Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 25.07.2005

LSG Rpf: apotheker, subjektives recht, firma, rahmenvertrag, unternehmen, auflage, organisation, androhung, gebühr, zivilprozessordnung

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss vom 25.07.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Mainz S 7 ER 76/05 KR
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 5 ER 57/05 KR
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 7.6.2005 abgeändert. Der
Antrag der Antragstellerin zu 2 wird als unzulässig abgelehnt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegner haben die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen des Antragstellers zu 1 zu jeweils 1/4 zu
erstatten. Die Antragstellerin zu 2 hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner zu Hälfte zu erstatten. Im
Übrigen findet eine Erstattung von außergerichtlichen Kosten nicht statt. Von den Gerichtskosten beider Instanzen
tragen die Antragstellerin zu 2 die Hälfte und die Antragsgegner jeweils 1/8.
3. Der Streitwert wird auf 50.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Umstritten ist, ob die Antragsteller gegen die Antragsgegner einen Anspruch auf Unterlassung des Vollzugs der
zwischen diesen und der Firma p -D.com GmbH getroffenen "Vereinbarung über die Arzneimittelversorgung durch
BKK-IKK-LKK Partnerapotheken" und "Vereinbarung über den Arzneimittelversand durch BKK-IKK-LKK Versand-
Partnerapotheken" (sog "Ad-on-Verträge"; im Folgenden: Vereinbarungen) in der Fassung vom 14.2.2005 haben.
Diese Vereinbarungen sind an die Stelle von Verträgen vom 1.12.2004 getreten, welche die Antragsgegner mit den
Firmen M -P GmbH & Co KG bzw p -D.com GmbH geschlossen hatten.
Der Antragsteller zu 1 ist der Spitzenverband der Apotheker im Land Rheinland-Pfalz; die Antragstellerin zu 2 ist eine
rheinland-pfälzische Apothekerin. Die Antragsgegner sind Landesverbände gesetzlicher Krankenkassen. Apotheken,
die den von diesen getroffenen Vereinbarungen vom 14.2.2005 beitreten, sollen "BKK-IKK-LKK Partnerapotheken"
bzw "BKK-IKK-LKK Versand-Partnerapotheken" werden. Sie können sich gegen eine monatliche Gebühr von 198,--
EUR einem Netzwerk unter der Regie der Firma p -D.com GmbH anschließen, das dazu dient, die nach den
Vereinbarungen vorgesehenen Qualitätssicherungsmaßnahmen durchzuführen. Nach der von den Antragstellern
bestrittenen Behauptung der Antragsgegner ist der Anschluss an das Netzwerk nicht Voraussetzung dafür, dass die
Apotheke "BKK-IKK-LKK Partnerapotheke" bzw "BKK-IKK-LKK Versand-Partnerapotheke" werden kann.
Am 18.5.2005 haben die Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Mainz einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung gestellt mit dem Begehren, den Antragsgegnern zu untersagen, die getroffenen Vereinbarungen zu
vollziehen und zu erfüllen sowie für den Beitritt von Betriebskrankenkassen zu diesen Vereinbarungen zu werben bzw
deren Beitritt entgegenzunehmen.
