Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 11.12.2008

LSG NRW: einkünfte, beendigung, mitgliedschaft, krankenversicherung, anfang, hauptsache, bedürftigkeit, rechtsschutz, rechtsmittelbelehrung, beitragsbemessung

Landessozialgericht NRW, L 16 B 37/08 KR
Datum:
11.12.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 16 B 37/08 KR
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 8 KR 239/06
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts
Dortmund vom 08. April 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
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I. Die Klägerin (d. Kl.) begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren vor dem
Sozialgericht (SG). Im Hauptsacheverfahren wendet sie sich offenbar gegen den
Bescheid der Beklagten (d. Bekl.) vom 07.09.2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 20.11.2006, mit dem diese die Beendigung der
freiwilligen Mitgliedschaft d. Kl. in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zum
15.08.2006 wegen Beitragsrückständen festgestellt hat.
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D. Kl. (geboren 1952) war seit 1983 bei d. Bekl. freiwillig krankenversichert. Sie ist
verheiratet und hat eine (1987 geborene) Tochter; sie lebt zusammen mit ihrer Familie in
einem dem Ehemann gehörenden Haus. Der Ehemann bezeichnet sich als
Selbständiger, wird aber durch die Finanzverwaltung ausweislich der vorliegenden
Einkommensteuerbescheide für 2005 und 2006 als abhängig Beschäftigter geführt. Eine
Besteuerung von Einkünften aus selbständiger Tätigkeit ist nicht erfolgt. Seine Brutto-
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beliefen sich zuletzt auf jährlich (2005/2006)
43.833 Euro. Offenbar ist er trotz Ausübung einer nichtselbständigen Arbeit nicht
gesetzlich krankenversichert; er ist nach seinen Angaben privat versichert.
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D. Kl. hat als Hausfrau offenbar keine eigenen Einkünfte. Sie erhält von ihrem Ehemann
Geldbeträge zur Haushaltsführung, zu deren Höhe sie im Verlaufe des Verfahrens
unterschiedliche Angaben gemacht hat (Angabe 29.12.2005: keine Einnahmen; Angabe
12.02.2006: Einnahmen monatlich 950,00 Euro; Angabe 29.01.2007: seit Jahren alle
zwei Wochen 200,00 Euro; Angabe 22.02.2008: monatlich 600,00 Euro netto - ohne
nähere Bezeichnung; Angabe 13.05.2008: monatlich ca. 350,00 Euro; Angabe
16.08.2008: schwankend zwischen 100,00 und 240,00 Euro alle zwei Wochen);
daneben erhält sie von ihm in Einzelfällen Geldleistungen für besondere Bedürfnisse
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(z.B. Reparaturen, Bekleidung); von Fall zu Fall kauft der Ehemann auch
Nahrungsmittel für die Familie selbst ein. Des Weiteren hat der Ehemann in den letzten
Jahren die Beiträge zur Krankenversicherung (KV) und Pflegeversicherung (PV) d. Kl. in
Höhe von ca. 110,00 Euro monatlich getragen und an d. Bekl. bezahlt.
Die Eheleute leben offenbar seit langem "nebeneinander her". D. Kl. sieht sich nicht in
der Lage, zu den beruflichen Verhältnissen ihres Ehemannes zweckmäßige Angaben
zu machen. Sie meint nur zu wissen, dass er mit einer selbständigen Tätigkeit in X (wohl
beim Betrieb eines Schnellbackladens) vor einiger Zeit keinen Erfolg gehabt habe. Seit
April 2008 sei er persönlich haftender Gesellschafter einer Immobilien-KG in T. D. Kl.
wird auch über seine Einkommensverhältnisse nicht informiert: Der Ehemann weigert
sich, ihr gegenüber dazu Angaben zu machen. D. Kl. hat Hemmungen, ihre
familienrechtlichen Unterhalts- und Auskunftsansprüche gegenüber ihrem Ehemann
geltend zu machen, weil sie sich vor einer Scheidung und deren wirtschaftlichen
Nachteilen fürchtet: sie glaubt, dann unversorgt zu sein.
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D. Bekl. ihrerseits hat den Ehemann lediglich im März 2006 einmal vergeblich
aufgefordert, einen Einkommensteuerbescheid zu übersenden, ihn jedoch bislang nicht
zu seinen beruflichen und zu seinen Einkommensverhältnissen gezielt befragt oder
vernehmen lassen.
