Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 08.03.2004
LSG NRW: vergütung, ausnahmefall, aufwand, pflegeheim, vogel, heimbewohner, krankenversicherung, leistungsklage, ausnahmecharakter, amtshandlung
Landessozialgericht NRW, L 3 P 29/03
Datum:
08.03.2004
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 3 P 29/03
Vorinstanz:
Sozialgericht Duisburg, S 9 P 88/01
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 3 P 4/04 R
Sachgebiet:
Pflegeversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg
vom 30. Mai 2003 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten
einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision
wird zugelassen.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten um die Einstufung in eine Pflegeklasse.
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Die Klägerin betreibt das Katholische Altenkrankenheim T in F-L. In dieser Einrichtung
befand sich die 1911 geborene und am 22.04.2001 verstorbene C F (im Folgenden: die
Versicherte), die bei der Beklagten gesetzlich pflegeversichert war. Die Versicherte
erhielt von der Beklagten zunächst Leistungen der Pflegestufe I und ab Juli 1999
Leistungen der Pflegestufe II (Bescheid vom 26.10.1999). Der Einstufung in Pflegestufe
II lag ein Gutachten der Pflegefachkraft L1 vom Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung - MDK - Nordrhein vom 14.10.1999 zugrunde, worin diese bei den
Diagnosen "senile Demenz vom Alzheimer-Typ mit Angst- und Spannungszuständen,
angeborene Hüftdysplasie beidseits mit Coxarthrose beidseits, Harnblasen- und
Darminkontinenz" einen Hilfebedarf in der Grundpflege von 164 Minuten täglich ermittelt
hatte.
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Gegen den Bewilligungsbescheid vom 26.10.1999 erhob der damalige Betreuer der
Versicherten Widerspruch, mit dem er einen höheren Hilfebedarf geltend machte. Die
Beklagte holte ein weiteres Gutachten ein, in dem die Pflegefachkraft M vom MDK einen
Hilfebedarf in der Grundpflege in Höhe von 197 Minuten täglich ermittelte. Daraufhin
nahm der Betreuer der Versicherten den Widerspruch zurück. Auf einen weiteren
Höherstufungsantrag des Betreuers ließ die Beklagte die Versicherte nunmehr von der
Pflegefachkraft T / der Ärztin Dr. L vom MDK begutachten, die in ihrem Gutachten vom
04.10.2000 einen Hilfebedarf in der Grundpflege von 143 Minuten täglich ermittelten.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Höherstufungsantrag mit Bescheid vom 26.10.2000
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ab. Hiergegen legte - neben dem Betreuer der Versicherten - auch die Klägerin mit
Schreiben vom 04.12.2000 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, die
Versicherte sei eine Bewohnerin mit ausgeprägtem geronto-psychiatrischem
Krankheitsbild und entsprechenden pflegerelevanten Symptomen. Dies werde deutlich
durch den überreichten "Fragebogen zur Begutachtung schwer psychisch veränderter
älterer Menschen in Altenhilfeeinrichtungen". Bei der Erhebung der pflegerelevanten
Vorgeschichte im MDK-Gutachten fehle u.a., dass die Versicherte seit Monaten ihre
Ängste Tag und Nacht herausschreie. Daraus folge ein erhöhter Pflegeaufwand. Der im
letzen Gutachten bei der Ganzkörperpflege aufgeführte Wert entspreche nicht dem
Aufwand, der erforderlich sei, um eine psychisch veränderte Bewohnerin mit Angst und
Abwehrverhalten zu pflegen. Mit ihrem Widerspruch beantragte die Klägerin auch eine
Entscheidung über die Pflegeklasse.
Die Beklagte veranlasste sodann eine weitere Begutachtung der Versicherten durch die
Pflegefachkraft L1 / Dr. E vom MDK, die in ihrem Gutachten vom 07.02.2001 - unter
Berücksichtigung der Pflegedokumentation - einen Hilfebedarf in der Grundpflege in
Höhe von 178 Minuten bestätigten. Daraufhin nahm der Betreuer der Versicherten
seinen Widerspruch zurück.
