Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20.12.2006

LSG NRW: polizei, bier, stationäre behandlung, angriff, strafanzeige, wahrscheinlichkeit, klinikum, schlägerei, ermittlungsverfahren, entlassung

Landessozialgericht NRW, L 10 VG 17/02
Datum:
20.12.2006
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 10 VG 17/02
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 36 VG 268/98
Sachgebiet:
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Düsseldorf vom 14.05.2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche
Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision
wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten um Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für
Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz-OEG) in Verbindung mit dem
Bundesversorgungsgesetz (BVG).
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Der 1951 geborene Kläger traf sich am Abend des 18.07.1997 mit früheren
Arbeitskollegen zum Stammtisch in einem Lokal, in dem gemeinsam gegessen und
getrunken wurde. Der Kläger nahm etliche Gläser Bier zu sich. Nach Verlassen des
Lokals suchte er noch mehrere Gaststätten auf, in denen er weitere Glas Bier trank.
Anschließend begab er sich zum Busbahnhof, wo er auf den Spätbus wartete, mit dem
er nach Hause fahren wollte. Der Busfahrer H T, der mit seinem Bus gegen 01.45 Uhr
(19.07.1997) am Busbahnhof eintraf, bemerkte den auf der Fahrbahn liegenden Kläger
und rief den Rettungswagen herbei, mit dem der Kläger in das Klinikum M eingeliefert
wurde. Dort wurden bei dem als bei der Einlieferung stark alkoholisiert beschriebenen
Kläger eine dislozierte Nasenbeinfraktur, Orbitadachfraktur rechts, Ober- und
Unterlippenplatzwunde, ausgedehnte Schürfwunden der Stirn, multiple Prellungen und
das Fehlen des 1. Schneidezahnes oben rechts festgestellt. Am 25.07,1997 wurde der
Kläger in die Abteilung für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie der St. M Klinik, T, verlegt, in
der die Nasenbeinfraktur operiert wurde. Die Entlassung aus stationärer Behandlung
erfolgte am 05.08.1997. Bereits am 23.07.1997 meldete der Kläger telefonisch der
Polizei M, er sei vermutlich am 19.07.1997 zusammengeschlagen worden. Am
15.08.1997 stellte er Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung. Unmittelbare
Tatzeugen ließen sich nicht ermitteln. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.
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Am 01.09.1997 beantragte der Kläger Leistungen nach dem OEG; er sei am 19.07.1997
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gegen 0.30 Uhr, als er auf den Spätbus gewartet habe und eingeschlafen sei,
geschlagen worden. Dadurch sei er wach geworden und habe die Schläge abwehren
wollen. Danach habe er das Bewusstsein verloren. Weder zu Tatverursacher noch -
zeugen waren im Antrag Angaben enthalten. Als Folge der Gewalttat machte der Kläger
Kopfschmerzen, einen Verlust des Geruchs- und Geschmackssinnes sowie eine
Knieverletzung geltend. Im Zuge seiner Ermittlungen zog der Beklagte den Arztbrief des
Dr. N, Abteilung für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie der St. M Klinik, vom 01.10.1997 über
die dort erfolgte stationäre Behandlung bei. Ferner holte er Befundberichte der
behandelnden Ärzte Dr. S, Dr. M, Dr. S1 und Dr. W ein. Schließlich zog der Beklagte
von der Staatsanwaltschaft (StA) L die Akten - 000 - bei. Gegenüber den ihn am
23.07.1997 im Klinikum M aufsuchenden Polizeibeamten hat der Kläger ausweislich
des in den Ermittlungsakten enthaltenen Polizeiberichts erklärt, er sei vermutlich von
mindestens einer Person zusammengeschlagen worden; vom Verlassen des Lokals an
könne er sich jedoch an keine Einzelheiten mehr erinnern; im Verlauf des Abends habe
er ca. 35 Gläser Bier (ä 0,21) zu sich genommen. In der Strafanzeige vom 15.08.1997
hat der Kläger die genossene Alkoholmenge mit ca. 25 Bier angegeben und zum
Hergang erklärt, dass er am Busbahnhof eingedöst und durch Ohrfeigen wach
geworden sei. Eine Person sei Kung-Fu-mäßig vor ihm herumgesprungen. Ob noch
andere Personen da gewesen seien, wisse er nicht. Er habe versucht, die Person auf
Distanz zu halten. Ab diesem Zeitpunkt wisse er nichts mehr. Er meine, dass es sich bei
dieser Person, die er schon öfter im Bus gesehen habe, um einen Polen gehandelt
habe, denn er habe schon mal polnische Worte gebraucht. Der am 08.10.1997 von der
Polizei als Zeuge vernommene Busfahrer T hat ausgesagt, er habe, als er mit seinem
Bus in den Busbahnhof gefahren sei, eine regungslos und bäuchlings auf dem Boden
liegende Person erblickt. Etwa 15 m hinter dieser seien zwei Mädchen im Alter von ca.
