Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 05.09.2007
LSG NRW: geldinstitut, europäisches gemeinschaftsrecht, treu und glauben, tod, vermögensvorteil, internationales zivilprozessrecht, europäischer gerichtshof, ausländischer staat, verrechnung
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil vom 05.09.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Köln S 6 R 15/05
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 8 R 201/07
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.09.2005 wird zurückgewiesen. Die
Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf
253,32 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die nach dem Tod des Leistungsberechtigten I Q
(im Folgenden: Leistungsberechtigter) auf dessen von der Beklagten geführtes Konto überwiesene Witwerrente zu
erstatten.
Der Leistungsberechtigte bezog von der Klägerin Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau in
Höhe von zuletzt 257,99 Euro und von der (damaligen) LVA Sachsen-Anhalt Altersrente aus eigener Versicherung in
Höhe von zuletzt 966,25 Euro monatlich. Die Renten wurden laufend auf das von der Beklagten geführte Girokonto
überwiesen. Der Leistungsberechtigte verstarb am 23.02.2004. Die Renten für den Monat März 2004 wurden noch auf
das bei der Beklagten geführte Girokonto überwiesen. Dem Leistungsberechtigten war von der Beklagten ein
Dispositionskredit in Höhe von 2.100,00 Euro eingeräumt worden.
Mit am 17.03.2004 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 09.03.2004 forderte der Postrentenservice die
Witwerrente abzüglich der Eigenanteile des Leistungsberechtigten für Kranken- und Pflegeversicherung für den Monat
Februar 2004 in Höhe von 253,32 Euro als zu Unrecht erbracht zurück. Gleiches tat die Klägerin mit Schreiben vom
13.05.2004. Die Beklagte lehnte die Erstattung mit Schreiben vom 11.06.2004 ab, da seit der Gutschrift der Rente bis
zum Eingang der Rückforderung in einer den Rentenbetrag übersteigenden Höhe verfügt worden sei. Folgende
Verfügungen fanden statt:
am 01.03.2004: Barauszahlung in Höhe von 500,00 Euro an Karteninhaber am 02.03.2004: Auszahlung am
Geldautomaten in Höhe von 100,00 Euro an Karteninhaber am 02.03.2004: Auszahlung am Geldautomaten in Höhe
von 100,00 Euro an Karteninhaber am 02.03.2004: Lastschrift in Höhe von 12,07 Euro zu Gunsten Primacon
Projektmanagement am 16.03.2004: Lastschrift in Höhe von 25,83 Euro zu Gunsten der Telekom Buchhaltung.
Das Konto befand sich am Tag vor Eingang der Rentengutschrift mit 2.333,20 Euro im Soll. Am Tag des Eingangs der
Rentenrückforderung (17.03.2004) betrug der Kontostand 2.346,86 Euro Soll. Unter Bezugnahme auf § 118 Abs. 3
Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 08.06.2004, Az.: B 4
RA 42/03 R, bat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 02.08.2004 und vom 12.08.2004 erneut um Erstattung
des Betrages von 253,32 Euro. Die Beklagte lehnte dies wiederum unter Verweis auf die anderweitigen Verfügungen
ab.
Die Klägerin hat am 13.09.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Mit Beschluss vom 10.01.2005 hat
das SG Dortmund sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Köln verwiesen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Versichertenrente für März 2004 sei in Höhe von 253,32 Euro überzahlt
worden. Nach dem Urteil des BSG vom 08.06.2004 (Az.: B 4 RA 42/03 R) sei das Geldinstitut - trotz Zahlung an Dritte
- im Hinblick auf das Befriedigungsverbot aus § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI vorrangig erstattungspflichtig, soweit die
Rente auf ein im Minus stehendes Konto gezahlt worden sei. Insoweit sei es auch nicht von Bedeutung, wenn nach
Eingang der Rente wirksam über das Konto verfügt worden sei und Dritte Beträge aus dem Konto erhalten hätten.
Diese Auslegung entspreche auch dem Wortlaut des Gesetzes. § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI stelle eine Klarstellung
und Konkretisierung zu § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI dar. Es sei nach der Intention des Gesetzgebers nicht gewollt,
dass staatliche Sozialsysteme die Risikosphären der Banken auffangen sollen.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 253,32 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Zulässigkeit der Klage für zweifelhaft gehalten, da § 118 Abs. 4 Satz 2 SGB VI in der Fassung ab
29.06.2002 bestimme, dass der Träger der Rentenversicherung Erstattungsansprüche durch Verwaltungsakt geltend
zu machen habe. In jedem Fall sei die Klage unbegründet. Insoweit hat sich die Beklagte auf das Urteil des 9. Senats
des BSG vom 09.12.1998 (Az: B 9 V 48/97 R) bezogen und die Auffassung vertreten, der Entreicherungseinwand
könne immer dann geltend gemacht werden, wenn nicht genügend Guthaben auf dem Konto ausgewiesen sei und
zugleich nach Eingang der Rente noch Abverfügungen vorgenommen worden seien. Die gesetzliche Regelung
differenziere nicht danach, ob das Konto bei Eingang der Rentenzahlung im Haben oder im Soll geführt worden sei. Im
Übrigen habe das Geldinstitut einen vom Rentenversicherungsträger zu Unrecht geleisteten Betrag nicht im Sinne von
§ 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI "zur Befriedigung eigener Forderungen verwendet", wenn sich durch Einbuchung des
empfangenen Betrages auf dem Konto des verstorbenen Rentenbeziehers ein zuvor bestandener (Tages-)SolI
reduziere. Vielmehr erfolge erst durch die quartalsmäßige Saldierung eine Verrechnung. Zuvor würden die
Tagessalden nur informatorisch gebildet. Selbst wenn man aber von einer Verrechnung mit eigenen Forderungen
ausgehe, hätte dies lediglich zur Folge, dass die dann im Widerspruch zu dem öffentlich-rechtlichen
Befriedigungsverbot stehende Verrechnung unwirksam bzw. rückgängig zu machen sei. Dann werde das Geldinstitut
jedoch ebenfalls durch anderweitige Verfügungen nach Eingang der Rentenzahlung frei. Dass das Geldinstitut
gegenüber dem Verfügenden vorrangig in Anspruch zu nehmen sei, lasse sich den Abs. 3 und 4 des § 118 SGB VI
nicht entnehmen. Die abweichende Auslegung des § 118 Abs. 3 SGB VI durch den 4. Senat des BSG verletze sowohl
Art. 12 Grundgesetz (GG) als auch Art. 3 GG. Die unbeschränkte Ausfallhaftung der Geldinstitute sei
unverhältnismäßig. Es sei kein sachlicher Grund erkennbar, warum ein Geldinstitut von seiner Verpflichtung zur
Rücküberweisung nicht frei werde, wenn die Rente nach dem Tod des Berechtigten auf ein im Soll stehendes Konto
überwiesen werde, wohingegen die Verfügungen Dritter über den Rentenbetrag, der auf ein im Haben stehendes Konto
überwiesen wurden, die Verpflichtung des Geldinstituts nach § 118 Abs. 3 SGB VI entfallen ließen. Inländische
Geldinstitute würden durch die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG zudem gegenüber ausländischen
Geldinstituten benachteiligt, denen gegenüber § 118 Abs. 3 SGB VI nicht gelte. Dies verstoße auch gegen Art. 81 des
EG-Vertrages (EG), da ausländische Geldinstitute hierdurch erhebliche Wettbewerbsvorteile erhielten.