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Mit Schreiben vom 16. und 20.02.2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten noch
einmal ausdrücklich die Feststellung einer Pflegeklasse.
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Die Beklagte antwortete der Klägerin mit Schreiben vom 28.02.2001, die
Spitzenverbände der Pflegekassen hätten bisher noch keine einheitlichen Grundsätze
zur Einstufung in Pflegeklassen erlassen und der MDK könne daher eine Einstufung
nicht vornehmen. Im Übrigen seien Leistungserbringer im Verwaltungsverfahren nicht
Beteiligte im Sinne des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch -
Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Das Heim sei weder
Beteiligter im Rahmen des Feststellungsverfahrens noch könne es Vertreter der
Versicherten sein. Aus diesem Grunde werde der Klägerin ein rechtsmittelfähiger
Bescheid nicht erteilt.
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Am 05.07.2001 hat die Klägerin "Untätigkeitsklage" erhoben, mit der sie vorträgt, der
Pflegeaufwand bei der Versicherten sei durch die zuerkannte Pflegestufe nicht gedeckt.
Es müsse daher - gegebenenfalls abweichend von der Pflegestufe - die Pflegeklasse III
zuerkannt werden. In diesem Zusammenhang könne es nicht zu Lasten der Klägerin
gehen, dass der MDK über entsprechende Richtlinien nicht verfüge. Vielmehr habe die
Klägerin einen Rechtsanspruch aus § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Elftes Buch -
Soziale Pflegeversicherung (SGB XI), wonach die Beklagte verpflichte, Leistungen nach
der zutreffenden Pflegeklasse zu gewähren. Bei der Zuordnung zu einer Pflegeklasse
müsse, zusätzlich zu den für die Pflegestufe maßgeblichen Zeiten, die psychosoziale
Betreuung Berücksichtigung finden. Insoweit werde auf den "Fragebogen zur
Begutachtung schwer psychisch veränderter älterer Menschen in
Altenhilfeeinrichtungen vom 05.06.2000" verwiesen.
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Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe durchaus Anspruch auf
eine leistungsgerechte Vergütung gem. § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB XI. Da allerdings eine
gemeinsame Beurteilung von MDK und Pflegeheimleitung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB
XI - ebenso wie entsprechende Kriterien zur Bestimmung der Pflegeklassen - nicht
vorlägen, könnten zur Einstufung in Pflegeklassen nur die nach § 15 SGB XI
festgelegten Kriterien herangezogen werden. Nach diesen Kriterien sei die Versicherte
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eindeutig der Pflegeklasse II zuzuordnen. Im Übrigen hat die Beklagte auf ein Schreiben
des MDK Nordrhein vom 15.01.2002 verwiesen, wonach mangels Vorliegens einer
Vereinbarung mit den Spitzenverbänden der Pflegekassen und wegen fehlender
Richtlinien eine Stellungnahme nicht möglich sei.
Das Sozialgericht hat eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit
(BMG) eingeholt. Dieses hat mit Schreiben vom 07.03.2002 ausgeführt, der
Ausnahmecharakter des § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI spreche gegen eine regelmäßige
Anwendbarkeit dieser Regelung. Die Vorschrift habe als eine Art Übergangsregelung
bis zur Vereinheitlichung der verschiedenen Pflegesatzsysteme gedient. Nach
Einführung des Pflegequalitätssicherungsgesetzes und Einfügung des § 80 a SGB XI
ergebe sich für § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI kein praktischer Anwendungsbereich mehr.
