Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 01.06.2005

LSG NRW: wichtiger grund, besondere härte, arbeitslosigkeit, altersrente, beendigung, kündigung, anspruchsdauer, anschluss, minderung, auskunft

Landessozialgericht NRW, L 12 AL 221/04
Datum:
01.06.2005
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 12 AL 221/04
Vorinstanz:
Sozialgericht Detmold, S 10 (12) AL 181/02
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold
vom 09.06.2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind
auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
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Umstritten ist der Eintritt einer Sperrzeit nach Ablauf einer Altersteilzeitbeschäftigung
vom 01.10. bis 23.12.2000.
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Die Klägerin war vom 01.01.1978 bis 30.09.2002 bei der E F GmbH als Bürokauffrau
beschäftigt. In der Zeit vom 01.10.1997 bis 30.09.2002 befand sich die Klägerin in
Altersteilzeit, die von der Beklagten nach dem Gesetz zur Förderung eines gleitenden
Überganges in den Ruhestand (ATG) gefördert wurde. Die Klägerin fühlte sich den
Anforderungen an eine Vollzeittätigkeit nicht mehr gewachsen und übte die Altersteilzeit
in der gesamten streitigen Zeit in Teilzeitarbeit aus.
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Am 24.09.2002 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Nach der vorgelegten Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA)
vom 07.06.2001 konnte die Klägerin frühestens ab 01.05.2002 mit Abschlägen in Rente
gehen.
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Mit Bescheid vom 15.10.2002 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12
Wochen für die Zeit vom 01.10. bis 23.12.2002 fest. Zur Begründung führte sie aus, die
Klägerin habe durch die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2002 ihr
Beschäftigungsverhältnis mit der E F GmbH selbst aufgegeben. Sie habe voraussehen
müssen, dass sie arbeitslos werden würde. Ihr Verhalten habe sie damit begründet,
dass die Altersteilzeit am 30.09.2002 ende. Diese Gründe hätten jedoch bei Abwägung
ihrer Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft den Eintritt einer Sperrzeit
nicht abwenden können.
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Hiergegen legte die Klägerin am 13.11.2002 Widerspruch ein und führte zur
Begründung aus, dass eine Sperrzeit dann nicht eintrete, wenn seit dem Ende des
ersten Beschäftigungsverhältnisses mehr als ein Jahr vergangen sei. Dies sei
vorliegend der Fall. Sie habe ihr Vollzeitarbeitsverhältnis zum 30.09.1997 beendet und
ein Altersteilzeitverhältnis für die Zeit bis zum 30.09.2002 begründet. Da das
Vollzeitarbeitsverhältnis zum 30.09.1997 endete, sei eine Sperrzeit nicht eingetreten, da
mehr als ein Jahr seit dem ersten Beschäftigungsverhältnis vergangen sei. Die
Durchführungsanweisungen zu § 144 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gebe
damit letztlich nur den Zustand wieder, der bereits in § 128 Abs. 2 SGB III zur Minderung
der Anspruchsdauer geregelt sei. Folglich mindere sich auch nicht der Anspruch auf
Arbeitslosengeld um 240 Tage.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als
unbegründet zurück. Durch die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses und die zum
Zeitpunkt des Ausscheidens nicht erfolgte Rentenantragstellung habe die Klägerin die
Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Melde sich der Arbeitslose
nach Beendigung seiner Beschäftigung in Altersteilzeit arbeitslos, anstatt planmäßig
Altersrente zu beziehen, liege nur ein wichtiger Grund für die Beendigung des
Beschäftigungsverhältnisses vor, nicht jedoch für die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit.
Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III
lägen damit vor. Darüber hinaus trete eine Minderung der Anspruchsdauer um 240 Tage
nach § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III ein. § 128 Abs. 2 Satz 2 III sei nicht anwendbar, da seit
dem sperrzeitauslösenden Ereignis, nämlich die Beendigung der Beschäftigung wegen
Ablaufs der Altersteilzeit zum Zeitpunkt der Antragstellung, noch kein Jahr verstrichen
gewesen sei.
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Seit dem 01.10.2004 bezieht die Klägerin Rente.
