Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.10.2005
LSG NRW: eheähnliche lebensgemeinschaft, krankenversicherung, erlass, darlehen, krankheit, sozialhilfe, zivilprozessordnung, auto, rate, rechtskraft
Landessozialgericht NRW, L 19 B 39/05 AS ER
Datum:
07.10.2005
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 19 B 39/05 AS ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Detmold, S 9 AS 41/05 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
1) Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold
vom 07.06.2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im
Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. 2) Dem Antragsteller wird unter
Beiordnung von Rechtsanwältin G aus C Prozesskostenhilfe für das
Beschwerdeverfahren bewilligt.
Gründe:
1
1.
2
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom
04.07.2005), ist nicht begründet. Der Antragsteller hat unter Berücksichtigung der vom
Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßstäbe (Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1
BvR 569/05) nicht glaubhaft gemacht, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung
nötig erscheint.
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Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in
Bezug auf ein streitiges Rechtverhältnis (Anordnungsanspruch) zulässig, wenn eine
solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint
(Anordnungsgrund), § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -.
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Der Antragsteller lebt mit Frau Q in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, § 7 Abs.
3b Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitssuchende -
(SGB II). Das ist im Beschwerdeverfahren nicht mehr streitig. Denn mit Schriftsatz vom
29.08.2005 hat der Antragsteller die eheähnliche Lebensgemeinschaft mit Frau Q
eingeräumt. Daraus folgt, dass auf den nach §§ 19 Satz 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 und 3, 22 Abs.
1 Satz 1 SGB II geltend gemachten Bedarf das Einkommen von Frau Q - Vermögen ist
nicht vorhanden - anzurechnen ist, § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II.
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Den vom Antragsteller nicht beanstandeten Gesamtbedarf in Höhe von 961,54 EUR hat
die Antragsgegnerin ein bereinigtes Erwerbseinkommen von 1.086,29 EUR
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gegenübergestellt. 0b dieses Einkommen um Steuerschulden, Ratenverpflichtungen der
Frau Q und die Kosten einer freiwilligen Krankenversicherung darüber hinaus zu
verringern ist, muss letztlich einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten
bleiben. Bei der in diesem summarischen Eilverfahren gebotenen Interessenabwägung
ist zu berücksichtigen, dass es in Rechtsprechung (zu gestundeten Steuerforderungen:
Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 26.10.2004, Az.: B 7 AL 2/04 R, SozR 4-4300 §
194 Nr. 5; Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 14.04.2005, Az.: L 3 B
30/05 AS ER; s. auch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.06.1994, Az.: 5 C 26/92,
Bundesverwaltungsgerichtsentscheidungen (BVerwGE 96, 152) und Literatur (Söhngen,
JurisPraxisKommentar SGB II, 2005, § 11 Rn 30 f; Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, §
82 SGB XII Rn. 11) gewichtige Stimmen gibt, die sich gegen einen Abzug von
Steuerschulden ausgesprochen haben. Gleiches gilt für die Ratenverpflichtungen aus
einem kreditfinanzierten Autokauf. Letztlich ist für den Senat maßgeblich, dass im
Zeitpunkt seiner Entscheidung der Erlass einer Regelung nicht nötig erscheint. Die
letzte Rate der Steuerschuld ist bereits im Juni 2005 bezahlt worden. Auch das für das
Auto aufgenommene Darlehen ist im November 2005 zurückgezahlt. Nachdem die
Steuerschuld zurückgezahlt worden ist, bleibt der Bedarfsgemeinschaft ein finanzieller
Spielraum, die letzten Raten für den PKW zu bezahlen, ohne das wesentliche Nachteile
für den Antragsteller zu befürchten sind.
Gleiches gilt für dessen Krankenversicherung. Der Antragsteller ist darauf zu verweisen,
dass er in jedem Fall einen Anspruch auf Hilfe bei Krankheit hat, § 48 Satz 1
Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII). Krankenhilfe
gehört zum Fünften Kapitel des SGB XII und ist nach § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht
ausgeschlossen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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2. Im Hinblick auf angesprochenen schwierigen Rechtsfragen ist dem Antragsteller
Prozesskostenhilfe (§ 73a SGG, § 114 Zivilprozessordnung) zu bewilligen.
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3. Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
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