Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 25.02.2008

LSG NRW: aufschiebende wirkung, verpflegung, auszahlung, verordnung, entzug, zuwendung, verwaltung, behandlung, rechtskraft, glaubhaftmachung

Landessozialgericht NRW, L 19 B 2/08 AS ER
Datum:
25.02.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 19 B 2/08 AS ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Gelsenkirchen, S 31 AS 136/07 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Der Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage in
dem Verfahren S 31 AS 109/07 wird als unzulässig verworfen. Die
Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen
vom 06.12.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind
nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
wird abgelehnt.
Gründe:
1
I.
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Streitig ist die Auszahlung von 40,48 EUR, um die die Antragsgegnerin die
Grundsicherungsleistung an die Antragstellerin im Hinblick auf deren Verpflegung
während eines Krankenhausaufenthaltes vom 12.09. bis 21.09.2007 gekürzt hat.
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Mit Bescheid vom 22.08.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
20.09.2007 setzte die Antragsgegnerin die der Antragstellerin zuvor mit Bescheid vom
05.06.2007 bis zum 31.12.2007 in Höhe von monatlich 526,83 EUR bewilligten
Leistungen nach dem SGB II für September 2007 auf 449,91 EUR und für die Folgezeit
auf monatlich 405,38 EUR herab. Sie berücksichtigte hierbei einen stationären
Krankenhausaufenthalt der Antragstellerin ab dem 12.09.2007, in dessen Folge - so die
Antragsgegnerin - die Antragstellerin Verpflegung in einem Wert von 35 % der
Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 SGB II - 35 % von 347,00 EUR gleich 121,45 EUR -
erspare.
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Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin Klage erhoben - S 31 AS 109/07 SG
Gelsenkirchen -. Im Hinblick auf die Beendigung des Krankenhausaufenthaltes der
Antragstellerin ab dem 22.09.2007 hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom
08.10.2007 Leistungen an die Antragstellerin für September 2007 i.H.v. 464,35 EUR
sowie für die Zeit vom 01.10. bis zum 31.12.2007 i.H. der ursprünglichen Bewilligung
aus dem Bescheid vom 05.06.2007 von 526,83 EUR monatlich zuerkannt.
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Mit Antrag an das Sozialgericht vom 23.11.2007 im vorliegenden Verfahren hat die
Antragstellerin beantragt:
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"die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 08.10.2007 nach § 86b Abs. 1 Satz
2 Nr. 2 SGG herzustellen."
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In der Begründung dieses Antrages hat sie die Auszahlung der für September
einbehaltenen 40,48 EUR mit dem Hinweis begehrt, die Kürzung sei rechtswidrig
gewesen.
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Mit Beschluss vom 06.12.2007 hat das Sozialgericht den als Antrag auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung verstandenen Antrag abgelehnt. Der gestellte Antrag beziehe
sich auf den Änderungsbescheid vom 08.10.2007, der jedoch nach § 96 des
Sozialgerichtsgesetzes - SGG - Gegenstand des Klageverfahrens S 31 AS 109/07 und
als solcher nicht separat anfechtbar sei. Darüber hinaus bestehe auch kein Grund, die
aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfes gegen den Bescheid vom 08.10.2007
anzuordnen. Die Rechtsfrage, ob bei Inanspruchnahme von Krankenhauskost
Leistungen nach dem SGB II gekürzt werden können, sei vor dem Hintergrund
uneinheitlicher Rechtsprechung hierzu als offen anzusehen. Angesichts des geringen
der Antragstellerin drohenden bzw. eingetretenen Nachteiles gewinne das vom
Gesetzgeber durch den grundsätzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in §
39 SGB II anerkannte öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Absenkung
Vorrang.
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Gegen den am 10.12.2007 zugestellten Beschluss richtet sich die mit einem Antrag auf
Prozesskostenhilfe verbundene Beschwerde der Antragstellerin vom 03.01.2008, mit
der sie ihren Anspruch auf Auszahlung von 40,48 EUR weiter verfolgt. Auch ausgehend
von der Auffassung, dass die Zuwendung von Kost im Krankenhaus zur Erzielung
sonstiger Einnahmen nach § 2 der "Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie
zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld
II/Sozialgeld" - Alg II-V - führe, sei dies nicht anrechenbar, weil es unterhalb der
Geringfügigkeitsgrenze von 50,00 EUR nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V liege. Die
Notwendigkeit, die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage herzustellen,
folge neben der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Einkommensanrechnung auch
aus der Tatsache, dass der Antragstellerin ein Teilbetrag der absolut erforderlichen
Mittel zur Deckung ihres soziokulturellen Existensminimums entzogen werde. Die
fehlenden 40,48 EUR seien angesichts der Einkommmensverhältnisse der
Antragstellerin für diese bedeutsamer als für Durchschnittsverdiener.