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Sie hat im Mai 2005 eine Auskunft des Finanzamtes (FA) T eingeholt, wonach der
Ehemann im Jahre 2004 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 40.954,00
Euro und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 142,00 Euro gehabt
habe. Im Juni 2007 hat das FA d. Bekl. den Einkommensteuerbescheid des
Ehemannnes für 2005 übersandt, wonach dieser Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit in Höhe von 43.833,00 Euro und aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von
272,00 Euro erzielt hat.
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Ende 2005/Anfang 2006 forderte d. Bekl. d. Kl auf, ihr Nachweise über das Einkommen
ihres Ehemannes vorzulegen, um danach die Beiträge zur freiwilligen KV und PV
berechnen zu können. Nachdem diese Nachweise nicht eingegangen waren, setzte d.
Bekl. mit einem Anfang Februar ergangenen Bescheid den monatlichen Beitrag für die
KV d. Kl. auf 495,19 Euro und für die PV auf 60,56 Euro, zusammen 555,75 Euro,
entsprechend der Höhe der Beitragsbemessungsgrenze (BBM), fest. Dem widersprach
d. Kl. unter dem 12.02.2006 und verwies darauf, dass sie ihr Monatseinkommen Ende
2005 mit 950,00 Euro beziffert habe. Sie überwies lediglich wie bislang Beiträge in
Höhe von 111,08 Euro monatlich. Am 21.02. und 27.03.2006 mahnte d. Bekl. die
ausstehenden Beiträge zur KV und PV bei d. Kl. an (444,67 bzw. 893,34 Euro), setzte
wiederholt Säumniszuschläge fest und belehrte d. Kl. dahingehend, dass der
Versicherungsschutz bei weiterem Zahlungsverzug verloren gehe; die Kasse müsse die
Mitgliedschaft beenden, wenn d. Kl. "die Beiträge zweimal nacheinander bis zum
Zahltag" nicht bezahle. Auf die Einwendungen d. Kl. setzte d. Bekl. zunächst mit
Bescheid vom 10.04.2006 für die Zeit ab 01.01.2006 112,69 Euro als Monatsbeiträge
fest (KV 98,81 Euro, PV 13,88 Euro), holte beim Finanzamt weitere Auskünfte ein und
setzte für die Zeit ab 01.01.2006 durch weiteren Bescheid vom 02.06.2006 die
Monatsbeiträge auf 189,03 Euro (KV 165,75 Euro, PV 23,28 Euro) fest. Am 22.06.2006
übersandte sie d. Kl. eine Aufstellung über die Restschuld, wies auf die Folgen der
Nichtzahlung hin und mahnte am 03.07., 21.07. und 24.07.2006, ohne die Forderungen
nach ihren Anteilen für KV und PV zu trennen. Mit der letztgenannten Mahnung verband
sie erneut den Hinweis auf eine Beendigung des Mitgliedsverhältnisses wegen
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Zahlungsrückständen zum 15.08.2006.
Der Ehemann d. Kl. wandte sich, vorrangig gerichtet gegen die Mahnung vom
03.07.2006, dagegen, dass die Beiträge d. Kl. um 67 % gestiegen seien. Dem schloss
sich d. Kl. an.
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Anschließend stellte d. Bekl. mit Bescheiden vom 09.08. und 07.09.2006 die
Beendigung der Mitgliedschaft zum 15.08.2006 fest. Außerdem hob sie mit Bescheid
vom 20.09.2006 in Ergänzung ihres Beitragsbescheides vom 02.06.2006 die
Beitragsbescheide von Februar (vgl. Bl. 4 der Verwaltungsakte/VA) und vom 10.04.2006
auf. Mit Widerspruchsbe-scheid vom 16.10.2006 wies d. Bekl. den Widerspruch d. Kl.
gegen die Höhe der Beiträge zurück. Nach Angaben d. Bekl. (Schriftsatz vom
21.12.2006, Seite 2) wurde gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel eingelegt.