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Am 27.12.2002 hat die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid Klage vor dem
Sozialgericht Detmold erhoben und hat ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Ergänzend
zu den Ausführungen im Widerspruchsverfahren weist sie darauf hin, dass das ATG
zum Ziel habe, das Ausscheiden älterer Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben zu fördern
und zu erleichtern, um damit jüngeren Arbeitnehmern die Möglichkeit zu geben, ein
Beschäftigungsverhältnis zu finden. Wenn der Gesetzgeber gewollt hätte, dass man sich
nach der Altersteilzeit nicht arbeitslos melden könne, hätte er dies im ATG regeln
können. Dies habe er aber nicht getan. Vielmehr zeige gerade § 10 ATG, dass ein
Arbeitnehmer, der Altersteilzeit geleistet habe, auch im Anschluss an die Altersteilzeit
Arbeitslosengeld beanspruchen könne. Wenn dies aber politisch so gewollt sei, könne
die Beklagte nunmehr nicht eine Sperrzeit verhängen, wenn ein Arbeitnehmer sich im
Anschluss an ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis arbeitslos melde. Die Ansicht der
Beklagten stehe nicht im Einklang mit der Gesetzeslage.
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Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 15.10.2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 03.12.2002 aufzuheben.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass bei der Vereinbarung einer Altersteilzeit das
bis dahin bestehende unbefristete Beschäftigungsverhältnis nicht gekündigt werde. Der
Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis sei
sperrzeitrelevant, wenn nach dem planmäßigen Ende der Altersteilzeit nicht die Rente
sondern Arbeitslosigkeit herbeigeführt werde.
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Mit Urteil vom 09.06.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur
Begründung wörtlich ausgeführt: "Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit
nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der ab dem
01.01.2002 gültigen Fassung liegen vor. Danach tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein,
wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst ( ...) und er dadurch
vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein
Verhalten einen wichtigen Grund gehabt zu haben. Die Klägerin hat ihr
Beschäftigungsverhältnis mit der E F GmbH gelöst, indem sie eine Vereinbarung
dahingehend getroffen hat, dass ihr Arbeitsverhältnis für die Zeit vom 01.10.1997 bis
30.09.2002 im Rahmen einer Altersteilzeit befristete sein solle. Denn die Lösung eines
Beschäftigungsverhältnisses kann auch dadurch erfolgen, dass ein zur Beendigung des
Arbeitsverhältnisses führender Vertrag geschlossen wird (Bundessozialgericht - BSG -
Urt. v. 20.01.2000, B 7 AL 20/99 R).
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Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin kommt es dabei
nicht darauf an, wie die Vereinbarung einer Altersteilzeit rechtlich zu bewerten ist, ob als
Umwandlung des bestehenden Arbeitsvertrages, wie die Beklagte meint, oder als
Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages, wie dies der Prozessbevollmächtigte der
Klägerin vertritt.
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Denn für den Eintritt einer Sperrzeit ist entscheidend, ob das Beschäftigungsverhältnis
gelöst wurde. Der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 144 Abs. 1
Nr. 1 SGB III deckt sich nicht mit dem arbeitsrechtlichen Begriff des Arbeitsverhältnisses
(Niesei in: Niesei SGB III, § 144 Rdnr. 5). Eine Beschäftigung ist jede Art des Einsatzes
der körperlichen bzw. geistigen Kräfte im Erwerbsleben zur Herbeiführung einer
Dienstleistung bzw. eines Arbeitserfolges, die der Befriedigung eines Bedürfnisses dient
und im Wirtschaftsleben als Arbeit qualifiziert wird (BSG SozR 4100 § 168 Nr. 7).
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Auch die insofern vorgelegte Kündigung des Arbeitgebers vom 19.08.2002 führt nicht
dazu, dass das Beschäftigungsverhältnis nicht durch die Klägerin gelöst worden wäre.
Denn die Kündigung erfolgte nach den Angaben des Arbeitgebers, weil die Altersteilzeit
endete. Hat die Klägerin aber nur noch einen befristeten Arbeitsvertrag, so entfaltet eine
zusätzliche Kündigung keine rechtliche Wirkung. Denn der Erfolg, der durch die
Kündigung herbeigeführt werden soll, ist bereits aufgrund der Befristung eingetreten.
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Dadurch, dass die Klägerin das Beschäftigungsverhältnis gelöst hat, ist sie arbeitslos
geworden. Insofern hat sie auch grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Als
sie die Altersteilzeitvereinbarung getroffen hat, hätte sie voraussehen können, dass sie
nach dem Ende der Altersteilzeit arbeitslos werden würde. Denn sie hatte insbesondere
keine Aussicht auf einen konkreten Anschlussarbeitsplatz.
