Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 21.07.2004
LSG NRW (ausbildung, verhaltenstherapie, kläger, universität, approbation, zulassung, psychologie, bescheinigung, eintragung, psychotherapeut)
Landessozialgericht NRW, L 10 KA 42/03
Datum:
21.07.2004
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 10 KA 42/03
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 33 KA 68/01
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 6 KA 68/04 R
Sachgebiet:
Vertragsarztangelegenheiten
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts
Düsseldorf vom 28.05.2003 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die erstattungsfähigen Kosten der Beklagten in beiden
Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten über die Eintragung des Klägers in das Arztregister als
Psychologischer Psychotherapeut.
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Der 1952 geborene Kläger hat ab 1973 an der Universität C Psychologie studiert; die
Diplomprüfung hat er im April 1978 bestanden. Im März 1999 wurde ihm von der
Bezirksregierung Düsseldorf die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut
erteilt. Neben Lehr- und Forschungstätigkeiten hat er seit 1986 in freiberuflicher Tätigkeit
psychotherapeutische Behandlungen ohne Beteiligung von Kostenträgern durchgeführt.
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Am 31.03.1999 beantragte er die bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragsärztlichen
Versorgung als Psychotherapeut, hilfsweise die bedarfsabhängige Zulassung sowie die
Eintragung in das Arztregister. Er legte u.a. eine Aufstellung über 60 Behandlungsfälle
im Umfang von 2.747 Stunden in Form einer sog. Kurzdokumentation sowie eine
Bescheinigung der Ruhr-Universität C vom 18.03.1999 vor, nach der er im Rahmen des
Psychologiestudiums Lehrveranstaltungen zur Klinischen Psychologie mit Schwerpunkt
Verhaltenstherapie im Umfang von mehr als 280 Stunden besucht hat. Der
Zulassungsausschuss für Ärzte lehnte die bedarfsunabhängige Zulassung mit
Beschluss vom 29.04.1999 mit der Begründung ab, es bestehe kein schutzwürdiger
Besitzstand, da der Kläger in der Zeit vom 25.06.1994 bis 24.06.1997 keine
Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung behandelt habe; zudem seien von
den 280 Stunden theoretischer Ausbildung während des Studiums nur 25%
anzurechnen, so dass 70 Stunden Theorie fehlten. Im Übrigen sei der Antrag nicht
fristgerecht.
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Im September 1999 beantragte der Kläger die bedarfsabhängige Zulassung und legte
ergänzend eine Bescheinigung des Ausbildungsinstituts für Klinische
Verhaltenstherapie in NW e.V. vom 02.09.1999 vor, nach der er im August 1999 an
insgesamt 38 Unterrichtseinheiten Verhaltenstherapieausbildung teilgenommen hat.
Ferner legte er eine Bescheinigung der Akademie für Verhaltenstherapie Köln GmbH
vom 09.09.1999 vor; danach hat er im August und September 1999 als Gasthörer 36
Unterrichtseinheiten "Methoden der Selbststeuerung und Selbstmodifikation",
"Behandlung von Essstörungen" und "Methoden zur kognitiven Umstrukturierung"
besucht.
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Mit Bescheid vom 16.12.1999 lehnte die Beklagte (durch den Verwaltungsrat der
Kassenärztlichen Vereinigung) den Antrag auf Eintragung in das Arztregister mit der
Begründung ab, die dokumentierten Fälle bestünden nur aus Eigenbelegen und
Überweisungsbelegen; 14 Fälle seien gar nicht dokumentiert. Es könne nicht geklärt
werden, ob es sich um Richtlinienverfahren handele, da fast alle Fälle in Tanztherapie
durchgeführt worden seien.
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Mit entsprechender Begründung lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte den Antrag
auf bedarfsabhängige Zulassung ab (Beschluss vom 29.02.2000).
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Gegen beide Entscheidungen erhob der Kläger Widerspruch; den Widerspruch gegen
die Versagung der Eintragung in das Arztregister begründete er nicht. In dem auf
bedarfsabhängige Zulassung gerichteten Verfahren trug er vor, der Hinweis auf 14 nicht
ordnungsgemäß belegte Fälle gehe fehl, denn er habe Kurzdokumentationen vorgelegt.