Überdies hätten die Pflegeheime die Möglichkeit, einen vermehrten Pflegeaufwand in
die Vergütungsverhandlungen über die Pflegesätze und die Preiskalkulation einfließen
zu lassen. Insoweit sei das verfassungsrechtliche Gebot einer leistungsgerechten
Vergütung gewährleistet. Es sei daher für die Zukunft zu prüfen, ob § 84 Abs. 2 Satz 3
SGB XI nicht gestrichen werden sollte. Zumindest aber sollte die Vorschrift nicht mehr
angewendet werden. Von daher sei auch kein Raum für die Schaffung eines
Richtlinienwerkes für eine von der Pflegestufe abweichende Pflegeklasse.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, die bei ihr versicherte Frau C F rückwirkend zum 01.10.2000
gemäß § 84 Abs 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB XI in die Pflegeklasse III einzustufen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 30.05.2003 abgewiesen. Zur Begründung
hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei möglicherweise unzulässig, jedenfalls
aber unbegründet. Richtige Klageart sei die Leistungsklage. Es sei fraglich, ob die
Klägerin klagebefugt sei, da die für die Einstufung der Pflegekassen maßgeblichen
Rechtsnormen der §§ 14 und 15 SGB XI in Verbindung mit 43 SGB XI allein dem
Individualinteresse des Versicherten dienten. Auch sei nicht geklärt, wem gegenüber
das Vorliegen einer höheren Pflegeklasse geltend zu machen sei. Schließlich sei nicht
ersichtlich, ob aus einer höheren Pflegeklasseneinstufung eine erhöhte Pauschale nach
§ 43 Absatz 2 SGB XI folge. Auch habe die Abweichung der Pflegeklasse von der
Pflegestufe in der Regel keine Auswirkungen auf die Leistungspflicht der Pflegekasse,
sondern lediglich Geltung im Verhältnis des Pflegeheimes zum Versicherten. Jedenfalls
sei die Klage aber unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Einstufung der
Versicherten in eine höhere Pflegeklasse nach § 84 Absatz 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB
XI. Die vorgenannte Vorschrift habe Ausnahmecharakter und könne nicht regelmäßig
angewandt werden. Die Heime könnten Pflegesatzvereinbarungen unter
Berücksichtigung der in ihrem Bereich durchschnittlich anfallenden Kosten verlangen.
Durch den Umstand, dass im Einzelfall die Pflegekosten von der Erstattung - auf Basis
von Pflegestufen - erheblich abweichen könnten, sei die Klägerin noch nicht in ihrem
Schutzbereich aus Artikel 12 oder Artikel 14 des Grundgesetzes verletzt.
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Gegen das am 16. Juni 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. Juli 2003
Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, der Gesetzgeber habe das Prinzip
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leistungsgerechter Pflegesätze im SGB XI festgelegt. Zu diesem Grundsatz gehöre auch
§ 84 Absatz 2 Satz 3, 2. Halbsatz SGB XI. Das Sozialgericht hätte daher klären müssen,
ob vorliegend ein Abweichen der Pflegeklasse von der Pflegestufe notwendig sei. Der
Gesetzgeber habe in § 87 a SGB XI vergessen, dem Heimträger die Möglichkeit
einzuräumen, nach erfolgloser Aufforderung zur Einreichung von Widerspruch oder
Klage nach der nächsthöheren Pflegeklasse abzurechnen. Da der Gesetzgeber in § 87
a SGB XI lediglich die Situation nach Ablehnung eines Höherstufungsantrages durch
den Versicherten habe regeln wollen, bleibe § 84 SGB XI weiterhin für Fälle aktuell, in
denen der Versicherte sich weigere, eine Klage auf Höherstufung zu erheben. Im
Übrigen sei die Argumentation des Sozialgerichts und des
Bundesgesundheitsministeriums, § 84 SGB XI sei eine Auslaufnorm, nicht
nachzuvollziehen, da die gesetzliche Vorschrift weiterhin in Kraft sei. Die Klägerin hat in
der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie einen Anspruch nicht aus § 84 Abs. 2
Satz 3, 1. Halbsatz SGB XI herleitet, also nicht mehr behauptet, die Heimbewohnerin
habe Anspruch auf Zuerkennung der Pflegestufe III gehabt.
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 30.05.2003 zu ändern und nach dem
erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und weist darauf hin, dass die
Vorschrift des § 87 a SGB XI erst zum 01.01.2002 in Kraft getreten ist, die Versicherte
jedoch bereits am 22.04.2001 verstorben ist. Außerdem hätten die tatsächlichen
Voraussetzungen für eine Höherstufung in die Pflegeklasse III nicht vorgelegen. Dies
belegten die Gutachten des MDK.
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Entscheidungsgründe:
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Die fristgerechte eingelegte Berufung ist zulässig.
