Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 26.10.2009

LSG Rpf: konstitutive wirkung, entsendung, ungarn, soziale sicherheit, unternehmen, gesellschaft im ausland, festsetzung der beiträge, bindungswirkung, versicherungspflicht, europäische union

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz
Urteil vom 26.10.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Mainz S 5 U 33/06
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 2 U 46/09
Bundessozialgericht B 2 U 4/10 B
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 19.8.2008 wird zurückgewiesen. 2. Die
Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 171.079,90 Euro festgesetzt. 4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Versicherungspflicht der Klägerin sowie deren Heranziehung zur Zahlung von Beiträgen und
Säumniszuschlägen auf Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung für die von ihr in der Bundesrepublik
Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer.
Die Klägerin, die in der Bundesrepublik Deutschland keine selbständige Zweigniederlassung unterhält, ist eine in der
Rechtsform mit einer GmbH vergleichbare Gesellschaft ungarischen Rechts (Kft) mit Sitz in B. Sie ist seit dem
27.5.2004 die Rechtsnachfolgerin der Firma I. Zu ihrem Geschäftszweck gehört die Vermittlung ausschließlich
ungarischer Arbeitnehmer aus dem Fleischerhandwerk an deutsche Schlachtereien und
Fleischverarbeitungsunternehmen.
Nach Eingang einer Unfallmeldung leitete die Beklagte im Jahr 2000 Ermittlungen zur Geschäftstätigkeit der Klägerin
ein. Diese ergaben, dass die Klägerin bei deutschen Firmen auf der Grundlage der "Vereinbarung zwischen der
Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Ungarischen Volksrepublik über die Entsendung
ungarischer Arbeitnehmer aus in der Ungarischen Volksrepublik ansässigen Unternehmen zur Beschäftigung auf der
Grundlage von Werkverträgen vom 3.1.1989" (im Folgenden: deutsch-ungarisches Werkvertragsabkommen; BGBl
1989 Teil II, Seite 245) und des am 1.5.2000 in Kraft getretenen Gesetzes zum Abkommen zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn über soziale Sicherheit (im Folgenden: deutsch-ungarisches
Sozialversicherungsabkommen, BGBI 1999 II, Seite 902) ungarische Arbeitnehmer aufgrund kontingentierter
Werkverträge in der Bundesrepublik Deutschland für wechselnde Einsatzorte befristet für die Dauer von maximal 24
Monaten eingesetzt hatte.
Zu den Betriebsverhältnissen in Ungarn und der Anzahl der dort beschäftigten Arbeitnehmer machte die Klägerin keine
Angaben.
Von der zuständigen ungarischen Sozialversicherungsbehörde, der Nationalen Kasse für Gesundheitsversicherung
(OEP), wurden aufgrund des deutsch-ungarischen Entsendeabkommens D/H 101 Bescheinigungen ausgestellt,
wonach die Arbeitnehmer ausschließlich dem ungarischen Sozialversicherungsrecht unterfielen.
Mit Bescheid vom 11.12.2001 stellte die Beklagte ihre Zuständigkeit als Unfallversicherungsträger für das klägerische
Unternehmen ab dem 27.10.1996 fest und veranlagte die Klägerin nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Gefahrtarif
zum Gewerbezweig "Ausbeinerei/Zerlegerei" und zur Gefahrklasse 23,0 und für die Zeit ab dem 1.1.2001 zur
Gefahrklasse 17,8.
Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag zog die Beklagte die Klägerin aufgrund einer Schätzung zu Beiträgen für
das Jahr 1996 (26.178,14 DM) heran.
Die gegen die Bescheide vom 11.12.2001 am 23.1.2002 erhobenen Widersprüche begründete die Klägerin damit, sie
habe im Jahr 1996 keine Tätigkeit in der Bundesrepublik entfaltet. Erst im Januar 1997 seien 4 Arbeitnehmer zur
Ausführung des Werkvertrages zum Einsatz gebracht worden. Im Übrigen sei die Zuständigkeit der Beklagten nicht
gegeben, da ihre Arbeitnehmer ausschließlich der ungarischen Sozialversicherung unterfielen.
Mit Bescheid vom 21.7.2004 hob die Beklagte den angefochtenen Beitragsbescheid für das Jahr 1996 auf. Sie
forderte von der Beklagten erneut die Beantwortung der gestellten Fragen und die Vorlage der angeforderten
Unterlagen. Die Klägerin verwies auf die Bindungswirkung der erteilten Entsendebescheinigung D/H 101.
Die Beklagte erließ in der Folgezeit weitere Beitragsbescheide, nämlich am 17.12.2002 einen Beitragsbescheid für
das Jahr 1997 (86.871,34 Euro), am 18.12.2003 einen Beitragsbescheid für das Jahr 1998 (17.112,10 Euro), am
29.11.2004 einen Beitragsbescheid für das Jahr 1999 (24.328,67 Euro), am 11.7.2005 Beitragsbescheide für das Jahr
2000 (9.621,81 Euro), für das Jahr 2001 (8.097,41 Euro), für das Jahr 2002 (11.474,28 Euro) und für das Jahr 2003
(20.928,70 Euro). Mangels Vorlage von Lohnnachweisen nahm sie die Festsetzung der Höhe der Beiträge im Wege
der Schätzung vor und orientierte sich dabei an der Entgeltsumme, die sie aus dem Nettoumsatz unter Abzug der
Sozialversicherungsbeiträge errechnete. Mit Bescheiden vom 21.1.2005 und 24.8.2005 setzte sie außerdem
Säumniszuschläge in Höhe von 243 Euro und 500 Euro fest.
Die Widersprüche der Klägerin gegen die Beitragsbescheide und gegen die Säumnisbescheide wurden mit
Widerspruchsbescheid vom 19.10.2005 als unbegründet zurückgewiesen. Die Beitragsbescheide basierten auf
Schätzungen der Lohnsummen, nachdem die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen war. Der
Widerspruch gegen den Zuständigkeits- und Veranlagungsbescheid vom 11.12.2001 wurde als verfristet angesehen
und als unzulässig zurückgewiesen. Zugleich wurde die Zuständigkeit der Beklagten als gegeben angesehen.