Auch seien Tätigkeiten im Richtlinienverfahren nachgewiesen; seine Methode der
Tanztherapie bestehe darin, dass die besonderen Vorzüge von Tanz als körperlich und
künstlerisches Medium in einem Schema von Verhaltenstherapie begriffen, beschrieben
und angewandt werde.
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Der Berufungsausschuss für Ärzte (Beschluss vom 06.09.2000) lehnte den Antrag auf
bedarfsabhängige Zulassung wegen fehlender Arztregistereintragung ab.
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Die Beklagte wies den Widerspruch gegen die eine Arztregistereintragung ablehnende
Entscheidung mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2001 unter Bezugnahme auf den
angefochtenen Bescheid vom 16.12.1999 zurück.
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Mit seiner gegen die Entscheidungen der Beklagten gerichteten Klage vom 27.02.2001
hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, bei der von ihm angewandten Therapie
handele es sich um eine Form der Verhaltenstherapie, die das Mittel des Tanzes
einsetze, nicht aber um eine eigene Therapierichtung. Er habe in seiner Aufstellung
über die psychotherapeutische Berufstätigkeit auch die tiefenpsychologisch fundierte
Therapie angekreuzt, weil er entsprechend der modernen Verhaltenstherapie in
verstärktem Maß auch Aspekte der tiefenpsychologisch fundierten Therapie integriert
habe. Dies entspreche der heutigen Verhaltenstherapie. Im Übrigen habe er die
ansonsten erforderlichen Nachweise erbracht. Es sei nicht Aufgabe der Beklagten,
erneut die Aussagekraft der Bescheinigungen von Ausbildungsinstituten in Frage zu
stellen, die bereits die Approbationsbehörde geprüft habe.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 16.12.1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 20.02.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
ihn als Psychologischen Psychotherapeuten für das Verfahren Verhaltenstherapie in
das Arztregister einzutragen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Fachkundenachweis sei nicht erbracht.
Der Kläger habe lediglich eine Bescheinigung der Universität C über die Teilnahme an
Lehrveranstaltungen im Rahmen des Studiums vorgelegt. Die erforderliche theoretische
Ausbildung in einem Richtlinienverfahren könne aber nur durch Bescheinigungen
anerkannter Ausbildungsinstitute nachgewiesen werden. Im Übrigen komme eine
Berücksichtigung von Lehrveranstaltungen im Rahmen des Studiums nicht in Betracht;
dies wäre mit dem Zweck des Fachkundenachweises, die Fähigkeit zur Behandlung
von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in den anerkannten
Behandlungsverfahren unter Beachtung krankenversicherungsrechtlicher Vorgaben der
Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit, nicht zu vereinbaren. Ferner sei
die erforderliche Behandlungstätigkeit nicht nachgewiesen. Die vorgelegte Aufstellung
über psychotherapeutische Berufstätigkeit ohne Kostenträgerbeteiligung in 60
Behandlungsfällen sei keine ausreichende Dokumentation; aus der Aufstellung gehe
auch nicht eindeutig hervor, um welche Richtlinienverfahren es sich gehandelt habe.
Der Kläger habe die durchgeführten Behandlungen sowohl als verhaltenstherapeutisch
als auch tiefenpsychologisch fundiert eingeordnet. Hinzu komme, dass es sich nach den
Unterlagen bei den Behandlungen um "Tanztherapie" und damit nicht um ein
Richtlinienverfahren gehandelt habe.
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Das Sozialgericht Düsseldorf hat der Klage mit Urteil vom 28.05.2003 stattgegeben. Es
hat u. a. ausgeführt, dass die Prüfungsbefugnis der Beklagten darauf beschränkt sei, ob
die bereits von der Approbationsbehörde akzeptierten 60 dokumentierten und
abgeschlossenen Behandlungsfälle sowie die abgeleisteten mindestens 140 Stunden
theoretische Ausbildung dem Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie zuzuordnen sind.
Hieran bestehe kein Zweifel; bei der vom Kläger geschilderten Behandlungstätigkeit
handele es sich - unter Einbeziehung der Sachkunde der ehrenamtlichen Richter -
eindeutig um eine verhaltenstherapeutische Technik. Dass die bescheinigte
theoretische Ausbildung in klinischer Psychologie mit dem Schwerpunkt
Verhaltenstherapie dem Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie zuzuordnen sei, stehe
außer Frage.