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Die Klägerin hatte für ihr Verhalten keinen wichtigen Grund. Ob ein wichtiger Grund
vorliegt, ist unter Berücksichtigung des Grundgedankens der Sperrzeitregelung, dass
sich die Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle wehren muss, deren Eintritt der
Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht
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mithilft, zu beurteilen. Im Ergebnis soll eine Sperrzeit dann eintreten, wenn dem
Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter
Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein
anderes Verhalten zugemutet werden kann (BSG, Urt. v. 13.03.1997, B 11 RAr 25/96).
Ein wichtiger Grund in diesem Sinn liegt nur dann vor, wenn es sowohl für die Lösung
des Beschäftigungsverhältnisses als auch für die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit
einen wichtigen Grund gab. Die Klägerin hatte hier zwar einen wichtigen Grund dafür,
das Beschäftigungsverhältnis durch die Vereinbarung einer Altersteilzeit zu lösen. Denn
es entsprach gerade dem Interesse der Versichertengemeinschaft bzw. der
Allgemeinheit, dass die Klägerin von der Möglichkeit der Altersteilzeit Gebrauch
gemacht hat. Die Klägerin hatte jedoch keinen wichtigen Grund dafür, ihre
Arbeitslosigkeit herbeizuführen. Denn sie hätte durch die Beantragung einer Rente ihre
Arbeitslosigkeit verhindern können. Sie hatte seit dem 01.05.2002 einen Anspruch auf
Altersrente für Frauen mit einem Abschlag von 8,4 % sowie der Altersrente wegen
Altersteilzeit mit einem Abschlag von 18 %. Unter Abwägung mit den Interessen der
Versichertengemeinschaft war es der Klägerin auch zumutbar, die Altersrente für Frauen
als die für sie im Vergleich zur Altersrente wegen Altersteilzeit günstigeren Rente zu
beantragen.
Für die Klägerin hätte dieser Rentenantrag zwar zu einer Rente mit Abschlägen geführt.
Das überwiegt jedoch nicht gegenüber den Interessen der Versichertengemeinschaft
daran, dass die Klägerin nach der Altersteilzeit auch eine Rente beantragt und sich nicht
arbeitslos meldet. Denn mit der Einführung der Möglichkeit der Altersteilzeit verfolgt der
Gesetzgeber das Ziel, "die Praxis der Frühverrentung von einer neuen
sozialverträglichen Möglichkeit eines gleitenden Übergangs vom Erwerbsleben in den
Ruhestand (Altersteilzeitarbeit) ab(zulösen)." (BT-Drs 208/96, S. 1, 22). Anlass für die
Regelung sei die "gängige Praxis, dass viele ältere Beschäftigte weit vor Erreichen der
(regulären) Altersgrenze in den Ruhestand versetzt werden, um auf diese Weise die
Belegschaft der Betriebe zu verkleinern und/oder zu verjüngen." ( BT-Drs 208/96, S. 1,
22). Dies führe zu einer erheblichen Belastung der Sozialversicherung und des
Bundeshaushalts, da sich die Entlassenen in der Regel arbeitslos meldeten,
Arbeitslosengeld und ggf. Arbeitslosenhilfe bezögen und im Anschluss daran mit
Vollendung des 60. Lebensjahres die vorzeitige Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in
Anspruch nähmen (BT-Drs 208/96, S. 22). Mit der Frühverrentungspraxis werde von den
Vorschriften der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung in einer vom
Gesetzgeber nicht gewollten Weise Gebrauch gemacht (BT-Drs 208/96, S. 22).
Insbesondere für die Bundesanstalt für Arbeit führe diese Frühverrentungspraxis zu
erheblichen Mehrkosten (BT-Drs 208/96, S. 23). Im Ergebnis würden damit die
finanziellen Lasten der Frühverrentungen über notwendigerweise höhere Beitragssätze
zur Sozialversicherung von den Klein- und Mittelbetrieben und ihren Arbeitnehmern
getragen (BT-Drs 208/96, S. 23). Durch den Einsatz der Altersteilzeit würden sich
unumgängliche betriebliche Personalanpassungsmaßnahmen durchführen lassen,
ohne dass dies auf Kosten der Solidargemeinschaft der Versicherten geschehe (BT-Drs
208/96, S.23). Es war damit das erklärte Ziel des Gesetzgebers, die
Sozialversicherungen und insbesondere die Bundesagentur für Arbeit durch die
Einführung der Altersteilzeit zu entlasten. Eine solche Entlastung wird jedoch nur dann
erreicht, wenn nach der Altersteilzeit auch tatsächlich eine Rente beantragt wird. Denn
das Ziel des Altersteilzeitgesetzes ist es, eine Nahtlosigkeit zwischen
Altersteilzeitbeschäftigung und Rentenbeginn zu erreichen (BT-Drs 208/96, S. 27).