Die Klägerin hat am 17.11.2005 Klage zum SG Berlin erhoben, welche mit Beschluss vom 6.1.2006 an das örtlich
zuständige SG Mainz verwiesen wurde.
Die Beklagte hat während des Klageverfahrens am 27.3.2006 Beitragsbescheide gleichen Inhalts an die Klägerin als
Rechtsnachfolgerin der I erlassen.
Die Klägerin hat zur Begründung der Klage ihre Auffassung wiederholt und ergänzend ausgeführt, die Beklagte habe
zu Unrecht ihre Versicherungs- und Beitragspflicht angenommen. Das zuständige LAA Hessen habe
Zustimmungsbescheide für die Beschäftigung der ungarischen Arbeitnehmer im Rahmen der geschlossenen
Werkverträge erteilt. Sie habe auf die Richtigkeit dieser Bescheinigungen vertraut. Bei einer Entsendung im Rahmen
des deutsch-ungarischen Werkvertragsabkommens bestehe eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht. Die
aufgrund der Regelung in Art. 4 der Vereinbarung zur Durchführung des deutsch-ungarischen
Sozialversicherungsabkommens eingeführten "D/H 101 Bescheinigungen" hätten konstitutive Wirkung. Ein sachlicher
Grund zur Differenzierung zwischen einer konstitutiv wirkenden "E 101-Bescheinigung" im Bereich der Europäischen
Union (EU) und der "D/H 101 Bescheinigung" sei nicht zu erkennen. Nach Auffassung der ungarischen OEP sei eine
Einstellung von Arbeitnehmern für den Zweck der Entsendung mit der Regelung im Sozialversicherungsabkommen
ohne weiteres vereinbar und eine Geschäftstätigkeit in Ungarn nicht erforderlich. Eine Grundlage für eine abweichende
Beurteilung und Prüfung der Sozialversicherungspflicht durch die deutschen Behörden sei nicht gegeben. Die
Beklagte habe keine Prüfungskompetenz und könne daher auch keine weiteren Angaben und Unterlagen verlangen.
Diese Auffassung werde durch das BSG im Urteil vom 16.12.1999 B 14 KG 1/99 geteilt. Im Übrigen seien die Beiträge
für das Jahr 1997 verjährt.
Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass die D/H 101-Bescheinigungen anders als die E 101-Bescheinigungen keine
Bindungswirkung entfalteten, so dass sie diese eigenständig prüfen und beurteilen dürfe. Dies ergebe sich aus der
Rechtsprechung des LSG Rheinland-Pfalz. Auch der BGH (Urteil vom 24.10.2007 1 StR 189/07) gehe nicht von einer
Bindungswirkung aus.
Das SG hat durch Urteil vom 19.8.2008 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die an die Klägerin
als Rechtsnachfolgerin der I gerichteten Bescheide seien nach § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens geworden,
da sie die ergangenen Bescheide abänderten. Diese Bescheide seien rechtmäßig. Es bestehe Versicherungspflicht
für die in der Bundesrepublik eingesetzten Arbeitnehmer der Klägerin.
Gegen dieses ihr am 5.1.2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 5.2.2009 zum Landessozialgericht (LSG)
Rheinland-Pfalz eingelegte Berufung der Klägerin.
Sie trägt vor: § 5 SGB IV fordere für eine Einstrahlung ein im Ausland bestehendes Beschäftigungsverhältnis.
Wesentliches Indiz für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnis sei die Frage, gegen wen sich der
Entgeltanspruch richte (Aus- und Einstrahlungsrichtlinien Nr. 3.3.1). Im vorliegenden Falle richte sich der
Entgeltanspruch gegen die Gesellschaft im Ausland, da es keine inländische Rechtspersönlichkeit gebe, gegen die
sich der Anspruch richten könne. Aufgrund des geschlossenen Werkvertragsabkommens zwischen der
Bundesrepublik und Ungarn sei von den zuständigen Ministerien die Auskunft erteilt worden, dass die
Werkvertragsarbeitnehmer grundsätzlich nicht der Sozialversicherungspflicht in der Bundesrepublik Deutschland
unterlägen. Hierfür spreche ein Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 6.12.1995,
welches sich auf die Kündigung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen
Republik Rumänien über Sozialversicherung vom 29.6.1973 beziehe, außerdem ein von der AOK Siegerland-
Wittgenstein verfasstes Schreiben vom 7.6.1990 und ein von der Bau-Berufsgenossenschaft Wuppertal verfasstes
Schreiben vom 14.7.1993. Darüber hinaus fehlten in den vom LAA Hessen ausgestellten Zustimmungsbescheiden
Belehrungen dahingehend, dass die Sozialversicherungspflicht noch abschließend zu klären sei. Die D/H 101-
Bescheinigungen entfalteten konstitutive Wirkung. Dies ergebe sich schließlich auch aus § 109 Abs. 1 Nr. 4 SGB IV.
Hierzu verweise sie auf das Urteil des BSG vom 16.12.1999 B 16 KG 1/99 R zum deutsch-mazedonischen
Sozialversicherungsabkommen, Beschlüsse des Sozialgerichts Berlin vom 9.11.2007 S 84 KR 2249/07 ER und des
Landessozialgerichts Berlin Brandenburg vom 24.4.2007 L 1 B 1030/05 KR sowie auf ein Urteil des Bayerischen
Landessozialgerichts vom 27.2.2007 L 5 KR 32/04). Soweit der BGH in Strafsachen eine andere Auffassung vertrete,
sei er nicht das Fachgericht zur Beurteilung sozialversicherungsrechtlicher Tatbestände. Schließlich ergebe sich aus
einem Protokoll der Arbeitsgruppe für zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht über eine Sitzung vom
31.8.2000/1.9.2000, dass an der in den Richtlinien vom 20.11.1997 vereinbarten Auslegung weiter festgehalten werde.