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Gegen das am 21.08.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.09.2003 Berufung
eingelegt und ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft. Sie ist insbesondere der
Auffassung, dass die nach § 12 Abs. 3 S. 2 Psychotherapeutengesetz (PsychThG)
geforderte theoretische Ausbildung postgraduell durchgeführt worden sein müsse, so
dass die Ausbildung im Rahmen des Psychologiestudiums nicht berücksichtigt werden
könne. Auch die übrigen 74 Theoriestunden seien unabhängig davon, dass die
Stundenzahl nicht ausreichend sei, nicht zu berücksichtigen, da sie nicht bis zum
31.12.1998 erbracht wurden.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.05.2003 abzuändern und die Klage
abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Er verweist nochmals auf die nach seiner Auffassung eingeschränkte
Prüfungskompetenz der Beklagten und ist der Ansicht, die Frage, ob er die theoretische
Ausbildung während des Studiums erworben habe, sei kein spezifisches Problem der
Fachkunde. Es sei nicht vorstellbar, dass Kenntnisse und Fertigkeiten gerade auf dem
Gebiet der Verhaltenstherapie nur nach dem Erwerb eines Diploms erlangt werden
können. 1973 bis 1977 sei eine Ausbildung im Bereich der Verhaltenstherapie in
Deutschland nur an der Universität C möglich gewesen. Bei der nachfolgenden
Entwicklung der Ausbildungsgänge in klinischer Psychologie habe gerade die
Universität C eine wesentliche Rolle gespielt. Dies zeige, dass die in C in den
Siebzigerjahren gebotene Ausbildung der späteren Weiterbildung mehr als gleichwertig
gewesen sei. Wenn die Dokumentation der 60 Behandlungsfälle nicht ausreichend sei,
könne er diese ergänzen. Bei der Behandlung habe er die Methode der
Verhaltenstherapie abgewandt; es seien im therapeutischen Ansatz lediglich auch
Elemente der Tiefenpsychologie eingebaut worden.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der von der
Bezirksregierung Düsseldorf beigezogenen Approbationsakte Bezug genommen. Diese
sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
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Entscheidungsgründe:
25
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
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Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, den Kläger in das Arztregister
einzutragen.
27
Nach § 95 c Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) setzt die Eintragung in das
Arztregister bei Psychotherapeuten die Approbation als Psychotherapeut nach § 2 oder
§ 12 PsychThG und den Fachkundenachweis voraus. Der Fachkundenachweis ist nach
Satz 2 Nr. 3 der Vorschrift für den - wie hier - nach § 12 des PsychThG approbierten
Psychotherapeuten dadurch zu führen, dass er die für eine Approbation geforderte
Qualifikation, Weiterbildung oder Behandlungsstunden, Behandlungsfälle und die
theoretische Ausbildung in einem durch den Bundesausschuss der Ärzte und
Krankenkassen nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V anerkannten
Behandlungsverfahren nachweist. Daran fehlt es. Der Kläger hat den Nachweis von
"mindestens 140 Stunden theoretischer Ausbildung in wissenschaftlich anerkannten
Verfahren" (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 PsychThG) bzw. von "mindestens 140 Stunden
theoretischer Ausbildung in dem Gebiet, in dem sie beschäftigt sind" (§ 12 Abs. 4 Satz 2
PsychThG) nicht erbracht.
