Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16.09.2010

LSG NRW (antragsteller, verhältnis zu, sgg, heizung, wohnung, beschwerde, hauptsache, vorläufig, höhe, antrag)

Landessozialgericht NRW, L 6 AS 949/10 B ER
Datum:
16.09.2010
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 6 AS 949/10 B ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Detmold, S 11 AS 1076/10 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Detmold vom 04.06.2010 (fälschlich mit Datum
04.06.2009 versehen) wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten
sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren des Eilrechtsschutzes über die
vorläufige Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung.
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Der 1971 geborene Antragsteller beantragte am 06.05.2010 bei dem Antragsgegner
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II).
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Am 17.05.2010 hat er beim Sozialgericht Detmold (SG) beantragt, den Antragsgegner
im Wege der Einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Regelleistungen in Höhe
von 359,00 Euro monatlich und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 295,21
Euro monatlich ab dem Monat Juni 2010 vorläufig zu zahlen. In der Sache hat er sich
auf seinen Vortrag im vorangegangenen Verfahren S 11 AS 248/09 ER bezogen. Auf
Aufforderung des SG hat der Antragsteller am 18.05., 20.05. und 26.05.2010
eidesstattlich versichert, weder über Einkommen noch über Vermögen zu verfügen, eine
lückenlose und inhaltlich richtige Aufstellung seines Kontos bei der Wüstenrot
Pfandbrief AG übersandt zu haben und keine weiteren aktiven Konten mit
Guthabenbeträgen zu führen.
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Der Antragsgegner hat Regelleistungen für den Monat Juni 2010 vorläufig gewährt. Im
Übrigen hat er die Auffassung vertreten, dass der Antragsteller mangels
Hilfebedürftigkeit nicht zum Personenkreis des SGB II gehöre. Er verschleiere den
Sachverhalt, verbrauche seit Jahren einen mehr oder weniger großen Teil seiner
Regelleistung für Ausgaben, die nicht dem notwendigen Lebensunterhalt zuzuordnen
seien und tätige monatlich erhebliche Überweisungen für Zwecke, die nur schwerlich
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mit der vom Gesetzgeber vorgesehenen Bestimmung der Regelleistung in Einklang zu
bringen seien. Da die Regelleistung knapp bemessen sei, ergebe sich bereits hieraus,
dass der Antragsteller über nicht bekannte Einnahmequellen verfüge und/oder einen
gemeinsamen Haushalt mit Frau U C, der Vermieterin seiner Wohnung, führe. Was das
Verhältnis zu Frau C betreffe, habe der Antragsteller nicht nachgewiesen, dass er
Mietrückstände, die ihm im Rahmen des letzten Beschwerdeverfahrens zugesprochen
worden seien, weitergeleitet habe.
Das SG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 04.06.2010 (irrtümlich mit Datum
04.06.2009 versehen) einstweilen verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom
01.07.2010 bis zum 30.11.2010 die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts
gemäß § 20 SGB II in gesetzlicher Höhe vorläufig zu gewähren. Im Übrigen hat es den
Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass der Antragsteller einen
Anordnungsanspruch und hier insbesondere seinen Hilfebedarf mittels eidesstattlicher
Versicherungen glaubhaft gemacht habe. Zu dem Einwand der Antragsgegnerin, auf
den vorgelegten Konten seien viele Buchungen für außerhalb der Regelleistung
liegende Zwecke aufgeführt, habe er zumindest nachvollziehbar ausgeführt, bei den
eingekauften Produkten handele es sich um handwerklichen Bedarf, dessen Kosten er
sich von der Vermieterin in bar ersetzen lasse, um Lebensmittelkosten zu decken, weil
es bei ihm vor Ort keinen Geldautomaten seiner Bank gebe. Auch wenn eine
abschließende Klärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht möglich
sei, seien die Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs gleichwohl glaubhaft
gemacht. Zum einen müsse berücksichtigt werden, dass nach dem ersten
Leistungsantrag des Antragstellers im März 2007 mehr als drei Jahre vergangen seien,
während derer ihm Einkünfte und Vermögen nicht hätten nachgewiesen werden
können. Zum Anderen habe er sich zu seiner Einkommens- und Vermögenssituation in
den bisher anhängigen Verfahren bereits erklärt und den Betrieb seines
Einzelhandelsunternehmens soweit ersichtlich zumindest derzeit eingestellt. Angesichts
dessen sei vorläufig von seiner Hilfebedürftigkeit auszugehen (so auch in früheren
Verfahren LSG NRW, Beschluss vom 18.06.2008, L 7 B 174/08 AS ER; Beschluss vom
24.07.2009, L 19 B 170/09 AS ER). Bezüglich der beantragten Regelleistungen liege
mangels Einkommens und Vermögens auch ein Anordnungsgrund vor. An einem
solchen fehle es dagegen hinsichtlich der ebenfalls begehrten Kosten der Unterkunft, da
die Miete bis einschließlich Mai an die Vermieterin gezahlt und somit nicht alsbald und
ernsthaft mit einer fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses und anschließender
Räumungsklage zu rechnen sei.