Danach komme es für die Frage der Entsendung ausschließlich darauf an, ob die Arbeitnehmer nach Beendigung der
Entsendung in ihr Heimatland zurückkehrten und dort weiterhin der Sozialversicherungspflicht unterlägen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 19.8.2008, den Zuständigkeits- und Veranlagungsbescheid der Beklagten
vom 11.12.2001, die Beitragsbescheide vom 17.12.2002, 18.12.2003, 29.11.2004, 11.7.2005 und die Bescheide über
Säumniszuschläge vom 21.1.2005 und 24.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2005,
geändert durch die Bescheide vom 27.3.2006, aufzuheben, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat entgegnet, sie könne nicht erkennen, inwiefern das von der Klägerin vorgelegte Schreiben des
Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 6.12.1995, welches sich mit der Ausgestaltung des
Versicherungsschutzes von Werkvertragsarbeitnehmern aus Rumänien befasse, für den im vorliegenden Verfahren zu
entscheidenden Sachverhalt Relevanz besitze. Die von der Klägerin aufgezeigte Rechtsauffassung der AOK
Siegerland-Wittgenstein im Schreiben vom 7.6.1990 und von der Bau-Berufsgenossenschaft Wuppertal im Schreiben
vom 14.7.1993 werde von ihr nicht geteilt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergebe sich die konstitutive Wirkung
der D/H 101-Bescheinigungen nicht aus § 109 Abs. 1 Nr. 4 SGB IV. Diese Vorschrift setze, wie das SG Mainz
zutreffend in einem Beschluss vom 27.6.2003 S ER 21/03 U entschieden habe, voraus, dass Beschäftigte im
Rahmen eines außerhalb des Geltungsbereichs des SGB IV bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in dessen
Geltungsbereich entsandt worden seien. Wann dies der Fall sei, regele die Vorschrift nicht. Zur geltend gemachten
konstitutiven Wirkung der D/H 101 Bescheinigung habe der BGH in Urteilen vom 24.10.2007 StR 160/07 und 198/07
die Bindungswirkung der D/H 101 Bescheinigungen verneint. Soweit die Klägerin dem BGH die Kompetenz zur
Beurteilung von Fragen der Entsendung abspreche, sei dies nicht nachvollziehbar. Dem von der Klägerin zitierten
BSG-Urteil vom 16.12.1999 lasse sich entnehmen, dass bei offensichtlicher Fehlerhaftigkeit der Bescheinigung von
einer fehlenden Verbindlichkeit auszugehen sei. Auch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung habe in
einem Schreiben vom 14.9.2001 an das zuständige ungarische Fachministerium ausdrücklich erklärt, dass eine
konstitutive Wirkung der Entsendebescheinigungen nicht gewollt sei. In den vom Klägervertreter genannten
Beschlüssen des Sozialgerichts Berlin, des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg sowie des Bayerischen
Landessozialgerichts sei dieses Schreiben nicht berücksichtigt worden. Sie verweise auf die gegenteilige
Rechtsprechung des erkennenden Senats, welcher die konstitutive Wirkung der deutsch-polnischen
Entsendebescheinigung in seinem Beschluss vom 23.6.2003 L 2 ER 7/03 verneint habe. Soweit die Klägerin auf ein
Protokoll der Arbeitsgruppe für zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht über eine Sitzung vom
31.8.2000/1.9.2000 verweise, sei das Zitat des Beratungsergebnisses unvollständig. Der entscheidende Passus,
wonach der VDR ein entsprechendes Antwortschreiben entwerfe und den Spitzenverbänden zur Abstimmung vorlege,
werde bezeichnenderweise nicht wiedergegeben. Schließlich seien die Beiträge für das Jahr 1997 auch nicht verjährt.
Nach § 25 Abs. 1 SGB IV verjährten Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem
sie fällig geworden seien. Diese Vierjahresfrist sei erst am 31.12.2002 abgelaufen gewesen, so dass der
Geltendmachung der Beiträge für 1997 im Beitragsbescheids vom 17.12.2002 der Einwand der Verjährung nicht
entgegengehalten werden könne.
Der Senat hat eine in einem Parallelverfahren eingeholte Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
(BMAS) vom 25.01.2007 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstandes wird auf die Prozessakte und auf die Verwaltungsakten
der Beklagten (2 Bände) verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens sind der Zuständigkeits- und Veranlagungsbescheid vom 11.12.2001, die
Beitragsbescheide für die Jahre 1997 bis 2003 vom 17.12.2002, 18.12.2003, 29.11.2004, 11.7.2005, 11.7.2005 und
die Säumnisbescheide vom 21.1.2005 und 24.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2005,
geändert durch Bescheide vom 27.3.2006.
Die Bescheide vom 27.3.2006, deren Kassation die Klägerin erstrebt, sind nur deklaratorischer Natur. Denn ihr
Regelungsgehalt besteht lediglich in der Korrektur einer unrichtigen Klägerbezeichnung in den Ausgangsbescheiden.
Es handelt sich daher weder um Bescheide, die die Voraussetzungen des § 96 SGG erfüllen noch um eine
Klageänderung im Sinne des § 99 SGG.
Das SG hat es zu Recht abgelehnt, die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten aufzuheben.
Die Klägerin unterlag in den Jahren 1997 bis 2003 der deutschen Sozialversicherungspflicht und wurde daher zu Recht
von der Beklagten für diese Jahre zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung für die von ihr in der
Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer herangezogen.
Die Beklagte ist für das Unternehmen der Klägerin nach Art und Gegenstand sachlich zuständig.