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Am 08.09.2006 hat d. Kl. auf den Bescheid vom 07.09.2006 reagiert und - zunächst
ohne Einleitung eines Widerspruchsverfahrens - durch ihren Bevollmächtigten Klage auf
"Fortbestehen der freiwilligen Familienversicherung" erhoben (S 8 KR 239/06);
flankierend dazu beantragte sie einstweiligen Rechtsschutz (SG Dortmund S 8 KR
246/06 ER). Sie habe keinen Widerspruch eingelegt, weil nicht erwartet werden könne,
dass die Widerspruchsstelle d. Bekl. dem Widerspruch abhelfe (Antragsschriftsatz vom
12.09.2006 zu S 8 KR 246/06 ER). Allerdings erhob d. Kl. dann doch durch einen
weiteren Bevollmächtigten am 09.10.2006 Widerspruch gegen den Bescheid vom
07.09.2006 (betreffend die Beendigung der Mitgliedschaft). Mit Widerspruchsbescheid
vom 20.11.2006 wies d. Bekl. auch diesen Widerspruch zurück und stellte dabei
erstmals allein auf die Entwicklung der Beitragsrückstände zur KV ab.
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Im zwischenzeitlich fortgeführten Klageverfahren hat d. Kl. im Wesentlichen vorgebracht,
ihr Ehemann sei nicht bereit, ihren KV-Schutz sicherzustellen. Sie habe aber weiterhin
Bedenken, ihren Ehemann auf umfassenden Unterhalt zu verklagen; sie scheue
Auseinandersetzungen mit ihrem Ehemann und wolle ihre Ehe nicht gefährden.
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D. Bekl. hält, da d. Kl. offenbar niedrigere Beiträge fortlaufend weitergezahlt hat, den
zum 15.8.2006 bestehenden Beitragsrückstand für getilgt. Sie hat d. Kl. (und deren
Tochter) ab 01.04.2007 im Rahmen der Auffangversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 des
Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs - SGB V - (wieder) als Versicherte
aufgenommen, dabei aber auch hingewiesen, dass die Beitragsfestsetzung in gleicher
Weise wie bei freiwillig Versicherten erfolge. Eine zu erwartende Nichtzahlung führe
zum Ruhen von Leistungsansprüchen.
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D. Bekl. hat darauf hingewiesen, dass d. Kl. im Dezember 2006 eine weitere Klage
wegen "Krankenversicherungsfortdauer" unter dem Az. S 8 KR 352/06 erhoben habe.
Daraus sei zu schließen, dass sich die Klage vom 07./08.09.2006 nicht gegen den
Ausschluss aus der freiwilligen Versicherung, sondern gegen die Festsetzung der
Beitragshöhe richte. Dazu hat sie dann im Einzelnen vorgetragen (Schriftsatz vom
10.01.2007).
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Das SG hat den allenfalls schlüssig gestellten Antrag der Klägerin vom 25.02.2008, ihr
für das Klageverfahren gegen den Bescheid vom 07.09.2006 PKH zu gewähren und
Rechtsanwalt (RA) I beizuordnen, durch Beschluss vom 08.04.2008 abgewiesen, weil
die Klage nicht die erforderliche Erfolgsaussicht habe. Insbesondere seien die
Versicherungsbeiträge der Höhe nach zutreffend berechnet; Einkünfte der Eheleute
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seien auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
krankenversicherungsrechtlich beiden Ehepartnern zu zurechnen. Auch habe d. Kl.
nicht darauf vertrauen dürfen, weiterhin niedrigere Beiträge leisten zu dürfen; denn dies
widerspräche ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als Ehefrau eines Ehegatten mit
hohem Einkommen.
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er eine Bedürftigkeit d. Kl. für
nicht ausreichend glaubhaft gemacht hält, zumal ihr die Möglichkeit offenstehe, ihren
Ehemann familiengerichtlich zur Offenlegung seiner finanziellen Verhältnisse, zur
Gewährung von Unterhalt sowie ggf. eines Prozesskostenvorschusses zu zwingen.
Dazu hat d. Kl. vertiefend erläutert, sie laufe Gefahr, aus dem Haus ihres Ehemannes
gesetzt oder von diesem körperlich angegriffen zu werden. Für eine gerichtliche
Auseinandersetzung fehle es ihr auch an Geld.
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Wegen näherer Einzelheiten der Sachlage nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der beigezogenen Unterlagen.
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II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
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Der Antrag d. Kl., ihr PKH für das Klageverfahren zu gewähren und RA I beizuordnen,
ist nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
und der §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) zur Gewährung von PKH sind nicht
erfüllt.