Mit Urteil vom 16.09.2005 ohne mündliche Verhandlung hat das SG Köln die Klage abgewiesen. Die Berufung gegen
das Urteil hat es nicht zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei als echte
Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Die Klage sei auch begründet. Die
Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rücküberweisung von 253,32 Euro aus § 118 Abs. 3 Satz 2
SGB VI. Auf den Einwand der anderweitigen Verfügung (§ 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI) könne sich die Beklagte nicht
berufen. Denn durch die Einbuchung des Rentenbetrages auf ein im Soll stehendes Konto verstoße das Geldinstitut
gegen das Befriedigungsverbot des § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI. Der Verstoß gegen § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI
führe dazu, dass sich die Beklagte nicht darauf berufen könne, dass über den entsprechenden Betrag bereits
anderweitig verfügt worden sei. Die Kammer schließe sich der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (Urteile vom
09.04.2002, Az.: B 4 RA 64/01 R, und vom 08.06.2004, Az.: B 4 RA 42/03 R) und des Landessozialgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen (Urteile vom 14.07.2003, Az.: L 3 RJ 42/03 und L 3 (18) RJ 89/02, vom 15.10.2003, Az.: L
8 RJ 15/03, und vom 04.04.2005, Az.: L 3 RA 34/04) in vollem Umfang an. Danach sei das Geldinstitut ohne Weiteres
verpflichtet, solange es den Wert der überwiesenen "Geldleistung" noch nicht in das Vermögen des Kontoinhabers
durch eine entsprechende Gutschrift auf das in der Überweisung genannte Konto übertragen habe und bis diese
Übertragung für den Kunden (im Regelfall mit der sogenannten Abrufpräsenz, vgl. hierzu Bundesgerichtshof -BGH-,
Urteil vom 25. Januar 1988, II ZR 320/87, BGHZ 103, 143 ff, NJW 1988, 1320 ff) wirksam werde; bis dahin stehe ihm
nämlich lediglich die nur durch den Bankvertrag mit dem Kunden gebundene faktische Verfügungsmacht zu. Dasselbe
gelte, wenn die Übertragung des Wertes der Geldleistung auf ein im Soll stehendes Konto erfolge und das Vermögen
des Inhabers bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nur derart vermehre, dass seine Schulden gegenüber dem
Geldinstitut vermindert werden. Denn hier führe das relative öffentlich-rechtliche Befriedigungsverbot aus § 118 Abs. 3
Satz 4 SGB VI in Verbindung mit dem Rückforderungsvorbehalt nach Satz 1 dazu, dass die Verrechnung im
Verhältnis zum Rentenversicherungsträger wie auch zum Bankkunden unwirksam bleibe; das Geldinstitut dürfe den
Wert des überwiesenen Betrages nicht zur Befriedigung eigener Forderungen (gegen den Kontoinhaber) verwenden.
Sämtliche vom Geldinstitut zur Begründung seines dem Ziel nach anspruchsvernichtenden Einwandes der
anderweitigen Verfügung nach § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI angegebenen nachfolgenden Verfügungen erfolgten bei
wirtschaftlicher Betrachtung daher auch nicht aus einem dem Versicherten zuzurechnenden Guthaben, sondern
lediglich im Rahmen des ihm vom Geldinstitut eingeräumten Überziehungskredites. Die von der Beklagten gegen
diese Rechtsprechung vorgebrachten Einwände überzeugen nicht. Nachdem der Gesetzgeber § 118 SGB VI durch
Gesetz vom 27.12.2003 (BGBI. I S. 3019) geändert habe, ohne der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG
entgegengetreten zu sein, sei davon auszugehen, dass die Grundsätze der herrschenden Rechtsprechung zur
Auslegung von § 118 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB VI dem Willen des Gesetzgebers entsprechen. Zudem ließen sich
diese Grundsätze mittels grammatischer und systematischer Auslegung begründen. Auf § 55 Abs. 1 Erstes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB I) in Verbindung mit § 394 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) könne sich die Beklagte nicht
berufen. Das darin normierte befristete Aufrechnungsverbot ändere nichts daran, dass der Beklagten bei der nach
Ablauf der Sperrfrist erfolgten Saldierung bzw. Kontoauflösung ein Vermögensvorteil in dem beschriebenen Sinn
verblieben sei. Im Übrigen stelle § 55 Abs. 1 SGB I eine (Vollstreckungs-)Schutzvorschrift zu Gunsten des
Empfängers einer Sozialleistung dar und regele ausschließlich das Verhältnis zwischen dem Empfänger der
Sozialleistung, seinen Gläubigern und dem Geldinstitut als Drittschuldner. Gegenüber dem Rentenversicherungsträger
und dessen Anspruch aus § 118 Abs. 3 SGB VI könne das Geldinstitut aus dieser Vorschrift keine Einwendung (etwa
dergestalt, dass das Geldinstitut so zu behandeln wäre, als habe es nicht gegen das Befriedigungsverbot verstoßen
und als seien die Verfügungen während der Sperrfrist aus einem positiven Guthaben erfolgt) herleiten. Die
Rücküberweisungspflicht der Beklagten sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil andere Personen, z.B.