Daraus folgt, dass es das erklärte Ziel der Altersteilzeitregelung ist, einen
Zwischenschritt über die Arbeitslosigkeit und den Leistungsbezug bei der Beklagten
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gerade zu vermeiden.
Dieses Ziel kommt auch darin zum Ausdruck, dass nach § 10 Abs. 1 S. 1 ATG
Arbeitnehmer, für die die Bundesagentur Förderleistungen erbracht hat, bei der
Bemessung der Lohnersatzleistungen begünstigt werden, indem als
Bemessungsentgelt das Entgelt zugrunde zu legen ist, das bei einer nicht verminderten
Arbeitszeit erzielt worden wäre. Diese Vergünstigung entfällt nach § 10 Abs. 1 S. 2 ATG
jedoch, wenn der Arbeitnehmer eine Rente wegen Alters in Anspruch nehmen könnte.
Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass die Regelung des Satzes 1 für
Frühverrentungsprogramme zu Lasten der Bundesagentur ausgenutzt wird (BT-Drs.
13/4877). Dies alles macht deutlich, dass es das erklärte Ziel des ATG ist, den
Übergang von der Altersteilzeit in den Ruhestand zu erreichen, ohne dass Leistungen
der Beklagten in Anspruch genommen werden. Bei der Abwägung der Interessen der
Versichertengemeinschaft und der Allgemeinheit an der Vermeidung einer
Frühverrentung zu Lasten der Sozialversicherungen mit den Interessen der Klägerin
daran, sich zunächst arbeitslos zu melden, um keine Rente mit Abzügen beantragen zu
müssen, überwiegt das Interesse der Versichertengemeinschaft bzw. der Allgemeinheit.
Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Klägerin auch die Vorteile des ATG in
Anspruch genommen hat.
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Bei der Abwägung der Interessen konnte auch nicht zugunsten der Klägerin
berücksichtigt werden, dass in den Merkblättern der Beklagten zum ATG der Hinweis
enthalten hat, dass nach der Altersteilzeit Arbeitslosengeld bezogen werden könne.
Denn dieser Hinweis ist zum einen zutreffend. Zum anderen enthält er nicht den
Hinweis, dass keine Sperrzeit eintrete. Dies mag zwar aus Sicht der Klägerin
widersprüchlich erscheinen. Nach Auffassung der Kammer konnte dies jedoch nicht den
Ausschlag dafür geben, der Klägerin einen wichtigen Grund für die Herbeiführung der
Arbeitslosigkeit zuzubilligen.
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Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die beklagte aufgrund ihrer
Durchführungsanweisung zu § 144 SGB III in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz
(GG) verpflichtet sei, sie entsprechend dieser Durchführungsanweisung zu behandeln
und deshalb nicht den Eintritt einer Sperrzeit festzustellen. Denn die
Durchführungsanweisungen der Beklagten stehen dem nicht entgegen. Die Klägerin
weist zwar zutreffend darauf hin, dass nach der Durchführungsanweisung der Beklagten
zu § 144 SGB III keine Sperrzeit eintrete, wenn nach dem sperrzeitbegründenden
Ereignis mehr als ein Jahr ohne Arbeitslosigkeit vergangen sei. Seit Juli 2001 sieht die
Durchführungsanweisung der Beklagten allerdings vor, dass die Arbeitslosmeldung
nach Altersteilzeit zum Eintritt einer Sperrzeit führe.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin tritt hier auch eine Minderung der
Anspruchsdauer nach § 128 SGB III ein. Nach § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III mindert sich
die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit
wegen Arbeitsaufgabe; in Fällen einer Sperrzeit von 12 Wochen mindestens jedoch um
1/4 der Anspruchsdauer. Nach § 128 Abs. 2 S. 2 entfällt in diesen Fällen die Minderung
der Sperrzeiten wegen Arbeitsaufgabe, wenn das Ereignis, das die Sperrzeit begründet,
bei Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld länger als ein
Jahr zurückliege. Die Voraussetzungen des § 128 Abs. 2 S. 2 SGB III sind hier nicht
erfüllt. Das Ereignis, das die Sperrzeit im Sinne des § 128 Abs. 2 S. 2 SGB III begründet,
ist genauso zu definieren wie bei § 144 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SGB III. Bei der Sperrzeit
wegen Arbeitsaufgabe ist das Ereignis, das die Sperrzeit begründet, nicht der Tag des
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Ausspruchs der Kündigung oder des Abschlusses des Aufhebungsver- trages - oder wie
hier der Vereinbarung der Altersteilzeit -, sondern es ist grundsätzlich auf den damit
verbundenen Endzeitpunkt des Beschäftigungsverhältnisses abzustellen (vgl. BSG, Urt.
