Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14.02.2001
LSG NRW (kläger, 1995, freie arztwahl, steigerung, praxis, arzt, sgg, ausdehnung, honorar, ausdrücklich)
Landessozialgericht NRW, L 11 KA 154/00
Datum:
14.02.2001
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 11 KA 154/00
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 14 KA 386/98
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 6 KA 16/01 R
Sachgebiet:
Vertragsarztrecht
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund
vom 12.09.2000 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die
außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch für das
Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen aufgrund einer
Fallzahlzuwachsbegrenzung in den Quartalen I/1998 bis IV/1998.
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Der Kläger ist Arzt für Chirurgie und in B ...niedergelassen. Seit dem Quartal IV/1991 ist
er zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
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Der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten in der in den streitigen Quartalen
gültigen Fassung enthielt zur Fallzahlzuuachsbegrenzung die folgende Regelung:
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4 Fallzahlzuwachsbegrenzung
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Primär- und Ersatzkassen
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(1) Überschreitet der prozentuale Zuwachs der budgetrelevanten Behandlungsfälle
einer Arztgruppe den prozentualen Zuwachs der Gesamtvergütung im selben Zeitraum,
gilt für die Fallzahl dieser Arztgruppe eine Zuwachsbegrenzung. Überschreitet unter
dieser Voraussetzung der absolute Zuwachs der budgetrelevanten Fälle des einzelnen
Arztes den zulässigen Vergleichswert sei ner Arztgruppe, werden die Budgets nach § 3
und § 4 mit einem individuellen Verteilungspunktwert vergütet. Er errechnet sich aus der
Multiplikation des Verteilungspunktwertes nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 mit dem Anteil der
zulässigen Fallzahl an der tatsächlichen Fallzahl. Dabei werden Unterschreitungen der
Budgets nach § 3 und § 4 berücksichtigt. In gleicher Weise wird der individuelle
Verteilungspunktwert für die restlichen Leistungen festgesetzt. Die Hausärztliche
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Grundvergütung und Leistungen nach § 9 sind davon ausgenommen.
2) Vergleichswerte für die Fallzahlzuwachsbegrenzung sind die budgetrelevanten
Behandlungsfälle der Arzt gruppe sowie die Gesamtvergütung aus den entsprechenden
Quartalen des Jahres 1995.
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(3) Ärzte, deren Leistungen nach Abs. 1 quotiert werden, haben Anspruch auf (anteilige)
Aufhebung der Kürzungsmaßnahme, wenn sie im Verlauf der folgenden 3 Quartale die
Grenzwerte ihrer Arztgruppe entsprechend unterschreiten.
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(4) Bei Überschreitungen des zulässigen Fallzahlzuwachses aufgrund von
Praxisschließungen, können die Verwaltungsstellen eine angemessene Korrektur der
Fallzahlzuwachsbegrenzung vornehmen.
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(5) Die Fallzahlzuwachsbegrenzung gilt nicht für Ärzte, die weniger als 12 Quartale
abgerechnet haben.
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(6) Die nach den Absätzen 3 und 5 notwendigen Beträge sind aus der Gesamtvergütung
des jeweils folgenden Quartals zu entnehmen.
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(7) Der Vorstand erläßt - auch zur Schaffung weiterer Ausnahmen -
Durchführungsbestimmungen.
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In den dazu vom Vorstand erlassenen Durchführungsbestimmungen sind weitere
Sonderregelungen enthalten, die die Fallzahlzuwachsbegrenzung gemäß § 10 HVM
abmildern bzw. ausschließen. So wird etwa hinsichtlich der Quotierungsgrenze nach §
10 Abs. 1 Satz 3 HVM ein unterer Grenzwert von 85 % des Punktwertes für die Praxis-
und Zusatzbudgets bestimmt; eine Berücksichtigung von Ausfalltagen in den
entsprechenden Vergleichsquartalen vorgeschrieben sowie eine spezielle Prüfung für
Praxen festgelegt, deren Status sich gegenüber dem Vergleichsquartal geändert hat.
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Aufgrund der Bestimmung in § 10 HVM nahm die Beklagte mit Bescheiden vom
09.07.1998, 08.10.1998, 07.01.1999 und 08.04.1999 wegen einer Überschreitung der
jeweils zulässigen Fallzahl eine individuelle Festsetzung des Punktwertes für den
Kläger vor und kürzte sein Honorar insgesamt um 23.259,59 DM (I/1998: 4.523,15;
II/1998: 8.352,04; III/1998: 6.062,82; IV/1998:4321,58).