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Gegen den ihm am 04.06.2010 per Fax übersandten und am 08.06.2010 zugestellten
Beschluss hat der Antragsteller am 04.06.2010 Beschwerde eingelegt und sein
Begehren der Zahlung von Kosten der Unterkunft und Heizung weiter verfolgt.
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Der Antragsgegner hat es mit Bescheid vom 18.06.2010 abgelehnt, dem Antragsteller
Leistungen zu gewähren, da seine Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen sei.
Ausweislich Postzustellungsurkunde ist dieser Bescheid am 22.06.2010 zugegangen.
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Mit Schreiben vom 26.08.2010 hat der Antragsteller auf Aufforderung des Senats
eidesstattlich versichert, mit den vollständigen Mieten für die Monate Juni, Juli und
August 2010 im Rückstand zu sein. Die Vermieterin habe gegen ihn bereits
Räumungsklage beim Amtsgericht Minden erhoben. Den Bescheid vom 18.06.2010
habe er nicht erhalten. Berücksichtige man, dass er am 21.06.2010 gleich zweimal
einen Bescheid "Eingliederung Vereinbarung" vom 16.06.2010 per Fax und noch
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einmal per Postzustellungsurkunde erhalten habe, müsse es bei den Bescheiden auf
Seiten des Antragsgegners zu einer Verwechslung gekommen sein. Dass er den
Bescheid vom 18.06.2010 nicht bekommen habe, ergebe sich im Übrigen auch daraus,
dass er bekanntermaßen unmittelbar Widerspruch einlege und auch im Laufe des
Eilverfahrens noch darauf hingewiesen habe, dass ihm eine Bescheidung zu den
Unterkunftskosten nicht vorliege. Falls der Bescheid jedoch zugegangen und nur von
ihm übersehen worden sei, müssten seine Ausführungen im Eilverfahren unter
Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes als Widerspruch angesehen
werden.
Der Antragsteller beantragt,
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den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 04.06.2010 zu ändern und den
Antragsgegner zu verpflichten, ihm vorläufige Leistungen für Kosten der Unterkunft und
Heizung in Höhe von monatlich 295,21 Euro für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis
30.11.2010 zu gewähren.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er hält weiterhin eine Hilfebedürftigkeit nicht für glaubhaft und ist im Übrigen der
Auffassung, dass es an einem Anordnungsgrund für die Gewährung von Kosten der
Unterkunft fehle. Die Räumungsklage sei zwischen dem Antragsteller und Frau C - wie
im letzten Verfahren - lediglich abgesprochen worden, um den Antragsgegner zur
Zahlung vermeintlicher Mietrückstände zu nötigen. Im Übrigen drohe dem Antragsteller
keine Wohnungslosigkeit, da im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners
ausreichend adäquater Wohnraum zur sofortigen Anmietung zur Verfügung stünde. Es
drohe allenfalls der Verlust der aktuell bewohnten Wohnung.
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Auf telefonische Nachfrage des Senats hat das Amtsgericht Minden den Eingang der
Räumungsklage bestätigt.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen einschließlich des Vorbringens
der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der den Antragsteller betreffenden
Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen; dieser ist Gegenstand der Beratung
gewesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
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Der Antragsteller hat wie vom Sozialgericht zutreffend entschieden, keinen Anspruch
auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Kosten der
Unterkunft und Heizung nach dem SGB II. Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das
Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines
vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine
solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das von
Antragstellerseite geltend gemachte Recht (sog. Anordnungsanspruch) und die
Eilbedürftigkeit, d.h. die Dringlichkeit, die Angelegenheit sofort vor einer Entscheidung
in der Hauptsache vorläufig zu regeln (sog. Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu
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machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung
(ZPO)). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen
von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl.
BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, in SozR 3-3900 § 15 Nr. 4). Ob ein
Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der
Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von
Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das
Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung
erforderlich (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, in Breith 2005, 803).
Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen
und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf
Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse
Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss eine umfassende
Folgenabwägung, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend
einstellt, erfolgen (BVerfG, a.a.O.; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rn 29, 29a). Die besondere Eilbedürftigkeit, die den
Anordnungsgrund kennzeichnet, ist zu bejahen, wenn dem Antragsteller unter
Berücksichtigung auch der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur
Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann (Meyer-Ladewig, a.a.O.,
§ 86b Rn 28, 29a m.w.N.). Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das SG im
Zeitpunkt seiner Entscheidung die begehrte einstweilige Anordnung hinsichtlich der
Kosten der Unterkunft abgelehnt, weil es seinerzeit mangels drohenden
Wohnungsverlustes an der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit, d.h. einem
Anordnungsgrund, fehlte. Auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem
angefochtenen Beschluss vom 04.06.2010 wird zur Vermeidung von Wiederholungen
Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 S. 2 SGG).
Dem Eilbegehren des Antragstellers kann auch nicht aufgrund der im Laufe des
Beschwerdeverfahrens eingetretenen Änderung der Umstände stattgegeben werden,
wenngleich die Angelegenheit nunmehr aufgrund der zwischenzeitlich aufgelaufenen
Mietrückstände und der von der Vermieterin des Antragstellers daraufhin erhobenen
Räumungsklage eilbedürftig ist. Der Antrag auf vorläufige Zuerkennung von Leistungen
für Kosten der Unterkunft und Heizung ist wegen des von dem Antragsgegner am
18.06.2010 erlassenen ablehnenden Bescheides unzulässig. Da der Antragsteller
gegen diesen Bescheid nicht (fristgerecht) Widerspruch erhoben hat, ist dieser in
Bindungswirkung erwachsen. Eine solche Bindungswirkung schließt die Zuerkennung
von Leistungen im Hauptsacheverfahren und damit erst recht in dem diesem
vorgeschalteten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes aus, weil im Eilverfahren
nicht mehr erlangt werden kann, als im Hauptsacheverfahren (vgl. auch LSG NRW,
Beschluss vom 12.03.2009, L 19 B 45/09 AS ER; Beschluss vom 09.07.2009, L 7 B
132/09 AS ER; Keller, a.a.O., § 86b Rn 26 d).
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Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Antragstellers, er habe den
Bescheid vom 18.06.2010 tatsächlich nicht erhalten. Ausweislich der in den Akten des
Antragsgegners befindlichen Postzustellungsurkunde ist dieser Bescheid dem
Antragsteller am 22.06.2010 durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden
Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung zugestellt worden und damit - zunächst -
urkundlich nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 418, 182 Abs. 1 S. 2 der
Zivilprozessordnung (ZPO) bewiesen. Allein die bloße Behauptung des Antragstellers,
er habe das betreffende Schriftstück nicht erhalten, vermag den Beweis der
Zustellungsurkunde nicht zu erschüttern, weil es für die Wirksamkeit der Zustellung nicht
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darauf ankommt, ob der Adressat das Schriftstück tatsächlich zur Kenntnis genommen
hat. Der Antragsteller kann den durch die Urkunde erzeugten Beweis nur durch einen
Gegenbeweis erschüttern, d.h. durch den Beweis eines anderen als des in der
Zustellungsurkunde bezeugten Geschehensablaufs (BSG, Beschluss vom 13.11.2008,
B 13 R 138/07 B in juris). Dass die Zustellung des Bescheides vom 18.06.2010 an den
Antragsteller falsch beurkundet worden ist, ist derzeit lediglich behauptet worden.