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Die von der Universität C bescheinigte Teilnahme an mehr als 280 Stunden
Lehrveranstaltungen zur Klinischen Psychologie mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie
während des Psychologiestudiums ist nicht zu berücksichtigen; denn die in § 12 Abs. 3
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bzw. 4 PsychThG geforderte theoretische Ausbildung muss postgraduell durchgeführt
worden sein. Zwar ist der Zeitpunkt der theoretischen Ausbildung weder in § 95 c SGB
V noch in § 12 PsychThG geregelt. Das wird in der Literatur als Hinweis dafür gewertet,
dass auch eine entsprechende theoretische Ausbildung (Richtlinienverfahren) im
Studium anrechenbar ist (Plagemann/Niggehoff, Vertragsarztrecht, 2. Auflage, Rn. 123;
Pulverich, Psychotherapeutengesetz, Komm., 3. Aufl., S. 125; Redecker, "Gutachterliche
Äußerung zu Auslegungsfragen der Übergangsvorschriften im
Psychotherapeutengesetz"; Behnsen, Die Neuordnung der psychotherapeutischen
Versorgung, SGb 12/98, Seite 565ff, 568; SG Köln, Urteil vom 03.05.2000 - S 19 KA
86/99 -). Indes lässt das Fehlen einer zeitlichen Regelung lediglich den Schluss zu,
dass die theoretische Ausbildung weiter zurückliegen kann und für sie die für die
psychotherapeutische Berufstätigkeit und Behandlungen im Gesetz vorgesehenen
Zeiträume nicht gelten. Dass die im Sinne des § 12 Abs. 3 und 4 PsychThG geforderte
theoretische Ausbildung auch schon im Rahmen des Studiums erfolgt sein kann, lässt
sich daraus jedoch nicht herleiten. Aus den Strukturen der ärztlichen und
psychotherapeutischen Weiterbildung folgt vielmehr, dass die theoretische Ausbildung
während des Studiums nicht geeignet ist, den geforderten Theorienachweis zu
erbringen. Ein Psychotherapeut, der die Approbation nach § 2 Abs. 1 PsychThG
erwerben will, muss nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 PsychThG die vorgeschriebene Ausbildung
abgeleistet und die staatliche Prüfung bestanden haben. In der Ausbildungs- und
Prüfungsordnung für Psychologische Psychotherapeuten (PsychTh-AprV) vom 18.
Dezember 1998 (BGBl I S. 3749 ff.) wird hierzu in § 7 Abs. 2 näher bestimmt, dass zur
Prüfung u.a. nur zugelassen wird, wer den Nachweis über die bestandene
Abschlussprüfung im Studiengang Psychologie nachweisen und die Bescheinigung
nach § 1 Abs. 4 PsychTh-AprV über eine erfolgreiche Teilnahme an - praktischen und
theoretischen - Ausbildungsveranstaltungen zum Psychologischen Psychotherapeuten
vorlegen kann. Aus dieser Vorschrift folgt, dass sämtliche Theorienachweise für die
Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten nach dem Studium - postgraduell
- erworben sein müssen. Die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten
erfordert also neben dem bestandenen Studium eine sich daran anschließende
Weiterbildung. Dies steht in Übereinstimmung mit dem ärztlichen Weiterbildungsrecht,
das die Qualifikation zum Facharzt und zum Führen von Schwerpunktbezeichnungen
ebenfalls nur auf Grund einer postuniversitären Weiterbildung zulässt. Dass bezüglich
der durch die Übergangsregelungen des § 12 PsychThG approbierten bzw.
zugelassenen Psychotherapeuten von diesem Grundsatz abgewichen werden soll, ist
den Übergangsregelungen nicht zu entnehmen (so zutreffend LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 16.01.2002 - L 5 KA 288/01 -; gegen eine Berücksichtigung universitärer
Ausbildung auch: Senatsurteil vom 10.03.2004 - L 10 KA 35/03 -; SG Frankfurt,
Beschluss vom 21.12.1999 - S 27 KA 3702/99 ER -; BayLSG, Beschluss vom
26.10.2000 - L 12 B 205/00 KA ER -; offengelassen vom BayLSG, Urteil vom 12.11.2003
- L 12 KA 2/02 -).
Dafür, dass eine theoretische Ausbildung vor Abschluss des Studiums nicht
anrechenbar ist, sprechen auch die Formulierungen in § 12 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4
Satz 2 PsychThG. Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 PsychThG erhalten Personen mit einer
Abschlussprüfung im Psychologiestudium an einer Universität oder gleichstehenden
Hochschule unter bestimmten Voraussetzungen eine Approbation zur Ausübung des
Berufs des Psychologischen Psychotherapeuten. Dass diese Voraussetzungen
zusätzlich zu den in Abs. 3 Satz 1 genannten Anforderungen erfüllt sein müssen, wird
durch die Formulierung "ferner" in § 12 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 PsychThG zum
Ausdruck gebracht.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in § 12 Abs. 3 Satz 3 bzw. Abs. 4
Satz 3 PsychThG hinsichtlich der an eine theoretische Ausbildung zu stellenden
Voraussetzungen die Forderung "ferner" nicht ausdrücklich aufgeführt ist. Beide
Regelungen, die Alternativfälle für eine Approbation erfassen, beziehen sich vielmehr
auf die vorangestellten Regelungen in § 12 Abs. 3 Satz 2 bzw. Abs. 4 Satz 2 PsychThG
und treten bei Fehlen der einzelnen dort benannten Voraussetzungen an deren Stelle;
der erste Halbsatz des § 12 Abs. 3 Satz 2 bzw. 4 Satz 2 PsychThG ("ferner") wird durch
den jeweiligen Satz 3 nicht aufgehoben.
