Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 21.10.2010

LSG Rpf: verfügung, einkünfte, lebensstandard, geburt, beratung, vorauszahlung, anteil, rückzahlung, kirchensteuer, fälligkeit

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz
Urteil vom 21.10.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Koblenz S 10 EG 7/09
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 5 EG 4/10
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 26.03.2010 wird zurückgewiesen. 2.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf höheres Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz
(BEEG) hat.
Die Klägerin beantragte im März 2009 die Gewährung von Elterngeld für ihren am 22.12.2008 geborenen Sohn L. Die
Kreisverwaltung N bewilligte auf der Grundlage der von der Klägerin vorgelegten Gehaltsabrechnungen mit Bescheid
vom 18.05.2009 Elterngeld für den Zeitraum vom 22.12.2008 bis 21.12.2009 in Höhe von 1.152,33 EUR für den 04.
bis 12. Anspruchsmonat. (Für den 11. und 02. Anspruchsmonat ergab sich ein Zahlbetrag von 0, für den 03.
Anspruchsmonat ein Zahlbetrag von 723,18 EUR. Antragsgemäß wurden die Beträge in jeweils zwei halben
Monatsbeträgen ausgezahlt, so dass sich der Auszahlungszeitraum verdoppelte.) Bei der Berechnung des Elterngelds
legte der Beklagte ein Erwerbseinkommen aus nicht selbstständiger Arbeit in Höhe von monatlich 1.719,90 EUR zu
Grunde. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, bei der Berechnung des Elterngelds sei
eine ihr gewährte Betriebsprämie zu berücksichtigen. Außerdem überstiegen ihre tatsächlichen Werbungskosten im
Zusammenhang mit der Ausübung einer nicht selbstständigen Tätigkeit den berücksichtigten Pauschalbetrag (920,00
EUR). Dies könne durch die maßgebenden Einkommenssteuerbescheide belegt werden. Das Elterngeld sei daher
unter Berücksichtigung des tatsächlich zu versteuernden Einkommens zu berechnen, letztendlich sei auf den Abzug
der Werbungskostenpauschale zu verzichten. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2009 wies der Beklagte den
Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 09.07.2009 Klage beim Sozialgericht Koblenz erhoben und ihren
Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2007 (Bescheid vom 27.01.2009) vorgelegt. Der Beklagte hat sich in der
mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht am 26.03.2010 bereit erklärt, der Berechnung des maßgeblichen
Einkommens die Betriebsprämie für Oktober 2008 in Höhe von 216,00 EUR brutto zu Grunde zu legen. Die Klägerin
hat das Teilanerkenntnis angenommen. Durch Urteil vom 26.03.2010 hat das Sozialgericht die über das
Teilanerkenntnis hinausgehende Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte habe das Elterngeld
zutreffend nach § 2 Abs. 7 BEEG berechnet. Grundlage der Berechnung seien die monatlichen Lohn- und
Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers (§ 2 Abs. 7 Satz 4 BEEG). Dass sich im Nachhinein durch eine
Steuererstattung andere Abzüge ergäben, sei unerheblich, da diese Beträge der Klägerin im maßgeblichen
Bezugszeitraum gerade nicht zur Verfügung gestanden hätten. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt des Elterngelds sei
aber das tatsächlich während der Berufstätigkeit zur Verfügung stehende Einkommen. Auch der Abzug der
pauschalen Werbungskosten sei zu Recht erfolgt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Regelung
beständen nicht. Der Gesetzgeber habe bis zu einer Höchstgrenze den Verlust des Einkommens ersetzen wollen, das
dem anspruchsberechtigten Elternteil vor der Unterbrechung seiner Erwerbstätigkeit zu Gunsten von Familienarbeit
monatlich tatsächlich zur Verfügung gestanden habe. Angesichts des dem Gesetzgeber einzuräumenden weiten
Gestaltungsspielraums bei steuerfinanzierten Leistungen sei die generelle Anbindung an das Steuerrecht und auch die