Unter dem 7.6.2005 hat das Sozialgericht (SG) beschlossen: 1. Den Antragsgegnern, und zwar jedem für sich, wird
unter Androhung eines Ordnungsgeldes von 50.000,-- EUR für jeden Fall des Zuwiderhandelns, ersatzweise
Ordnungshaft von drei Monaten, zu vollziehen an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern, untersagt, die zwischen den
Antragsgegnern einerseits und der p -D.com GmbH andererseits geschlossene "Vereinbarung über die
Arzneimittelversorgung durch BKK-IKK-LKK Partnerapotheken" vom 14.2.2005 zu vollziehen oder zu erfüllen; die
zwischen den Antragsgegnern einerseits und der p -D.com GmbH bzw der M -P GmbH & Co KG andererseits
geschlossene "Vereinbarung über den Arzneimittelversand durch BKK-IKK-LKK Partnerapotheken" zu vollziehen oder
zu erfüllen. 2. Den Antragsgegnern zu 1 und 2 und zwar jedem für sich, wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes
von 50.000,-- EUR für jeden Fall des Zuwiderhandelns, ersatzweise Ordnungshaft von drei Monaten, zu vollziehen an
den jeweiligen gesetzlichen Vertretern, untersagt, für den Beitritt von Betriebskrankenkassen zu den von den
Antragsgegnern einerseits und der p -D.com GmbH geschlossenen (1) "Vereinbarung über die Arzneimittelversorgung
durch BKK-IKK-LKK Partnerapotheken" und/oder (2) "Vereinbarung über den Arzneimittelversand durch BKK-IKK-LKK
Partnerapotheken" zu werben; und/oder den Beitritt von Betriebskrankenkassen zu der von den Antragsgegnern
einerseits und der p -D.com GmbH andererseits geschlossenen (1) "Vereinbarung über die Arzneimittelversorgung
durch BKK-IKK-LKK Partnerapotheken" (2) "Vereinbarung über den Arzneimittelversand durch BKK-IKK-LKK
Partnerapotheken" entgegenzunehmen und das sich aus einem solchen Beitritt ergebende Rechtsverhältnis zu
vollziehen.
Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Die Antragsgegner seien aufgrund der abschließenden Regelung des § 129
SGB V nicht berechtigt gewesen, die streitbefangenen Vereinbarungen zu treffen. Nach dieser Vorschrift komme dem
Antragsteller zu 1 als Spitzenverband der Apotheker eine Monopolstellung für den Abschluss des Rahmenvertrages
und ergänzender Verträge zu (Hinweis auf Bundessozialgericht - BSG -, 25.9.2001, B 3 KR 3/01 R). Ob die
Monopolstellung für den Abschluss von ergänzenden Verträgen jegliche das Gebiet der Arzneimittelversorgung
betreffende Verträge ausschließe, könne dahinstehen, da die hier betroffenen Verträge - speziell deren § 7 Satz 1 - die
uneingeschränkte Geltung der vom Antragsteller zu 1 getroffenen Vereinbarungen nicht garantierten. In die Rechte der
Antragstellerin zu 2 werde durch die Vereinbarungen ebenfalls eingegriffen. Denn diese müsste bei deren
Durchführung befürchten, dass durch die unterschiedliche Abrechnungsmöglichkeit der konkurrierenden "BKK-IKK-
LKK Partnerapotheken" eigene Kunden verprellt würden. Auch ein ausreichender Anordnungsgrund liege vor. Dabei
sei zu berücksichtigen, dass die Rechtswidrigkeit der getroffenen Vereinbarungen offen zutage trete.
Gegen diesen ihnen am 13.6.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 22.6.2005 beim Landessozialgericht
Rheinland-Pfalz eingelegte Beschwerde der Antragsgegner, der das SG nicht abgeholfen hat. Die Antragsgegner
tragen vor: Die Vereinbarungen bewegten sich außerhalb des Regelungsregimes des § 129 SGB V. Mit ihnen sei
keine Ergänzung der nach § 129 Abs 5 SGB V geschlossenen Verträge beabsichtigt gewesen. Vielmehr hätten sie,
die Antragsgegner, einen von den Vertragsabschlusskompetenzen nach § 129 SGB V unberührten Freiraum
ausgefüllt. Dies gelte speziell für die Regelung des § 7 Abs 1 der Vereinbarungen, betreffend die Umsetzung der nach
§ 130a Abs 8 SGB V mit den pharmazeutischen Unternehmen geschlossenen Rabattverträge. Damit der
Kostendämpfungsmechanismus des § 130a Abs 8 SGB V funktioniere, müsse der Apotheker veranlasst werden
dürfen, an die Versicherten mit selektivvertraglichen Sonderrabatten belegte Arzneimittel verstärkt abzugeben. Die
Arzneimittelsicherheit werde durch die umstrittenen Regelungen nicht gefährdet. Die Vereinbarungen verstießen auch
nicht gegen § 10 Apothekengesetz (ApoG). In Rechte der Antragstellerin zu 2 sei durch sie schon deshalb nicht
eingegriffen worden, weil diese die Teilnahme konkurrierender Berufskollegen an den Vereinbarungen hinnehmen
müsse. Eine Rechtsverletzung des Antragstellers zu 1 durch den allein für das Land Hessen zuständigen
Antragsgegner zu 2 komme nicht in Betracht, weil der Antragsteller zu 1 nicht Vertragspartner für
Arzneimittelversorgungsverträge in Hessen sei. Im Übrigen fehle es an einem Anordnungsgrund.
