Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 26.10.2009

LSG Rpf: treu und glauben, injektion, ambulante behandlung, stationäre behandlung, erblindung, gemeinschaftspraxis, behandlungskosten, abrechnung, gesellschaft, zustand

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss vom 26.10.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Trier S 1 KR 126/06
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 5 KR 77/08
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 10.06.2008 wird zurückgewiesen. 2.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist ein Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 1.106,76 EUR.
Der 1951 geborene Kläger, der bei der Beklagten krankenversichert ist, wurde wegen einer Makuladegeneration in der
Zeit vom 23.06. bis 24.06.2006 stationär im Krankenhaus der B in T behandelt. Am 31.07.2006 beantragte er die
Kostenübernahme für eine eintägige stationäre Behandlung und legte einen Befundbericht des Krankenhauses vom
30.07.2006 vor, in dem als Diagnose ein zystisches Makulaödem bei Zustand nach Zentralvenenverschluss und als
geplanter Eingriff die intravitreale und retrobulbäre Injektion von Triamcinolon-Acetonid-Kristallsuspension angegeben
wurden. Bei Triamcinolon handelt es sich um ein Fertigarzneimittel; die Zulassung erstreckt sich auf schwere
allergische Reaktionen (Schock) einschließlich Röntgenkontrastmittelunverträglichkeit und die Behandlung eines
Hirnödems bei Hirntumor, Schädelhirntrauma und neurochirurgischen Eingriffen. Für die Injektion in das Auge ist das
Arzneimittel nicht zugelassen. Die Ärztin Dr. D , Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), führte in ihrer
Stellungnahme vom 01.08.2006 aus, die Notwendigkeit für eine vollstationäre Behandlung sei nicht gegeben. Studien,
die die Wirksamkeit der geplanten Therapie bei der vorliegenden Indikation nachweisen könnten, seien nicht
veröffentlicht. Das Medikament Triamcinolon sei nicht für die Verwendung im Auge zugelassen, es gebe keine
Verträglichkeits- und Dosisfindungsstudien. Mit Schreiben vom 04.08.2006 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin
mit, eine Kostenübernahme könne weder im stationären noch im ambulanten Bereich erfolgen.
Mit Schreiben vom 11.08.2006 stellte der Kläger einen erneuten Antrag und legte eine Bescheinigung der
Gemeinschaftspraxis Dr. L /Dr. F vom 08.08.2006 vor, in der ausgeführt wird, auf Grund der Visusverbesserung nach
der letzten Triamcinolon-Injektion sei eine erneute Injektion erforderlich. Daher werde um eine Genehmigung der
Kostenübernahme für diese Injektion gebeten. Ansonsten müsse auf eine Cortisontherapie mit Nebenwirkungen
zurückgegriffen werden, die zu wesentlich höheren Kosten führe. Am 15.08.2006 wurde im Krankenhaus der B in T die
Injektion von Triamcinolon ambulant durchgeführt. Die Beklagte holte eine weitere Stellungnahme bei Dr. D vom
16.08.2006 ein, die an ihrer Auffassung festhielt. Mit Bescheid vom 23.08.2006 lehnte die Beklagte die beantragte
Kostenübernahme ab. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger einen Bericht der Gemeinschaftspraxis Dr. L /Dr. F
vom 21.09.2006 vor. Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme der Ärztin im MDK Dr. D vom 11.10.2006 wies die
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2006 den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 27.12.2006 beim Sozialgericht Trier Klage erhoben. Er hat eine Rechnung der
Gesellschaft für Ärztliche Abrechnung mbH T im Auftrag von Dr. Lu , Krankenhaus der B , vom 22.09.2006 für die
ambulante Behandlung vom 15.08.2006 in Höhe von 332,60 EUR sowie eine Rechnung des Krankenhauses der B
vom 31.08.2006 für eine Lieferung aus der Krankenhausapotheke in Höhe von 20,00 EUR vorgelegt, die er selbst
bezahlt habe. Im weiteren Verlauf hat er eine weitere Abrechnung der Gesellschaft für Ärztliche Abrechnung mbH T im
Auftrag von Dr. Lu vom 10.08.2007 für eine intravitreale und retrobuläre Triamcinolon-Injektion am 17.04.2007 in Höhe
von 339,57 EUR, eine Vereinbarung über die Durchführung einer Biometrie mit der Augenklinik P in T vom 17.12.2007
über einen Rechnungsbetrag in Höhe von 55,00 EUR, eine Rechnung der Augenklinik P vom 30.01.2008 in Höhe von
306,82 EUR für eine am 30.01.2008 durchgeführte Vitrektomie (Glaskörperentfernung) und eine Quittung der
Gemeinschaftspraxis Dres. F ohne Datum in Höhe von 52,75 EUR für eine optische Kohärenztomographie vorgelegt.