Verfügende, die von den Verfügungen Begünstigten oder die Erben des Leistungsberechtigten, ebenfalls
Vermögensvorteile aus dem überwiesenen Rentenbetrag erlangt hätten. Nach der Systematik des § 118 SGB VI sei
die Rücküberweisungspflicht des Geldinstituts nach § 118 Abs. 3 SGB VI gegenüber der Erstattungspflicht des
Verfügenden bzw. des Empfängers gem. § 118 Abs. 4 SGB VI vorrangig. § 118 Abs. 3 SGB VI sei in der Auslegung,
die er durch die herrschende Rechtsprechung gefunden habe, auch nicht verfassungswidrig. Die
Rücküberweisungspflicht verletze das Geldinstitut im Allgemeinen und die Beklagte im Besonderen nicht in ihren
Grundrechten gem. Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 bzw. Art. 3 Abs. 1 GG. Verstöße gegen europäisches
Gemeinschaftsrecht seien ebenfalls nicht ersichtlich. Dies gelte insbesondere für das Kartellverbot gem. Art. 81 EG.
Gegen das ihr am 21.09.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte wegen der Nichtzulassung der Berufung am
20.10.2005 Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 30.07.2007 hat der erkennende Senat die Berufung gegen das
Urteil des SG Köln vom 16.09.2005 zugelassen. Zur Begründung der Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihr
erstinstanzliches Vorbringen. Sie trägt ergänzend vor, der Wortlaut des § 118 Abs. 3 Sätze 3 und 4 SGB VI und
Grundsätze der historischen sowie teleologischen Auslegung stünden der vom 4. Senat des BSG vertretenen, am
Kontostand orientierten Ausdehnung des Haftungsrahmens der Bank entgegen. Bei der Risikoabwägung, ob die Bank
für nachträgliche Verfügungen zugunsten Dritter einzustehen habe, sei zu beachten, dass dem Geldinstitut durch § 55
SGB I i.V.m. § 394 BGB verwehrt sei, Verfügungen über die Rentenleistung erst dann zuzulassen, wenn feststehe,
dass diese nicht unter dem Vorbehalt des § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI stehe. Vor dem Hintergrund der Regelung des
§ 55 Abs. 1 und 4 SGB I i.V.m. § 394 BGB sei das Geldinstitut verpflichtet, in dem sich aus § 55 Abs. 4 SGB I
ergebenden Umfang Verfügungen über die Rentengutschrift zuzulassen. Der Berechtigte habe danach in den
genannten zeitlichen und betragsmäßigen Grenzen ohne Rücksicht auf Darlehensrückzahlungsansprüche oder
sonstige Forderungen der Bank einen einredefreien Anspruch gegen das Geldinstitut auf Auszahlung des
Rentenbetrages. Dementsprechend sehe die Regelung nach Abs. 3 Satz 3 der Norm vor, dass sich der
Rücküberweisungsanspruch gegen die Bank um den Betrag nachfolgender anderweitiger Verfügungen mindere.
Insgesamt sei das vom 4. Senat des BSG gefundene Ergebnis verfassungs- und europarechtswidrig. Wegen der
Einzelheiten der Argumentation wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beklagten vom 15.12.2005 und 15.08.2007
verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.09.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung und stützt sich weiter auf die
Rechtsprechung des 4. Senats des BSG sowie des erkennenden Senats.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der
Verwaltungsakte der Klägerin, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Nach der Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 30.07.2007 war das
Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortzusetzen (vgl. § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet, denn das SG hat der Klägerin den mit der Klage eingeforderten Betrag zu Recht
zugesprochen. Die zulässige Klage ist begründet.
Bezüglich der Zulässigkeit der Klage als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG ist der überzeugend
begründeten Rechtsprechung des 4. Senats des BSG zu folgen. Denn die Klägerin ist nicht ermächtigt, ihre Forderung
durch Verwaltungsakt gegen die beklagte Bank festzustellen und selbst ein vollstreckbares Zahlungsgebot zu
erlassen. Sie hat daher ein Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme sozialgerichtlichen Rechtsschutzes
gemäß § 54 Abs. 5 SGG. Weder die Neufassung des § 118 Abs. 4 SGB VI durch Art. 8 Nr. 6 des
Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherungsneuregelungsgesetzes (HZvNG) vom 21. Juni 2002 (Bundesgesetzblatt
Teil I [BGBI I], 2167) noch die Rechtsprechung des 13. Senats des BSG (im Urteil vom 07.10.2004 -B 13 RJ 2/04 R-)
stellen diesen Befund in Frage.
Bei den Ausführungen des 13. Senats des BSG im Urteil vom 07.10.2004 (B 13 RJ 2/04 R) handelt es sich lediglich
um - nicht näher begründete - allgemeine Ausführungen und nicht um die die Entscheidung tragenden Gründe. Auch
die Neuregelung des § 118 Abs. 4 SGB VI, die am 29. Juni 2002 in Kraft getreten ist (Art. 25 Abs. 8 HZvNG), bezieht
sich nicht auf die vorliegende Fallkonstellation, sondern ausschließlich auf die Geltendmachung von
Erstattungsansprüchen des Rentenversicherungsträgers gegenüber den in Abs. 4 S.1 aaO genannten Personen.
Demgegenüber wird in § 118 Abs. 3 SGB VI, der sich auf die Zahlungspflicht von Geldinstituten bezieht, der Ausdruck
"Rücküberweisungen" benutzt.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rücküberweisung des geltend
gemachten Betrages aus § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI.