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Mit seinen Widersprüchen hat der Kläger im wesentlichen vorgetragen, dass er mit
seinen Fallzahlen im Durchschnitt der chirurgischen Praxen liege, so dass von einer
Ausweitung seiner ärztlichen Tätigkeit nicht gesprochen werden könne. Ein Arzt,
dessen Fallzahlen im Vergleichsquartal und im Abrechnungsquartal über einstimmen,
erhalte ein höheres Honorar (für die gleiche Leistungen) als der Arzt, der seine Fallzahl
im Zeitraum 1995 bis 1998 dem Arztgruppendurchschnitt angenähert habe. Darin sehe
er einen Verstoß gegen den Grundsatz, dass ärztliche Leistungen prinzipiell
gleichmäßig zu Vergüten seien. Darüber hinaus sei auch eine Ungleichbehandlung
offensichtlich, da sogenannte Anfängerpraxen der Fallzahlzuwachsbegrenzung nicht
unterliegen. Im übrigen sei der Anstieg seiner Fallzahlen auf die Qualität seiner
ärztlichen Tätigkeit sowie darauf zurückzuführen, dass es bei zwei Praxen in seiner
Nachbarschaft zu Praxisübergaben gekommen sei. Diese Praxen seien nunmehr nicht
mehr allgemeinchirurgisch, sondern überwiegend phlebologisch bzw.
chirurgischarthroskopisch tätig. Auch dadurch sei es zu einem Anstieg der
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Patientenzahlen gekommen.
Mit Bescheiden vom 21.10.1998, 10.02.1999, 14.04.1999 und 18.08.1999 wies die
Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück und führte zur Begründung im
wesentlichen aus, in den streitigen Quartalen seien die Voraussetzungen für die
Anwendung der Bestimmungen über die Fallzahlzuwachsbegrenzung gemäß § 10 HVM
gegeben. Die Fallzahlsteigerung beim Kläger könne auch nicht durch die
Praxisschließungen in seiner Umgebung erklärt werden. Beide Praxen seien im vierten
Quartal 1997 übernommen worden und die Fallzahlen der neuen Praxisinhaber lägen
erheblich über denen ihrer Vorgänger.
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Mit der Klage hat der Kläger im wesentlichen folgendes vorgetragen:
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Durch den Wechsel in den beiden benachbarten chirurgischen Praxen sei auch eine
Veränderung des jeweiligen Praxisschwerpunktes die ser Praxen eingetreten, so dass
hinsichtlich der allgemein-chirurgischen Tätigkeit seine Praxis nunmehr einen größeren
Zulaufhätte. Im übrigen habe sich das Praxisumfeld verändert, denn es seien Betriebe,
Behörden etc. hinzugekommen.
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Als Ermächtigungsgrundlage scheide § 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V (übermäßige
Ausdehnung) aus; vielmehr komme nur die Ermächtigungsgrundlage aus § 85 Abs. 4
Sätze 1 bis 3 SGB V in Betracht. Dabei sei jedoch der Grundsatz der
Honorarverteilungsgerechtigkeit zu berücksichtigen. Diesen verletze die Beklagte. Der
Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung werde dadurch verletzt, dass die
Behandlung einzelner Patienten nicht vergütet werde. Zwar sei die Beschränkung der
Wettbewerbschancen für den einzelnen Arzt im Rahmen der Gestaltungsfreiheit der
Beklagten unter Berücksichtigung der generellen Ziele des HVM (gerechte Verteilung
einer begrenzten Gesamtvergütung) im Grundsatz hinzunehmen, jedoch dürfe dies nicht
dazu führen, dass ein Arzt über Jahre hinweg praktisch auf seinem Niveau von 1995
plus einer entsprechenden Steigerungsrate festgeschrieben werde, ohne dass die
tatsächlichen Umstände in der Entwicklung der Praxis Berücksichtigung fänden. Die
Rechtswidrigkeit der Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelungen im HVM der Beklagten
ergebe sich auch daraus, dass nur eine Härteklausel für Ausnahmefälle
(Praxisschließung) im HVM vorgesehen sei und es lediglich im Ermessen des
Vorstandes stehe, Durchführungsbestimmungen mit weiteren Ausnahmetatbeständen
zu erlassen. Gerade aber die in seinem Falle vorliegenden Besonderheiten seien nicht
aufgrund einer Härtefallgeneralklausel im HVM berücksichtigungsfähig. Durch die im
Rahmen der Fallzahl zuwachsbegrenzung einbehaltenen Honorare sei er auch in eine
finanziell existenzbedrohende Situation geraten. Letztlich stelle die
Fallzahlzuwachsbegrenzung auch einen Verstoß gegen die freie Arztwahl des
Patienten dar und greife durch die Einschränkung der freien Arztwahl in den freien
Wettbewerb zwischen den niedergelassenen Ärzten ein.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Honorarbescheide der Beklagten für die Quartale I/1998 bis IV/1998 in der Fassung
der Widerspruchsbescheid vom 21.10.1998, vom 10.02.1999 vom 14.04.1999 und vom
18.08.1999 insoweit aufzuheben, als mit ihnen eine Fallzahlzuwachsbegrenzung
beschlossen worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat auf die Ausführungen in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden
verwiesen.