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Dabei kann dahinstehen, ob sich - wie das SG angenommen hat - die am 08.09.2006
erhobene Klage gegen den Bescheid vom 07.09.2006 richtet und ob diese Klage
erfolgversprechend erscheint. Dazu weist der Senat auf die im gerichtlichen Schreiben
vom 08.07.2008 geäußerten Gesichtspunkte hin. Angesichts des wenig geordneten
Vortrags ihres Bevollmächtigten könnte es nahe liegen, den am 08.09.2006 gestellten
Feststellungsantrag und ihr weiteres Vorbringen dahin auszulegen, dass sich d. Kl. (ggf.
im Wege der Klageänderung) mit einer Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom
07.09.2006 wenden will, zumal d. Bekl. dazu unter dem 20.11.2006 einen
Widerspruchs-bescheid erteilt hat und dadurch eine ursprünglich Anfang September
(mangels Vorverfahren) unzulässige Anfechtungsklage zulässig geworden sein könnte.
Ob in diesem Zusammenhang die von d. Bekl. geäußerte Auffassung zutrifft, die am
08.09.2006 erhobene Klage richte sich in Wahrheit gegen die zuvor, ohne
Rechtsmittelbelehrung ergangenen Beitragsbescheide, mag offen bleiben. Nach dem
Wortlaut dürfte aber die am 08.09.2006 erhobene Klage eher gegen die Anfang
September 2006 drohende und am 07.09.2006 von d. Bekl. festgestellte Beendigung
der Mitgliedschaft gerichtet gewesen sein. Selbst wenn aber anzunehmen wäre, dass
sich d. Kl. mit der Klageschrift vom 07.09.2006 sowohl gegen die Feststellung der
Beitragshöhe als auch gegen die (drohende) Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft
hat wenden wollen, so bleibt mit dem SG festzustellen, dass d. Bekl. die
Beitragsforderung auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse zutreffend
festgesetzt hat (vorausgesetzt, der Ehemann ist weiterhin nicht pflichtversichert, woran
aber angesichts seiner in den Steuerbescheiden erwähnten abhängigen, unter der
Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAG; § 6 Abs. 6 SGB V) liegenden Einkünfte vorläufig
gezweifelt werden darf). Denn nach § 240 SGB V in Verbindung mit der Satzung d. Bekl.
ist bei der Beitragsberechnung in der freiwilligen Krankenversicherung bei Eheleuten
die Hälfte des gemeinsamen Ehegatten-Einkommens zugrunde zu legen. Gleiches gilt
im Übrigen hinsichtlich der ab dem 01.04.2007 an-stehenden Beitragsbemessung für
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die Auffangversicherung d. Kl. nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 i.V.m. §§ 227, 240 SGB V. Soweit
d. Kl. und ihr Ehemann meinen, jegliche Änderung des früher einmal festgesetzten
Beitrags sei ausgeschlossen, weil vertraglich nur eine Versicherung zum Mindestbeitrag
abgeschlossen worden sei, so verkennen sie den Charakter der öffentlich-rechtlichen
Versicherungsbeziehung in grober Weise. Hier werden Beitrags- und
Leistungsregelungen nicht durch Privatabreden, sondern durch Gesetz und
Satzungsrecht geregelt.
Fraglich kann allenfalls sein, ob d. Bekl. die Beitragserhöhungen ab 01.01.2006 formell
ordnungsgemäß nach §§ 45, 48 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X -
Sozialverwaltungsverfahrens) abgewickelt hat. Denn schon vor diesem Zeitpunkt hätte
d. Kl. nach den derzeitigen Erkenntnissen offensichtlich höhere, dem gemeinsamen
Ehegatteneinkommen angepasste Beiträge zahlen müssen, mit der Folge, dass bereits
frühere Beitragsbescheide rechtswidrig gewesen sein könnten. Ob und inwieweit die
Voraussetzungen der genannten Vorschriften zu einer Änderung der Beitragseinstufung
vorgelegen haben, wurde bislang von d. Bekl. nicht einmal im Ansatz begründet. Ob
dieser Gesichtspunkt Bedeutung hat, wird das SG ggf. auch unter Berücksichtigung des
im Verfahren S 8 KR 352/06 erfassten Streitgegenstandes entscheiden müssen. Soweit
im Übrigen d. Bekl. die Beendigung der Mitgliedschaft festgestellt hat, wird auf die vom
Senat bereits am 08.07.2008 geäußerten Bedenken verwiesen: Insbesondere die
mangelnde Differenzierung von KV- und PV-Beiträgen in den Mahn- und
Hinweisschreiben könnte dazu geführt haben, dass die Belehrungen d. Bekl. in Hinblick
auf § 191 Satz 1 Nr. 3 SGB V alter Fassung unrichtig oder missverständlich waren, denn
die Höhe der zu zahlenden, für die Beendigung der Mitgliedschaft maßgeblichen
Beitragsrückstände allein zur KV scheint für einen objektiven Dritten zu keinem
Zeitpunkt eindeutig kenntlich gemacht worden zu sein.