17-20 Jahren auf ihn zugekommen und hätten ihn gebeten, die Polizei zu verständigen;
auf seine Frage hätten die Mädchen geantwortet, die Person sei gestürzt. Er habe
Polizei und Notarzt gerufen. Auf die Frage der eingetroffenen Ärztin, ob er wisse, wo er
sich befinde, habe der Verletzte geantwortet, dass er sich am M Busbahnhof befinde.
Die Frage, ob er in eine Schlägerei verwickelt gewesen sei, habe er verneint. Ob er sich
die Verletzungen bei einem Sturz zugezogen habe, habe er weder bejahen noch
verneinen können. Die beiden Mädchen hätten sich bereits vor Eintreffen des Arztes
und der Polizei entfernt. Prof. B, Klinikum M, hat in seinem an die Polizei gerichteten
Schreiben vom 12.09.1997 ausgeführt, zum Unfallhergang und zur
Verletzungsentstehung könne der Verletzte infolge einer Amnesie keine Aussagen
machen. Von ihm, Prof. B, sei eine Zuordnung auch nicht sicher möglich, wobei es
seines Erachtens eher im Rahmen einer körperlichen Auseinandersetzung als im
Rahmen eines Sturzes zu den Verletzungen gekommen sei.
Mit Bescheid vom 14.01.1998 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab, weil nicht
nachgewiesen sei, dass dieser Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen
Angriff geworden sei. Es erscheine nach Auswertung der polizeilichen Ermittlungsakten,
insbesondere seiner eigenen Angaben, wahrscheinlich, dass der Kläger infolge
überhöhten Alkoholkonsums gestürzt sei.
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Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und trug vor, er sei geschlagen worden,
dabei sei auch ein Stiftzahn von innen nach außen herausgebrochen. Das sei nach den
Angaben der Ärzte durch einen Schlag gegen den hinteren Bereich des Unterkiefers,
der hierdurch nach vorne geschoben worden sei, verursacht worden. Er habe das
Gesicht des Täters erkannt und diesen zwischenzeitlich auch noch einmal auf der
Straße gesehen, habe ihn allerdings nicht stellen können. Bereits nach dem
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Verletzungsbild sei es völlig ausgeschlossen, dass seine Verletzungen auf einen Sturz
zurückzuführen seien.
Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme wies der Beklagte den
Widerspruch mit am 15.06.1998 abgesandten Widerspruchsbescheid vom 12.06.1998
zurück, weil der Nachweis einer Gewalttat nicht erbracht sei.