v. 05.08.1999, B 7 AL 38/98 R; Voelzke in: Kasseler Handbuch zum Arbeits-
förderungsrecht, § 12 Rdnr. 378)."
Gegen dieses ihr am 21.07.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 19.08.2004
eingegangene Berufung der Klägerin. Sie vertritt weiterhin die Ansicht: Der Bezug von
Arbeitslosengeld könne nach Altersteilzeit grundsätzlich nicht sperrzeitrelevant sein. Sie
verweist auf ihre diesbezüglichen Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren. Es sei
zuzugeben, dass der Altersteilzeitarbeitnehmer die Arbeitslosigkeit im Anschluss an die
Altersteilzeit zumindest mitverursache, weil er ein unbefristetes Arbeitsverhältnis
zugunsten eines befristeten Arbeitsverhältnisses aufgegeben habe, ohne Aussicht auf
ein Anschlussarbeitsverhältnis zu haben. Hierfür sei jedoch ein wichtiger Grund
anzuerkennen. Der Arbeitnehmer baue über die Altersteilzeit einen im Gesetz
ausdrücklich aufgeführten Rentenzugang über die Altersteilzeit auf. Er nutze also durch
den Wechsel von dem bisherigen unbefristeten Vollzeit- in ein
Altersteilzeitarbeitsverhältnis ein zuschussfähiges Instrument für die spätere
Frühverrentung. Allein aus dem Wechsel in ein Altersteilzeitverhältnis könne also dem
Arbeitnehmer kein sperrzeitrelevanter Vorwurf gemacht werden.
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Für die Begründung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses sei somit ein wichtiger Grund
anzuerkennen.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 09.06.2004 zu ändern und nach dem
erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Beklagte hält die
Auffassung des Sozialgerichts für zutreffend. Zwar sei nach der Inanspruchnahme von
Altersteilzeit der Bezug von Arbeitslosengeld nicht ganz ausgeschlossen. Eine Sperrzeit
trete aber immer dann ein, wenn dem Arbeitslosen unter Beachtung der Interessen der
Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zuzumuten sei. Die Frage des
Beginns einer Sperrzeit und damit des sperrzeitrelevanten Ereignisses sei im Übrigen
höchstrichterlich ausgeschrieben, so dass auf den Eintritt der Arbeitslosigkeit und nicht
auf den Abschluss der Vereinbarung zur Altersteilzeit abzustellen sei.
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Auf Rückfrage des Senats hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung
mitgeteilt, dass sie sich vor Abschluss des Altersteilzeitvertrages keine Rentenauskunft
habe geben lassen. Erst mit der Rentenauskunft vom 16.10.1998 habe sie erfahren,
dass sie mit gewissen Abschlägen in Rente gehen könne. Kurz vor Ablauf der
Altersteilzeit habe ihr ein Bekannter gesagt, dass sie sich zunächst auch arbeitslos
melden könne, um höhere Rentenansprüche zu erhalten. Diesem Rat sei sie dann
gefolgt.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Rechtsstreits wird auf den Inhalt der
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Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten mit der
Kundennummer 000 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der
mündlichen Verhandlung. Wegen des genauen Wortlauts der Erklärungen der Klägerin
in der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 01.06.2005
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 15.10.2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 03.12.2002 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin
nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat
zutreffend eine Sperrzeit im Sinne von § 144 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB III) festgesetzt. Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung der Sach- und
Rechtslage den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils an und sieht von
einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab. Dem
sorgfältig begründeten Urteil ist nichts hinzuzufügen.
