Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.01.2009
LSG NRW: vermieter, betriebskosten, nachforderung, nebenkosten, angemessenheit, abrechnung, wohnung, nachzahlung, anteil, rechtsgrundlage
Landessozialgericht NRW, L 7 AS 44/08
Datum:
22.01.2009
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 7 AS 44/08
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 6 AS 246/07
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 4 AS 62/09 R
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln
vom 11.04.2008 abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des
Bescheides vom 14.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 09.10.2007 verurteilt, den Klägern auf die Heiz- und
Nebenkostenabrechnung vom 21.03.2007 Leistungen für Unterkunft und
Heizung in Höhe von 976,00 Euro zu gewähren und diesen Betrag an
den Vermieter der Kläger auszuzahlen. Die Berufung wird im Übrigen
zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der
Kläger zu 1) bis 9) für beide Rechtszüge zu 7/10. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
1
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme einer Betriebs- und
Heizkostennachforderung für das Kalenderjahr 2006 streitig.
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1. Die Kläger bilden eine neunköpfige Familie. Der am 00.00.1965 geborene Kläger zu
1) und die am 00.00.1970 geborene Klägerin zu 2) sind erwerbsfähig und Eltern der
Kläger zu 3) bis 9), die am 00.00.1990, 00.00.1991, 00.00.1995, 00.00.1996,
00.00.1999, 00.00.2002 sowie 00.00.2006 geboren sind. Zusammen bewohnen sie eine
114 m² große 5-Zimmer-Wohnung in einem Mehrfamilienhaus (Gesamtwohnfläche 911
m²) in T. Für diese Wohnung hatten die Kläger zu 1) und 2), die gemeinsam
Vertragspartner des Mietvertrages sind, nach § 4 des am 13.11.2003 geschlossenen
Wohnungsmietvertrages im Jahre 2006 547,20 Euro Kaltmiete, 20,00 Euro für die
Nutzung einer Garage und 228,00 Euro Vorauszahlung auf die Betriebs- und
Heizkosten monatlich an ihren Vermieter zu zahlen. Zu den Betriebskosten ist in § 4
("Miete und Betriebskosten") des Formularmietvertrages vereinbart: "Abzurechnende
Vorauszahlung auf die Betriebskosten gemäß § 27 II. Berechnungsverordnung".
3
Nach einer von den Klägern eingereichten Mietbescheinigung ihres Vermieters vom
4
23.06.2006 waren in der Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung Kosten für die
Warmwasserbereitung enthalten. Ab dem 01.01.2007 erhöhten sich die Betriebs- und
Heizkostenvorauszahlungen nach einer Mietbescheinigung vom 31.12.2006 auf
monatlich 285,00 Euro.
2. Die Kläger beziehen seit dem 01.01.2005 Leistungen der Grundsicherung für
Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
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a) Im gesamten Jahr 2006 gewährte die Beklagte Leistungen unter Anerkennung der
tatsächlichen Kosten für die Kaltmiete (547,20 Euro) und der monatlichen Betriebs- und
Heizkostenvorauszahlung von 228,00 Euro (insgesamt monatlich 775,20 Euro:
Leistungsbescheide vom 15.12.2005, 08.06.2006 und 22.12.2006).
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Mit Bescheid vom 08.11.2006 übernahm die Beklagte eine Betriebs- und
Heizkostennachforderung des Vermieters der Kläger für das Kalenderjahr 2005 über
1.211,80 Euro in voller Höhe.
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b) Im Jahr 2007 gewährte die Beklagte Leistungen unter Anerkennung der tatsächlichen
monatlichen Kaltmiete, monatlicher Nebenkosten von 226,85 Euro (einschließlich
Garage: monatlich 20,00 Euro) und monatlicher Heizkosten von 61,09 Euro (insgesamt
monatlich 835,14 Euro: Leistungsbescheide vom 10.01.2007, 12.06.2007 und
31.10.2007). Die Beklagte ging dabei davon aus, dass in der monatlichen Betriebs- und
Heizkostenvorauszahlung von 285,00 Euro eine Heizkostenvorauszahlung in Höhe von
78,15 Euro enthalten war, so dass sich eine Nebenkostenvorauszahlung von 206,85
Euro errechnet (285,00 Euro abzüglich 78,15 Euro). Die Heizkostenvorauszahlung hat
die Beklagte nicht in Höhe von 78,15 Euro, sondern nur in Höhe von 61,09 Euro
monatlich übernommen. Nur diesen Betrag hielt sie hinsichtlich der Heizkosten offenbar
für angemessen und errechnete diesen pauschalierend u.a. nach den Parametern "max.
Verbrauch/m2", "Wohnungsgröße" und Energiepreis"; wegen der Einzelheiten wird auf
Blatt 107 der Verwaltungsakte verwiesen. 3. Mit Schreiben vom 21.03.2007 übersandte
der Vermieter der Kläger den Klägern die Heiz- und Betriebskostenabrechnung für das
Kalenderjahr 2006 vom 06.03.2007.
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a) Danach waren im Jahre 2006 insgesamt 897,77 Euro Heizkosten und 3.251,26 Euro
Hausnebenkosten für die von den Klägern bewohnte Wohnung entstanden.
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Als Hausnebenkosten wurden dort aufgeführt: Kaltwasser für Warmwasser Kanal für
Warmwasser Kaltwasser Kanal Versicherungen Grundsteuer Hausmeister
Entwässerung Müllabfuhr Strom allgemein Fahrstuhl Zähler-Miete Straßenreinigung
Hausreinigung
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 113 der Verwaltungsakte verwiesen.