II.
Die nach §§ 171, 172 SGG zulässige Beschwerde ist insoweit begründet, als der Antrag der Antragstellerin zu 2) in
vollem Umfang und der Antrag des Antragstellers zu 1) gegen den Antragsgegner zu 2 unzulässig sind. Im Übrigen
hat die Beschwerde keinen Erfolg.
1. Der Antrag der Antragstellerin zu 2 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig. Für die Antragsbefugnis
(die der Klagebefugnis im Hauptsacheverfahren entspricht; Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 86b Rz 8) bei
der Unterlassungsklage ist § 54 Abs 1 Satz 2 SGG entsprechend anwendbar (aaO, § 54, Rz 42a). Unzulässig ist eine
Klage im Hauptsacheverfahren bzw ein Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, wenn unter
Zugrundelegung des Vorbringens des Klägers bzw Antragstellers eine Verletzung eigener Rechte offensichtlich und
eindeutig nicht in Betracht kommt (aaO, § 54, Rz 13). Da hinsichtlich der in Rede stehenden Vereinbarungen
unmittelbar nur der Antragsteller zu 1 betroffen ist, richtet sich die Antragsbefugnis bezüglich der Antragstellerin zu 2
nach den Grundsätzen der möglichen Drittbetroffenheit, wobei bei der Unterlassungsklage die Grundsätze für andere
Klagearten (vgl aaO, § 54, Rz 14 – 14 i; § 55 Rz 15c – e) entsprechend gelten. Vorliegend kommt ein Anspruch der
Antragstellerin zu 2 auf das begehrte Unterlassen der Antragsgegner von vornherein nicht in Betracht, weil aus der
sich aus § 129 SGB V ergebenden Monopolposition der Apothekerverbände (dazu unten bei 4.) kein eigenes
subjektives Recht der einzelnen Apotheker erwächst. Dies ergibt sich aus der Zweckbestimmung des § 129 SGB V,
der allein der Erhaltung der Arzneimittelsicherheit und der Sicherung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung,
nicht aber den wirtschaftlichen Interessen der Apotheker, speziell dem Schutz vor Konkurrenz, dient.
2. Die Antragsbefugnis des Antragstellers zu 1 begegnet demgegenüber keinen Bedenken. Dies gilt auch für den
Antrag gegen den Antragsgegner zu 2, der gemeinsam mit den übrigen Antragsgegnern die in Rede stehenden
Vereinbarungen getroffen hat. Wie die Antragsteller zutreffend dargelegt haben, liegt die Möglichkeit nahe, dass
Versicherte von Mitgliedskrankenkassen des Antragsgegners zu 2, beispielsweise Beschäftigte, die in das Rhein-
Main-Gebiet pendeln und bei Hessischen Betriebskrankenkassen versichert sind, Arzneimittel von rheinland-
pfälzischen Apotheken beziehen. In solchen Fällen droht eine Verletzung der Monopolposition des Antragstellers zu 1
durch die Antragsgegnerin zu 2.