Vorliegend erfolgte die Rentenzahlung an den Leistungsberechtigten nach dessen Sterbemonat zu Unrecht, da Renten
nach § 102 Abs. 5 SGB VI nur bis zum Ende des Kalendermonats geleistet werden, in dem der Berechtigte
verstorben ist. Im Verhältnis zur Beklagten handelte es sich daher nach § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI um Zahlungen
unter Vorbehalt. Dem so entstandenen Rücküberweisungsanspruch in Höhe des von der Klägerin geltend gemachten
Betrages kann die Beklagte auch nicht entgegenhalten, dass über den Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits
anderweitig verfügt worden war, denn das Konto des Leistungsberechtigten befand sich in der fraglichen Zeit
durchgehend jenseits des Schutzbetrages im Soll, so dass der Entreicherungseinwand nach der o.g. Rechtsprechung
des 4. Senats des BSG ausgeschlossen ist. Die Beklagte hat gegen das öffentlich-rechtliche Befriedigungsverbot des
§ 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI verstoßen, indem sie den von der Klägerin überwiesenen Betrag in das im Soll stehende
Konto des Leistungsberechtigten eingebucht hat. Dem steht nicht entgegen, dass nach den Bestimmungen des
Bankvertrages (AGB Postbank Punkt 7. Abs. 3) eine Verrechnung erst zum Quartalsende erfolgt und die Forderung
des Geldinstituts gegen den Kontoinhaber auf Ausgleich des Überziehungskredits erst durch diese Saldierung im
zivilrechtlichen Sinne gemäß §§ 362, 389, 676 f BGB durch Erfüllung untergeht. Ein Verstoß gegen das
Befriedigungsverbot des § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI liegt vielmehr schon dann vor, wenn dem Geldinstitut aus dem
überwiesenen Betrag ein Vermögensvorteil erwächst, der nach späterer Verrechnung dauerhaft in Gestalt der Tilgung
einer eigenen Forderung gegen den Kontoinhaber bei ihm verbleibt.
Die von der Beklagten gegen die o.g. Rechtsprechung im vorliegenden und in anderen bei dem Senat anhängigen
Verfahren vorgebrachten Einwände überzeugen nicht. Nachdem der Gesetzgeber § 118 SGB VI durch Gesetz vom
27.12.2003 (BGBI. I, 3019) geändert hat, ohne der o.g. Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts
entgegenzutreten, ist davon auszugehen, dass die Grundsätze der herrschenden Rechtsprechung zur Auslegung von
§ 118 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB VI dem Willen des Gesetzgebers entsprechen. Zudem lassen sich diese Grundsätze
mittels grammatischer und systematischer Auslegung begründen:
Nach dem Wortlaut des § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI kommt es nicht darauf an, ob eine eigene Forderung des
Geldinstituts im zivilrechtlichen Sinne tatsächlich befriedigt wird. Vielmehr ist dem Geldinstitut bereits die Verwendung
zur Befriedigung untersagt. Damit erfasst das Verbot auch vorbereitende Handlungen, die zu einem späteren
Zeitpunkt dazu führen, dass die Forderung des Geldinstituts gegen den Versicherten durch Saldierung im
zivilrechtlichen Sinne erfüllt wird. In Verbindung mit § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI enthält § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI
ein Bereicherungsverbot. Das Geldinstitut wird von seiner Rücküberweisungspflicht frei, soweit sich der Wert der
überwiesenen Geldleistung nicht mehr im Machtbereich des Geldinstituts befindet, weil ein Dritter über den Betrag
dergestalt verfügt hat, dass auf dem Konto des Versicherten kein Guthaben mehr vorhanden ist. Soweit der Wert der
Geldleistung jedoch im Vermögen des Geldinstituts verblieben ist, muss es den überwiesenen Betrag erstatten.
Indem die Beklagte den Wert der überwiesenen Rentenleistung gemäß Punkt 7. Abs. 1 AGB Postbank in das
Kontokorrent eingestellt hat, hat sie gegen dieses Bereicherungsverbot verstoßen. Auch durch die zunächst rein
buchungstechnische Verringerung des Sollsaldos hat sie einen Vermögensvorteil erlangt, der ihr nach der folgenden
Saldierung zum Quartalsende, spätestens jedoch bei endgültiger Kontoauflösung verblieben ist. Die Einstellung des
Rentenbetrages in das Kontokorrent verminderte schon gegenwärtig das Risiko der Beklagten, ihre Forderung aus
dem Dispositionskredit, der dem Leistungsberechtigten zur Zeit seines Todes in Höhe von 2.100,00 Euro eingeräumt
war, und dem darüber hinaus gehenden Überziehungskredit zu verlieren. Durch die Einbuchung des Wertes der
Rentenleistung hat sie es ermöglicht, dass der Dispositions- und Überziehungskredit durch die folgenden
Abbuchungen weiter in Anspruch genommen werden konnte, ohne dass sich (buchungstechnisch) die
Gesamtkreditsumme erhöhte. Die folgende Saldierung führte dann auch zivilrechtlich dazu, dass die Forderungen der
Beklagten gegen die Leistungsberechtigte bzw. deren Erben aus dem Dispositions- und Überziehungskredit teilweise
gemäß §§ 362, 389, 676 f BGB getilgt wurden. Ohne Einbuchung des Rentenbetrages hätten weitere Abbuchungen
demgegenüber nur unter Erhöhung des Überziehungskredits und damit nur durch Begründung weiterer Forderungen
der Beklagten gegen die Erben des Leistungsberechtigten erfolgen können.