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In den Heizkosten waren insgesamt 226,29 Euro Kosten für die Warmwasserbereitung
enthalten. Die Heiz- und Warmwasserbereitungskosten für die von den Klägern
bewohnte Wohnung wurden dabei berechnet, indem die gesamten Heiz- und
Warmwasserbereitungskosten, die für das von den Klägern bewohnte Mehrfamilienhaus
angefallen waren, zunächst nach einem Verteilungsschlüssel von 30% zu 70% in
Grundkosten und Verbrauchskosten aufgeteilt wurden und sodann die Grundkosten
bezogen auf die von den Klägern bewohnte Wohnfläche und die Verbrauchskosten
bezogen auf die auf die Kläger entfallenden Verbrauchseinheiten ermittelt wurden. Die
12
für das von den Klägern bewohnte Mehrfamilienhaus insgesamt angefallenen
Warmwasserbereitungskosten wurden dabei pauschal ermittelt, indem 18% der
gesamten Heizkosten als Warmwasserkosten zugrunde gelegt wurden.
Nach Abzug der im Jahre 2006 geleisteten Vorauszahlungen von insgesamt 2.736,00
Euro (12 x 228 Euro) ergab sich nach der Abrechnung eine von den Klägern zu
leistende Nachzahlung von 1.413,03 Euro. Der Vermieter gab den Klägern auf, die
Nachzahlung bis zum 30.04.2007 auf sein Konto zu überweisen.
13
b) Die Heiz- und Betriebskostenabrechnung reichten die Kläger am 04.06.2007 bei der
Beklagten ein. Mit Bescheid vom 14.06.2007, der alleine an den Kläger zu 1) adressiert
war, lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten aus der Heiz- und
Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2006 ab. Zur Begründung führte sie aus, nach §
37 Abs. 2 SGB II würden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht für
Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Die nach § 37 SGB II erforderliche,
unverzügliche Antragstellung auf Übernahme der angefallenen Kosten aus der Heiz-
und Nebenkostenabrechnung 2006 sei erst am 04.06.2007 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt
habe die Forderung bereits den Charakter einer Schuldverbindlichkeit dargestellt.
Aufgrund der späten Antragstellung sei die Übernahme der Forderung abzulehnen.
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c) Mit dem hiergegen ausdrücklich nur im Namen des Klägers zu 1) eingelegten
Widerspruch machte der Prozessbevollmächtigte der Kläger geltend, eine
Verweigerung der Übernahme der Neben- und Heizkostenabrechnung 2006 sei erst
dann möglich, wenn die Kläger die Frist gemäß § 556 Abs. 3 Satz 5 Bürgerliches
Gesetzbuch (BGB) versäumt hätten. Erst nach Verstreichen der Einwendungsfristen des
BGB würde ein Umstand geschaffen, welcher eigenständig forderungsbegründend und
für die Sozialbehörde ggf. nachteilig sein könnte. Es mache vorliegend überhaupt
keinen Unterschied, ob die Kläger unmittelbar im März 2007 oder, wie geschehen, erst
im Juni 2007 einen Antrag gestellt hätten. Für die Beklagte sei zwischenzeitlich noch
keinerlei zusätzlicher rechtlicher Nachteil entstanden. Vielmehr könne sie die
Betriebskostenabrechnung nach wie vor auf ihre Plausibilität hin überprüfen und ggf.
kürzen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als
unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, eine Übernahme der
Nachforderung als Zuschuss nach § 22 Abs. 1 SGB II sei nicht möglich gewesen, da es
sich hierbei nicht mehr um laufende Unterkunftskosten gehandelt habe. Dies wäre nur
dann der Fall gewesen, wenn die Übernahme der Nebenkostenabrechnung vor Ablauf
der Fälligkeit (= eingeräumte Frist zur Begleichung der Rechnung) beantragt worden
wäre. Aufgrund der verspäteten Vorlage habe es sich jedoch um Mietschulden
gehandelt, so dass laufende Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II zu versagen gewesen
wären. Eine darlehensweise Übernahme der Nachforderung gemäß § 22 Abs. 5 SGB II
komme ebenfalls nicht in Betracht, da die rückständige Nebenkostennachforderung
keine Kündigung rechtfertige und somit keine Wohnungslosigkeit einzutreten drohe. 4.
Hiergegen hat der Kläger zu 1) am 12.11.2007 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Köln
erhoben. Auf Hinweis des SG hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit am
13.12.2007 eingegangenem Schreiben unter Einreichung einer Prozessvollmacht der
Klägerin zu 2) ausgeführt, dass der klageweise geltend gemachte Anspruch auch für die
Kläger zu 2) bis 9) geltend gemacht werde.
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Die Kläger haben vorgetragen, es sei vollkommen zufällig, ob der Vermieter in seiner
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Nebenkostenberechnung eine konkrete Zahlungsfrist bestimme oder nicht und wie
lange die Zahlungsfrist sei. Die durch den Vermieter eingeräumte Zahlungsfrist sei im
Hinblick auf die Regelung des § 556 Abs. 3 BGB auch irrelevant. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sei die Nachforderung aus einer
Nebenkostenabrechnung unmittelbar mit Zugang der Abrechnung fällig, wenn der
Vermieter überhaupt kein Zahlungsziel benenne. In diesen Fällen hätte die Auffassung
der Beklagten zur Folge, dass eine Nachzahlungsforderung aus einer
Nebenkostenabrechnung niemals zu übernehmen wäre. Im Hinblick auf die
Angemessenheit der Heiz- und Nebenkostenabrechnung sei zu berücksichtigen, dass
die Energiepreise im Jahr 2006 gestiegen seien. Zudem sei zu bedenken, dass bei
einer Wohnungsbelegung durch eine 8- bis 9-köpfige Familie stets höhere Heizkosten
anfallen, da mit einem erhöhten Energieverlust infolge Lüftens zu rechnen sei.