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Da sich Klägerin und Beklagte in einem Gleichordnungsverhältnis befinden, kommt eine
Regelung durch Verwaltungsakt und damit eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage
nicht in Betracht (BSG - Urteil vom 12.11.2003 - Az.: B 3 KR 1/03 R; Udsching, SGB XI,
2. Aufl. München 2000, § 84 Anmerkung 12 und jetzt auch Vogel-Schmäing in Klie/
Krahmer, Lehr- und Praxiskommentar zur Sozialen Pflegeversicherung (LPK-SGB XI) -
2. Aufl. Baden- Baden 2003, § 84 Randnummer 14). Da also kein Verwaltungsakt
begehrt werden kann, ist die Klage auf die Vornahme einer sonstigen Amtshandlung,
nämlich hier die Einstufung in die Pflegeklasse III, gerichtet und damit als allgemeine
Leistungsklage zulässig (vgl. BSG Urteil vom 12.11.2003 - Az.: B 3 KR 1/03 R;
Udsching, a.a.O., § 84 Anm. 12).
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Die Klägerin ist auch klagebefugt, denn wegen der Nichtvornahme der begehrten
Amtshandlung kommt eine Verletzung eigener Rechte der Klägerin in Betracht. Die
diesbezüglich in der Literatur zum Teil vorgetragenen Bedenken greifen nicht durch.
Zwar werden Leistungen der Pflegeversicherung gemäß § 33 Abs.1 SGB XI nur auf
Antrag des Versicherten, nicht aber auf Antrag des Leistungserbringers erbracht (BSG
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Urteil vom 24.09.2002, Az.: B 3 KR 2/02 R). Auch erscheint es wegen der einerseits
zivilrechtlichen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen Heimbewohner und
Pflegeheim und andererseits öffentlich rechtlichen Regelung des Verhältnisses
zwischen Heimbewohner und Pflegekasse, im Einzelfall - je nach vertraglicher
Ausgestaltung - denkbar, dass das Heim gegenüber seinem Bewohner auf der
Grundlage einer von den Feststellungen der Pflegekasse abweichenden
Pflegestufe/Pflegeklasse abrechnet (vgl. Vogel- Schmäing, a.a.O.,§ 84 Anmerkung 14;
LSG NRW Urteil vom 18.12.2003 Az.: L 2 KN 69/03 P). Damit besteht grundsätzlich die
Möglichkeit des Pflegeheimes, zusätzliche Aufwendungen vergütet zu erhalten.
Gleichwohl dient die Norm des § 84 Abs 2 Satz 2 SGB XI aber den
Individualinteresssen der Klägerin (Udsching a.a.O. § 84 Anm. 12 ; Meyer - Ladewig
SGG, 7. Aufl. 2002, § 54 Rdnr. 12 b, der sogar die Normen der §§ 14,15 SGB XI im
Individualinteresse des Heimes sieht und dem Heim schon bei der
Pflegestufeneinstufung ein eigenes Klagerecht einräumen will; Spellbrink in
Hauck/Noftz, SGB XI, Stand Januar 2004, § 84 Rdnr. 20). Wie das Bundessozialgericht
festgestellt hat ( BSG Urteil vom 10.02.2000 - Az.: B 3 P 12/99 R), ist ein
Auseinanderfallen von Pflegestufe und Pflegeklasse grundsätzlich möglich (so auch
Udsching a.a. O. § 84 Anm. 15; Spellbrink a.a.O.). Begründet wird dies damit, dass die
Heimbewohner einerseits gegenüber dem Pflegeheim einen Anspruch auf Aufwand für
soziale Betreuung und medizinische Behandlungspflege haben, andererseits aber
dieser Aufwand keine Berücksichtigung bei der Pflegestufe findet. Das Heim ist also in
der misslichen Situation, einerseits Leistungen erbringen zu müssen, die bei der
Ermittlung der Pflegestufe nicht berücksichtigt werden, andererseits aber nur eine
Vergütung beanspruchen zu können, die an die Höhe der festgestellten Pflegestufe
gekoppelt ist (so auch LSG Schleswig Holst., Urteil vom 4.09.1998, Az.: L 3 P 16/97).