§ 122 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ermächtigt das Bundesministerium für Arbeit und
Sozialordnung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die sachliche Zuständigkeit der gewerblichen
Berufsgenossenschaften nach Art und Gegenstand des Unternehmens zu bestimmen. Von dieser Ermächtigung hat
der Verordnungsgeber bislang keinen Gebrauch gemacht. Es bleibt daher nach § 122 Abs 2 SGB VII jede
Berufsgenossenschaft für die Unternehmensarten zuständig, für die sie bisher zuständig war. Die bisherige
Zuständigkeit ergibt sich nicht aus den gesetzlichen Bestimmungen des § 646 Abs 2 Reichsversicherungsordnung
(RVO) oder des Art 4 § 11 Unfallversicherungs-Neuordnungsgesetz (UVNG), weil eine gesetzliche Regelung über die
fachliche Zuständigkeit der einzelnen Berufsgenossenschaft fehlt (Graeff in Hauck/Noftz, Gesetzliche
Unfallversicherung, K § 121 Rn 6, 7; Bieback in Schulin, Handbuch der Sozialversicherung, § 54 Rn 94). Auf
gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen beruhende Zuteilungen erfolgten entweder durch den Bundesrat, den
Reichsrat, den Reichsarbeitsminister oder durch das Reichsversicherungsamt. Von der Weitergeltung dieser
Regelungen geht das BSG in ständiger Rechtsprechung aus (BSGE 39, 112 = SozR 2200 § 64 Nr. 1; BSGE 71, 85 =
SozR 3 22000 § 64 Nr. 1 mwN). Ist ein Gewerbezweig in den genannten Quellen nicht aufgeführt, ist ein Unternehmen
derjenigen BG zuzuweisen, der es nach Art und Gegenstand unter Berücksichtigung der Unfallgefahr und der
Leistungsfähigkeit am nächsten steht und bei der die zweckmäßigste Unfall- und Krankheitsverhütung gewährleistet
wird (BSGE 39, 112, 113; 71, 85, 86; LSG Rhld-Pfalz Urteil vom 1.4.2003 L 3 U 295/01; Krasney in Brackmann,
Handbuch der Sozialversicherung, § 122 Rn 6 mwN).
Im vorliegenden Fall ist der Gewerbezweig der Klägerin in einer der og Rechtsquellen aufgeführt, nämlich in
vorkonstitutionellen Entscheidungen des früheren Reichsversicherungsamtes aus den Jahren 1903 (Amtliche
Nachrichten des Reichsversicherungsamtes vom 1.7.1903, AN 1903 II, Seite 420), wonach der Beklagten
Schlachtbetriebe und Unternehmen zugewiesen waren, in denen eine Be- und Verarbeitung der Ware mittels Messer,
Säge und Beil erfolgten. Die von der Klägerin vorgenommene Unterscheidung eines Unternehmens dahingehend, ob
es selbst als Unternehmen der Fleischwirtschaft anzusehen ist oder eine Be- und Verarbeitung im Rahmen der
Erbringung von Werkleistungen für ein Unternehmen der Fleischwirtschaft durchführt, ist nicht erforderlich. Denn in
beiden Fällen erhält das Unternehmen sein Gepräge durch die Be und Verarbeitung der Ware. Die Beklagte ist auch
aus der Sicht der Unfallverhütung wegen ihrer besonderen Sachnähe am ehesten geeignet, zur bestmöglichen
Prävention beizutragen.
Die Beklagte ordnete in zutreffender Anwendung ihres Gefahrtarifs das Unternehmen der Klägerin auch der richtigen
Tarifstelle zu, von der Ausbeiner und Zerleger erfasst werden.
Die zutreffend veranlagte Klägerin unterliegt der Pflicht, Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung an die Beklagte
zu entrichten. Die Berechtigung zur Erhebung von Säumniszuschlägen ergibt sich aus § 24 SGB IV.
Nach § 150 SGB VII sind beitragspflichtig Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind. Die Klägerin
hat im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Arbeiter unter anderem im Bereich der Fleischverarbeitung beschäftigt,
die in der Bundesrepublik im Rahmen geschlossener Werkverträge eingesetzt wurden (§ 2 Nr. 1 SGB VII).
Auf die Beschäftigungsverhältnisse der ungarischen Arbeitnehmer findet deutsches Sozialversicherungsrecht
Anwendung.
Grundsätzlich gelten nach § 3 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) die deutschen Rechtsvorschriften über
die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung für alle Personen, die im Geltungsbereich des Gesetzes
beschäftigt sind (Territorialitätsprinzip). Unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Beschäftigten gilt bei einem
Vollzug des Beschäftigungsverhältnisses im Inland grundsätzlich deutsches Sozialversicherungsrecht.
Dies gilt, sofern keine Ausnahme vom Territorialitätsprinzip eingreift.
Gemäß § 5 SGB IV gelten die deutschen Vorschriften nicht für Personen, die im Rahmen eines außerhalb des
Geltungsbereichs des Sozialgesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in diesen Geltungsbereich
entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich
begrenzt ist (Einstrahlung). Umgekehrt gilt Entsprechendes für die in § 4 SGB IV geregelten Fälle der Entsendung in
das Ausland (Ausstrahlung).
Regelungen des über und zwischenstaatlichen Rechts bleiben nach § 6 SGB IV unberührt.
Als zwischenstaatliches Recht kommen für die Zeit bis zum 31.4.2000 das deutsch-ungarische
Werkvertragsabkommen und für den sich anschließenden Zeitraum ab dem 1.5.2000 bis zum 31.12.2003 das
deutsch-ungarische Sozialversicherungsabkommen in Frage. Dies gilt jedenfalls, soweit in diesen Abkommen
Regelungen zur Sozialversicherungspflicht getroffen wurden.
Aus zwischenstaatlichem Recht lassen sich keine vom deutschen Recht abweichenden, vorrangigen Regelungen zur
Sozialversicherungspflicht entnehmen.
In den Artikeln des deutsch-ungarischen Werkvertragsabkommen geht es im Wesentlichen um die Frage, unter
welchen Bedingungen ungarische Unternehmen ihre Arbeitnehmer zur Durchführung geschlossener Werkverträge
einsetzen können. In diesem Abkommen findet sich keine eigenständige Begriffsbestimmung zur Entsendung. Es
enthält auch keine Aussagen zur Sozialversicherungspflicht, sondern regelt arbeitserlaubnisrechtliche Fragen (LSG
Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.7.1998 L 5 B 5/98). Wie auch andere Werkvertragsabkommen enthält auch dieses
Abkommen keine vorrangigen Regelungen zur sozialversicherungsrechtlichen Zuordnung im Sinne des § 6 SGB IV.
Dem Werkvertragsabkommen sind auch keine weiteren Folgerungen für die Auslegung der §§ 3, 5 SGB IV zu
entnehmen. Denn Intention und Ziel des Abkommens war es, die mittel- und osteuropäischen Staaten (MOE-Staaten)
beim Abbau ihrer wirtschaftlichen Misere zu unterstützen. Dieses Ziel wird aber nur erreicht, wenn die Rückkehrer ihre
neu erworbenen Kenntnisse zum Wohl der Republik Ungarn einbringen und damit bei dem entsandten Betrieb in
Ungarn weiter beschäftigt werden. Da folglich nicht mit jedem Einsatz von Werkvertragsarbeitnehmern die politischen
Intentionen der Regierungen verwirklicht werden, ist es auch nicht angezeigt, bei jedem Werkvertragsarbeitnehmer
einen Entsendefall anzunehmen.