Schließlich sei unverständlich, warum die Warmwasserkosten bereits mit der gewährten
Regelleistung abgegolten sein sollten.
Die Kläger haben schriftsätzlich beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14.06.2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 09.10.2007 zu verurteilen, die Kläger von den
Nachzahlungsansprüchen ihres Vermieters aus der Nebenkostenjahresabrechnung
vom 21.03.2007 in Höhe von 1.413,03 Euro gegenüber dem Vermieter der Kläger freizu
stellen,
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hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, den Klägern einen Betrag von 1.413,03 Euro
darlehensweise zur Abgeltung der Nachforderungsansprüche ihres Vermieters aus der
Nebenkostenabrechnung vom 21.04.2007 zur Verfügung zu stellen.
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Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat sich auf die Arbeitshinweise des kommunalen Trägers, des Rhein-Sieg-Kreises,
berufen, in denen es unter Ziffer 22.01.03 heiße, dass eine
Mietnebenkostennachforderung nur dann laufender Unterkunftsbedarf sei, wenn die
Übernahme der Nebenkostenabrechnung vor Ablauf der Fälligkeit (= eingeräumte Frist
zur Begleichung der Rechnung) beantragt werde. Andernfalls handele es sich um
Mietschulden, so dass laufende Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II zu versagen seien.
Was die Höhe der Neben- und Heizkostennachforderung betreffe, gelte Folgendes:
Unter Berücksichtigung der im Jahre 2006 insgesamt angefallenen Kaltnebenkosten
von 3.251,26 Euro seien die Unterkunftskosten der Kläger (Kaltmiete und Nebenkosten)
im Jahre 2006 von umgerechnet 818,14 Euro monatlich nach den Vorgaben des Rhein-
Sieg-Kreises sowohl für einen 9- als auch für einen 8-Personen-Haushalt im Stadtgebiet
T angemessen gewesen. Was die im Jahre 2006 insgesamt angefallenen Heizkosten
betreffe, so seien zunächst die hierin enthaltenen Warmwasserkosten in Höhe von
226,29 Euro herauszurechnen, da diese bereits mit den gewährten Regelleistungen
abgegolten seien. Die reinen Heizkosten hätten deshalb im Jahre 2006 insgesamt
671,48 Euro betragen. Diese könnten grundsätzlich insgesamt nicht mehr als
angemessen gewertet werden, da der Verbrauch der Kläger gemessen an der von ihnen
bewohnten Wohnfläche, die 12,51% der Gesamtwohnfläche des Hauses ausmache,
anteilsmäßig höher gewesen sei, als der Verbrauch der übrigen Bewohner des Hauses.
Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Gesamtheizkosten dergestalt ermittelt
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worden seien, dass 30% Grundkosten und 70% Verbrauchskosten zugrunde gelegt
worden seien, wären bezogen auf den von den Klägern bewohnten Wohnflächenanteil
lediglich Heizkosten in Höhe von 630,79 Euro im Jahre 2006 angemessen gewesen. Zu
berücksichtigen sei jedoch, dass die Leistungen für Heizung um bis zu 20% über den
ermittelten angemessenen Betrag aufgestockt werden könnten, wenn besondere
Umstände erkennbar seien, aufgrund derer im Einzelfall ein höherer Heizbedarf
gerechtfertigt sei. Ein solcher besonderer Umstand sei das Vorhandensein eines
Kleinkindes unter drei Jahren im Haushalt. Im vorliegenden Fall sei dieser Umstand
durch die Person des Klägers zu 9) ab dem 22.11.2006 gegeben gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt.
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5. Mit Urteil vom 11.04.2008 hat das SG Köln ohne mündliche Verhandlung die
Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14.06.2007 und des
Widerspruchsbescheids vom 09.10.2007 verurteilt, den Klägern auf die
Nebenkostenabrechnung vom 21.03.2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung in
Höhe von 1.336,00 Euro zu gewähren und diesen Betrag an den Vermieter der Kläger
auszuzahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen.
25
Das SG hat zur Begründung ausgeführt:
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Die Klage sei zulässig und überwiegend begründet. Den Klägern stünde ein Anspruch
auf zuschussweise Übernahme der Neben- und Heizkostennachforderung in Höhe
eines Betrages von 1.336,00 Euro gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu.
27
a) Bei der streitgegenständlichen Neben- und Heizkostennachforderung handele es
sich in Höhe von 1.335,96 Euro um tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und
Heizung, die als laufender Bedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu befriedigen
seien. Nachforderungen auf Mietneben- und Heizkosten, die trotz ordnungsgemäßer
Zahlung der vertraglich vereinbarten monatlichen Vorauszahlungen entstehen und vom
Vermieter geltend gemacht werden, seien grundsätzlich als gegenwärtiger Bedarf im
Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzusehen und nicht etwa als Schulden nur unter
den Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II zu übernehmen.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten gelte nicht deshalb etwas anderes, weil die
Neben- und Heizkostennachforderung erst am 04.06.2007 und damit nach Ablauf der
vom Vermieter eingeräumten Zahlungsfrist (bis 30.04.2007) bei der Beklagten
eingereicht worden ist. Sie habe sich dadurch nicht etwa in eine "Schuld" im Sinne von
§ 22 Abs. 5 SGB II "umgewandelt", denn eine solche Annahme entbehre jeglicher
rechtlicher Grundlage.
