Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.03.2006

LSG NRW: russland, arbeitslosenhilfe, beitragspflicht, anschluss, kasachstan, leistungsanspruch, beendigung, verschulden, einsichtsfähigkeit, gleichstellung

Landessozialgericht NRW, L 12 AL 147/05
Datum:
29.03.2006
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 12 AL 147/05
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 15 (22) AL 353/03
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Köln vom 11.05.2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu
erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Umstritten ist die Gewährung von Unterhaltsgeld (Uhg) und sich eventuell daran
anschließende Leistungen wie Anschlussunterhaltsgeld (AUhg) und Arbeitslosengeld
(Alg) ab 08.12.1997.
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Die am 00.00.1942 geborene Klägerin reiste am 20.06.1997 aus Russland in das
Bundesgebiet ein. Am 26.06.1997 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte
Eingliederungshilfe nach dem damals geltenden § 62 a Arbeitsförderungsgesetz (AFG
in der bis 31.12.1997 geltenden Fassung). Diese Eingliederungshilfe wurde zunächst
mit Bescheid vom 07.07.1998 abgelehnt, dann aber nach Durchführung eines
sozialgerichtlichen Verfahrens (SG Köln - S 28 (23) AL 219/98 - Termin vom 31.08.2000
-) mit Bescheid vom 14.12.2000 für die Zeit vom 26.06.1997 bis 24.12.1997 in Höhe von
247,20 DM (= 126,39 EUR) zuerkannt.
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Vom 08.12.1997 bis 30.01.1998 und vom 02.02.1998 bis 28.01.1999 nahm die Klägerin
erfolgreich an einer beruflichen Bildungsmaßnahme zur Altenpflegehelferin teil. Diese
Maßnahme wurde von der Beklagten durch Übernahme der Lehrgangsgebühren und
Fahrtkosten gefördert. Nach Abschluss der Maßnahme arbeitete die Klägerin direkt im
Anschluss daran ab 01.02.1999 als Altenpflegehelferin versicherungspflichtig bei der
Stiftung St. W in L.
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Den bereits am 28.11.1997 gestellten Antrag auf Gewährung von Uhg anlässlich der
Teilnahme an der o.g. Bildungsmaßnahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom
16.06.2003, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 03.11.2003, ab. Zur
Begründung führte die Beklagte aus, ein Anspruch auf Uhg bestehe nicht, da die
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Klägerin vor Maßnahmebeginn nicht mindestens 720 Tage versicherungspflichtig
beschäftigt gewesen sei. Die vor der Übersiedlung ausgeübte Beschäftigung in
Russland stehe einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Geltungsbereich
deutscher Gesetze nicht gleich. Diese in Russland zurückgelegte Beschäftigung habe
nur aufgrund der besonderen Bestimmung des § 62 a AFG den Anspruch auf
Eingliederungshilfe begründen können. § 62 a AFG lege jedoch in Absatz 2 Nr. 3 fest,
dass der Bezug von Eingliederungshilfe für Spätaussiedler keinen Anspruch auf andere
Leistungen nach dem zweiten bis vierten Abschnitt des AFG begründe. Da die
Regelungen zur Förderung der beruflichen Bildung im zweiten Abschnitt des AFG
enthalten seien, fehle für den Uhg-Anspruch die Gleichstellung mit der Arbeitslosenhilfe.
Nur der Bezug von Arbeitslosenhilfe, nicht aber der Bezug von Eingliederungshilfe,
habe nach § 46 Abs. 2 AFG zu einem Uhg-Anspruch führen können.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 03.11.2003 hat die Klägerin am 24.11.2003
Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben, mit der sie zunächst die Zahlung von Uhg für
die Zeit vom 08.12.1997 bis 28.01.1999 geltend gemacht hat. Zur Begründung hat sie
vorgebracht, dass auch anderen Teilnehmern an der Maßnahme sei Unterhaltsgeld
gezahlt worden sei. Sie stamme aus Russland, habe die deutsche Staatsangehörigkeit,
sei als Vertriebene anerkannt und müsse deshalb die gleichen Leistungen erhalten wie
andere Teilnehmer an der Maßnahme auch. Schließlich sei ihr im Nachhinein auch
Eingliederungshilfe zuerkannt worden. Die Beklagte habe sie zudem nicht darüber
informiert, dass ihr auch Leistungen aus Mitteln des europäischen Sozialfonds hätten
gewährt werden können.
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Während des sozialgerichtlichen Verfahrens hat die Klägerin weitere Anträge formuliert.
Mit Schriftsätzen vom 17.02. und 03.09.2004 hat die Klägerin für die Zeit vom 01.03. bis
31.05.1999 und für die Zeit vom 02.02. bis 30.11.1999 die Zahlung von
Anschlussunterhaltsgeld bzw. Arbeitslosengeld geltend gemacht unter Hinweis darauf,
dass die Beklagte ihr solche Leistungen bisher verwehrt habe.