3. Im Übrigen ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig und begründet. Gemäß § 86 b Abs 2
Satz 1 SGG sind einstweilige Anordnungen in Bezug auf den Streitgegenstand zulässig, wenn die Gefahr besteht,
dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers
vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog Sicherungsanordnung). Dabei sind folgende Grundsätze zu
beachten: Wenn die Klage im Hauptsacheverfahren offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, ist ein Recht, das
geschützt werden müsste, nicht vorhanden; der Antrag auf eine einstweilige Anordnung ist in diesem Fall, auch wenn
ein Anordnungsgrund vorliegt, abzulehnen (LSG Thüringen 2.4.2002, L 6 KR 145/02 ER Breithaupt 2002, 684). Ist die
Klage im Hauptsacheverfahren offensichtlich zulässig und begründet, vermindern sich die Anforderungen an den
Anordnungsgrund (vgl LSG Niedersachsen-Bremen 20.10.2003, L 15 AL 23/03 ER, SGb 2004, 44) und ist dem Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Anordnung häufig stattzugeben (vgl LSG Thüringen, aaO; Kopp/Schenke, VwGO, 13.
Auflage, § 123, Rz 25), wobei allerdings auch in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet
werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist eine Interessenabwägung erforderlich. Die
einstweilige Anordnung wird dann erlassen, wenn dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Interessen aller
Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (Bayerisches LSG 17.12.1999, L 12 B
359/99 KA ER, Breithaupt 00, 245; LSG Nordrhein-Westfalen 25.2.2002, L 5 B 3/02 KR ER, NZS 2002, 498).
Abzuwägen sind in diesem Fall die Folgen, die auf der einen Seite entstehen würden, wenn das Gericht die
einstweilige Anordnung nicht erließe, sich aber im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch besteht, und
auf der anderen Seite entstünden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich aber im
Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch nicht besteht (LSG Berlin, 28.1.2003, L 9 B 20/02 KR ER W 02
I).
4. Bei der gebotenen summarischen Prüfung des Sach- und Streitstandes hat der Antragsteller zu 1 gegen die
Antragsgegner den geltend gemachten Unterlassungsanspruch. Denn die Krankenkassenverbände waren zum
Abschluss der umstrittenen Vereinbarungen nicht berechtigt. Rechtlich relevant sind insoweit die Vereinbarungen mit
der Firma p -D.com GmbH vom 14.2.2005. Nach § 22 Abs 1 Satz 1 der Vereinbarungen vom 14.2.2005 treten diese
Verträge an die Stelle der Vereinbarungen vom 1.12.2004, an denen auch die Firma M -P GmbH & Co KG beteiligt
war.
Gemäß § 129 Abs 2 SGB V regeln die Spitzenverbände der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der
wirtschaftlichen Interessen maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker in einem gemeinsamen Rahmenvertrag
das Nähere hinsichtlich der in Abs 1 dieser Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen der Abgabe verordneter
Arzneimittel. Nach § 129 Abs 5 Satz 1 SGB V können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der
Ersatzkassen mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker
auf Landesebene ergänzende Verträge schließen. Mit diesen Vorschriften wollte der Gesetzgeber der für die
Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen der Apotheker gebildeten Spitzenorganisation bzw Organisation auf
Landesebene die ausschließliche Befugnis für den Abschluss solcher Verträge einräumen (hierzu und zum Folgenden:
BSG, 25.9.2001, B 3 KR 3/01 R, SozR 3-2500 § 69 Nr 1; LSG Nordrhein-Westfalen, 20.09.2004, L 16 B 4/04 KR ER).