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Mit Urteil vom 12.09.2000 hat das Sozialgericht Dortmund die Klage abgewiesen und
zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Honorarbescheide für die streitigen
Quartale seien rechtmäßig, es bestünden keine rechtlichen Hindernisse für die
Anwendung der Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung. Zwar werde durch diese
Regelung die Berufsausübung der Ärzte beschränkt, dies führe aber nicht zur
Rechtswidrigkeit der Regelung wegen Unvereinbarkeit mit Art. 12 Grundgesetz (GG), da
die Fallzahlzuwachsbegrenzung eine flankierende Maßnahme zur Stützung des
Punktwertes durch Einführung der Praxisbudgets sei. Die
Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der
leistungsgerechten Honorarverteilung und bewirke auch keine Wettbewerbsverzerrung
in nerhalb der jeweiligen Arztgruppe. Rechtliche Bedenken könnten zwar bestehen,
wenn durch die Fallzahlzuwachsbregenzung Praxen mit geringer Fallzahl eine
Steigerung zum durchschnittlichen Honorar der Fachgruppe verwehrt würde; dies treffe
jedoch für den Kläger nicht zu, da er im Referenzquartal 1995 keine
unterdurchschnittliche Fallzahl aufwies. Es sei auch nicht zutreffend, dass Ärzte, die die
zulässige Fallzahlzuwachsbegrenzung überschritten, in soweit keine Vergütung
erhielten. Bei diesen Ärzten wurden nur die Punktwerte in einem bestimmten Maße
quotiert. Das Fehlen von Härtefallklauseln sei nicht zu beanstanden, da die Beklagte in
den Durchführungsbestimmungen in ausreichendem Maße Ausnahmeregelungen
geschaffen habe.
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Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und im wesentlichen auf sein
erstinstanzliches Sachvortrag verwiesen. Ergänzend hat er angeführt, dass er im Jahre
1998 ständig mehrere Altenheime umfassend medizinisch betreut habe. Viele der
Altenheimpatienten hätten zur medizinischen Versorgung regelmäßig von ihmbesucht
werden müssen, so dass auch dadurch eine Erhöhung der Fallzahlen in den
streitbefangenen Quartalen eingetreten sei.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte erklärt, sie werde unter
Abänderung der angefochtenen Bescheide und Widerspruchsbescheide den Kläger für
die streitigen Quartale die (Altenheim)-Behandlungsfälle nachvergüten, wie es sich aus
der Anlage vom 12.02.2001 ergebe.
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Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen und darüber hinaus beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.09.2000 abzuändern und die Beklagte
unter Aufhebung der bisher angefochtenen Bescheide in der Fassung vom heutigen
Tage zu verurteilen, an den Kläger weitere 11.655,66 DM Honorar für die Quartale
I/1998 bis IV/1998 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und hat nochmals zu Notwendigkeit
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einer Fallzahlzuwachsbegrenzung bei Einführung von Praxisbudgets vorgetragen.
Die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts Dortmund - S
14 KA 76/99 ER - haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird ergänzend Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das
Sozialgericht die Klage abgewiesen, da die Honorarbescheide der Beklagten
rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 SGG
beeinträchtigen.
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Die von der Beklagten vorgenommenen Honorarkürzungen durch die an gefochtenen
Bescheide in der Fassung vom 14.02.2001 sind rechtmäßig, denn sie entsprechen -
unstreitig - den in § 10 HVM kodifizierten Voraussetzungen.