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Indes sind alle diese, teilweise zugunsten der Kl. sprechenden Überlegungen für die
Beurteilung des PKH-Antrags letztlich unmaßgeblich. Denn entscheidend ist, dass d. Kl.
ihre Bedürftigkeit im Rahmen von § 73a SGG i.V.m. §§ 114, 155 ZPO nicht ausreichend
glaubhaft gemacht hat. Zwar verfügt d. Kl. offensichtlich angesichts der nur von Fall zu
Fall erfolgenden Zahlungen ihres Ehemannes nicht über ein ausreichendes eigenes
Einkom-men, um die Anwaltskosten für den anhängig gemachten Sozialprozess
abzudecken. Jedoch steht d. Kl. angesichts der bekannt gewordenen
Einkommensverhältnisse nach wie vor gegen ihren Ehegatten ein Anspruch auf
Prozesskostenvorschuss nach § 1360a Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu.
Ist ein Ehegatte nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsstreites zu tragen, der - wie im
Beitragsstreit hier - eine persönliche Angelegenheit betrifft, ist der andere Ehegatte
verpflichtet, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Für
eine Unterhaltsverpflichtung nach dieser Vorschrift spricht das durch die ESt-Erklärung
wiederholt belegte Jahreseinkommen des Ehemannes von mehr als 40.000,00 Euro in
den Vorjahren. Dass sich daran etwas geändert hat, ist weder durch eidesstattliche
Versicherungen, etwa des Ehemannes, oder durch substantiierte Darlegung der
Einkommens- und Erwerbsverhältnisse des Ehemannes belegt. Es mag sein, dass der
Ehemann d. Kl. aufgrund der von d. Kl. angedeuteten Indizien nicht in der Lage sein
könnte, einen Vorschuss zu leisten. Dies aber müsste glaubhaft gemacht sein (zur
Darlegungspflicht, vgl. Oberlandesgericht (OLG) Koblenz, Zeitschrift für das gesamte
Familienrecht (FamRZ) 2002, 1126). Daran fehlt es weiterhin.
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Es ist d. Kl. auch zuzumuten, ihre Ansprüche auf sachgerechte Auskunft über die
Einkommensverhältnisse und auf Gewährung eines Prozesskostenvorschusses gegen
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ihren Ehegatten (familien-)gerichtlich durchzusetzen, bevor sie Leistungen des
Justizfikus beansprucht. Dies entspricht auch der in § 1360a Abs. 4 BGB
angesprochenen Billigkeit. Denn das im Verwaltungsverfahren gezeigte Eingreifen des
Ehemanns und seine Argumentation gegenüber der Bekl. belegen, dass er sich -
insoweit in Übereinstimmung mit d. Kl. - grundsätzlich für verpflichtet hält, den KV-
Schutz seiner Ehefrau (trotz seiner offenbaren Unwiligkeit, ausreichenden Unterhalt zu
leisten oder seine Unfähigkeit zur Unterhalts-leistung zu belegen) sicher zu stellen. In
weiterer Übereinstimmung mit d. Kl. hat er allerdings grob rechtsfehlerhafte
Vorstellungen über die Beitragsbemessung. Insoweit besteht ungeachtet der von d. Kl.
behaupteten Differenzen eine Gemeinsamkeit der beiderseitigen Interessen der
Eheleute. Im Übrigen werden das SG und d. Bekl., sofern es darauf förmlich ankommt, in
der Hauptsache ohnedies gehalten sein, die Einkommens-verhältnisse des Ehemannes
durch dessen Vernehmung, notfalls mit Zwang (in Unterhaltssachen entfällt ein
Zeugnisverweigerungsrecht, vgl. § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO; siehe dazu etwa
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Beschluss vom 19.12.1988
Aktenzeichen (Az.) L 12 S 83/88 in: juris.de; LSG Berlin, Breithaupt1996, 449 ff., auch
OLG Karlsruhe, FamRZ 1989, 764 ff.; OLG Düsseldorf, FamRZ 1980, 616 ff. ) zu
erhellen. Ist dies aber der Fall, treten die von d. Kl. befürchteten Folgen (Verweisung aus
der Familienwohnung, Aggressivität des Ehemannes) ohnehin zurück. Zudem wird d.