Wenn die Beklagte meint, mit der gleichen Argumentation könnte man eine Erstattungspflicht des Geldinstituts auch
dann bejahen, wenn das Konto bei Renteneingang im Haben sei und Verfügungen erfolgten, die das Konto ohne den
Rentenbetrag ins Soll gesetzt hätten, so trifft dies nicht zu. Durch die Einbuchung des Rentenbetrages auf ein im
Haben stehendes Konto verstößt das Geldinstitut nicht gegen das Befriedigungsverbot des § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB
VI. Die Beklagte trifft demgegenüber deshalb die Erstattungspflicht, weil sie einen Vermögensvorteil in Gestalt der -
zunächst nur buchungstechnisch und nach Saldierung auch rechtlich wirksam erfolgten - Tilgung einer eigenen
Forderung gegen den Leistungsberechtigten bzw. dessen Erben aus dem Dispositions- und Überziehungskredit erlangt
und dadurch gegen das Befriedigungsverbot verstoßen hat.
Der Verstoß gegen § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI führt dazu, dass sich die Beklagte nicht darauf berufen kann, dass
über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt wurde. Dies folgt gleichfalls aus der inneren Systematik
des § 118 Abs. 3 SGB VI. Das Verbot des Satzes 4 ist dem Einwand anderweitiger Verfügung im Sinne des Satzes 3
nachgestellt. Dies legt es nahe, Satz 4 als Ausnahme zu Satz 3 aufzufassen und damit als Sonderregel zu begreifen,
die die Berufung auf anderweitige Verfügungen schlechthin ausschließt. Dafür spricht auch, dass § 118 Abs. 3 Satz 4
SGB VI nach den obigen Ausführungen als Bereicherungsverbot zu verstehen ist. Würde das Geldinstitut auch dann
durch anderweitige Verfügungen über den Wert der überwiesenen Rente von seiner Rückerstattungspflicht frei, wenn
die Rente auf ein im Soll stehendes Konto überwiesen wurde, bliebe ihm der durch die Einstellung in das Kontokorrent
erlangte Vermögensvorteil erhalten. Der Verstoß gegen das gesetzliche Verbot des § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI
bliebe dann für das Geldinstitut folgenlos. Auch im zivilrechtlichen Bereicherungsrecht muss aber derjenige, der gegen
ein gesetzliches Verbot verstoßen hat und dadurch noch bereichert ist, den Wert der Bereicherung herausgeben (vgl.
§§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 817 Satz 1 i.V.m. § 134 BGB).
Demgegenüber geben Wortlaut und Systematik für die Auffassung der Beklagten, § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI stelle
nur insoweit eine Ausnahmeregelung zu § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI dar, als eine Berufung auf anderweitige
Verfügungen nur dann ausgeschlossen sei, wenn sich gerade die jeweils zu betrachtende Verfügung als Verwendung
der Rentenleistung zur Befriedigung eigener Forderungen des Geldinstituts entpuppe, nichts her. § 118 Abs. 3 Satz 4
SGB VI lautet nicht etwa dahingehend, dass die anderweitige Verfügung nicht zur Befriedigung eigener Forderungen
des Geldinstituts führen dürfe. Vielmehr wird dem Geldinstitut generell die Verwendung des überwiesenen Betrags zur
Befriedigung eigener Forderungen untersagt.
Die Rücküberweisungspflicht der Beklagten entfällt auch nicht deshalb, wovon der 9. Senat des BSG in der
angeführten Entscheidung vom 09.12.1998 ausgeht, weil andere Personen, z.B. Verfügende, die von den Verfügungen
Begünstigten oder die Erben der Leistungsberechtigten, ebenfalls Vermögensvorteile aus dem überwiesenen
Rentenbetrag erlangt haben. Nach Sinn und Zweck des § 118 SGB VI ist die Rücküberweisungspflicht des
Geldinstituts nach § 118 Abs. 3 SGB VI gegenüber der Erstattungspflicht des Verfügenden bzw. des Empfängers
gem. § 118 Abs. 4 SGB VI vorrangig. Dies folgt zum einen schon daraus, dass die Regelung des § 118 Abs. 4 SGB
VI der Regelung des § 118 Abs. 3 SGB VI systematisch nachgeordnet ist. Zum anderen geht aus § 118 Abs. 4 Satz
4 SGB VI hervor, dass sich der Rentenversicherungsträger zunächst an das Geldinstitut halten muss, bevor er einen
Erstattungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI gegen den Verfügungsbegünstigten geltend machen kann. Die in §
118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI geregelte Auskunftspflicht des Geldinstituts ist Ausfluss der Rücküberweisungspflicht und
entsteht dann, wenn sich das Geldinstitut mit Erfolg auf den Entreicherungseinwand aus § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI
berufen kann und deshalb die Rücküberweisung zu Recht ablehnt. Daraus folgt aber, dass der
Rentenversicherungsträger zunächst gegen das Geldinstitut vorgehen muss und erst dann, wenn das Geldinstitut zu
Recht den Einwand der Entreicherung geltend macht, nach entsprechender Auskunftserteilung den
Verfügungsbegünstigten nach § 118 Abs. 4 SGB VI in Anspruch nehmen kann.
Es kann dahinstehen, ob ein vorrangiger Rückzahlungsanspruch gegen das Geldinstitut auch dann besteht, wenn die
Rente noch über einen längeren Zeitraum auf das Konto des verstorbenen Leistungsempfängers überwiesen wird und
Dritte weiterhin - u.U. in betrügerischer Absicht - von diesem Konto abheben bzw. über den Rentenbetrag verfügen mit
der Folge, dass durch die Rückzahlungspflicht des Geldinstituts der vertraglich vereinbarte Dispositionsrahmen, d.h.
die Grenze des Dispositionskredits, erheblich überschritten würde. Der Senat hat keinen Anlass, etwaige Ausnahmen
von der Rücküberweisungspflicht des Geldinstituts zu diskutieren, denn ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
Der unabhängig von anderweitigen Verfügungen bestehenden Rücküberweisungspflicht der Beklagten steht auch die
Regelung des § 55 Abs. 1 SGB I in Verbindung mit § 394 BGB, wonach dem Geldinstitut während der ersten sieben
Tage seit der Gutschrift die Verrechnung mit eigenen Forderungen untersagt ist, nicht entgegen. Die Beklagte geht
fehl, wenn sie meint, dass binnen der Sieben-Tages-Frist vorgenommene anderweitige Verfügungen die
Erstattungspflicht des Geldinstituts auch nach der eingangs wiedergegebenen Rechtsprechung mindern bzw.
ausschließen, selbst wenn sich das Konto bei Eingang der Rente im Soll befand. Vielmehr lagen sämtlichen eingangs
zitierten Entscheidungen Sachverhalte zu Grunde, in denen die anderweitigen Verfügungen innerhalb kurzer Zeit nach
Eingang der Rente auf das im Soll stehende Konto erfolgt sind (vgl. auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-
Westfalen [LSG NRW], Urteil des 3. Senats vom 22.08.2005 - L 3 R 98/05 -). In jedem Fall kann die Beklagte aus der
Regelung des § 55 Abs. 1 SGB I i.V.m. § 394 BGB nichts herleiten, was sie dem Erstattungsanspruch der Beklagten
entgegenhalten könnte.