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Die in § 10 HVM vorgenommene Regelung zur Fallzahlzuwachsbegrenzung verstößt
auch nicht gegen höherrangiges Recht.
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Der Senat hält es in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500
§ 85 Nr. 28) für mit den aus § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V abzuleitenden Gebot der
leistungsproportionalen Honorarverteilung vereinbar, im HVM ein Verteilungskonzept
anzulegen, das zur Stabilisierung der Punktwerte Honorarbegrenzungsregelungen
vornimmt, statt bei einer Honorierung aller abgerechneten Punkte einen (stark)
schwankenden Punktwert akzeptiert.
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Zwar hat der Senat in seiner Entscheidung vom 06.09.2000 (L 11 KA 42/00) eine im
HVM der dort beklagten Kassenärztlichen Vereinigung vorgenommene reine
Fallzahlbegrenzung zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung (§ 85 Abs. 4 Satz 4
SGB V) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG (Soz-R 3.2500 § 85 Nr.
23) für unzulässig erachtet, jedoch hat der Senat dabei ausdrücklich darauf abgestellt,
dass es sich bei der dort streitigen HVM-Regelung um eine solche zur Verhütung einer
übermäßigen Ausdehnung handelte.
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Bei der von der Beklagten in § 10 HVM vorgenommenen
Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung handelt es sich jedoch nicht um eine Regelung
zur Vermeidung einer übermäßigen Ausdehnung, sondern um eine (von mehreren)
Maßnahme zur gerechten Honorarverteilung bei bestehenden Praxis- und
Zusatzbudgets. Dies wird auch vom Kläger nicht bezweifelt, denn er führt ausdrücklich
in seiner Klagebe gründung aus, dass Ermächtigungsgrundlage für diese HVM-
Regelung allein § 85 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 SGB V sein könne. Da bei geltender
Budgetierung die ausdrücklich mit der Einführung der Praxis- und Zusatzbudgets
gewollte Punktwertstabilität zumindest dann gefährdet ist, wenn die Fallzahlen nicht
unerheblich steigen, hält es der Senat für sachgerecht, wenn eine Kassenärztliche
Vereinigung zur Stützung dieses vom Gesetzgeber angestrebten Ziels Maßnahmen zur
Begrenzung des Fallzahlzuwachses im HVM festlegt.
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Bei der in § 10 HVM vorgenommenen Quotierungsregelung handelt es sich zwar um
eine (reine) Begrenzung der Fallzahlsteigerung, die jedoch vom Anknüpfungspunkt her
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sachlich gerechtfertigt und durch den HVM sowie die Durchführungsbestimmungen des
Vorstandes moderat "abgefedert" wird.
Zwar hat der erkennende Senat in der obengenannten Entscheidung vom 06.09.2000
dazu geneigt, auch die Einführung einer reinen Fallzahlbegrenzung zur Unterstützung
der Budgetierung für unzulässig anzusehen. Es hat dabei jedoch - aufgrund der dort
streitigen HVM-Regelung - auch nicht berücksichtigen können, dass bei einer
entsprechenden Ausgestaltung mit Ausnahme- und Härtefallregelungen eine dem
Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit entsprechende Gestaltungsmöglichkeit
besteht.
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Die streitige Regelung in § 10 HVM der Beklagten beinhaltet keinen Verstoß gegen den
Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Sie ist insgesamt sachlich gerechtfertigt,
denn sie schließt einerseits eine (angemessene) Steigerung gegenüber den
Referenzquartalen des Jahres 1995 nicht völlig aus und enthält im HVM sowie den
Durchführungsbestimmungen die notwendigen Härteregelungen (BSG SozR 3-2500 §
84, 28). Die Anknüpfung an das Jahr 1995 ist für die streitigen Quartale nicht zu
beanstanden. Die Beklagte hat durch die Regelung in § 10 HVM einen Fallzahlzuwachs
nicht ausgeschlossen, sondern nur begrenzt. Dabei ist hinsichtlich des Umfanges des
zulässigen Fallzahlzuwachses auf die entsprechende Steigerung der Gesamtvergütung
abgestellt worden. Dieser Anhaltspunkt stellt einen sachlichen Gesichtspunkt dar, da
eine Steigerung des arztgruppenbezogenen Budgets (Honorartopfes) auch nur in
diesem Maße erfolgen kann. Insofern kann es unter Berücksichtigung des weiteren
Gestaltungsspielraumes einer Kassenärztlichen Vereinigung bei der Schaffung von
HVM-Normen nicht als sachwidrig angesehen werden, wenn dieser Gesichtspunkt als
Kriterium für eine Honorarbegrenzungsregelung aufgegriffen wird. Dies gilt umso mehr,
als die von der Beklagten eingeführte Fallzahlzuwachsbegrenzung nur dann zum
Tragen kommt, wenn die Fachgruppe insgesamt einen prozentualen Zuwachs an
Behandlungsfällen hat, der über der pro zentualen Steigerung der Gesamtvergütung
liegt. Soweit die Fachgruppe insgesamt lediglich einen Zuwachs an Behandlungsfällen
aufweist, der unter der prozentualen Steigerung der Gesamtvergütung liegt, kann ein
einzelner Arzt seine Fallzahl steigern, ohne von der Fallzahlzuwachsbegrenzung
betroffen zu sein.
