahrer Versicherungsschutz genießen.
Krasney (in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, gesetzliche Unfallversicherung, §
8 Rdnr. 266) vertritt die Auffassung, dass für sie auch während des Umweges oder der
Unterbrechung Versicherungsschutz besteht, da die Mitfahrer einer Fahrgemeinschaft auf
die Fahrroute des PKW angewiesen seien. Nach Ricke (in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII
Rdnr. 229) besteht ausnahmsweise Versicherungsschutz für die anderen, soweit sie auf
die Fahrgemeinschaft angewiesen sind und ihnen eine Einflussnahme auf die Abweichung
nicht möglich oder nicht zumutbar ist, zum Beispiel bei unvorhergesehenen
Wegeänderungen (ähnlich Schwerdtfeger in Lauterbach, Unfallversicherung, 4. Auflage, § 8
Rdnr. 532 mit Verweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.1969 – L 10 Ua
1239/67; Keller, a.a.O.; K § 8 Rdnr. 254).
Das LSG Baden-Württemberg (a.a.O.) hat entschieden, dass der ursächliche
Zusammenhang zwischen der Zurücklegung des Weges von der Arbeitsstätte mit der
Tätigkeit im Unternehmen jedenfalls dann nicht unterbrochen werde, wenn ein Umweg
nicht in der Person des Versicherten begründet und nicht wesentlich von seinem Willen
bestimmt werde und sich zur Begründung auf ein Urteil des BSG vom 26.07.1963 (2 RU
178/61) berufe. Nach Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 08.08.1989 –
L 5 U 145/88) kann der Versicherungsschutz bestehen, wenn dem Mitfahrer das Benutzen
anderer Beförderungsmittel unzumutbar gewesen wäre oder wenn er erst während der
Fahrt von dem beabsichtigten Abweg erfahren habe und er trotzdem auf die Mitfahrt
angewiesen sei.
Das BSG hat es in seinem Urteil vom 11.12.1980 (a.a.O.) offen gelassen, ob bei einer
Fahrgemeinschaft nach § 550 Abs. 2 Nr. 2 RVO i. d. F. des 17. RAG im Einzelfall für den
Mitfahrer Versicherungsschutz auf einem privaten Zwecken des Fahrzeugführers
dienenden Umweg, auf dem dieser nicht versichert sei, angenommen werden könne, wenn
der Mitfahrer erst während der Fahrt von dem Umweg erfahren habe und auf die Mitfahrt
angewiesen sei, da eine solche mit der Erweiterung des Versicherungsschutzes auf
Fahrgemeinschaften durch das 17. RAG zu begründende Auffassung sich nicht ohne
weiteres auf den vorliegenden, noch nach altem Recht zu beurteilenden Fall übertragen
lasse. Weiter hat das BSG ausgeführt, dass selbst wenn der Ehemann der Klägerin den
Plan, zur Tankstelle zu fahren, vorher nicht mit der Klägerin abgesprochen hätte, der
Klägerin jedenfalls unmittelbar bei der Abfahrt von der Arbeitsstätte dies bewusst
geworden sei, da der Weg in die entgegengesetzte Richtung geführt habe. Die Klägerin
habe hiergegen ihrem Ehemann gegenüber keine Einwendungen erhoben. Nach der Lage
des Falles sei es nicht gerechtfertigt, hinsichtlich der Klägerin das Einschlagen des
erheblichen Umweges als rechtlich unbeachtlich zu werten und für sie – anders als für ihren
Ehemann – einen Versicherungsschutz nach § 550 Abs. 1 RVO zu bejahen. Es sei zu
berücksichtigen, dass sich die wirtschaftlichen Interessen der Eheleute deckten und deshalb
auch der Klägerin bei objektiver Betrachtung daran gelegen gewesen sei, zum Beispiel
durch Einkauf billigeren Treibstoffs den gemeinsamen Haushalt zu entlasten.
In seiner Entscheidung vom 26.01.1988 (a.a.O.) hat das BSG diese Frage ebenfalls offen
gelassen. In seinem Beschluss vom 04.12.1989 (2 BU 15/89) hat das BSG
Versicherungsschutz verneint, wenn Grund für den erheblichen Umweg ein gemeinsam
eigenwirtschaftliches Vorhaben war, der Umweg somit auch aus persönlichen
eigenwirtschaftlichen Gründen des Mitfahrers zurückgelegt worden ist.
Der bisherigen Rechtsprechung des BSG kann nicht entnommen werden, dass
Versicherungsschutz besteht, wenn zwischen der Fahrt und der betrieblichen Tätigkeit kein
Zusammenhang besteht. Dies gilt entgegen der Auffassung des LSG Baden-Württemberg
(a.a.O.) auch für das Urteil des BSG vom 26.07.1963 (a.a.O.). Dort befand sich der
Versicherte im Zeitpunkt des Unfalls auf der Fahrt von der Arbeitsstätte zu seiner
Wohnung, allerdings nicht auf dem kürzesten Weg dorthin, sondern auf einem Umweg, der
sich durch die Gelegenheit ergab, gemeinsam mit anderen Betriebsangehörigen im PKW
des Betriebsratsvorsitzenden des Unternehmens mitgenommen zu werden. Das BSG sah
den Umweg wesentlich durch betriebliche Umstände bedingt und hat darauf abgestellt,
dass der Versicherte den Umweg nur in Kauf genommen hatte, weil die Fahrtroute durch
die Zahl und Zusammensetzung der Fahrtteilnehmer vorgezeichnet gewesen sei und er
nicht aus einem privaten Grunde an dem Umweg interessiert gewesen sei. Die den
Umweg für den Ehemann rechtfertigenden Umstände seien in einem so erheblichen Maße
betriebsbezogen gewesen, dass der ursächliche Zusammenhang im Sinne des § 543 Abs.