Dem widerspricht auch nicht eine vom Senat eingeholte Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
vom 25.1.2007. Dort heißt es bezogen auf den Zeitraum der Geltung des deutsch-ungarischen
Werkvertragsabkommens (bis 30.4.2000): "Das anzuwendende Versicherungsrecht für Personen, die aus Ungarn
nach Deutschland entsandt wurden, richtete sich zum einen nach deutschem Recht (Einstrahlung nach § 5 SGB IV)
und zum anderen nach ungarischem Recht. Folglich kam es zu Doppelversicherungen, wenn nach deutschem Recht
keine Entsendung im Sinne der Einstrahlung vorlag und es sich nach ungarischem Recht um eine Entsendung
handelte. Andererseits konnte es auch passieren, dass in keinem der Staaten ein Versicherungsschutz bestand, weil
nach deutschem Recht die Voraussetzungen einer Entsendung im Sinne der Einstrahlung vorlagen und auf
ungarischer Seite die Voraussetzungen für den Fortbestand der Versicherungspflicht in Ungarn nicht erfüllt waren."
Hinsichtlich der Zeit ab dem 1.5.2000, d.h. nach dem Inkrafttreten des deutsch-ungarischen
Sozialversicherungsabkommens, ergibt sich keine Änderung in der rechtlichen Beurteilung des Falles. Auch in der
Zeit vom 1.5.2000 bis zum 31.12.2003 lag daher kein Entsendefall vor.
Die Voraussetzungen einer Entsendung sind weder in diesem Abkommen (Art. 1, 7 bis 11 des Abkommens) noch in
der Durchführungsvereinbarung zu diesem Abkommen noch im Schlussprotokoll zum Abkommen eigenständig
definiert oder näher konkretisiert (so auch die o.g. Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung).
Nach Art. 7 des Abkommens unterstehen Arbeitnehmer, die in einem Vertragsstaat beschäftigt sind und im Rahmen
dieses Beschäftigungsverhältnisses von ihren Arbeitgebern in den anderen Vertragsstaat entsandt werden, um dort
eine Arbeit für diesen Arbeitgeber auszuführen, in Bezug auf diese Beschäftigung für die ersten 24 Monate allein den
Rechtsvorschriften des Entsendestaates, als wären sie noch in dessen Hoheitsgebiet beschäftigt.
Für eine weitere Zugrundelegung des deutschen Entsendebegriffs und die Geltung der Einstrahlungsvoraussetzungen
des § 5 SGB VI auch für die Zeit der Geltung dieses Abkommens spricht, dass sowohl § 5 SGB VI als auch Art. 7
des Abkommens einen "Rahmen eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses" erwähnen. Aus der
wiedergegebenen Wortfolge lässt sich daher nach dem BSG Urteil vom 10.8.1999 (B 2 U 30/89 R in SozR 3 2400 § 4
Nr. 5) auf das Erfordernis einer Anschlussbeschäftigung schließen. Für diese Auslegung spricht, dass bei einer
bestehenden Absicht zur eigenständigen Begriffsbestimmung eine solche ohne Weiteres in das Regelwerk
aufgenommen hätte werden können.
Auch nach der eingeholten Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 25.01.2007 finden
sich in den Verhandlungsunterlagen und den Protokollen der Vertragspartner zum Entsendebegriff keine
weiterführenden Informationen.
Dieser Bewertung kann sich der Senat nur anschließen, nachdem die Auswertung der im Laufe des Verfahrens
vorgelegten zahlreichen Protokolle und Schreiben der beteiligten Stellen der ungarischen und deutschen Seite zur
Auslegung des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens keine eindeutigen Schlussfolgerungen erlaubt.
Vergleicht man deren Inhalt miteinander, wird deutlich, dass sich kein einheitliches Bild ergibt.
Soweit man Art. 7 des Abkommens die Maßgeblichkeit der ungarischen Rechtsvorschriften entnimmt, ergibt sich
ebenfalls keine anderes Ergebnis. Denn auch nach der ungarischen Legaldefinition des Entsendebegriffs ist
zumindest eine Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer bei ihrem Arbeitgeber nach Abschluss der Tätigkeit im anderen
Vertragsstaat erforderlich.
Der Begriff der Entsendung ist im ungarischem Arbeitsrecht, nämlich in § 105 des Arbeitsgesetzbuchs der Republik
Ungarn (Gesetz Nr. XXII von 4.5.1992, ArbGB), definiert. Gemäß § 105 Abs. 1 ArbGB kann der Arbeitgeber den
Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Interessen zeitweilig zu einer Arbeitsverrichtung außerhalb des gewöhnlichen Ortes
seiner Arbeitsverrichtung verpflichten (Entsendung). Voraussetzung dafür ist nach § 105 Abs. 1 S. 2 ArbGB, dass der
Arbeitnehmer auch während dieses Zeitraums seine Arbeit auf Anleitung und Anweisung des Arbeitgebers verrichtet.
Es wird nicht als Entsendung angesehen, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit aus der Natur der Arbeit heraus
gewöhnlich außerhalb der Niederlassung verrichtet (§ 105 Abs. 1 S. 3 ArbGB).