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Mit seiner am 16.07.1998 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt
und zum Hergang des Ereignisses ergänzend vorgetragen, er habe am Busbahnhof auf
der Bank gesessen, auf den Bus gewartet und sei müde geworden. Er habe dann zu
Boden geschaut. Plötzlich sei er geschlagen worden. Vor ihm habe eine Gruppe
Jugendlicher gestanden. Von einem der Jugendlichen habe er mit der flachen Hand
Schläge in das Gesicht erhalten, während die anderen den Bereich um die
Bushaltestelle gesichert hätten. Er sei aufgestanden, um sich weiteren Schlägen zu
entziehen. In diesem Moment hätten ihn schwere Schläge oder Tritte am Kopf getroffen,
so dass er zu Boden gegangen sei. Am Boden liegend hätten die Jugendlichen auf ihn
eingetreten bzw. geschlagen. Die erlittenen Verletzungen könnten nicht von einem Sturz
herrühren, sondern seien charakteristisch für diesen Tathergang. Auch sei der
Frontzahn, ein Stiftzahn, herausgebrochen. Dies könne nur durch einen Schlag von
hinten gegen den Unterkiefer verursacht worden sein und sei nicht mit einem Sturz zu
vereinbaren. Der Stiftzahn habe bei Einlieferung in das Krankenhaus in der Oberlippe
gesteckt. Er sei entfernt und ihm ausgehändigt worden. Am linken Knie habe er durch
einen Tritt eine Schleimbeutelentzündung erlitten. Dass Augenzeugen fehlten, sei
angesichts der Uhrzeit nicht zu verdenken. Einen weitergehenden Sachverhalt könne er
nicht schildern. Letztlich erinnerlich sei ihm auch lediglich, dass er durch schwere
Schläge auf den Kopf zu Boden gegangen und dort noch weiter traktiert worden sei.
Dass er Einzelheiten nicht angeben könne, sei auf die durch die schweren
Kopfverletzungen beeinträchtigte Wahrnehmungsfähigkeit zurückzuführen. Deshalb
habe er auch bei Krankenhausaufnahme und bei Erstattung der Strafanzeige keinen
genauen Sachverhalt schildern können. In der mündlichen Verhandlung am 18.11.1999
hat der Kläger auf Befragen des Sozialgerichts (SG) erneut den Sachverhalt geschildert
und erklärt, er habe ca. 23-24 Bier getrunken. Sein Erinnerungsvermögen sei etwa eine
Woche nach dem Ereignis sicherer geworden; es sei alles nach und nach
wiedergekommen. Der ihm bekannte Jugendliche habe auf ihn eingeschlagen, aber
auch mehrere andere Jugendliche. Von einem der anderen Jugendlichen sei er von
hinten von den Beinen geholt worden. Wie das im Einzelnen geschehen sei, wisse er
nicht. Er wisse auch nicht, was nach dem Sturz geschehen sei. Der Stiftzahn sei ihm im
Klinikum M entfernt - ob aus der Lippe, wisse er nicht genau - und in seine
Hemdentasche gesteckt worden.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 14.01.1998 und des
Widerspruchsbescheides vom 12.06.1998 zu verurteilen, als Gesundheitsstörun gen
"Meniskusabsplitterung und Schleimbeutelprellung linkes Knie, Verlust des
Geruchssinns mit Beeinträchtigung des Geschmackssinns und ein
bewegungsabhängiges Knirschgeräusch im Schädel" als Folge der Tat vom 19.07,1997
anzuerkennen und Leistungen nach den Vorschriften des OEG zu gewähren.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung von gutachtlichen Stellungnahmen des
Prof. B vom 17.12.1998 und 21.04.1999 und des Dr. N, St. M Klinik, T, vom 24.02.2000
zum Aufnahmebefund und den sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen, sowie des
gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstatteten Gutachtens des Dr. C, Arzt für
Orthopädie, Chirurgie und Unfallchirurgie, E, vom 01.12.2001.