Es spricht bereits viel dafür, dass § 55 Abs. 1 SGB I für die nach dem Tod des Leistungsberechtigten weiter gezahlte
Rente nach seinem Sinn und Zweck keine Anwendung findet. § 55 Abs. 1 SGB I ist eine
Vollstreckungsschutzvorschrift zu Gunsten des Leistungsberechtigten, die ihn davor bewahrt, dass seine Gläubiger
durch Pfändung seines Girokontos auf die überwiesene Sozialleistung Zugriff nehmen. Sie soll sicherstellen, dass
dem Leistungsberechtigten die auf sein Girokonto überwiesene Sozialleistung für die Bestreitung seines
Lebensunterhalts zur Verfügung steht. Damit wird gewährleistet, dass der Sozialleistungsberechtigte, dessen
Sozialleistung üblicherweise auf sein Girokonto überwiesen wird, keine Nachteile gegenüber demjenigen hat, der die
Leistung bar ausgezahlt bekommt (vgl. Verbandskommentar, § 55 Anm. 1.3). Hinsichtlich der nach seinem Tod weiter
gezahlten Rente bedarf der Leistungsberechtigte dieses Schutzes nicht. Sein Anspruch auf Rente endet gem. § 102
Abs. 5 SGB VI mit Ablauf des Todesmonats. Er ist dementsprechend nicht mehr "Berechtigter" im Sinne von § 55
SGB I. Seinen Erben steht die weiter gezahlte Rente nicht zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung,
denn sie müssen sie, wenn sie diese erhalten haben, gem. § 118 Abs. 4 SGB VI zurückzahlen. Das Pfändungsverbot
des § 55 Abs. 1 SGB I macht im Hinblick auf die nach dem Tod zu Unrecht weiter gezahlte Rente ohnehin wegen der
Regelungen des § 118 Abs. 3 und Abs. 4 SGB VI keinen Sinn mehr. Die dort normierten öffentlich-rechtlichen
Rückforderungsansprüche, die dem Umstand Rechnung tragen, dass nach dem Tod des Berechtigten überwiesene
Rentenleistungen als unter Vorbehalt erbracht gelten (§ 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI), gehen in ihren Wirkungen weiter
als das befristete Pfändungsverbot. Denn im Falle der Rückforderung entfallen die Wirkungen einer Pfändung
rückwirkend vollständig, wohingegen die Wirksamkeit einer Pfändung durch die Regelung des § 55 Abs. 1 SGB I für
die Dauer von sieben Tagen lediglich aufgeschoben wird. Dies lässt darauf schließen, dass es sich bei den im
besonderen Sozialrecht geregelten Vorschriften des § 118 Abs. 3 und Abs. 4 SGB VI um Spezialvorschriften handelt,
die die allgemeine Regelung des § 55 Abs. 1 SGB I verdrängen. Dies muss jedenfalls im Hinblick auf das aus § 55
Abs. 1 SGB I i.V.m. § 394 BGB folgende Aufrechnungsverbot gelten. Bei diesem Aufrechnungsverbot handelt es sich
aus der Sicht des Geldinstituts um ein befristetes Befriedigungsverbot. Es hindert das Geldinstitut für die Dauer von
sieben Tagen daran, einen vorhandenen Schuldsaldo durch Aufrechnung gegen den Anspruch des Kontoinhabers aus
dem Girovertrag zu verringern. Das Befriedigungsverbot des § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI geht jedoch in seinen
Wirkungen viel weiter, denn danach ist der Bank die Verrechnung des zu Unrecht nach dem Tod des Berechtigten
überwiesenen Rentenbetrags mit dem Sollsaldo schlechthin und nicht nur befristet untersagt.
Der Beklagten wäre eine Berufung auf den Entreicherungseinwand nach § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI aber selbst dann
verwehrt, wenn man § 55 Abs. 1 SGB I i.V.m. § 394 BGB auch im Hinblick auf die nach dem Tod des Berechtigten
auf dem Girokonto gutgeschriebene Rentenleistung für einschlägig halten würde. Das befristete Aufrechnungsverbot
ändert nichts daran, dass der Beklagten bei der nach Ablauf der Sperrfrist erfolgten Saldierung bzw. Kontoauflösung
ein Vermögensvorteil in dem oben beschriebenen Sinn verblieben ist und sie deshalb entsprechend den obigen
Ausführungen gegen § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI verstoßen hat. Die Argumentation der Beklagten läuft letztlich auf
eine Fiktion hinaus: Sie meint, die Regelung des § 55 Abs. 1 SGB I i.V.m. § 394 BGB führe bei einem im Soll
stehenden Konto dazu, dass innerhalb der Sieben-Tages-Frist vorgenommene Verfügungen ihre Erstattungspflicht
nach § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI ebenso mindern bzw. ausschließen wie Verfügungen über eine Rentenleistung, die
auf ein im Haben geführtes Konto überwiesen wurde. Das Aufrechnungsverbot fingiert bei dieser Konstruktion für die
Dauer von sieben Tagen (und gem. § 55 Abs. 4 SGB I u.U. sogar darüber hinaus) ein Guthaben, das in Wirklichkeit
nicht existiert. Abgesehen davon, dass diese Konstruktion den wirklichen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht
entspricht und die der Beklagten aus dem überwiesenen Rentenbetrag zufließenden Vermögensvorteile verschleiert,
widerspricht sie dem Schutzzweck des § 55 SGB I. § 55 SGB I schützt ausschließlich den Leistungsberechtigten
(vgl. v.a. § 55 Abs. 3 Satz 1 SGB I), und zwar als Pfändungsverbot vor dem Vollstreckungszugriff seiner Gläubiger
und in Verbindung mit § 394 BGB als Aufrechnungsverbot vor dem Erlöschen seines Anspruchs durch Aufrechnung
insbesondere des Geldinstituts selbst. In keinem Fall entfaltet § 55 SGB I nach seinem Sinn und Zweck jedoch
Schutzwirkung zu Gunsten des Geldinstituts gegenüber dem Träger der Rentenversicherung. Genau dies versucht die
Beklagte jedoch der Regelung zu entnehmen, indem sie aus ihr Rechtswirkungen ableitet, die sie vor den
Rechtsfolgen des § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI bewahren sollen.