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Aus dem Umstand, dass tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im
Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Zuschuss zu gewähren sind, wo hingegen
Schulden im Sinne von § 22 Abs. 5 SGB II nur darlehensweise übernommen werden
können, folge, dass solche Zahlungsverbindlichkeiten, die als laufender Bedarf nach §
22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu befriedigen sind, keine Schulden im Sinne des § 22 Abs. 5
SGB II sein können. Daraus folge zugleich, dass solche zivilrechtlichen oder öffentlich-
rechtlichen Verbindlichkeiten, die tatsächliche Aufwendungen im Sinne von § 22 Abs. 1
Satz 1 SGB II darstellen und dementsprechend als laufender Bedarf zu befriedigen sind,
sich nicht durch irgendwelche Umstände, insbesondere nicht durch bloßen Zeitablauf,
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in Schulden im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II umwandeln können.
b) Aus der streitgegenständlichen Nachforderung vom 21.03.2007 seien den Klägern
allerdings nur in Höhe von 1.335,96 Euro tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und
Heizung im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II entstanden.
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Die Nachforderung in Höhe von 1.413,03 Euro enthalte auch Kosten für die
Warmwasserbereitung. Diese Kosten seien nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) jedoch keine Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinne
von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, sondern als Kosten der Haushaltsenergie im Sinne von §
20 Abs. 1 SGB II aus der pauschal gewährten Regelleistung zu decken. Ausgehend
davon, dass im Jahre 2006 nach der Abrechnung vom 06.03.2007 für die Kläger
insgesamt 226,29 Euro Warmwasserkosten entstanden seien und diese 5,45% der
gesamten in der Abrechnung festgestellten Heiz- und Betriebskosten im Jahre 2006
ausmachten, betrage der Anteil der Warmwasserbereitungskosten an der
streitgegenständlichen Nachforderung 77,07 Euro (5,45% von 1.413,03 Euro). Die
Übernahme dieses Betrages könnten die Kläger nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II
verlangen.
32
Eine andere Betrachtungsweise sei auch nicht aus Rechtsgründen deshalb geboten,
weil die Beklagte bei der Berechnung der den Klägern im Jahre 2006 gewährten
Leistungen die gesamte Betriebskostenvorauszahlung zugrunde gelegt habe, ohne
einen Abschlag für die Kosten der Warmwasserbereitung vorzunehmen. Dass die
Beklagte damit im Jahre 2006 teilweise zu hohe laufende Leistungen für Unterkunft und
Heizung gewährt habe, könne nur durch Aufhebung der betreffenden
Bewilligungsbescheide gemäß § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in
Verbindung mit § 50 SGB X rückgängig gemacht werden. Die Voraussetzungen des §
45 Abs. 2 SGB X dürften nicht dadurch umgangen werden, dass die
Warmwasserbereitungskosten, für die die Beklagte in den maßgeblichen
Bewilligungsbescheiden fälschlicherweise ebenfalls Leistungen erbracht hat,
vollständig aus der Nachforderung herausgerechnet werden. Vielmehr sei lediglich der
konkrete Anteil der Warmwasserbereitungskosten aus der streitgegenständlichen
Nachforderung herauszurechnen.
33
Der Abzug eines geringeren Betrages als 77,07 Euro wegen der
Warmwasserbereitungskosten ist nicht deshalb geboten, weil nach der Abrechnung vom
06.03.2007 die Warmwasserbereitungskosten nicht konkret, sondern durch einen
Pauschalabzug von 18% von den gesamten Heizkosten ermittelt worden seien. Nach
der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei zwar, wenn die konkreten
Warmwasserbereitungskosten nicht feststehen, ein pauschaler Abzug nur in Höhe des
Betrages, der in der Regelleistung enthalten ist, d.h. monatlich 6,22 Euro bei einer
Regelleistung von 345,00 Euro, zulässig. Hieraus ergebe sich jedoch für die Kläger
bezogen auf das Jahr 2006 kein niedrigerer Anteil der aus der Regelleistung zu
deckenden Warmwasserbereitungskosten.
34
c) Die danach in der streitgegenständlichen Nachforderung enthaltenen tatsächlichen
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.335,96 Euro seien auch im
Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessen.
35
Ohne konkrete Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches Heiz- und Verbrauchsverhalten
des Hilfeempfängers sei eine Kürzung der monatlichen Vorauszahlungen auf die vom
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Leistungsträger als angemessen erachteten Richtwerte nicht zulässig (Hinweis auf
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Beschluss vom 23.05.2007, L 20
B 7/07 AS ER; Beschluss vom 21.09.2007, L 7 B 226/07 AS ER). Hierfür bestünden
keine Anhaltspunkte.
Die im Jahre 2006 angefallenen Betriebskosten (z.B. Versicherungen, Grundsteuer,
Hausmeister, Müllabfuhr, Straßenreinigung etc.) seien überwiegend unabhängig von
dem Verhalten der Kläger. Die Beklagte habe dementsprechend auch die
Angemessenheit der Nachforderung, soweit sie auf die Betriebskosten entfällt, nicht in
Abrede gestellt, zumal die monatlichen Gesamtkosten der Unterkunft einschließlich der
Kaltmiete unter Berücksichtigung der tatsächlich im Jahre 2006 entstandenen
Betriebskosten unterhalb des Betrages lagen, den der kommunale Träger für einen 8-
bzw. 9-Personen-Haushalt als angemessen ansehe.