Nach der Legaldefinition des § 105 Abs. 1 S. 1 des ungarischen ArbGB ist folglich für eine Entsendung erforderlich,
dass der Arbeitnehmer gewöhnlich an einem anderen als dem Ort der Entsendung für den Arbeitgeber tätig ist. Für
eine Entsendung ist mithin nicht nur der Fortbestand der beidseitigen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen während
und nach der Entsendung (Satz 2 der Bestimmung) erforderlich, sondern darüber hinaus die gewöhnliche, d.h.
tatsächliche Tätigkeit für den Arbeitgeber sowohl vor als auch nach der Entsendung. Damit sind im ungarischen Recht
sogar deutlicher formulierte Entsendevoraussetzungen gesetzlich festgeschrieben als im deutschen Recht. Die
ungarische Rechtsordnung verlangt eine Vor und Nachbeschäftigung, um die Bindung an das System der sozialen
Sicherheit im Entsendestaat aufrecht zu erhalten. Eine Ausnahme von einer Versicherungspflicht, die an eine im
Inland ausgeübte Beschäftigung anknüpft, ist nur dann sachlich gerechtfertigt, wenn ein ausreichend enger Bezug zu
einer Beschäftigung im anderen Vertragsstaat besteht, die die Entsendung überdauert. Es gibt auch keine
überzeugenden Gründe dafür Arbeitnehmer, die für einen in einem Vertragsstaat ansässigen Arbeitgeber
Beschäftigungen nur im anderen Vertragsstaat ausüben, von der Versicherungspflicht freizustellen. In diesem Fall
bleibt es bei dem sich aus dem Territorialitätsprinzip ergebenden Grundsatz der beschäftigungsbezogenen
Versicherungspflicht. Eine Entsendung im Sinne der ungarischen Rechtsvorschriften liegt nicht vor, wenn der
Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber weder vor noch nach dem Einsatz im Ausland "gewöhnlich" tätig sein kann. Die
Klägerin hat keine näheren Angaben zu Art und zum Umfang ihrer Tätigkeit in Ungarn gemacht und keinen Nachweis
darüber geführt, dass in Ungarn überhaupt ein nennenswerter Geschäftsbetrieb unterhalten wird. Indem lediglich der
Geschäftszweck verfolgt wird, Arbeitnehmer für eine Tätigkeit in der Bundesrepublik einzustellen, entspricht dies nicht
den Erfordernissen des § 105 ArbGB an einen "gewöhnlichen Ort der Arbeitsverrichtung".
Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin aufgrund Art. 4 Abs 3
der Durchführungsvereinbarung zum deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommen (zum Inkrafttreten Art. 42
des Gesetzes iVm der Bekanntmachung vom 23.3.2000, BGBl II, 644) D/H 101 Bescheinungen vorgelegt hat, die von
der Nationalen Kasse für Gesundheitsversicherung OEP auf ihren Antrag hin erlassen wurden und denen nach
Auffassung der Klägerin eine den E 101 Bescheinigungen vergleichbare Bindungswirkung zukommen soll.
Weder aus den Vorschriften des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens noch der
Durchführungsvereinbarung ergibt sich, dass die Entsendebescheinigungen konstitutiven Charakter haben sollten oder
der Verbindungsstelle des Entsendestaates ein Vorrang bei der Auslegung des Begriffs der Entsendung zukommen
sollte.
Auch auf die Entscheidung des BSG vom 16.12.1999 (B 14 KG 1/99 R) zum Abkommen zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit vom
12.10.1968 (BGBl 1969 II, S. 1438) in der Fassung des Änderungsabkommens von 30.9.1974 (BGBl 1975 II, S. 93)
kann sich die Klägerin nicht stützen. Das BSG hat für den Anwendungsbereich dieses Abkommens aus einer
Vereinbarung der Verbindungsstelle, wonach die Verbindungsstelle des Entsendestaates vorrangig darüber
entscheiden solle, ob ein Arbeitnehmer die Voraussetzungen der Entsendung im Sinne des Abkommens erfülle, eine
Bindungswirkung der Entsendebescheinigung für die versicherungsrelevante Rechte des Beschäftigungsstaates
abgeleitet und ausgeführt, dass nach richtiger Auslegung des Abkommens die Verbindungsstelle zu einer solchen
Regelung berechtigt gewesen sein. Da das deutsch ungarische Sozialversicherungsabkommen eine solche
Vereinbarung der Verbindungsstelle über eine konstitutive Wirkung der Entsendebescheinigung nicht vorsieht und eine
entsprechende Vereinbarung auch nicht getroffen worden ist, ist die genannte Entscheidung des BSG auf den
vorliegenden Fall nicht übertragbar.
Aus EU Recht (etwa die EWG Verordnung 1408/71) lässt sich die konstitutive Wirkung der Entsendebescheinigung
ebenfalls nicht herleiten. Die einschlägigen Entscheidungen des EuGH, insbesondere die Entscheidungen des EuGH
vom 10.12.2000 C 202/97 = SozR 3 6050 Art 14 Nr 6 = EuGHE I 2000, 883 und vom 9.11.2000 C 404/98 = EuGHE I
2000, 9379 sowie vom 26.1.2006 C 2/05 stellen zwar klar, dass für deutsche Behörden verbindlich festgestellt ist,
dass alle Voraussetzungen des Art. 14 Abs 1 Buchst a der EWGV 1408/71 erfüllt sind, wenn E 101 Bescheinigungen
vorliegen, die von den zuständigen Behörden des Staates ausgestellt worden sind, in dem das Unternehmen der
entsandten Arbeitnehmer seinen Betriebssitz hat. Der entsandte Arbeitnehmer und der entsendende Arbeitgeber sind
infolgedessen von der Anwendbarkeit des deutschen Sozialversicherungsrechts dispensiert, insbesondere muss der
Arbeitgeber keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Die Entscheidungen des EuGH unterstreichen die
Bindungswirkung der E 101 Bescheinigungen und verpflichten die Mitgliedstaaten, Zweifel an der Gültigkeit der
Bescheinigung in vertrauensvoller Zusammenarbeit zu klären. Eine Kontrolle der Gültigkeit ausschließlich durch die
Organe des Mitgliedstaates, in den die Entsendung erfolgt, ist unzulässig, insbesondere kann ein Gericht des
Gastlands sie nicht überprüfen. Die konstitutive Wirkung von E 101 Bescheinigungen innerhalb der Mitgliedsstaaten
im Bereich der Europäischen Union lässt sich nicht auf Abkommensstaaten, zu denen Ungarn im
streitgegenständlichen Zeitraum gehörte, übertragen. Maßgebend hierfür ist die unterschiedliche Rechtsnatur von
herkömmlichen völkerrechtlichen Verträgen im Vergleich zum einheitlichen Rechtsraum, wie er für die Europäische
Union kennzeichnend ist. Überdies ist die weitergehende Bindungswirkung der E 101 Bescheinigung deshalb
sachgerecht, weil die europarechtlichen Kollisionsnormen an einen einheitlichen und verbindlichen Entsendebegriff
anknüpfen. Die beteiligten Mitgliedsstaaten können, sollten sie sich über die Rechtmäßigkeit von E 101
Bescheinigungen nicht einigen, an die nach Art. 80, 81 der VO 1408/71 zu Fragen der Auslegung und Durchführung
der Verordnung eingesetzte Verwaltungskommission wenden und ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 227 EG
Vertrag einleiten. Es gibt im bilateralen Verhältnis keine Institution, die die Rechtmäßigkeit der Ausstellung dieser
Bescheinigungen in gleichem Maß überprüft und die bei Verstößen entsprechende Sanktionen verhängt. Den
zuständigen Stellen des Beschäftigungsstaates kann es daher nicht verwehrt sein, eine eigene Überprüfung des
Sozialversicherungsstatus der in diesem Staat beschäftigten Arbeitnehmer durchzuführen (Beschlüsse der beiden für
die gesetzliche Unfallversicherung zuständigen Senate des LSG Rheinland-Pfalz vom 23.6.2003 L 2 ER 7/03 R und