§ 118 Abs. 3 SGB VI ist in der Auslegung, die er durch die herrschende Rechtsprechung gefunden hat, auch nicht
verfassungswidrig. Die Rücküberweisungspflicht verletzt das Geldinstitut im Allgemeinen und die Beklagte im
Besonderen nicht in ihren Grundrechten (Art 19 Abs. 3 GG).
Die von anderweitigen Verfügungen unberührt bleibende Rückerstattungspflicht bei Einbuchung der Geldleistung auf
ein im Soll stehendes Konto stellt keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit gem.
Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG dar. § 118 Abs. 3 SGB VI möchte im Interesse der
Versichertengemeinschaft sicherstellen, dass zu Unrecht nach dem Tode des Berechtigten überwiesene Renten
zurückgezahlt werden. Das inländische Geldinstitut wird für die Rückerstattung der überwiesenen Geldleistung
herangezogen, weil so eine rasche und vollständige Rückzahlung der Rente gewährleistet wird. Zur Verfolgung dieses
Zwecks ist es geeignet und auch erforderlich, das Geldinstitut auch dann zur Rücküberweisung zu verpflichten, wenn
es durch die Einbuchung des Wertes der Rente auf ein im Soll stehendes Konto einen Vermögensvorteil erlangt hat,
auch wenn über den eingebuchten Betrag bereits anderweitig verfügt wurde. Den Rentenversicherungsträger in diesem
Fall auf den Erstattungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI gegen den Verfügenden oder den Empfänger der
Leistung zu verweisen, würde nicht in gleichem Maße sicherstellen, dass die Versichertengemeinschaft den fehlerhaft
überwiesenen Betrag zurückerhält. Die Belastung des Geldinstituts ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die
Einbuchung des Wertes der Rente auf ein im Soll befindliches Konto vermittelt dem Geldinstitut, wie bereits
ausgeführt, einen Vermögensvorteil. Dieser Vermögensvorteil wird durch die Rückerstattungspflicht abgeschöpft. Es
wird dadurch der Zustand hergestellt, der bestünde, wenn die Rente nicht entgegen § 118 Abs. 3 Satz 4 SGB VI auf
das im Soll befindliche Konto verbucht worden wäre. Dies geschieht auch im Falle anderweitiger Verfügungen nicht
gänzlich kompensationslos, denn das Geldinstitut behält (weiterhin) seinen Anspruch auf Ausgleich des - nunmehr um
den Wert der anderweitigen Verfügungen bzw. des rückzuerstattenden Betrags erhöhten - Dispositionskredits gegen
die Erben des Versicherten. Dass dieser möglicherweise wegen Vermögenslosigkeit der Schuldner nicht bzw. nicht
vollständig realisierbar ist, stellt keine unangemessene Belastung dar. In der Sache verwirklicht sich nämlich damit
das Insolvenzrisiko, das das Geldinstitut im Hinblick auf seinen Vertragspartner zu tragen und durch die Einräumung
eines Dispositions- bzw. Überziehungskredits eingegangen ist. Die Belastungen des Geldinstituts sind auch nicht
deshalb unangemessen, weil das Geldinstitut bei Überweisung der Rente auf ein im Soll stehendes Konto
buchungstechnisch keine andere Möglichkeit hat, als den Betrag in das Kontokorrent einzustellen. Dem Risiko der
Rückerstattungspflicht stehen in diesem Fall die wirtschaftlichen (Zins-)Vorteile gegenüber, die das Geldinstitut aus
der Einräumung von Dispositionskrediten hat, deren Ausgestaltung das Bankinstitut selbst in der Hand hat.
Der allgemeine Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Dass ein Geldinstitut im Falle der
Überweisung der Rente auf ein im Soll befindliches Konto zur Rücküberweisung ungeachtet anderweitiger
Verfügungen über den entsprechenden Betrag verpflichtet ist, wohingegen ein anderes Geldinstitut, bei dem der
Versicherte ein im Haben befindliches Konto führt, durch anderweitige Verfügungen von der Rückerstattungspflicht frei
wird, ist sachlich gerechtfertigt. Das erstgenannte Geldinstitut hat durch die Einbuchung auf das im Soll befindliche
Konto, wie bereits ausgeführt, einen eigenen Vermögensvorteil erlangt. Demgegenüber kommt die Geldleistung bei
Überweisung auf ein Konto mit positivem Saldo nach Einbuchung ausschließlich dem Vermögen des Kontoinhabers
zugute. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung liegt auch nicht im Verhältnis zu ausländischen Geldinstituten
vor. Die Rücküberweisungspflicht des § 118 Abs. 3 SGB VI trifft ausländische und inländische Geldinstitute
gleichermaßen, sofern das Konto des Versicherten im Inland geführt wird. Dass § 118 Abs. 3 SGB VI für ein im
Ausland geführtes Konto nicht gilt, stellt keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG dar. Die Macht des deutschen
Gesetzgebers endet naturgemäß an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland. Aus Art. 3 Abs. 1 GG kann nicht
hergeleitet werden, dass der deutsche Gesetzgeber im Inland ansässige Unternehmen so behandeln muss, wie ein
ausländischer Staat die dort ansässigen Unternehmen, denn Art. 3 Abs. 1 GG schützt nur vor Ungleichbehandlungen
durch ein und denselben Träger hoheitlicher Gewalt.