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Die Klägerin hat vor dem Sozialgericht schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.06.2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 03.11.2003 zu verurteilen, ihr ab dem 08.12.1997
Unterhaltsgeld und ab dem 02.02.1999 Arbeitslosen- bzw. Anschlussunterhaltsgeld zu
gewähren.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat an ihrer im Widerspruchsbescheid vom 03.11.2003 vertretenen
Rechtsauffassung festgehalten und ergänzend vorgetragen, dass selbst dann, wenn
anderen Teilnehmern der Maßnahme Unterhaltsgeld gewährt worden sein solle, eine
solche Leistungsgewährung im Falle der Klägerin rechtswidrig sei und deshalb die
Klägerin keinen Anspruch hierauf herleiten könne.
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Mit Gerichtsbescheid vom 11.05.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und
zur Begründung wörtlich ausgeführt: "Die Klage ist - soweit sie sich gegen die
angefochtenen Bescheide auf die Gewährung von Uhg anlässlich der Teilnahme an der
Bildungsmaßnahme ab dem 08.12.1997 richtet - unbegründet. Die Klägerin ist durch die
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angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
beschwert. Die Beklagte hat damit zu Recht die Gewährung von Uhg anlässlich der
Teilnahme an der Bildungsmaßnahme ab dem 08.12.1997 abgelehnt, weil die Klägerin
in den letzten 3 Jahren vor Beginn der Maßnahme nicht mindestens 720 Kalendertage
eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt oder Arbeitslosengeld
oder im Anschluss daran Arbeitslosenhilfe bezogen hat (§ 44 Abs. 2, 46 Abs. 1 AFG in
der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung).
Diesbezüglich wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe
abgesehen, weil das Gericht den Ausführungen des angefochtenen
Widerspruchsbescheides folgt (§§ 105 Abs. 1 Satz 3, 136 Abs. 3 SGG).
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Ergänzend ist hinzuzufügen, dass der Bezug von Eingliederungshilfe nach § 62 a AFG
(in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung) weder dem Bezug von Alg noch dem
Bezug von Arbeitslosenhilfe gleichgestellt ist und die von der Klägerin in Russland
zurückgelegten Beschäftigungszeiten unabhängig davon, ob diese in der
Rentenversicherung als Versicherungszeiten anerkannt werden, keine zur Beklagten
begründende Beitragspflicht auslösen und solchen Zeiten auch nicht gleichgestellt sind.
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Die Klage ist - soweit damit für die Zeit ab dem 02.02.1999 AUhg bzw. Alg geltend
gemacht wird - unzulässig, weil es dazu an einer vorher notwendigen Entscheidung der
Beklagten fehlt (§§ 54 Abs. 4, 78 Abs. 1 SGG).
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Dabei ist darauf hinzuweisen, dass der Klägerin im Übrigen ein Anspruch auf AUhg
gemäß § 156 SGB III auch dem Grunde nach nicht zusteht, weil sie keine Maßnahme
mit dem Bezug von Uhg absolviert hat (§ 156 Abs. 1 Nr. 1 SGB III)."
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Gegen diesen ihr am 25.05.2005 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am
20.06.2005 eingegangene Berufung der Klägerin. Die Klägerin wiederholt ihr
erstinstanzliches Vorbringen und meint, dass ihr wegen der nachträglichen Zubilligung
von Eingliederungshilfe auch für die Maßnahme Uhg und danach anschließende
Leistungen zu gewähren seien. Auf Vorhalt des Senats in der mündlichen Verhandlung
vom 29.03.2006, dass sie ab 01.02.1999 gearbeitet habe und deshalb schon ab diesem
Zeitpunkt keine weiteren Leistungen in Betracht kämen, hat die Klägerin erwidert, dass
sie alle Anträge aufrecht erhalte. Wenn schon an Übersiedler aus Kasachstan
Leistungen gewährt würden, dann stünden ihr erst recht alle denkbaren Leistungen zu,
da sie aus Russland stamme und als Vertriebene anerkannt sei.
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Die Klägerin beantragt,
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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 11.05.2005 zu ändern und nach
ihrem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
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Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin während der Teilnahme
an der Maßnahme vom 08.12.1997 bis Ende Januar 1999 kein Uhg zugestanden hat
und auch danach keine weiteren Leistungen in Betracht kommen. Der Senat schließt
sich nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage den Gründen des
angefochtenen Gerichtsbescheides an und sieht von weiteren Ausführungen ab (§ 153
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz, SGG).
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Im Berufungsverfahren sind keine weiteren rechtserheblichen Ausführungen gemacht
worden. Der Umstand, dass anderen Aussiedlern möglicherweise Leistungen zuerkannt
worden sind, spielt für den Leistungsanspruch der Klägerin keine Rolle. Leistungen für
die Zeit nach Beendigung der Maßnahme scheitern neben den vom Sozialgericht
aufgeführten Gründen auch daran, dass die Klägerin ab 01.02.1999 eine
versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen hat.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG. Der Senat hat von der
Auferlegung von Verschuldenskosten gemäß § 192 SGG Abstand genommen, weil die
Klägerin durch ihr Verhalten im Termin vom 29.03.2006 dokumentiert hat, dass ihr
jegliche Einsichtsfähigkeit fehlt und man damit von einem Verschulden bezüglich der
entstandenen Kosten kaum wird sprechen können.
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Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.
2 Ziffern 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
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