37
6. Gegen dieses ihr am 28.04.2008 zugestellte Urteil des SG Köln hat die Beklagte am
05.05.2008 Berufung erhoben. Ergänzend trägt sie vor, die gesetzliche Regelung des §
22 SGB II nehme eine Differenzierung zwischen laufendem Bedarf und Mietschulden
vor. Betriebskosten seien Mietschulden, wenn der Antragsteller mit den Zahlungen in
Verzug sei. Der Begriff des laufenden Bedarfs sei immer in Bezug auf einen
Bedarfszeitraum (Monat) zu verstehen. Die Angemessenheit der tatsächlich
entstandenen Kosten in der Nachberechnung der Neben- und Heizkosten für das Jahr
2006 sind von der Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogen worden.
38
Die Beklagte beantragt,
39
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.04.2008 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
40
Die Kläger beantragen,
41
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
42
Sie sind der Auffassung, das SG habe zu Recht ihrer Klage im Wesentlichen
stattgegeben. Zu berücksichtigen sei ferner, dass ein Mieter nach Zugang der
Nebenkostenabrechnung zunächst eine Prüfungszeit haben müsse, um etwaige
Unstimmigkeiten zunächst mit dem Vermieter klären zu können.
43
Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass sich der in der Regelleistung
bzw. dem Sozialgeld enthaltene Anteil für Warmwasserkosten für die
Bedarfsgemeinschaft der Kläger im Jahr 2006 insgesamt auf 436,56 EUR beläuft und
dieser Betrag von dem Nachzahlungsbetrag von 1.413,03 EUR in Abzug zu bringen
sein dürfte.
44
Der Senat hat den Klägern mit Beschluss vom 10.07.2008 Prozesskostenhilfe für die
Durchführung des Berufungsverfahrens unter Beiordnung ihres
verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwaltes gewährt.
45
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf die zwischen den Beteiligten gewechselten vorbereitenden Schriftsätze, den übrigen
Akteninhalt sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen ist.
46
Entscheidungsgründe:
47
Die zulässige Berufung der Beklagten ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen
unbegründet.
48
Die Klage der Kläger ist zulässig. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen
des SG Bezug und macht sich diese nach Prüfung zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG). Die
Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Die Kläger haben einen Anspruch
gegenüber der Beklagten gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf Nachzahlung der Heiz-
und Betriebskosten für das Kalenderjahr 2006 in Höhe von insgesamt 976,00 Euro. Der
Bescheid der Beklagten vom 14.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 09.10.2007 ist insoweit rechtswidrig und war daher aufzuheben. Einen
weitergehenden Anspruch haben die Kläger jedoch nicht.
49
Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass Rechtsgrundlage für die Übernahme der Heiz-
und Betriebskostenabrechnung die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist. Danach
werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen
Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.
50
1. Die von den Klägern für das Kalenderjahr 2006 nachzuzahlenden Heiz- und
Betriebskosten sind Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs.
1 SGB II.
51
a) Nachforderungen auf Mietneben- und Heizkosten, die trotz ordnungsgemäßer
Zahlung der vertraglich vereinbarten monatlichen Vorauszahlungen entstehen und vom
Vermieter geltend gemacht werden, sind grundsätzlich als gegenwärtiger Bedarf im
Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzusehen und nicht etwa als Schulden nur unter
den Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II zu übernehmen.
52
Hierzu hat das SG ausgeführt: "Verlangt der Vermieter von dem Hilfebedürftigen im
Hinblick auf die Betriebs- und die Heizkosten für eine zentralbeheizte Unterkunft
monatliche Vorauszahlungen, besteht der nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu deckende
Bedarf zunächst darin, dass der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende dem
Hilfebedürftigen und den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Geldmittel zur Verfügung
stellt, die diese benötigen, um die von dem Vermieter verlangte Vorauszahlung
bezahlen zu können. Dieser Bedarf ist zunächst unabhängig von dem realen Bedarf an
Wärme und auch von den tatsächlichen Betriebskosten, die der Mieter nach dem
Mietvertrag endgültig zu tragen hat. Bei zu gering bemessenen Vorauszahlungen hat
der Mieter tatsächlich nur diese zu leisten. Dementsprechend besteht - mangelt es ihm
an ausreichenden eigenen Mitteln - nur insoweit Hilfebedürftigkeit. Stellt der Vermieter
am Ende der vereinbarten Rechnungsperiode anhand der dann bekannten Daten fest,
dass die monatlichen Vorauszahlungen die tatsächlich entstandenen Kosten nicht
decken und fordert er dementsprechend von dem Mieter eine Nachzahlung, so stellt
diese Nachforderung erst dann einen gegenwärtigen, nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu
befriedigenden Bedarf dar. Der Anspruch des Vermieters auf die Nachzahlung kann erst
nach endgültiger Abrechnung entstehen und fällig werden und stellt dementsprechend
erst im Zeitpunkt seiner Geltendmachung eine Tatsache dar, die als gegenwärtiger
Bedarf zu befriedigen ist."
53
Der Senat hält diese Ausführungen des SG für zutreffend und macht sich diese nach
54
Prüfung zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Nur ergänzend geht der Senat im Anschluss an den Beschluss des BSG vom
16.05.2007 (B 7b AS 40/06 R, Juris) davon aus, dass auch eine Nachforderung wegen
einer Betriebs- und Heizkostenabrechnung zu einem gegenwärtigen Bedarf führt, der
durch einmalige Leistung nach § 22 SGB II unter der Voraussetzung zu befriedigen ist,
dass zur Zeit der Entstehung, Fälligkeit und Geltendmachung der Nachforderung ein
Hilfebedarf nach dem SGB II besteht.