Weiterer Vortrag des Antragstellers hierzu und ggf. die Erhebung von Beweisen sind
dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Nach bisheriger Aktenlage und vor allem nach
dem Vortrag des Antragsgegners, dass es sich bei der Sachbearbeiterin, die den
Bescheid versandt habe, um eine sehr zuverlässige Mitarbeiterin handele, erscheint die
Widerlegung des mit der Postzustellungsurkunde erzeugten Beweises wenig
wahrscheinlich.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers können seine Schreiben im hier
anhängigen Eilverfahren auch unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips
nicht als Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.06.2010 ausgelegt werden. Das
Meistbegünstigungsprinzip erlaubt es lediglich, Anträge bzw. Rechtsbehelfe, die gestellt
worden sind, so auszulegen, dass das in diesen enthaltene Begehren des
Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (vgl. z.B. BSG, Urteil vom
06.05.2010, B 14 AS 3/09 R in juris). Nicht hingegen kann damit ein vollständig
fehlender Wille, überhaupt einen Rechtsbehelf einzulegen, ersetzt werden. Keines der
Ende Juni bis Ende Juli gefertigten Schreiben des Antragstellers im gerichtlichen
Eilverfahren enthält einen objektiven Hinweis darauf, dass der Antragsteller
Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.06.2010 einlegen wollte. Dies entspricht auch
seinem Vortrag, dass ihm der Bescheid nicht zur Kenntnis gelangt sei. Ist ihm aber der
Bescheid nicht zur Kenntnis gelangt, fehlte seinen Schreiben (naturgemäß) der
subjektive Wille, gegen diesen Bescheid vorzugehen.
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Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Beschwerde des
Antragstellers allein aus dem Grund der fehlenden Widerspruchseinlegung nicht
Rechnung getragen worden ist. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners liegen
die Voraussetzungen für die vorläufige Gewährung von Kosten der Unterkunft und
Heizung (nach dem derzeitigen Sachstand) im Übrigen vor. Eilbedürftig ist die
Angelegenheit deshalb, weil dem Antragsteller spätestens aufgrund der von seiner
Vermieterin beim Amtsgericht Minden erhobenen Räumungsklage, die in Anbetracht der
Bestimmungen des Mietvertrages und des mittlerweile aufgelaufenen Mietrückstandes
begründete Aussicht auf Erfolg hat, der Verlust seiner Wohnung unmittelbar droht.
Soweit der Antragsgegner geltend macht, dass der Antragsteller die Räumungsklage mit
seiner Vermieterin abgesprochen habe, um Leistungen der Grundsicherung zu
erlangen, ist dies eine schlichte Behauptung. Der Antragsgegner verkennt, dass eine
(erfolgreiche) Räumungsklage die Vermieterin rechtlich in die Lage versetzt, die
Wohnung jederzeit räumen zu lassen. Ob sie hiervon letztlich keinen Gebrauch machen
würde, ist ein subjektiver Umstand, den der Antragsgegner lediglich mutmaßt, ohne
diesen durch tatsächliche Fakten zu belegen. Selbst wenn diese Mutmaßung derzeit
zutreffen sollte, bleibt der Antragsteller bei einem vorliegenden Räumungstitel jederzeit
der Gefahr ausgesetzt, dass die Vermieterin ihre Auffassung ändert und doch aus dem
Räumungstitel vollstreckt. Auch der Hinweis des Antragsgegners, dem Antragsteller
drohe im Hinblick auf ausreichenden anderen Wohnraum selbst bei Räumung keine
Wohnungslosigkeit, ist ohne Relevanz. Hier verkennt der Antragsgegner, dass bereits
der Verbleib in der konkret bewohnten Wohnung schützenswert ist und eine
Eilbedürftigkeit nicht erst vorliegt, wenn überhaupt kein Wohnraum im
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Zuständigkeitsbereich des Grundsicherungsträgers mehr zur Verfügung steht.
Wenngleich die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers (und damit der
Anordnungsanspruch) Zweifeln begegnet, so wäre - bei weiter laufendem
Verwaltungsverfahren - im Rahmen einer Folgenabwägung dem existentiellen
Bedürfnis des Antragstellers am Erhalt seiner Wohnung gegenüber den finanziellen
Nachteilen des Antragsgegners im Eilverfahren der Vorrang zu geben (vgl. zur
Folgenabwägung BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05). Stellt der
Antragsteller - wie von seinem Prozessbevollmächtigten bereits mündlich angekündigt -
einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 18.06.2010 gemäß § 44 Zehntes
Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), so sollte der Antragsgegner die obigen Erwägungen
in seiner weiteren Vorgehensweise bedenken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 177 SGG).
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