1 S. 1 RVO a.F. als gegeben anzusehen gewesen sei. In einem weiteren Urteil vom
10.12.1975 (8 RU 202/74) hat das BSG für die Begründung des Versicherungsschutzes es
als entscheidend angesehen, dass dem Beschäftigten nicht zuzumuten gewesen sei, die
Mitfahrt im PKW seines Arbeitgebers abzulehnen. Den inneren Zusammenhang der
Heimfahrt mit der betrieblichen Tätigkeit hat das BSG nur deshalb als gegeben erachtet,
weil von dem Beschäftigten eine Ablehnung der Mitfahrt wegen der für sein
Beschäftigungsverhältnis möglicherweise nachträglichen Folgen nicht habe verlangt werden
können.
Geht man davon aus, dass der Versicherungsschutz bei Fahrgemeinschaften keinen
eigenständigen Versicherungsschutz begründen soll, kann Versicherungsschutz in Fällen, in
denen der Umweg weder für den Fahrer noch für den Mitfahrer betrieblich veranlasst ist,
allenfalls nur unter engen Voraussetzungen in Ausnahmefällen gewährt werden. Die
Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigen es jedoch nicht, beim Kläger – im
Gegensatz zu seiner Ehefrau – Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung
anzunehmen. Dies gilt auch dann, wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, dass er erst
von der Absicht seiner Ehefrau, in Luxemburg zu tanken, erfahren hat, als diese an der
Autobahnabfahrt M. vorbeigefahren war. Dem Kläger wäre es ohne weiteres zuzumuten
gewesen, seine damalige Lebensgefährtin zu bitten, die nächste Ausfahrt (M.- Schw.)
abzufahren und ihn zuhause abzusetzen. Dies hätte auch keinen unzumutbaren Umweg
dargestellt, da diese Ausfahrt nur ca. 2 km weiter war, wie sich aus der in der
Verwaltungsakte befindlichen Routen- und Entfernungsberechnung ergibt. Soweit im
Erörterungstermin vorgetragen worden ist, dass diese Abfahrt im Jahr 2002 noch nicht
existiert habe, kann dem nicht gefolgt werden. Nach telefonischer Rücksprache der
Beklagten mit der Autobahnmeisterei D. soll die Ausfahrt bereits seit Mitte der 80er Jahre
existiert haben. Es ist auch gerichtsbekannt, dass diese Abfahrt jedenfalls im Jahr 2002
schon längst vorhanden war. Zudem ist die Autobahnausfahrt M.- Schw. in den dem Senat
vorliegenden Straßenkarten der Jahre 1999/2000 und 2001/2002 bereits eingezeichnet.
Soweit der Kläger vorträgt, dass ein Verlassen der Autobahn nicht möglich gewesen sei,
weil sie wegen des Streits die Autobahnabfahrt verpasst hätten, kann dies keine andere
Entscheidung rechtfertigen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Verpassen der
Abfahrt auch auf das Verhalten des Klägers zurückzuführen ist, so dass sich dieser die
Weiterfahrt seiner damaligen Lebensgefährtin zurechnen lassen muss (vgl. BSG, Urteil
24.03.1998 – B 2 U 4/97 R: Der Fahrer versäumte wegen einer regen Unterhaltung mit
dem Versicherten an insgesamt fünf Autobahnabfahrten, die Autobahn zu verlassen. Das
BSG hat entschieden, dass sich der Beifahrer in einem solchen Fall die Handlungsweise des
Fahrers zurechnen lassen muss, wenn das Verirren wesentlich auf sein eigenes Verhalten
zurückzuführen ist).
Hinzu kommt, dass der Umweg zum Tanken in Luxemburg auch im eigenwirtschaftlichen
Interesse des Klägers und nicht nur seiner damaligen Lebensgefährtin lag. Der Kläger
musste sich an den Benzinkosten beteiligen; zudem hat er in seiner Klagebegründung
darauf hingewiesen, dass ihm durch diese Einsparungen ein souveränes Auftreten frei von
finanziellen Ängsten möglich sei. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von dem von
dem LSG Baden-Württemberg zu entscheidenden Fall (dort lag der Umweg ausschließlich
im eigenwirtschaftlichen Interesse des Fahrers). Die vorliegende Fallkonstellation ähnelt
vielmehr den vom BSG entschiedenen Fällen (Urteil vom 11.12.1980 und Beschluss vom
04.12.1989 jeweils a.a.O.), bei denen das BSG darauf abgestellt hat, dass der Umweg
auch im eigenwirtschaftlichen Interesse des Mitfahrers lag.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.