55
b) Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten wandeln sich Nachforderungen auf
Mietneben- und Heizkosten nicht in Mietschulden gemäß § 22 Abs. 5 SGB II um, wenn
der Hilfebedürftige mit der Erfüllung der Nachforderung in Verzug ist.
56
Denn für diese Rechtsauffassung fehlt eine Rechtsgrundlage sowie jeglicher normativer
Anknüpfungspunkt. Die Rechtsauffassung der Beklagten basiert damit auf
Rechtsfortbildung. Diese wirkt sich partiell anspruchsvernichtend aus, weil mit einer
"Verwandlung" der tatsächlichen Aufwendungen in Schulden der Anspruch auf einen
Zuschuss (§ 22 Abs. 1 SGB II) sich in einen Anspruch auf eine nur darlehensweise
Bewilligung (§ 22 Abs. 5 SGB II) verkürzen und verändern würde. Gemäß § 31 Erstes
Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) dürfen Rechte in den Sozialleistungsbereichen des
Sozialgesetzbuches aber nur geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es
vorschreibt oder zulässt; diese Vorgabe ist unabdingbar (§ 37 Satz 1 Hs. 1 SGB I). An
einem derartigen Gesetz fehlt es hier.
57
Der weitere Hinweis der Beklagten, dass der Begriff des laufenden Bedarfs immer in
Bezug auf einen Bedarfszeitraum (Monat) zu verstehen sei, ist mit dem geltenden Recht
ebenfalls nicht in Einklang zu bringen. Es ist zwar richtig, dass unter dem bis zum
31.12.2004 geltenden Bundessozialhilfegesetz die Praxis von (nur) einmonatigen
Bewilligungszeiträumen ausging. Die Rechtslage ist aber zum 01.01.2005 mit
Inkrafttreten des SGB II geändert worden. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II sollen die
Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II jeweils für sechs Monate und damit als
Dauerleistung bewilligt und erbracht werden. Das SGB II hat sich damit von der
Konzeption eines einmonatigen "Bedarfszeitraums" erkennbar verabschiedet.
58
Die Belange des Grundsicherungsträgers werden dadurch hinreichend gewährleistet,
dass im Zeitpunkt der Entstehung und Fälligkeit der Nachforderung sowie der
Antragstellung auf Übernahme der Nachzahlungsforderung ein Hilfebedarf nach dem
SGB II gegeben sein muss.
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2. Die Aufwendungen der Kläger sind in dem tenorierten Umfang auch angemessen im
Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.
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a) Dies gilt zunächst uneingeschränkt hinsichtlich der für das Kalenderjahr 2006
nachgeforderten Betriebskosten.
61
Die Angemessenheit der Betriebskosten (bzw. "kalten Nebenkosten") als Teil der
Aufwendungen für die Unterkunft setzt zur Überzeugung des Senats voraus, dass
jedenfalls die folgenden zwei Voraussetzungen erfüllt sind:
62
1.Eine mietvertragliche Vereinbarung, dass die Nebenkosten auf den/die Mieter
(überhaupt) umgelegt werden dürfen.
63
2. Die zivilrechtliche Wirksamkeit einer derartigen mietvertraglichen Vereinbarung.
64
Denn fehlt es an einer mietvertraglichen wirksamen Vereinbarung, dass die
Nebenkosten auf den hilfebedürftigen Mieter umgelegt werden dürfen, sind dem Mieter
zwar tatsächlich Aufwendungen entstanden, weil er die Nebenkosten an den Vermieter
gleichwohl entrichtet hat. Eine Übernahme solcher Nebenkosten durch den
Grundsicherungsträger wäre jedoch nicht angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II,
weil der Mieter diese Nebenkosten ohne zivilrechtlich wirksame Rechtsgrundlage und
damit ohne Rechtsgrund gezahlt hat. Es ist dem Hilfebedürftigen zur Überzeugung des
Senats in einem derartigen Fall vielmehr zuzumuten, die rechtsgrundlos gezahlten
Nebenkosten von seinem Vermieter zurückzufordern (gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1
BGB).
65
aa) Die Kläger (zu 1 und 2) haben mit ihrem Vermieter mietvertraglich vereinbart, dass
die im Streit stehenden Nebenkosten aus der Betriebskostennachzahlung für das
Kalenderjahr 2006 auf sie als Mieter umgelegt werden dürfen.
66
Das BGB geht in seinen §§ 535 und 556 Abs. 1 davon aus, dass die Nebenkosten
grundsätzlich vom Vermieter getragen werden, also durch die vereinbarte Miete (im
engeren Sinne) abgegolten sind. Abweichungen durch gesonderte Umlegung auf die
Mieter bedürfen damit grundsätzlich einer Vereinbarung (Weidenkaff in: BGB, 67.
Auflage 2008, § 535 Rn. 87 m.w.N.).