Kl. auch ansonsten die eheliche Beziehung in Frage stellen können, wenn ihr Ehemann
sie in einem massiven Grundbedürfnis (nämlich des Krankenschutzes) ohne
Unterstützung lässt. Sollte sich bei der evtl. erforderlichen weiteren Sachaufklärung in
der Hauptsache herausstellen, dass der Ehemann nicht in der Lage ist,
Unterhaltsleistungen wie die Sicherstellung der Krankenversorgung zu erbringen, wird
dies auch Rückschlüsse auf die finanziellen Voraussetzungen eines PKH-Anspruchs
haben. Insoweit bleibt es d. Kl. unbenommen, zu einem späteren Zeitpunkt - bei
besseren Erkenntnissen - einen erneuten PKH-Antrag zu stellen.
Soweit vertreten wird, dass eine Verweisung eines PKH-Antragstellers auf den Prozess-
kostenvorschuss nur dann zulässig ist, sofern sich der Anspruch alsbald und ohne
Probleme durchsetzen lässt (vgl. etwa nur Zöller-Philippi, ZPO, Kommentar, 27. Auflage,
2009, § 115 Randnummern (RNr.)71 und 71a mit weiteren Nachweisen (m.w.N.);
Baumbach u.a., ZPO, Kommentar, 67. Aufl., 2009, RNr. 59 m.w.N.), folgt dem der Senat
für eine Fallgestaltung wie der vorliegenden nicht. Denn dann würde das offenbare
Fehlverhalten des leistungsfähigen Ehepartners zu seiner eigenen finanziellen
Entlastung beitragen, ohne dass zumindest der unterhaltsbedürftige Ehegatte den
nachhaltigen Versuch gemacht hätte, die ihm zustehenden Unterhaltsleistungen zu
verlangen. In einem solchen Falle ist es der Antragstellerin zuzumuten,
(erforderlichenfalls im einstweiligen Rechtsschutz) gegen ihren Ehegatten zunächst
zivilrechtlich vorzugehen (ähnlich OLG Koblenz, FamRZ 96, 226). Das gilt um so mehr,
als derzeit auch ohne Beitragszahlung ein Krankenversicherungsschutz zumindest für
den Notfall nach den neuen Regelungen des § 5 Abs. 1 Nr. 13, § 16 Abs. 3a SGB V in
der ab dem 01.04.2007 geltenden Fassung besteht (Wiederaufnahme d. Kl. in die KV ab
01.04.2007; kein Ruhen der KV-Leistungen bei akuter Erkrankung und
Schmerzzuständen).
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Bei alldem hält es der Senat für angemessen, die Beteiligten zwecks Beilegung des
Rechtsstreites in der Hauptsache auf Folgendes hinzuweisen: Da die bis zum
15.08.2006 aufgelaufenen Beitragsschulden durch die Weiterzahlung von Beiträgen
seitens des Ehemannes d. Kl. ausgeglichen sind und erst ab April 2007 wieder ein
(Pflicht-) Versicherungsverhältnis (nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V) begründet worden ist,
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sollten die Beteiligten den Rechtsstreit um das Ausscheiden aus der freiwilligen
Versicherung zum 15.08.2006 für erledigt erklären. Der Ehemann d. Kl. sollte sich bereit
finden, entweder gegenüber der Bekl. seine Vermögensverhältnisse zu offenbaren oder
aber ab 01.04.2007 Versicherungsbeiträge für seine Ehefrau zu leisten, die der Hälfte
seiner durch die Einkommensteuerbescheide belegten Einkünfte entsprechen,
jedenfalls solange, bis er ein niedrigeres Einkommen glaubhaft nachweist. Dies gilt
insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer Strafbarkeit bei Verletzung der
Unterhaltspflicht (§ 170 Abs. 1 des Strafgesetzbuches - StGB -). Seinen angeblichen
finanziellen Schwierigkeiten könnte durch eine Ratenzahlungsvereinbarung hinsichtlich
aufgelaufener Beitragsforderungen entsprochen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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Rechtsmittelbelehrung: Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
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