Das Bundessozialgericht hat hierzu ausgeführt, die Heime seien daher in ihrem
"verfassungsrechtlich zugestandenen Gebot einer leistungsgerechten Vergütung"
beeinträchtigt. Wegen der Vorschrift des § 84 Absatz 4 SGB XI könne das Heim die
Kosten des zusätzlichen Bedarfs auch nicht dem Pflegebedürftigen auferlegen. Der
Grundrechtsschutz der Leistungserbringer lasse deshalb bei verfassungskonformer
Anwendung der Öffnungsklausel in § 84 Absatz 2 Satz 3 SGB XI nur die Auslegung zu,
dass die Zuordnung eines Pflegebedürftigen zu einer Pflegeklasse letztlich von dem
vom Pflegeheim abzudeckenden Versorgungsaufwand im Einzelfall und nicht von der
Pflegestufe abhänge, der der Pflegebedürftige zugeordnet ist (BSG a.a.O.). Dieser
Rechtsprechung folgend sieht der Senat in der Vorschrift des § 84Abs 2 Satz 2 SGB XI
eine (mindestens auch) im Individualinteresse der Klägerin erlassene Vorschrift, nach
der grundsätzlich die Möglichkeit besteht, den nach §§ 14 und 15 SGB XI maßgeblichen
Leistungen der Pflegeversicherung weitere Leistungen des Heimes z. B. für soziale
Betreuung zuzurechnen (Udsching, a.a.O., § 84 Anm 9 ff). Unerheblich ist insoweit die
Auffassung des BMG, das eine Nichtanwendung des § 84 Abs 2 Satz 3 2. Halbsatz
SGB XI für gegeben erachtet. Denn der Senat muss Rechtsnormen, die geltendes Recht
sind, anwenden. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, sondern gerade Aufgabe des BMG
zu überprüfen, ob Normen noch dem gesetzgeberischen Willen entsprechen.
Gegebenenfalls hat das BMG auf eine Gesetzesänderung hinzuwirken. Der Anspruch
der Klägerin auf Feststellung einer Pflegeklasse kann sich sinnvollerweise nur gegen
die Pflegekasse richten (Vogel - Schmäing a.a.O.; Spellbrink a.a.O.; Udsching a.a.O).
Die Pflegeklassenzuordnung bestimmt daher die vergütungsrechtliche Beziehung des
Pflegeheimes zur Pflegekasse und bei Überschreiten der Leistungsgrenzen des § 43
Abs. 5 SGB XI zum Pflegebedürftigen bzw. Sozialhilfeträger. Die
Pflegestufenzuordnung nach § 15 SGB XI beschreibt den Leistungsanspruch des
Pflegebedürftigen gegenüber der Pflegekasse ( Spellbrink, a.a.O., Anm 18). Die weitere
Erwägung der Beklagten, die Klägerin sei nicht klagebefugt, weil sie nicht Beteiligte am
Verwaltungsverfahren sein könne, ist nicht überzeugend. Die Beteiligtenfähigkeit ist
nicht Voraussetzung für die Geltendmachung von Ansprüchen.
Die Klage ist allerdings unbegründet. Die Klägerin leitet ihren Anspruch nicht mehr aus
der Behauptung ab, die Versicherte habe Anspruch auf Zuerkennung der Pflegestufe III
gehabt. Daher richtet sich die Begründetheit der Klage nur noch danach, ob die Klägerin
Anspruch auf Feststellung der Pflegeklasse III hat.
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Insoweit ist die Klage nicht begründet. Zwar besteht nach der Rechtsprechung des BSG
(Urteil vom 10.02 2000, a.a.O.) bei verfassungskonformer Anwendung der
Öffnungsklausel in § 84 Absatz 2 Satz 3 SGB XI die grundsätzliche Möglichkeit, dass
die Zuordnung eines Pflegebedürftigen zu einer Pflegeklasse letztlich von dem vom
Pflegeheim abzudeckenden Versorgungsaufwand im Einzelfall und nicht von der
Pflegestufe abhängt, der der Pflegebedürftige zugeordnet ist.