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Die Antragstellerin beantragt:
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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 08.10.2007 sowie der Klage Az.: S
31 AS 109/07 nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG herzustellen. sowie ihr
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T, H, zu bewilligen.
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Die Antragsgegnerin verweist auf ihre bisherige Begründung. Zu Einzelheiten wird auf
den Akteninhalt Bezug genommen.
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II.
14
Der Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid
vom 05.06.2007 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2007 ist unzulässig und
daher entsprechend § 158 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - als unzulässig zu
verwerfen. Nach § 172 Abs. 1 SGG findet die Beschwerde gegen Entscheidungen der
Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden
der Sozialgerichte statt. Eine anfechtbare Entscheidung des Sozialgerichts im Sinne
von § 172 Abs. 1 SGG über die Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage
gegen die vorgenannten Bescheide liegt nicht vor. Das Sozialgericht hat über den
Antrag entschieden, "die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 08.10.2007
nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG herzustellen" und in den Gründen der
Entscheidung klar gestellt, dass es diesen Antrag als auf Herstellung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gegen den Änderungsbescheid vom
08.10.2007 gerichtet ansieht. An einer Entscheidung des Sozialgerichts als Grundlage
einer Befassung des Senats fehlt es demnach.
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Die im Übrigen zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen
(Beschluss vom 04.01.2008), ist unbegründet.
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Der Senat teilt die Einschätzung des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung,
dass die Rechtsfrage, ob die Zuwendung von Mahlzeiten als Einkommen i.S. von § 11
SGB II anzusehen ist, bislang nicht geklärt ist. Über die bereits vom Sozialgericht
gegebenen Hinweise hinaus ist auf mehrere derzeit beim Bundessozialgericht
anhängige Verfahren zu verweisen (- B 14 AS 22/07 R - sowie - B 14 AS 58/07 R - zur
Anrechnung von Verpflegung beim vollstationärer Behandlung; - B 14 AS 46/07 R - zur
Anrechnung kostenfreier Verpflegung im Elternhaushalt). Der erkennende Senat hat
diese Rechtsfrage noch nicht entschieden.
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Da ein Erfolg im Hauptsacheverfahren für das vorliegende Verfahren als offen
angesehen werden muss, ist im Wege der Folgenabwägung über die Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes zu befinden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - = NvwZ 2005, 927 ff.; Breithaupt 2005, 803 ff.; info also
2005, 166 ff.).
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Dem vom Gesetzgeber durch Schaffung von § 39 SGB II als regelmäßig überwiegend
anerkannten Vollzugsinteresse der Verwaltung kann die Antragstellerin nur die
Rechtsbeeinträchtigungen entgegenhalten, die sich aus dem zeitweiligen Entzug von
40,48 EUR für die Dauer des Hauptsacheverfahrens ergeben. Diese Folgen sind der
Höhe des entzogenen Betrages nach geringfügig und rechtfertigen eine Umkehr des
gesetzlichen Regelfalles, wonach aufschiebende Wirkung eben nicht eintritt, nicht. Der
mit der Beschwerdebegrün-dung gegebene pauschale Hinweis, dass der Entzug auch
geringfügiger Beträge für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II schwerer wiegt als
für Durchschnittsverdiener, genügt nicht den Anforderungen an die Glaubhaftmachung
eines konkreten, im Einzelfall des Betroffenen auftretenden schwerwiegenden
Nachteiles.
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Entgegen der Beschwerdebegründung scheidet die Anrechnung - gegebenenfalls -
erzielter Einnahmen in Gestalt der an den 10 Tagen des Krankenhausaufenthaltes
zugewendeten Ernährung nicht von vorneherein nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung
zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücktigung von Einkommen und
Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld - Alg II-V - aus. Denn bei den - wiederum:
gegebenenfalls - an zehn aufeinanderfolgenden Tagen erzielten "Einnahmen" handelt
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es sich um mehrerer Teilvorgänge, die schon begrifflich keine "einmalige Einnahme"
darstellen (vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 11 Rdnr. 29).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
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Prozesskostenhilfe steht nach §§ 73a SGG, 114 der Zivilprozessordnung - ZPO - nicht
zu, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den vorstehenden Gründen keine
hinreichende Erfolgsaussicht aufweist.
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Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig.
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