pauschalierte Verfahrensweise bei der Berechnung des Elterngelds unbedenklich.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 09.04.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.05.2010 (Montag)
Berufung eingelegt. Sie hat u.a. den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 und den Bescheid der
Kreisverwaltung N vom 19.04.2010 vorgelegt und macht geltend, ausgehend von den erstatteten Beträgen in Höhe
von 1.133,55 EUR (2007) und 1.206,52 EUR (2008) seien ihre monatlichen Einkünfte (jeweils im Jahresdurchschnitt
berechnet) jeweils um 94,46 EUR bzw. 100,54 EUR zu erhöhen. Nach § 2 Abs. 7 Satz 1 BEEG seien vom
Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit die tatsächlich entfallenden Steuern abzuziehen, nicht nur die
(vorläufigen) Steuerbeträge, die im Rahmen des Lohnsteuerabzugs vom Arbeitgeber monatlich abgeführt werden. Auf
die Frage der Fälligkeit, Auszahlung bzw. Zahlung oder Rückzahlung der Steuerbeträge komme es nicht an. Wenn
das Sozialgericht ausführe, der Abzug der pauschalen Werbungskosten sei zu Recht erfolgt, sei dies zutreffend, treffe
aber das Problem der Sache nicht. Es gehe ihr nicht darum, den Abzug der pauschalen Werbungskosten anzugreifen,
sondern darum, dass bei der Berechnung des "echten" Nettoeinkommens die tatsächlich gezahlten Steuern und nicht
die als Vorauszahlung geleisteten Steuerbeträge gemäß den monatlichen Lohnabrechnungen zu Grunde gelegt
würden. Die Höhe des Elterngelds könne nicht davon abhängen, ob ein Arbeitnehmer von der Möglichkeit, Freibeträge
auf die Lohnsteuerkarte eintragen zu lassen, Gebrauch gemacht habe oder nicht.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 26.03.2010 aufzuheben, den Bescheid des
Beklagten vom 18.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.06.2009 und des Teilanerkenntnisses
vom 26.03.2010 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr Elterngeld unter Berücksichtigung der tatsächlich auf
die Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit zu zahlenden Steuern zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte des
Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat
keinen Anspruch auf Gewährung eines höheren Elterngelds. Zur Begründung nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2
SGG zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug. Ergänzend ist Folgendes anzumerken:
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BEEG gelten als auf die Einnahmen entfallende Steuern die abgeführte Lohnsteuer
einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, im Falle einer Steuervorauszahlung der auf die Einnahmen
entfallende monatliche Anteil. Zu berücksichtigen sind die in dem maßgebenden Zwölfmonatszeitraum vor dem Monat
der Geburt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 7 Satz 5 und 6 BEEG) zugeflossenen laufenden Einnahmen aus nicht
selbstständiger Arbeit. Das Elterngeld dient dazu, das zuletzt (vor der Geburt des Kindes) zum Lebensunterhalt
dienende Einkommen zu ersetzen. Seiner Berechnung müssen deshalb diejenigen Einkünfte zu Grunde gelegt
werden, die während des gesetzlich definierten letzten wirtschaftlichen Dauerzustands den Lebensstandard des
Elterngeldberechtigten geprägt haben (BSG 03.12.2009 B 10 EG 3/09 R, juris, § 32 ff. m.w.N.). Die später erfolgten
Steuerrückerstattungen waren indessen für den Lebensstandard im maßgebenden Zwölfmonatszeitraum nicht
prägend.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt, dass Arbeitnehmer die Möglichkeit haben,
Freibeträge auf die Lohnsteuerkarte eintragen zu lassen, so dass die monatlichen Steuervorauszahlungen geringer
sind. Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin gerade keinen Gebrauch gemacht. Ihr Einwand, die Höhe des
Elterngelds könne nicht davon abhängen, ob ein Arbeitnehmer Freibeträge auf die Lohnsteuerkarte eintragen lassen
oder nicht, überzeugt nicht, da diese Eintragung sich gerade auf das maßgebende tatsächlich zur Verfügung stehende
Einkommen auswirkt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.