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Entgegen der Ansicht des Klägers bewirkt die Regelung in § 10 HVM nicht, dass nicht
alle Behandlungsfälle von der Beklagten vergütet werden. Die
Fallzahlzuwachsbegrenzung wirkt sich gemäß § 10 HVM lediglich in dem Maße aus,
dass eine entsprechende Quotierung des (gestützten) Punktwertes eintritt, wobei jedoch
aufgrund der Regelungen in der Durchführungsbestimmungen die Quotierung nicht
unter den Grenzwert von 85 % absinken darf. Insofern hat die Beklagte die
höchstmögliche Auswirkung der Fallzahlzuwachsbegrenzung moderat gestaltet, um die
wirtschaftliche Situation des einzelnen Vertragsarztes bei der Honorarverteilung
angemessen zu berücksichtigen.
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Im übrigen hat die Beklagte in § 10 HVM sowie den Durchführungsbestimmungen in
ausreichendem Maße im Einzelfall möglicherweise auftretende Besonderheiten
berücksichtigt. Neben einer Regelung für sogenannte Anfängerpraxen enthält § 10 HVM
in Abs. 3 die Regelung, dass eine vorgenommene Quotierung dann (anteilig)
aufzuheben ist, wenn im Verlauf der folgenden drei Quartale die Grenzwerte der
Arztgruppe entsprechend unterschritten werden. Damit werden Fallzahlschwankungen
in einem Quartal aufgefangen. Ebenfalls Berücksichtigung findet ein Fallzahlzuwachs
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aufgrund von Praxis schließungen im Umfeld der betroffenen Arztpraxis (§ 10 Abs. 4
HVM). Hier haben die Verwaltungsstellen der Beklagten die Möglichkeit, eine
angemessene Korrektur der Fallzahlzuwachsbegrenzung vorzunehmen. Letztlich ist
noch zu erwähnen, dass in den Durchführungsbestimmungen auch festgelegt worden
ist, dass unterschiedliche Ausfalltage in Abrechnungs- und Vergleichsquartalen (etwa
wegen Krankheit oder Urlaub) bei der Begrenzung des Fallzahlzuwachses zu
berücksichtigen sind.
Der Senat muß nicht entscheiden, ob die gegenüber dem Kläger vorgenommene
Honorarkürzung aufgrund der Regelung in § 10 HVM deshalb zu beanstanden sein
können, weil weder im HVM noch in den Durch führungsbestimmungen, die in den
streitigen Quartalen verbindlich waren, eine Regelung getroffen war, die es einem
Vertragsarzt, der im Referenzquartal eine unterdurchschnittliche Fallzahl aufwies,
ermöglichte, eine Steigerung bis zum Fachgruppendurchschnitt vorzunehmen. Der
Kläger ist insoweit nicht beschwert, weil er in den jeweiligen Vergleichquartalen des
Jahres 1995 keine unter dem Fachgruppendurchschnitt liegenden Fallzahl hatte.
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Soweit der Kläger auf die Veränderungen im Umfeld seiner Praxis hinweist, ist dies
nicht entscheidungserheblich, da diese Veränderungen - wie die Beklagte unbestritten
dargelegt hat - vor 1995 eingetreten sind und somit für die im Jahre 1998 eingetretene
Fallzahlsteigerung nicht ursächlich sein können.
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Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 183 und 193 SGG SGG.
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Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zugelassen (§ 160
Abs. 2 SGG).
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