Verstöße gegen europäisches Gemeinschaftsrecht sind erst recht nicht ersichtlich. Warum das Kartellverbot gem.
Art. 81 EG betroffen sein soll, leuchtet nicht ein. "Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von
Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen
Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des
Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken", liegen im Hinblick auf die
Rückerstattungspflicht nach § 118 Abs. 3 SGB VI nicht vor. Art. 81 EG steht der nationalen Rechtsvorschrift des §
118 Abs. 3 SGB VI in der hier zu Grunde gelegten Auslegung und dem darauf gestützten Verhalten der Klägerin als
"Unternehmen" im Sinne der europarechtlichen Regelung auch im Hinblick auf etwaige mittelbare Auswirkungen auf
den innereuropäischen Wettbewerb zwischen Geldinstituten nicht entgegen, denn Art. 81 EG gilt nur für
wettbewerbswidrige Verhaltensweisen, die die Unternehmen aus eigener Initiative an den Tag legen. Er ist nicht
anwendbar, wenn nationale Rechtsvorschriften einen rechtlichen Rahmen bilden, der jede Möglichkeit eines
Wettbewerbsverhaltens von Unternehmen - wie hier der Klägerin - ausschließt. Daher kann das Verhalten der Klägerin,
die nicht als Wirtschaftsteilnehmerin handelt und hinsichtlich der Rückforderung überzahlter Rente nach § 118 Abs. 3
SGB VI keinen Ermessensspielraum besitzt, keine wettbewerbswidrige Verhaltensweise darstellen (vgl. Europäischer
Gerichtshof, Urteil vom 11.09.2003 - C-207/01 -).
Das gefundene Ergebnis ist auch nicht wirtschaftlich unbillig. Denn eine der Voraussetzungen für die erfolgreiche
Geltendmachung des Entreicherungseinwandes ist die dauerhafte Wirksamkeit der das Kontoguthaben schmälernden
Verfügungen. Auf diese - zivilrechtliche - Vorfrage des § 118 SGB VI hat die Beklagte durch Gestaltung ihrer AGB
entscheidenden Einfluss. Der Tod eines Leistungsberechtigten als Kontoinhaber hat nämlich gemäß § 672 Satz 1
BGB nur "im Zweifel" nicht das Erlöschen zu Lebzeiten erteilter Aufträge zur Folge. Diese gesetzliche Bestimmung ist
also abdingbar. Die Beklagte hat es daher durch Begrenzung der Wirksamkeit solcher Aufträge auf die Lebzeit des
Kontoinhabers in der Hand, die Voraussetzungen für die Durchführung von Überweisungen und Lastschriften nach
dem Tod des Kontoinhabers auszuschließen (vgl. auch die Regelung in Punkt 5. der AGB Postbank, zu den sich
sonst aus § 676 a Abs. 2 Satz 3 und § 676 BGB ergebenden Pflichten Schimansky, Bankrechts-Handbuch Bd.1,
2001; § 49, Rn. 1 c). Für den Fall des Versterbens ohne Erben hätte die Beklagte dann als kontoführende Bank die
Möglichkeit der Kontoauflösung und der Stornobuchung von nach dem Tod vorgenommenen Überweisungen und
Lastschriften (näher zur Stornobuchung Lange, Die Klauselwerke der Kreditwirtschaft, 1995, S. 24 ff). Das gilt auch im
Verhältnis zu den begünstigten Dritten und ihren Geschäftsbanken. Denn auch in der Konstellation eines so
genannten mehrgliedrigen Überweisungsverkehrs (dazu Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt, Der Betrieb 1984, 585
‚586; OLG Düsseldorf, Zeitschrift für internationales Zivilprozessrecht 1982, 428 [430]) sind dafür ausreichende
Schutzpflichten der Empfängerbank im Verhältnis zum überweisenden Kunden und zu dessen kontoführender Bank
im Verhältnis zur Empfängerbank gegeben. Dabei folgt eine Schutzwirkung aus dem Girovertrag zwischen dem
Kontoinhaber und dem Leistungsberechtigten, also aus dem dargelegten Rechtsverhältnis, ihrem Vertragszweck und
dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. BGH, Neue Juristische Wochenschrift 1977, 1916 [1917]). Im Einzelfall
beruht diese Schutzpflicht auf dem Rechtsverhältnis, das zwischen den zwei Banken hinsichtlich der einzelnen
Lastschrift auf der Grundlage des zwischen ihnen bestehenden Girovertrages entsteht (BGH a.a.O.).
Der Umstand, dass im vorliegenden Fall Kartenverfügungen per PIN vorgenommen worden sind, rechtfertigt keine
abweichende Beurteilung, zumal sich das Konto ungeachtet dieser Abhebungen durchgängig im Soll befunden hat.
Auf die Frage, ob nach dem Tode des Kartenberechtigten überhaupt noch zivilrechtlich wirksam Verfügungen mit der
Karte vorgenommen werden können, kommt es daher ebenfalls nicht an.
Mithin bietet der Fall keinen Anlass, die Rechtsprechung des erkennenden Senats in Frage zu stellen (vgl. zuletzt
Urteil vom 23.05.2007, Az.: L 8 R 361/06). Sie steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der anderen
Rentenversicherungssenate des LSG NRW vom 22.08.2005, Az.: L 3 R 98/05‚ vom 26.08.2005, Az.: L 14 R 68/05,
und vom 20.10.2006, Az.: L 13 R 75/06).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die
Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz in der ab dem 01.07.2004 geltenden Fassung.
Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits zu, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG;
außerdem weicht der Senat von der Entscheidung des 9. Senats des BSG vom 09.12.1998, Az.: B 9 V 48/97, ab, §
160 Abs. 2 Nr. 2 SGG.