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Prof. B hat zusammenfassend ausgeführt, es habe sich bei der Verletzung um eine
Läsion im Bereich des Mittelgesichts bzw. Fontschädels gehandelt. Weitere
Verletzungen seien weder bei der Aufnahme in das Krankenhaus noch während der
stationären Behandlung angegeben worden. Die Art der Verletzung, die Breitflächigkeit
und Lokalisation sprächen mehr für die Folge eines Sturzes als für Schläge oder Tritte.
Stürze unter großer Alkoholeinwirkung führten oft dazu, dass auf Grund fehlenden
Reflexverhaltens nicht versucht werde, den Sturz aufzufangen, so dass der Sturz auf die
Körperregion erfolge, die zuerst mit dem Boden in Kontakt komme; das sei in diesem
Fall das Gesicht gewesen. Im Verbund mit den Weichteilschäden im Gesichtsbereich
erscheine ihm für den Verlust des Zahnes eine Einwirkung von vorne als die
wahrscheinlichste Erklärung. Dr. N ist zu dem Ergebnis gelangt, aus medizinischer Sicht
handele es sich bei der Art der Verletzungen um das typische Muster einer
großflächigen Gewalteinwirkung auf das Mittelgesicht und die knöcherne
Stirnprominenz. Die Riss- und Platzwunden im Bereich von Stirn, Nasenrücken,
Oberlippe und rechter Jochbeinregion mit Schmutztätowierungen in allen Wunden
sprächen nach einem Alkoholkonsum von ca. 28 Bier am ehesten für einen
ungebremsten Sturz bei Bewusstlosigkeit infolge Alkoholintoxikation. Insbesondere die
Hauptprellmarke im unteren Stirndrittel deute auf eine Sturzursache hin. Erst
Prellmarken im oberen Stirndrittel und darüber i. S. der "Hutkrempenregel" seien
Zeichen für eine Krafteinwirkung durch Schlag und Stoß. Die Ansicht des Klägers, dass
der Stiftaufbau des Oberkieferzahns 21 durch ein Schlagtrauma gegen den Unterkiefer
von hinten nach vorne in die Oberlippe gedrückt worden sei, treffe in Anbetracht der mit
einer Brücke versorgten Unterkieferfront mechanisch gesehen nicht zu, zumal es bei
ähnlichen Verletzungen in der Regel zunächst durch die Gelenkbahnneigung zu
Frakturen im Bereich des gelenktragenden Unterkiefer komme. Der Sachverständige C
hat zusammenfassend ausgeführt, die Verletzungen des Gesichts beruhten mit der
größeren Wahrscheinlichkeit auf einem einmaligen Sturz auf das nahezu frontale
Gesicht bei einem durch erheblichen vorangegangenen Alkoholkonsum
ausgeschaltetem Reflexvermögen und nicht auf multiplen Tritten und Schlägen gegen
den Kopf. Ob und wie der Stiftschneidezahn bei dem Ereignis beschädigt worden sei,
müsse offen bleiben. Nach der Form und Verbiegung des vorgelegten Stiftzahnes zu
urteilen, sei nur eine Gewalteinwirkung von hinten unten denkbar. Vorausgesetzt der
Stiftzahn habe am 19.07.1997 diese Verbiegung aufgewiesen, könne diese nicht
aufgrund einer Gewalteinwirkung von vorne entstanden sein.
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Das SG hat mit Urteil vom 14.05.2002 die Klage abgewiesen und in den
Entscheidungsgründen ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lasse sich
nicht feststellen, dass der Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen
Angriffs geworden sei. Der auch im Rahmen des OEG anzuwendende Beweismaßstab
des § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung
(KOWfG) sei nicht erfüllt. Denn der geltend gemachte schädigende Vorgang sei
angesichts der widersprüchlichen Angaben des Klägers zum behaupteten
Tatgeschehen und der übereinstimmenden Ausführungen der gehörten Mediziner, auch
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des Sachverständigen C, der im Hinblick auf die Verbiegung des ihm vorgelegten
Stiftzahnes, sofern sie bereits am 19.07.1997 vorgelegen habe, eine Gewalteinwirkung
von hinten unten lediglich für denkbar gehalten habe, nicht glaubhaft gemacht.