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Auch den Gesetzesmaterialien zum PsychThG lässt sich nicht der Wille des
Gesetzgebers entnehmen, dass die während des Studiums absolvierte theoretische
Ausbildung anrechenbar ist. Zwar heißt es in der Begründung im Gesetzentwurf der
CDU/CSU und FDP (BT-Drucksache 13/8035 Seite 20), dass vor Inkrafttreten des
Gesetzes abgeleistete Stunden theoretischer Ausbildung unabhängig vom Zeitpunkt
ihrer Ableistung anzurechnen sind. Gleichzeitig wird aber von in den Absätzen 3 und 4
des § 12 PsychTHG enthaltenen abgestuften Übergangsregelungen gesprochen, die je
nach Dauer der Berufstätigkeit und Ableistung einer gegebenenfalls erforderlichen
qualifizierten Nachschulung den Zugang zum Beruf eröffnen. Ferner lässt sich den
Gesetzesmaterialien entnehmen, dass der Gesetzgeber, der für den neu geschaffenen
Beruf des Psychologischen Psychotherapeuten einen Universitätsabschluss im Fach
Psychologie und eine darauf aufbauende Ausbildung zum Psychologischen
Psychotherapeuten voraussetzt (§ 5 PsychThG), für die Übergangsregelung
(Berufstätigkeit und ggf. erforderliche qualifizierte Nachschulung) einen mindestens
gleichwertigen qualitativen Standard gewährleisten wollte. Die Berücksichtigung von
Theoriestunden während des Studiums wäre deshalb mit dem Zweck des
Fachkundenachweises, nämlich im Sinne eines Nachweises über die Tätigkeit, die
Versicherten in den in der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannten
Behandlungsverfahren unter Beachtung des Gebots der Notwendigkeit,
Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu behandeln, nicht vereinbar (BT-Drucksache
13/8035 Seite 22; 13/91212, Seite 54; s. auch Urteil des SG Dortmund vom 09.01.2001 -
S 26 KA 117/00 - in MedR 2001, 328ff; Urteil des SG Düsseldorf vom 17.03.2004 - S 2
KA 20/02 -; Senatsurteil vom 10.03.2004 - L 10 KA 35/03 - ).
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Die Prüfungskompetenz der Beklagten ist auch nicht - wie der Kläger anführt - soweit
eingeschränkt, dass sie die von der Universität C bescheinigte Ausbildung zwingend als
theoretische Ausbildung in einem Richtlinienverfahren zugrunde legen muss.
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Der Nachweis der Fachkunde ist nicht bereits durch die Approbation geführt. Die
Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) haben insoweit vielmehr ein eigenständiges,
wenn auch begrenztes Prüfungsrecht. Eigenständig zu prüfen haben sie, ob die bereits
gegenüber der Approbationsbehörde erbrachten Nachweise einem Richtlinienverfahren
zuzuordnen sind. Dagegen besteht ihre Aufgabe nicht darin, erneut die Richtigkeit und
Aussagekraft der Bescheinigungen von Ausbildungsinstituten in Frage zu stellen, die
die Approbationsbehörde bereits überprüft hat (BSG, Urteile vom 06.11.2002 - B 6 KA
37/01 R - in SozR 3-2500 § 95c Nr. 1 - sowie B 6 KA 38/01 R, Urteil vom 05.02.2003 - B
6 KA 42/02 R -). Dies beruht auf der Kompetenzverteilung zwischen
Approbationsbehörde einerseits und Arztregisterstelle andererseits, von der
abzuweichen weder für die Eintragung in das Arztregister noch für die Zulassung von
Psychotherapeuten ein Anlass besteht. Diese formal zur Frage der
Behandlungsstunden ergangene Rechtsprechung ist uneingeschränkt auf sämtliche im
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Rahmen der Approbation und für die Fachkunde erforderlichen Nachweise,
einschließlich der Theoriestunden, zu übertragen. Die den KVen verbliebene
eigenständige Prüfungskompetenz hinsichtlich der in § 12 PsychThG geregelten
tatbestandlichen Voraussetzungen beschränkt sich somit im Wesentlichen auf die
Feststellung, ob die in § 12 Abs. 3 Satz 3 bzw. 4 PsychThG festgelegte erforderlichen
Fall- bzw. Stundenzahlen nachgewiesen sind, und, wenn das der Fall ist, ob die
Behandlungen bzw. die theoretische Ausbildung in einem Richtlinienverfahren erfolgt ist
(BSG, Urteil vom 06.11.2002 - B 6 KA 37/01 R -, a.a.O.).