67
Eine derartige Vereinbarung haben die Kläger zu 1) und 2) mit ihrem Vermieter in § 4
des Formularmietvertrages vom 13.11.2003 getroffen. Denn danach gehört zu "Miete
und Betriebskosten" (Überschrift des § 4) auch die "abzurechnende Vorauszahlung auf
die Betriebskosten gemäß § 27 II. Berechnungsverordnung". Die damit in Bezug
genommene "Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem
Zweiten Wohnungsbaugesetz (Zweite Berechnungsverordnung - II. BV)" in der Fassung
der Bekanntmachung vom 12.10.1990 (zuletzt geändert durch Artikel 78 des Gesetzes
vom 23.11.2007, BGBl. I S. 2614) regelt (bzw. regelte) in ihrem § 27 Abs. 1 Satz 2: "Der
Ermittlung der Betriebskosten ist die Betriebskostenverordnung vom 25. November 2003
(BGBl. I S. 2346, 2347) zugrunde zu legen."
68
bb) Die Vertragsparteien haben sich damit (bereits freiwillig) dem Rechtsregime der
gemäß § 556 Abs. 4 BGB unabdingbaren Betriebskostenverordnung vom 25. November
2003 (BGBl. I S. 2346, 2347) unterworfen. Gemäß § 556 Abs. 1 Satz 3 BGB ist eine
Vereinbarung der Umlage von Kosten, die nicht als Betriebskosten unter § 2 der
Betriebskostenverordnung fallen, zivilrechtlich unwirksam (vgl. Weidenkaff a.a.O., § 556
Rn. 3).
69
Die Betriebskosten, die hier für das Kalenderjahr 2006 im Streit stehen und mit der
Nachforderung vom Vermieter der Kläger geltend gemacht worden sind, fallen sämtlich
unter § 2 der Betriebskostenverordnung.
70
cc) Der Senat lässt offen, ob die Höhe der konkreten Nebenkosten darüber hinaus
einem Vergleich mit "marktüblichen Nebenkosten" vergleichbarer Wohnungen zu
unterziehen ist. Denn hier bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die
Nebenkosten der Kläger die "marktüblichen Nebenkosten" überschreiten. Der Senat
sieht sich deshalb nicht gedrängt, "ins Blaue hinein" entsprechend zu ermitteln. Solange
71
und soweit keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Nebenkosten der
Höhe nach im konkreten Fall die Nebenkosten vergleichbarer Wohnungen (deutlich)
übersteigen, besteht zur Überzeugung des Senats ebenso wie bei der Prüfung der
Angemessenheit der Heizkosten (dazu sogleich) keine Verpflichtung zu einer
weitergehenden Sachverhaltsaufklärung.
Auch die Beklagte hat die Angemessenheit der Nachforderung, soweit sie auf die
Betriebskosten entfällt, nicht in Abrede gestellt.
72
b) Die Aufwendungen der Kläger sind in dem tenorierten Umfang auch angemessen im
Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II hinsichtlich der für das Kalenderjahr 2006
nachgeforderten Heizkosten.
73
aa) Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass die Kläger keinen Anspruch darauf haben,
dass die für das Kalenderjahr 2006 nachgeforderten Heizkosten in voller Höhe
übernommen werden.
74
Grund hierfür ist, dass die Nachforderung in Höhe von 1.413,03 Euro für die Heizkosten
auch Kosten für die Warmwasserbereitung enthält. Diese Kosten der
Warmwasserbereitung sind jedoch keine Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinne
von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, sondern als Kosten der Haushaltsenergie im Sinne von §
20 Abs. 1 SGB II aus der pauschal gewährten Regelleistung, die nicht erhöht werden
kann (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II), zu decken (so Bundessozialgericht (BSG), Urteil
vom 27.02.2008, B 14/11b AS 15/07 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 5). Das SG hat in seiner
angefochtenen Entscheidung die Beteiligten auf diese Rechtsprechung des BSG bereits
hingewiesen.
75
Das SG hat zur Berechnung der Warmwasserkosten ausgeführt: "Ausgehend davon,
dass im Jahre 2006 nach der Abrechnung vom 06.03.2007 für die Kläger insgesamt
226,29 Euro Warmwasserkosten entstanden sind und diese 5,45% der gesamten in der
Abrechnung festgestellten Heiz- und Betriebskosten im Jahre 2006 ausmachen, beträgt
der Anteil der Warmwasserbereitungskosten an der streitgegenständlichen
Nachforderung 77,07 Euro (5,45% von 1.413,03 Euro). Die Übernahme dieses Betrages
können die Kläger nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II verlangen."
76
Dieser Berechnungsansatz überzeugt den Senat nicht. Entsprechend der soeben
zitierten Rechtsprechung des BSG ist nicht die Heizkostenabrechnung des Vermieters
und sein Abrechnungsmodus zugrunde zu legen, sondern es sind - entsprechend der
unterschiedlichen Höhe der Regelleistung - folgende Beträge von den Heizkosten pro
Monat abzuziehen:
77
Kläger zu 1 und 2: Abzug pro Person: 5,60 Euro - Gesamtabzug pro Monat: 11,20 Euro
Kläger zu 3 und 4: Abzug pro Person: 4,98 Euro - Gesamtabzug pro Monat: 9,96 Euro
Kläger zu 5 bis 8: Abzug pro Person: 3,73 Euro - Gesamtabzug pro Monat: 14,92 Euro
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Insgesamt: 36,08 Euro
79
Für die Kläger zu 1 bis 8 errechnet sich daraus für das Jahr 2006 der Betrag von 432,96
Euro (12 Monate x 36,08 Euro).
80
Zusätzlich ist der am 22.11.2006 geborene Kläger zu 9) zu berücksichtigen (für den
81
Monat Dezember 2006), und zwar mit einem "Warmwasserabzug" von 3,73 Euro.