14.6.2006 L 2 ER 90/06 U sowie vom 18.11.2004 L 3 ER 13/04).
Deshalb ist auch der Beschluss Nr. 181 der Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaft auf den
vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden.
Diese Rechtsauffassung teilt auch der BGH, der sich in den Entscheidungen vom 24.10.2007 (1 StR 160/07 und 1
StR 189/07) erstmals zur fehlenden Bindungswirkung einer Entsendebescheinigung auf Grund eines bilateralen
Abkommens geäußert hat. Der BGH hat den ungarischen D/H 101 Bescheinigungen allenfalls eine beschränkte
Bindungswirkung zugemessen, die allerdings dann nicht zum Tragen kommt, wenn die Bescheinigungen gemessen
am Wortlaut des Abkommens inhaltlich unzutreffend sind.
Das von der Klägerin zitierte BSG-Urteil vom 16.12.1999 B 14 KG 1/99 steht so auch der BGH dieser Beurteilung
nicht entgegen. Denn diesem Urteil lässt sich ebenfalls entnehmen, dass bei einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit
der Bescheinigung von einer fehlenden Verbindlichkeit auszugehen sei. Auch der 3. Senat des LSG Rheinland-Pfalz
hält eine Prüfung der eigenen Zuständigkeit nicht von vorneherein für ausgeschlossen (Beschluss vom 25.8.2003 L 3
ER 52/03 U).
Im vorliegenden Fall waren die ausgestellten Bescheinigungen offensichtlich fehlerhaft, da die Arbeitnehmer lediglich
zum Zwecke des Einsatzes in der Bundesrepublik eingestellt wurden und eine Weiterbeschäftigung in Ungarn
mangels Betriebsstätte faktisch nicht möglich war.
Entfalten D/H 101 Bescheinigungen keine Bindungswirkung und sind auch keine die Entsendung regelnden, damit
vorrangigen bilateralen Regelungen getroffen worden, richtet sich die Frage der Versicherungspflicht bzw. das
Vorliegen einer Einstrahlung für den gesamten streitigen Zeitraum nach deutschem Recht, d.h. nach den §§ 3 ff SGB
IV und den hierzu entwickelten Grundsätzen. Nach deutschem Recht liegt eine Entsendung nicht vor. In § 5 SGB IV
ist ausgeführt, dass, soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung eine
Beschäftigung voraussetzen (vgl. § 150 SGB VII), diese nicht für Personen gelten, die im Rahmen eines außerhalb
des Geltungsbereichs dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in diesen Geltungsbereich
entsandt werden, wenn die Entsendung der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt
ist.
Im vorliegenden Fall haben sich die Arbeitnehmer der Klägerin zwar vom Ausland ins Inland. d.h. in den
Geltungsbereich des SGB IV, begeben und es lag auch eine im Voraus infolge der Eigenart der Beschäftigung in
Werkverträgen zeitlich auf maximal 24 Monate begrenzte Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland vor.
Eine Entsendung eines Arbeitnehmers aus dem Ausland ins Inland (Einstrahlung) in § 5 setzt aber das Bestehen
eines Beschäftigungsverhältnisses voraus.
In der Begründung des Gesetzesentwurfs heißt es hierzu, dass für die Zuordnung des Beschäftigungsverhältnisses
maßgebend ist, wo "der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses
liegt " (BT Drucks 7/4122, Seite 30 zu § 4).
In der Praxis der Versicherungsträger mag von einem ausländischen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werden,
wenn das Unternehmen das Entgelt des im Ausland Tätigen steuerlich und sozialversicherungsrechtlich ebenso
behandelt wie das der im Inland tätigen Mitarbeiter (vgl Aus- und Einstrahlungsrichtlinien Nr. 3.3.1). Diese Tatsache
ist jedoch lediglich ein Indiz. Behandelt das Unternehmen das Entgelt sozialversicherungsrechtlich falsch, so
begründet diese falsche Handhabung kein inländisches Beschäftigungsverhältnis (BSGE 61, 123 = SozR 5870 § 1 Nr.
11, KassKomm- Seewald, Rn 8 zu § 4 SGB IV).
Der für die gesetzliche Unfallversicherung zuständige 2. Senat des BSG hat in seiner Entscheidung vom 10.8.1999 B
2 U 30/89 R (SozR 3 2400 § 4 Nr. 5), die sich mit dem umgekehrten Fall der Ausstrahlung befasste, unter
Berücksichtigung der zitierten Gesetzesmaterialien ausgeführt, dass jedenfalls in den Fällen, in denen das
Beschäftigungsverhältnis erst mit der Entsendung begonnen habe, nur dann der vom Gesetzgeber geforderte
Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses im Inland vorliege, wenn
die Beschäftigung beim entsendenden Arbeitgeber weitergeführt werde. Folglich sei zwar eine Vorbeschäftigung beim
Arbeitgeber im Heimatland nicht zwingend, jedoch müsse eine Anschlussbeschäftigung unbedingt verlangt werden.