Nach § 129 SGB V kommt diesen Apothekerorganisationen hiernach eine Monopolstellung in Bezug auf den
Abschluss von Rahmenverträgen und ergänzenden Verträgen zur Arzneimittelversorgung zu. Diese vom Gesetz
eingeräumte Sonderstellung beruht auf der ausschließlichen gesetzlichen Befugnis von Apothekern zur Abgabe von
apothekenpflichtigen Arzneimitteln (§ 1 ApoG). Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung der Arzneimittelsicherheit
und der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung einen besonders hohen Rang eingeräumt, weshalb beim
Nichtzustandekommen von Rahmenverträgen über die Arzneimittelversorgung sogar ein Ersatz durch eine
Schiedsstellenentscheidung vorgesehen ist (§ 129 Abs 7 und 8 SGB V). Entgegen der Auffassung der Antragsgegner
beziehen sich die Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 25.9.2001 (aaO) nicht nur auf das Verhältnis der
Spitzenorganisation der Apotheker zu Hilfsmittelerbringern, sondern allgemein auf die Rechtsstellung der
Apothekerorganisationen. Dass ausschließlich diese die Spitzenorganisation der Apotheker (§ 129 Abs 2 SGB V) bzw
die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen der Apotheker auf Landesebene (§ 129 Abs 5 SGB V)
zuständige Organisation darstellen, ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig.
Aus alledem folgt, dass die Krankenkassenverbände nicht zum Abschluss von Verträgen mit anderen natürlichen oder
juristischen Personen berechtigt sind, welche entweder einem der nach §§ 129 Abs 2, 5 SGB V geschlossenen
Verträge widersprechen oder ebenfalls Rahmenverträge oder ergänzende Verträge im Sinne dieser Vorschriften
darstellen. Sie sind auch nicht berechtigt, mit den Bestimmungen des Rahmenvertrags oder eines ergänzenden
Vertrages - hier des von den Krankenkassenverbänden mit dem Kläger geschlossenen Arzneiliefervertrages - ganz
oder weitgehend inhaltsgleiche Vorschriften als eigene Regelungen in eine Vereinbarung aufzunehmen. Gerade dies
ist aber in den vorliegend getroffenen Vereinbarungen in vielfältiger Hinsicht geschehen, wie die Antragsteller in dem
Schriftsatz vom 12.5.2005 zutreffend im Einzelnen dargelegt haben. Dafür dass die insoweit einschlägigen
Bestimmungen der Vereinbarungen nur "deklaratorische" Bedeutung haben, ist aus den Vereinbarungen nichts
ersichtlich. Den in diesen enthaltenen, ganz oder teilweise aus dem Rahmenvertrag oder dem Arzneiliefervertrag
entnommenen Regelungen kommt im Übrigen schon deshalb eine eigenständige rechtserhebliche Bedeutung zu, weil
die Vereinbarungen nach deren § 22 Abs 1 Satz 2 auf unbestimmte Zeit geschlossen wurden und deren Laufzeit nicht
an die Geltung des derzeit in Kraft befindlichen Rahmenvertrages und Arzneiliefervertrages gekoppelt ist.
5. Die mit der Firma p -D.com GmbH geschlossenen Vereinbarungen gehen, wie sich aus deren § 1 Satz 2 ergibt, von
einem Vorrang ("soweit in dieser Vereinbarung nichts Ergänzendes geregelt ist") gegenüber dem Rahmenvertrag und
dem Arzneiliefervertrag aus, was im Hinblick auf § 129 SGB V rechtlich nicht zulässig ist. Die in Rede stehenden
Vereinbarungen enthalten Regelungen, die nicht im Einklang mit denjenigen des Arzneiliefervertrages stehen. Dazu
folgende Beispiele:
a) § 7 Abs 1 der Vereinbarungen weicht von § 4 des Rahmenvertrages idF der Schiedsentscheidung vom 5.4.2004
und von § 3 des Arzneiliefervertrages ab. In den beiden zuletzt genannten Vorschriften ist geregelt, nach welchen
Kriterien der Apotheker die Arzneimittel auszuwählen hat, die er zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung
abgibt. In § 7 Abs 1 der Vereinbarungen ist bestimmt: "Soweit die Krankenkassenverbände mit pharmazeutischen
Unternehmen Herstellerrabatte nach § 130a Abs 8 SGB V vereinbart haben, unterstützt die Apotheke (hinsichtlich der
Vereinbarung über den Arzneimittelversand: die Versand-Apotheke) aktiv im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten
die aufgrund § 130 a Abs 8 SGB V geschlossenen Rabattverträge bei der Arzneimittelabgabe , aut idem gemäß § 129
Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V, soweit dies dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht widerspricht." Mit dieser Vorschrift wurde
der in den genannten Vorschriften des Rahmenvertrages und des Arzneiliefervertrages erfasste Regelungsbereich
hinsichtlich der Auswahl der Arzneimittel in entscheidender Hinsicht modifiziert, wobei es keine entscheidende Rolle
spielt, dass dem Apotheker in § 7 Abs 1 der Vereinbarungen keine bestimmte konkrete Verhaltensweise im Einzelfall
zwingend vorgeschrieben wird.