Davon ausgehend obliegt der Beklagten die Prüfung, ob mindestens 140 Stunden
theoretische Ausbildung in einem Richtlinienverfahren erfolgt sind. Wenn die Beklagte
aber hierzu befugt ist, muss sie - zwangsläufig - zuvor prüfen, ob die bescheinigten
Ausbildungsstunden der theoretischen Ausbildung zugeordnet werden können. Erst
anschließend kann sie prüfen, ob diese Stunden in einem Richtlinienverfahren
absolviert worden sind. Davon zu unterscheiden ist die inhaltliche Überprüfung der
Bescheinigung, also der Umstand, dass der Kläger "an mehr als 280 Stunden
Lehrveranstaltungen zur Klinischen Psychologie mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie"
teilgenommen hat. Insoweit ist es nicht Aufgabe der Beklagten, erneut die Richtigkeit
und Aussagekraft dieser Bescheinigung in Frage zu stellen (soweit es nicht um die
Zuordnung zu einem Richtlinienverfahren geht).
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Soweit der Kläger weitere Bescheinigungen des Ausbildungsinstituts für Klinische
Verhaltenstherapie in NW e.V. über 38 Unterrichtseinheiten und der Akademie für
Verhaltenstherapie Köln GmbH über 36 Unterrichtseinheiten vorgelegt hat, kann
dahingestellt bleiben, ob diese als theoretische Ausbildung in einem
Richtlinienverfahren zu berücksichtigen sind (zum zeitlichen Faktor s. Urteil des Senats
vom 12.11.2003 - L 10 KA 82/02 -). 140 Stunden theoretische Ausbildung werden damit
selbst dann nicht erreicht, wenn entgegen der Auffassung des Senats entsprechend
dem Rundschreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 18.08.1998 an die
KVen der Länder (abgedruckt bei Behnsen/Bernhardt, Psychotherapeutengesetz, 1999,
Anhang 14) pauschal 25 Theoriestunden aus dem Studium anzuerkennen sind.
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Keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob der Kläger in der Zeit vom 01.01.1989 bis
31.12.1998 überhaupt an der Versorgung von Versicherten einer Krankenkasse
mitgewirkt hat oder ob seine Leistungen während dieser Zeit von einem Unternehmen
der privaten Krankenversicherung vergütet oder von der Beihilfe als beihilfefähig
anerkannt worden sind (§ 12 Abs. 3 Satz 1 PsychThG) oder ob er als Angestellter oder
Beamter in einer psychiatrischen, psychotherapeutischen, psychosomatischen oder
neurologischen Einrichtung vorwiegend psychotherapeutisch tätig war oder
hauptberuflich psychotherapeutische Behandlungen durchgeführt hat (§ 12 Abs. 4 Satz
1 PsychThG) oder ob er als sog. Privatbehandler in verfassungskonformer Auslegung
wie ein Erstattungs- bzw. Delegationspsychotherapeut behandelt werden muss (s. dazu
Pulverich, aaO, S. 117). Ebenso ist der Frage nicht weiter nachzugehen, ob die
Dokumentation der 60 Behandlungsfälle ausreicht, eine Behandlung in einem
Richtlinienverfahren nachzuweisen bzw. ob die von dem Kläger vorgetragene
Behandlungsmethode "Tanztherapie" einem Richtlinienverfahren zuzuordnen ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG in der vor dem 01.01.2002
geltenden Fassung.
38
Die Revision war zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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