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Allerdings ist die Abweichung von Pflegeklasse zu Pflegestufe - im Einzelfall - nach §
84 Absatz 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB XI, von einer übereinstimmenden Beurteilung des
Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) und der Pflegeleitung des
Heimes abhängig. Dieses zwingend im Gesetz vorgesehene Verfahren wurde hier nicht
durchgeführt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Abweichen von Pflegestufe
und Pflegeklasse liegen damit nicht vor (so auch LSG NRW Urteil vom 18.12.2003, Az.:
L 2 KN 69/03 P), so dass die Klage schon unter diesem Gesichtspunkt unbegründet ist.
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Die Klage ist aber selbst dann unbegründet, wenn man vorliegend berücksichtigt, dass
das Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 84 Abs 2 Satz 3 2 ... Halbsatz
SGB XI hier deswegen nicht von der Klägerin zu vertreten ist, weil sich der MDK
grundsätzlich geweigert hat, das vorgeschriebene Verfahren durchzuführen. Dies gilt
selbst dann, wenn man nicht berücksichtigt, dass der MDK nach §§ 278 Abs. 1 Satz 2
Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) eine
Körperschaft des öffentlichen Rechts, damit eine eigene Rechtspersönlichkeit ist. Denn
selbst wenn man den MDK dem "Lager" der Beklagten zuordnete, so führt eine
inhaltliche Überprüfung der Frage, ob vorliegend die Heimbewohnerin in Pflegeklasse
III einzustufen ist, zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis.
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Eine gerichtliche Überprüfung der Pflegeklasseneinstufung ist mangels gesetzlicher
Festlegung von Kriterien und Verfahren (nebst Konfliktregelung) hierzu nicht möglich.
Der Gesetzgeber hat zwar in §§ 14 f SGB XI dargelegt, was die Voraussetzungen der
einzelnen Pflegestufe sind. Gleichzeitig stellt er in § 84 Abs 2 SGB XI fest, dass
Pflegestufe und Pflegeklasse nicht übereinstimmen müssen. Unter welchen
Voraussetzungen eine bestimmte Pflegeklasse gegeben sein soll, ist im Gesetz aber
nicht geregelt. Es wird lediglich festgestellt, dass die Pflegeklassen - in Verbindung mit
den zugehörigen Pflegesätzen - dem Heim eine angemessene Vergütung seiner
Leistungen ermöglichen müssen. Demnach ist die Höhe der Pflegeklasse inhaltlich von
dem Aufwand abhängig, den das Heim im Einzelfall für eine angemessene
Pflegeleistung erbringen muss (so wohl auch BSG vom 10.02.2000 a.a.O.). Es handelt
sich also bei dem Begriff "Pflegeklasse" um einen "unbestimmten Rechtsbegriff" und
zwar hier in der Form des unbestimmten "normativen Begriffs", d.h., der Begriffsinhalt
erschließt sich dem Interpreten erst durch eine wertende Auslegung. Die Beurteilung, ob
die Zuordnung zu einer anderen Pflegeklasse notwendig oder ausreichend ist, hat der
Gesetzgeber in § 84 Abs 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB XI dem MDK und der Heimleitung
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gemeinsam aufgegeben. Den Gerichten ist es - mangels Kompetenz und in
Ermangelung von Auslegungskriterien - nicht möglich, im Einzelfall eine bestimmte
Pflegeklasse festzustellen (so auch LSG NRW Urteil vom 18.12.2003 Az.: L 2 KN 69/03
P). Insbesondere kann eine solche Einstufung nicht - wie von der Klägerin gewünscht -
auf der Grundlage des "Fragebogens zur Begutachtung schwer psychisch veränderter
älterer Menschen" durchgeführt werden, allzumal auch dieser Fragebogen keinen
nachvollziehbaren Bezug zur Pflegeklasseneinteilung hat und eine Regelung zur
Festlegung der Pflegeklassen nicht ersetzen kann. Es kann dahingestellt bleiben, ob
der Gesetzgeber dem MDK und der jeweiligen Heimleitung durch die in § 84 Abs. 2
Satz 3 2. Halbsatz SGB XI vorgesehene "gemeinsame Beurteilung" den Status eines
Expertengremiums zukommen lassen wollte, dessen Entscheidungen nach der
Rechtsprechung nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegen würden (vgl.