Er hat vorgetragen, dass ihm im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auch die nach dem 15.08.2006 entstandenen
Behandlungskosten zu erstatten seien. Die Beklagte hat weitere Stellungnahmen der Ärztin im MDK Dr. D vom
26.01.2007 und 22.03.2007 zu den Akten gereicht. Diese hat ihre Einschätzung bekräftigt und ausgeführt, bei den
Erkrankungen des Klägers (zystoides Makulaödem links, Zustand nach Zentralvenenverschluss) handele es sich
nicht um lebensbedrohliche Erkrankungen. Durch Urteil vom 10.06.2008 hat das Sozialgericht Trier die Klage
abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung der von ihm privat
getragenen Behandlungskosten für die Behandlungen am 15.08.2006, 17.04.2007, 17.12.2007 und 30.01.2008. Die
Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien nicht erfüllt. Hinsichtlich der nach
dem 15.08.2006 erfolgten Behandlungen scheide ein Anspruch schon aus, weil der Kläger nicht zuvor die
Kostenübernahme beantragt habe. Ein Kostenerstattungsanspruch für die Behandlung am 15.08.2006 sei nicht
gegeben, da Triamcinolon nicht für die Injektion ins Auge zugelassen sei und die Voraussetzungen für einen so
genannten "off-label-use" nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht erfüllt seien. Eine andere
Beurteilung ergebe sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.12.2005 (1
BvR 347/98). Dies gelte auch für die Triamcinolon-Verabreichung am 17.04.2007 und für die Behandlungen am
17.12.2007, 30.01.2008 und an einem weiteren nicht bekannten Tag. Unabhängig davon, dass die Übernahme der
Kosten vom Kläger vorher nicht beantragt worden sei und es insoweit an ablehnenden Bescheiden fehle, scheide ein
Kostenerstattungsanspruch für die optische Biometrie und die optische Kohärenztomographie aus, weil es sich um
eine nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele. Die
durchgeführte Vitrektomie sei Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung und könne ohne Kostenbelastung des
Versicherten vom Vertragsarzt abgerechnet werden.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 26.06.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.07.2008 Berufung
eingelegt. Er macht geltend, die in der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für die Anwendung des
Medikaments Triamcinolon außerhalb des Zulassungsbereichs seien erfüllt. Eine gleichwertige Therapie sei nicht
gegeben. Seine Erkrankung sei zwar nicht lebensbedrohlich, es drohe aber auf Dauer eine nachhaltige
Beeinträchtigung der Lebensqualität mit dem Risiko der Erblindung. Hinsichtlich der nach dem 15.08.2006
durchgeführten Behandlungen könne sich die Beklagte nach Treu und Glauben nicht auf eine fehlende Antragstellung
berufen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 10.06.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom
23.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
die Kosten für die Behandlung am 15.08.2006 und die in der Folgezeit weiter entstandenen Kosten für
Privatbehandlungen in Höhe von insgesamt 1.106,76 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein Gutachten bei Dr. Lu , Krankenhaus
der B , vom 05.05.2009 eingeholt, das dieser zusammen mit Dr. O erstattet hat. Der Sachverständige hat ausgeführt,
ein allgemeiner wissenschaftlicher Konsens über die Injektion von Triamcinolon bestehe nicht. Eine direkte, komplette
Erblindung durch die Erkrankungen des Klägers sei eher unwahrscheinlich. Die Beklagte hat eine Stellungnahme der
Ärztin im MDK Dr. S vorgelegt, die ausgeführt hat, neue wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich derintravitrealen
und retrobulbären Injektion von Triamcinolon bei Makulaödem nach Zentralvenenverschluss lägen nicht vor.
Der Senat hat den Kläger zur beabsichtigten Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG angehört. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, deren
Inhalt Gegenstand der Beratung war, Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er einstimmig die Berufung für
unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
Erstattung der von ihm privat getragenen Behandlungskosten für die Behandlungen am 15.08.2006, 17.04.2007,
17.12.2007, 30.01.2008 sowie die Behandlung durch Dres. F in Höhe von insgesamt 1.106,76 EUR.
Zur Begründung nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts
Bezug. Im Berufungsverfahren haben sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben. Die Voraussetzungen für die
Anwendung des Medikaments Triamcinolon außerhalb des Zulassungsbereichs sind nicht erfüllt. Auch Dr. L hat
festgestellt, dass ein allgemeiner wissenschaftlicher Konsens über die Injektion von Triamcinolon ins Auge nicht
vorliegt. Dr. S hat in ihrer Stellungnahme vom 17.07.2009 nochmals unter Berücksichtigung neuerer Studien die
Einschätzung des MDK bekräftigt. Der Kläger kann auch keinen Anspruch aus der Entscheidung des BVerfG vom
06.12.2005 (1 BvR 347/98) herleiten, insbesondere droht ihm wie sich auch aus den Ausführungen des Dr. L ergibt
keine Erblindung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.