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Der Vortrag in der Berufungsbegründungsschrift vom 23.09.2004 gibt zu keiner anderen
Beurteilung Anlass. Die Klägerin wiederholt lediglich ihr erstinstanzliches Vorbringen
und stellt darin die grundsätzliche These auf, dass der Bezug von Arbeitslosengeld
nach Altersteilzeit grundsätzlich nicht sperrzeitrelevant sei. Diese Ansicht teilt der Senat
aus den vom Sozialgericht aufgeführten Gründen nicht. Andererseits ist darauf
hinzuweisen, dass auch die umgekehrte These, bei Bezug von Arbeitslosengeld nach
Altersteilzeit trete immer eine Sperrzeit ein, nicht zutrifft. So ist in jedem Einzelfall zu
prüfen, ob nicht ein wichtiger Grund für den Abschluss des Altersteilzeitvertrages
vorliegt. Ein solcher kann zum Beispiel vorliegen, wenn der Betreffende zum Abschluss
des Altersteilzeitvertrages gedrängt worden ist und er subjektiv keine Alternative sah,
um seine Arbeit nicht sogar vorzeitig zu verlieren (so z.B. SG Mannheim, Urteil vom
24.06.2003 - S 9 AL 229/03 -). Der Senat hat sich von der Klägerin die Umstände
schildern lassen, die zum Abschluss des Altersteilzeitvertrages geführt haben. Hier war
der Klägerin die volle Arbeitszeit zu schwer und zu lang geworden. Sie hat deshalb auf
Altersteilzeit gewechselt, wobei sie die gesamte Zeit halbtags gearbeitet hat. Der
Abschluss ist also von ihr ausgegangen und hat ihrem subjektiven gesundheitlichen
Wunsch Rechnung getragen. Hierbei handelt es sich um einen typischen Vorgang, dem
gerade das Altersteilzeitgesetz Rechnung tragen will. Besondere Umstände, die die
Annahme eines wichtigen Grundes rechtfertigen könnten, liegen bei der Klägerin nicht
vor.
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Der Senat vermag auch keine besondere Härte zu erkennen, die zur Halbierung der
Sperrzeit nach § 144 Abs. 3 SGB III führen könnte. So sind Fälle denkbar, in denen ein
Betroffener vor Abschluss des Altersteilzeitvertrages eine Rentenauskunft einholt und
nach Beginn der Altersteilzeit sich im persönlichen Bereich Dinge ereignen, die
nachträglich den Entschluss begründen, doch nicht den ursprünglich beabsichtigten
Rentenantrag zu stellen. Wenn man jedoch vor Abschluss des Altersteilzeitvertrages
überhaupt keine Rentenauskunft einholt und erst kurz vor Auslauf der Altersteilzeit zur
Auffassung gelangt, dass die Rentenminderung doch zu hoch sei, dann kann eine
besondere Härte nicht anerkannt werden (so z.B. SG Karlsruhe, Urteil vom 25.04.2004 -
S 2 AL 2/03 -). Hier hat die Klägerin vor Abschluss des Altersteilzeitvertrages überhaupt
keine Rentenauskunft eingeholt. Eigenen Angaben zufolge verfügt sie nur über die im
Termin überreichte Auskunft vom 16.10.1998. Zu diesem Zeitpunkt lief die Altersteilzeit
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aber bereits ein Jahr. Auch nach dieser Auskunft hatte sie ursprünglich vor, die Rente
mit Abschlägen nach Auslauf der Altersteilzeit zu beantragen. Erst im Jahr 2000 hat sie
sich auf den Rat eines Bekannten hin entschlossen, die Rente nicht zu beantragen und
sich arbeitslos zu melden. Diesen Entschluss habe sie nicht bereut, da ihre Rente nun
etwa 95,00 Euro höher sei, als in der Rentenauskunft vom 16.10.1998 angegeben.
Dieser Umstand begründet zur Überzeugung des Senats keine besondere Härte.
Die angefochtene Entscheidung war somit auch unter Berücksichtigung dieser
zusätzlichen Gesichtspunkte zu bestätigen. Klage und Berufung konnten keinen Erfolg
haben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183,193 SGG.
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Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Ziffern 1 oder
2 SGG aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Insbesondere misst der Senat
der Auffassung der Klägerin, der Bezug von Arbeitslosengeld nach Altersteilzeit sei
grundsätzlich nicht sperrzeitrelevant, keine grundsätzliche Bedeutung zu.
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