Ohne Erfolg wenden die Antragsgegner in diesem Zusammenhang ein, zur praktischen Umsetzung der Regelung des
§ 130 a Abs 8 SGB V (Rabatte durch pharmazeutische Unternehmen) bedürfe es einer Beteiligung der Apotheken
dergestalt, dass diese angehalten werden, vornehmlich Medikamente abzugeben, bei denen pharmazeutische
Unternehmen einen Rabatt eingeräumt haben. Eine Notwendigkeit des Mitwirkens der Apotheker an der Umsetzung
der Vorgaben des § 130 a Abs 8 SGB V ist dieser Vorschrift nicht zu entnehmen. Dass die bevorzugte Abgabe
kostengünstiger Medikamente für die Krankenkassen im Interesse der Kosteneinsparung wünschenswert ist, vermag
de lege lata nicht die von den Krankenkassenverbänden gewählte Verfahrensweise unter Ausschluss der Beteiligung
des Antragstellers zu 1 zu rechtfertigen. Davon, dass die Regelung des § 130 a Abs 8 SGB V ohne die von den
Krankenkassenverbänden gewünschte Einbeziehung der Apotheker von vornherein leer laufen würde, kann keine
Rede sein.
Ohne Erfolg stützen sich die Antragsgegner auf den in § 70 Abs 1 SGB V normierten Grundsatz der
Wirtschaftlichkeit. Dieser stellt nicht die einzige Leitlinie dar, nach der in der gesetzlichen Krankenversicherung zu
verfahren wäre, sondern steht in einem Spannungsverhältnis zu dem ebenfalls in § 70 Abs 1 SGB V festgelegten
Prinzip der ausreichenden Krankenversorgung. Welcher dieser Grundsätze im jeweiligen Zusammenhang vorrangig
ist, ist - je nach dem betreffenden Regelungskomplex - den Einzelregelungen des SGB V zu entnehmen. Soweit es
das Monopol des Antragstellers zu 1 im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 129 SGB V anbetrifft, hat der
Gesetzgeber dem Grundsatz der Arzneimittelsicherheit den Vorrang vor der Möglichkeit des
Krankenversicherungsträgers, durch Verhandlungen mit konkurrierenden Anbietern günstigere Vertragsbedingungen zu
erhalten, eingeräumt. Die alleinige Zuständigkeit der Apothekerverbände - auf Seiten der Apotheker - auch für
Regelungen, die der Verwirklichung des Wirtschaftlichkeitsprinzips dienen, ergibt sich im Übrigen aus § 129 Abs 1
Satz 1 Nr 2 SGB V, wonach in dem Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 SGB V Regelungen vereinbart werden, die
zusätzliche Wirtschaftlichkeitsreserven erschließen.