Daraus errechnet sich ein "Gesamt-Warmwasserabzug" von 436,69 Euro. Dieser Betrag
ist von der Gesamtnachzahlung von 1.413,03 Euro abzuziehen, so dass die Kläger
einen Anspruch auf 976,34 Euro haben. Abgerundet gemäß § 41 Abs. 2 SGB II sind
dies die im Tenor ausgewiesenen 976,00 Euro. Die Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2
SGB II findet hier Anwendung. Der Umstand, dass der genannte Betrag antragsgemäß
an den Vermieter der Kläger auszuzahlen ist (dazu noch sogleich), steht dem nicht
entgegen, weil Anspruchsinhaber allein die Kläger sind und bleiben (Eicher in:
Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 41 Rn. 17 mit Nachw. auch zur
Gegenauffassung). Der Betrag von 976,00 Euro steht jedem Kläger zu einem Neuntel
zu.
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bb) Entgegen der Auffassung des SG sind zur Überzeugung des Senats die gesamten
im Kalenderjahr 2006 zu berücksichtigenden Warmwasserbereitungskosten (in Höhe
von 436,69 Euro) von dem geltend gemachten Nachzahlungsbetrag abzuziehen.
83
Dem steht der Umstand nicht entgegen, dass die Beklagte bei der Berechnung der den
Klägern im Jahre 2006 gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II die gesamte Betriebskostenvorauszahlung zugrunde gelegt hat, ohne
einen Abschlag für die Kosten der Warmwasserbereitung vorzunehmen. Soweit das SG
hierzu ausgeführt hat, dass die Beklagte damit im Jahre 2006 teilweise zu hohe
laufende Leistungen für Unterkunft und Heizung gewährt hat, und dies nur durch
Aufhebung der betreffenden Bewilligungsbescheide gemäß § 45 SGB X in Verbindung
mit § 50 SGB X rückgängig gemacht werden kann, trifft dies zu. Dies gilt aber nur
hinsichtlich der im Jahr 2006 gewährten Leistungen. Die Bestandskraft (§ 77 SGG) der
Leistungsbescheide aus dem Jahr 2006 schließt es damit nicht aus, bei einer
Heizkostennachforderung den gesetzlich erforderlichen "Warmwasserabzug"
vorzunehmen, allerdings nur (noch) bezogen auf den Nachforderungsbetrag. Denn die
Leistungsbescheide aus dem Jahr 2006 haben keine Grundentscheidung des Inhaltes
getroffen, dass Warmwasserkosten auch hinsichtlich evtl. Heizkostennachforderungen
nicht (in der vorgenannten Höhe) abzuziehen sind; ein derartiger Regelungsgehalt
kommt ihnen nicht zu.
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cc) Der Senat hat sich nicht gedrängt gesehen, die hinsichtlich der Angemessenheit der
Heizkosten weitere Sachverhaltsaufklärung zu betreiben, zumal die Beklagte im
Verhandlungstermin am 22.01.2009 die Angemessenheit ebenfalls nicht mehr in Frage
gestellt hat.
85
Der erkennende Senat hat zudem bereits mit Beschluss vom 21.09.2007 (L 7 B 226/07
AS ER, Juris) entschieden, dass "die Angemessenheit von Heizkosten auch bei
sparsamem Umgang mit der Heizenergie von zahlreichen Faktoren abhängt, die
überwiegend nicht zur kurzfristigen Disposition der Hilfeempfänger stehen (etwa der
Lage der Wohnung im Gebäude, der Geschosshöhe, der Wärmeisolierung, der
Heizungsanlage, der Größe der Wohnung und der besonderen persönlichen
Gegebenheiten). Dadurch wird die Feststellung, wann Heizkosten im konkreten Fall
angemessen sind, erschwert. Die Höhe der zu übernehmenden Heizkosten ergibt sich
in der Regel aus dem Mietvertrag (Zentralheizung) bzw. den Festsetzungen der
Energieversorgungs- (Gas und Strom) oder Fernwärmeunternehmen. Für den dort
genannten Betrag besteht eine Vermutung der Angemessenheit (Piepenstock in: LPK-
SGB II, 2. Auflage 2007, § 22 Rn. 62). Will die Behörde hiervon abweichen, bedarf es im
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Rahmen der Amtsermittlungspflicht gegebenenfalls auch entsprechender tatsächlicher
Erhebungen (LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2007 - L 20 B 77/07 AS ER)."
3. Die Verurteilung der Beklagten, den Betrag von 976,00 Euro direkt an den Vermieter
der Kläger zu zahlen, basiert auf § 22 Abs. 4 SGB II als Rechtsgrundlage. Der Senat
nimmt auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
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4. Ob den Klägern in Höhe des offenen Betrages wegen der
Warmwasserbereitungskosten (436,69 Euro) ein Anspruch auf Gewährung eines
Darlehens zusteht, hatte der Senat nicht zu entscheiden, weil eine darlehensweise
Gewährung im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht wurde.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Verhältnis des
Obsiegens zum Unterliegen Rechnung.
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6. Der Senat hatte keinen Anlass, die Revision zuzulassen. Insbesondere hat die
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Im Kern
streiten die Beteiligten darüber, ob die Rechtsauffassung der Beklagten zutrifft,
tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 SGB II
könnten sich allein durch Zeitablauf in Schulden gemäß § 22 Abs. 5 SGB II
"umwandeln". Diese Rechtsfrage ist, wie ausgeführt, ohne weiteres und ohne
Auslegungsschwierigkeiten allein anhand des Gesetzes zu beantworten.
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