etwa zur Kontrolldichte im Streit um die Höhe der durch Schiedsspruch festgelegten
Vergütungen stationärer Pflegeleistungen - BSG Urteil vom 14.12.2000 - B 3 P 18/00 R;
im Streit um die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung - BSG Urteil vom
10.05.2000 - B 6 KA 9/99 R und vom 12.12.2001 - B 6 KA 7/01 R; zur
Entscheidungsprärogative im Rahmen der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 93 Abs. 2
Bundessozialhilfegesetz - Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 01.12.1998 - BVerwGE
108,47,55 ff.). Nach diesem Maßstab hätte der Senat hier nur zu prüfen, ob die
Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen
Gehörs erfolgt ist, der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten und zwingendes
Gesetzesrecht beachtet worden ist. Da aber vorliegend eine Entscheidung gar nicht
ergangen ist, bleibt allein zu prüfen, ob die Beklagten - im Sinne einer Reduzierung des
Tatbestandlichsermessens auf Null - als einzig mögliche Entscheidung die Pflegeklasse
III zuerkennen musste.
Zur Überzeugung des Senats kann die Beklagte - in Ermangelung von Richtlinien zur
Ermittlung der Pflegeklasse - die Entscheidung über die Höhe der Pflegeklasse allein
nach der Vorschrift des § 84 Abs 2 Satz 3, 1. Halbsatz treffen. Denn § 84 Abs 2 Satz 3 2.
Halbsatz SGB XI stellt nur einen Ausnahmefall dar. Liegen Beurteilungskriterien zur
Anwendung eines Ausnahmefalls nicht vor, erscheint es fehlerfrei, keinen Ausnahmefall
anzunehmen. Erst Recht ist der Beurteilungsspielraum der Behörde nicht dahingehend
(auf Null) reduziert, dass zwingend ein Ausnahmefall anzunehmen wäre. Wie das BMG
in seiner schriftlichen Stellungnahme zutreffend feststellt, kann ein Ausnahmefall
insbesondere nicht aus der - über die reine Pflegetätigkeit hinausgehende - Übernahme
der sozialen Betreuung durch die Klägerin hergeleitet werden. Denn dann würde, weil
bei stationärer Pflege zusätzliche soziale Betreuung die Regel ist, der Ausnahmefall des
§ 84 Abs 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB XI zum Regelfall werden. Durch diese Auffassung
wird die Klägerin auch nicht unangemessen benachteiligt. Denn durch die
ausschließliche Anwendung des Regelfalles ist auch gewährleistet, dass auch eine
nach § 84 Abs 2 Satz 3 2. Halbsatz SGB XI ebenso mögliche Abweichung der
Pflegeklasse von der Pflegestufe zu Ungunsten der Klägerin nicht herbeigeführt werden
kann.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) in der bis zum In-Kraft-Treten des 6. SGG-Änderungsgesetzes (6. SGG-ÄndG)
vom 17.08.2001 (BGBl. 2144) am 02.01.2002 geltenden Fassung. Denn der durch das
6. SGG-ÄndG. eingefügte § 197a SGG - der die Anwendung der Kostenvorschriften der
Verwaltungsgerichtsordnung vorsieht, wenn, wie hier, keiner der Beteiligten zu den in §
183 SGG genannten Personen gehört - ist erst auf nach dem 01.01.2002 rechtshängig
gewordene Verfahren anzuwenden. Dies ist aus der Übergangsvorschrift des Art. 17
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Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG ÄndG abzuleiten (s. hierzu BSG Urteil vom 11.04.2002 - B 3
KR 25/01 R - SozR 3 - 2500 § 115b Nr. 2 und BSG Urteil vom 30.01.2002 - B 6 KA
12/01 R - SozR 3 - 2500 § 116 Nr. 24). Wenngleich die Übergangsregelung
ausdrücklich nur die Frage der Gerichtsgebühren betrifft, muss sie aus Gründen des
verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes auch auf die außergerichtliche
Kostenerstattung angewendet werden.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG zugelassen, weil die
streitentscheidenden Rechtsfragen höchstrichterlich noch nicht entschieden sind.
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