b) Ferner weicht die in § 5 Abs 1 der Vereinbarungen mit der Firma p -D.com GmbH bestimmte Importquote von § 5
Abs 3 des Rahmenvertrages ab. Diese Quote wird nach den Vereinbarungen mit der Firma p -D.com GmbH auf der
Grundlage "aller Verordnungen", dh einschließlich der verordneten, nicht fertigen Arzneimittel, berechnet, während
nach § 5 Abs 3 des Rahmenvertrags Berechnungsgrundlage nur der Umsatz mit Fertigarzneimitteln ist.
c) Bei dieser Sachlage kommt es nicht entscheidend darauf an, ob § 7 Abs 1 der Vereinbarungen gegen § 10 ApoG
verstößt. Unerheblich ist ferner, ob die - von den Antragstellern bestrittene - Behauptung der Antragsgegner zutrifft,
auch solche Apotheker, die nicht die monatliche Gebühr von 198, EUR an die Firma p -D.com GmbH zahlen, könnten
"BKK-IKK-LKK Partnerapotheken" bzw "BKK-IKK-LKK Versand-Partnerapotheken" werden.
6. Auch ein Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung liegt vor. Denn ohne den Erlass einer
einstweiligen Anordnung würden die Antragsgegner bis zur Rechtskraft einer Hauptsacheentscheidung der in § 129
SGB V normierten Monopolstellung des Antragstellers zu 1 zuwiderhandeln, was Konsequenzen für dessen
Mitgliederbestand haben, aber auch zB dessen Verhandlungsposition bei zukünftigen Arzneilieferungsverträgen
beinträchtigen könnte. In Anbetracht dessen und der eindeutigen Rechtswidrigkeit der Vereinbarungen ist bei
Abwägung aller rechtserheblicher Umstände der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sachgerecht.
7. Der angefochtene Beschluss ist auch hinsichtlich der Androhung von Ordnungsgeld, hilfsweise Ordnungshaft
rechtmäßig (§ 198 Abs 1 SGG iVm § 890 Zivilprozessordnung ZPO ). 8. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a
SGG. Da die Antragsgegner, die Streitgenossen sind, teilweise obsiegt haben und teilweise unterlegen sind, ist die
Entscheidung über die Gerichtskosten einerseits und die außergerichtlichen Kosten (in ergänzender Heranziehung des
§ 100 Zivilprozessordnung - ZPO -) andererseits nach der sog "Baumbach´schen Formel" zu trennen (vgl Leitherer in
Meyer-Ladewig, aaO, § 197a, Rz 23; Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 62. Auflage, § 100 Rz 51; Putzo in
Thomas/Putzo, ZPO, 25. Auflage, § 100, Rz 15). Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten gilt: Die Antragstellerin
zu 2, die unterlegen ist, hat ihre Kosten selbst zu tragen. Die Antragsgegner, die gegen die Antragstellerin zu 2
obsiegt haben, haben Anspruch gegen diese auf Erstattung der Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten. Der
Antragsteller zu 1, der obsiegt hat, hat Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten (dh von ½ der
Kosten der mit der Antragstellerin zu 2 gemeinsamen Prozessbevollmächtigten; vgl Oberlandesgericht - OLG -
Dresden, NJW-RR 1999, 293; Putzo, aaO, Rz 18). Von den Gerichtskosten beider Instanzen tragen die unterlegene
Antragstellerin zu 2 die Hälfte und die ebenfalls unterlegenen Antragsgegner insgesamt ebenfalls ½, dh jeweils 1/8.
Der Streitwert ist im Hinblick auf die Höhe des angedrohten Ordnungsgeldbetrages mit 50.000,-- EUR festzusetzen.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde beim Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Berichtigungsbeschluss:
Der Beschluss vom 25.07.2005 wird insoweit gemäß § 142 Abs. 1 i.V.m. § 138 SGG berichtigt, als auf Seite 6 II. 1.
Absatz die Worte "in vollem Umfang und der Antrag des Antragstellers zu 1. gegen den Antragsteller zu 2" entfallen
und statt des Wortes "sind" das Wort "ist" aufgenommen wird.
Gründe:
Das Versehen des Senats war von Amts wegen zu berichtigen.