Dies folge aus dem Wortlaut des § 4 SGB IV. Denn aus der Wortfolge "im Rahmen eines bestehenden
Beschäftigungsverhältnisses" sei auf die Notwendigkeit zumindest einer Fortsetzung der Beschäftigung zu schließen.
Fehle es an diesem Rahmen, so könne es nicht zu einer Entsendung kommen. Außerdem handele es sich bei den §§
4 und 5 SGB IV um Ausnahmevorschriften zum Territorialitätsprinzip in § 3 SGB IV. Ausnahmevorschriften seien eng
auszulegen, weshalb eine erweiternde Auslegung nicht in Betracht komme. In dieser Entscheidung werden schließlich
vorangegangene Entscheidungen anderer Senate des BSG zitiert, in denen das Erfordernis einer rechtlich und
tatsächlich möglichen Weiterbeschäftigung beim Arbeitgeber im Entsendeland nach der Rückkehr bereits aufgestellt
wurde (BSG, Urteil vom 22.6.1989 4 Reg 4/88 = SozR 7833 § 1 Nr. 6 und vom 17.11.1992 4 RA 15/91 = SozR 3 2600
§ 56 Nr. 4 = BSGE 71,227; Urteil vom 8.12.1994 2 RU 37/93 = BSGE 75, 232 = SozR 6050 Art 14 Nr. 4).
Der Senat hatte sich bereits bei seinen bisherigen Entscheidungen dieser Rechtsprechung angeschlossen
(Beschlüsse vom 23.6.2003 L 2 ER 7/03 und 14.6.2006 L 2 ER 90/06 U). Er hält auch weiterhin daran fest.
Auch der BGH hat sich in seinen Entscheidungen vom 24.10.2007 (a.a.O.) dieser Rechtsansicht angeschlossen.
Hierbei wird nicht verkannt, dass die hierzu ergangene Rechtsprechung nicht einheitlich ist. Mit der oben genannten
Entscheidung des BSG vom 10.8.1999 ist jedoch eine Rechtsprechungsänderung eingetreten, die bis heute Gültigkeit
hat.
Nach deutschem Recht liegt in der streitigen Zeit keine Entsendung vor.
Trotz entsprechender Aufforderungen durch die Beklagten und das SG hat die Klägerin keine Angaben zur Art und
zum Umfang fleischergewerblichen Aktivitäten in Ungarn gemacht. Sie hat daher nicht nachgewiesen, dass eine
Weiterbeschäftigung der in Deutschland eingesetzten Arbeitnehmer nach Rückkehr in die Heimat faktisch möglich
gewesen wäre. Denn es ist nicht mit Nachweisen belegt, dass sie in Budapest Betriebseinrichtungen und
Produktionsstätten unterhielt. Die Klägerin konnte ihre Arbeitnehmer nach der Rückkehr aus Deutschland nicht in
einem eigenen Schlachthof oder in einem eigenen Zerlegebetrieb unterbringen. Es bestand daher nicht einmal eine
Option für die zahlreichen für den Einsatz in Deutschland eingestellten Kräfte, nach ihrer Rückkehr aus der
Bundesrepublik am ungarischen Firmensitz weiterbeschäftigt zu werden. Sie wäre faktisch dazu gar nicht in der Lage
gewesen, selbst wenn Rückkehrer die Weiterbeschäftigung angestrebt hätten.
Es hätte auch nicht genügt, die Möglichkeit zu haben, mit den zurückkehrenden Arbeitnehmern in Ungarn
Werkverträge oder Arbeitnehmerüberlassung bei anderen Schlachthöfen und Zerlegebetrieben durchzuführen. Denn
bei der Prüfung der Weiterbeschäftigung sind Einsatzmöglichkeiten der Rückkehrer im Rahmen von Werkverträgen
mit anderen ungarischen Fleischereibetrieben grundsätzlich nicht als ausreichend anzusehen. Die Beschäftigung bei
anderen Arbeitgebern als dem Entsendenden reicht nach der Rechtsprechung des Senats nicht aus (Beschlüsse vom
23.6.2003 L 2 ER 7/03 und 14.6.2006 L 2 ER 90/06 U).
Daneben ist im vorliegenden Fall auch zweifelhaft, ob die in der streitigen Zeit in der Bundesrepublik tätigen
Arbeitnehmer einen rechtlichen, d.h. arbeitsvertraglich begründeten Anspruch auf Weiterbeschäftigung besaßen. Die
Vorlage schriftlicher Arbeitsverträge ist zwar angekündigt worden, jedoch nicht erfolgt. Zudem dürfte es bereits wegen
des Lohngefälles zwischen Ungarn und der Bundesrepublik am Willen der eingesetzten Arbeitnehmer gefehlt haben,
das Beschäftigungsverhältnis in Ungarn fortzusetzen, damit aber an der einen Vertragsschluss kennzeichnenden
übereinstimmenden Willenserklärung der Parteien.
Einwände gegen die Berechnungsgrundlagen sind von der Klägerin nicht geltend gemacht worden und auch nicht
ersichtlich. Mangels Vorlage von Lohnnachweisen war die Beklagte zur Festsetzung der Beiträge im Wege der
Schätzung (§ 165 Abs 3 SGB VII) berechtigt. Dabei hat sie sich an der geschätzten Entgeltsumme orientiert, die sie
aus dem Nettoumsatz unter Abzug der Sozialversicherungsbeiträge errechnete.
Die Beiträge für das Jahr 1997 sind auch noch nicht verjährt. Nach § 25 Abs 2 SGB IV verjähren Beitragsansprüche in
vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, d.h. am 31.12.2002, so dass im
Zeitpunkt der Bescheiderteilung am 17.12.2002 noch keine Verjährung eingetreten war.
Die Rechtsgrundlage für die Verhängung von Säumniszuschlägen ergibt sich aus § 24 SGB VII.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach §§ 183, 193, 197a SGG.
Die Festsetzung des Streitwerts findet ihre Rechtsgrundlage in § 52 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert
errechnet sich aus der Summe sämtlicher Beiträge und Säumniszuschläge.
Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 SGG liegen nicht vor.