Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 08.11.2007

LSG NRW: anspruch auf rechtliches gehör, pflege, hinderungsgrund, mitwirkungspflicht, erfüllung, beschränkung, versicherung, einkünfte, rüge, familie

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss vom 08.11.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Detmold S 12 AS 80/07 ER
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 B 282/07 AS ER RG
Der Antrag der Antragstellerin auf Änderung des Beschlusses des Senats vom 19.09.2007 wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind zwischen den Beteiligten nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Die Antragsteller bezogen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bis zum 31.01.2007. Mit
Bescheid vom 05.04.2007, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 14.05.2007, lehnte die Antragsgegnerin die
Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für den Folgezeitraum ab mit der Begründung, die Hilfsbedürftigkeit der
Antragsteller sei zweifelhaft. Dabei ging die Antragsgegnerin von folgenden Einkünften der seinerzeit fünfköpfigen
Familie aus:
Kindergeld 462,- Euro
Erwerbseinkünfte Antragstellerin zu 1) 400,- Euro
Erwerbseinkünfte Antragsteller zu 2) 399,- Euro
Insgesamt 1261,- Euro.
Hiergegen ist bei dem Sozialgericht Detmold das Klageverfahren S 12 AS 91/07 anhängig.
Im Wege der von den Antragstellern beantragten einstweiligen Anordnung verpflichtete das Sozialgericht die
Antragsgegnerin durch Beschluss vom 20.06.2007, den Antragstellern vorläufig ab 16.05. bis 30.09.2007 Leistungen
zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (ALG II) nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen. In dem auf
Veranlassung der Antragsgegnerin durchgeführten Beschwerdeverfahren bestätigten die Antragsteller mit Schriftsatz
vom 14.08.2007 den bisherigen Vortrag, keinerlei andere (als von der Antragsgegnerin dargelegten) Einnahmen zu
haben. In einer eidesstattlichen Versicherung vom 14.05. 2007 erklärten die Antragsteller unter anderem, zur
Vermeidung des Erlöschens des Krankenversicherungsschutzes habe der Bruder des Antragstellers zu 2) die
monatlichen Krankenversicherungsbeiträge übernommen.
Mit Beschluss vom 19.09.2007, zugestellt dem Bevollmächtigten der Antragsteller am 28.09.2007, änderte der Senat
den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts und verpflichtete die Antragsgegnerin, den Antragsstellern vorläufig
ab 16.05.2007 bis zum 30.09.2007 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (ALG II) in Höhe von 85 %
nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die
Gründe des Beschlusses vom 19.09.2007 verwiesen.
Hiergegen haben die Antragsteller am 09.10.2007 Anhörungsrüge erhoben. Sie tragen vor, der Senat sei in dem
Beschluss vom 28.09.2007 von unzutreffenden Einkünften ausgegangen. Entgegen den Annahmen des Senats
beziehe er seit dem 01.07.2007 keine Einkünfte mehr aus einer Hausmeistertätigkeit, weil das
Beschäftigungsverhältnis am 30.06.2007 geendet habe. Ebenfalls sei nicht zutreffend, dass der
Krankenversicherungsschutz weiterhin von dem Bruder des Antragstellers zu 2) getragen werde; tatsächlich würden
der Krankenversicherungsbeiträge seit September 2007 nicht mehr von diesem übernommen.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 31.10.2007 darauf hingewiesen, mit Bescheid vom 20.07.2007 die
Leistungen der Antragsteller ab 01.08.2007 neu berechnet zu haben. Dabei sei davon ausgegangen worden, dass das
Arbeitsverhältnis des Antragstellers zu 2) am 30.06.2007 geendet habe und die Lohnzahlung im Folgemonat erfolgt
sei. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass die Antragsteller in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und
Rentenversicherung pflichtversichert seien, weil sie laufende Leistungen nach dem SGB II beziehen würden.
II. Die fristgerecht erhobene Anhörungsrüge gemäß § 178a Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegen den Beschluss vom
28.09.2007 ist zulässig. Es bestehen insoweit keine Zweifel, dass die Anhörungsrüge grundsätzlich auch für einen im
einstweiligen Anordnungsverfahren erlassenen Gerichtsbeschluss gelten soll. Ein solcher Beschluss ist nicht lediglich
eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung, gegen die eine Rüge nicht stattfindet (§ 178a Abs. 1 Satz 2
SGG). Eine Entscheidung, die - wie hier - die Instanz bzw. den Beschwerderechtszug abschließt, fällt dagegen nicht
unter die vorgenannte Beschränkung der Statthaftigkeit einer Anhörungsrüge. Denn die Anhörungsrüge ist vom
Gesetzgeber in Erfüllung des verfassungsgerichtlichen Auftrages geschaffen worden, eine fachgerichtliche
Abhilfemöglichkeit bei unanfechtbar gewordenen Entscheidungen für den Fall vorzusehen, dass ein Gericht in
entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (vgl. Bundesverfassungsgericht
Beschluss vom 30.04.2003 in NJW 2003, Seite 1924 ff).
Die Anhörungsrüge ist jedoch unbegründet. Eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs der Antragsteller
auf rechtliches Gehör (vgl. § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG) lässt sich nicht feststellen. Die vorgetragenen Rügen,
also die Nichberücksichtigung der veränderten Einkommensverhältnisse und die nicht mehr bestehende Bereitschaft
des Bruders zur (darlehensweisen) Übernahme der Krankenversicherungsbeiträge, haben ihre Ursache in dem
mangelhaften Vortrag der Antragsteller selbst. Denn sie haben es versäumt, die eingetretenen tatsächlichen
Änderungen dem Gericht mitzuteilen.
Gerade unter Berücksichtigung der Besonderheiten des einstweiligen Verfahrens, das wegen der Eilbedürftigkeit in der
Regel nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage gestattet, besteht eine gesteigerte Mitwirkungspflicht
der Beteiligten. Das Gericht ist insoweit darauf angewiesen, dass die Beteiligten tatsächliche Veränderungen, die
erkennbare Auswirkungen auf den Streitgegenstand haben, umgehend mitteilen. Ebenso ist zu verfahren, wenn ein
Hinderungsgrund vorliegt.
Hier kann dahingestellt bleiben, ob die urlaubsbedingte Abwesenheit des alleinigen Sachbearbeiters einer
Rechtsanwaltskanzlei überhaupt einen Hinderungsgrund im Rahmen eines einstweiligen Verfahrens darstellen kann.
Jedenfalls ist die Annahme eines gerichtlichen Anhörungsfehlers ausgeschlossen, wenn dieser Umstand dem Gericht
nicht angezeigt wird und das Gericht bei einer Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht von den eigenen Vorbringen der
Antragsteller ausgeht.
Hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes hat die Antragsgegnerin zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass
infolge der mit Bescheid vom 20.07.2007 bewilligten Leistungen nach dem SGB II eine Pflichtversicherung der
Antragsteller in der gesetzlichen Kranken- Pflege- und Rechtenversicherung besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechende Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 178a Abs. 4 Satz 3.