Gegen das am 12.06.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.07.2002 Berufung
eingelegt und vorgetragen, bereits während der stationären Behandlung habe er Dr. N
und dem Krankenhauspersonal berichtet, dass er von einer Gruppe Albanern
zusammen geschlagen worden sei. Von Anfang an habe er gegenüber der Polizei von
einem Angriff gesprochen. Die im Protokoll der Polizei enthaltene Anzahl von 35 Glas
Bier beruhe auf einem Missverständnis. Tatsächlich habe er 21 Glas Bier getrunken - in
der mündlichen Verhandlung am 26.11.2003 hat der Kläger angegeben, 23 Glas Bier
getrunken zu haben -. Auch die Aussage des Busfahrers T stütze nicht die Auffassung
des Gerichts. Die Mädchen, die dem Zeugen T nach dessen Aussage berichtet haben
sollen, er sei gestürzt, hätten den Sturz nicht gesehen, sondern augenscheinlich
lediglich aus dem Umstand, dass sie ihn am Boden liegend vorgefunden hätten, auf
einen Sturz geschlossen. Objektiv spreche das Verletzungsbild, nämlich Schürfwunden
auf beiden Seiten des Gesichts, die Großflächigkeit der Verletzungen und die
Verbiegung des Stiftzahnes gegen einen Sturz. Dafür, dass er im gesamten
Gesichtsbereich Verletzungen davon getragen habe, was gegen eine einmalige
Krafteinwirkung und somit gegen einen Sturz, jedoch für mehrfache Krafteinwirkungen
spreche, hat der Kläger Zeugen benannt.
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Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
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das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.05.2002 abzuändern und den
Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 14.01.1998 und des
Widerspruchsbescheides vom 12.06.1998 zu verurteilen, als Gesundheitsstörungen
"Meniskusabsplitterung und Schleimbeutelprellung linkes Knie, Verlust des
Geruchssinns mit Beeinträchtigung des Geschmackssinns und ein
bewegungsabhängiges Knirschgeräusch im Schädel" als Folge der Tat vom 19.07.1997
anzuerkennen und Leistungen nach den Vorschriften des OEG zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er hat erwidert, es liege ein Lebenssachverhalt zugrunde, der im Rahmen der
Beweisaufnahme der Vorinstanz als "Sturz in Bewusstlosigkeit" bezeichnet worden sei.
Dafür spreche auch das Verletzungsmuster. Der Sturz sei alkoholbedingt erfolgt. Aus
den Erinnerungslücken des Klägers folge keine Beweiserleichterung.
21
Der Senat hat die Akte der StA L - 000 - und von der St. M Klinik, T, die
Krankengeschichte des Klägers sowie die Behandlungsunterlagen der den Kläger in
der Vergangenheit behandelnden Zahnärzte Dr. C1 und Dr. T beigezogen. Vom
Klinikum M sind Fotokopien von Krankenunterlagen übersandt worden.
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Der Senat hat sodann Beweis erhoben durch Vernehmung des Busfahrers H T, der vom
Kläger benannten Zeugen N N, L C, K Q und I Q1 am 11.04.2004. Der Zeuge T hat
ausgesagt, er erinnere sich, dass ihm der bei seiner Ankunft seitlich auf dem Rücken
liegende Kläger, als sie auf die Polizei und den Notarzt gewartet hätten, von einer
Schlägerei erzählt habe. An ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Notarzt bzw.
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der Notärztin sowie an seine - des Zeugen - polizeiliche Vernehmung könne er sich
nicht erinnern. Die Zeugen N, C und Q haben bekundet, der Kläger habe ihnen bei ihren
Besuchen im erstbehandelnden Krankenhaus von einer Schlägerei berichtet. Nach den
Bekundungen der Zeugen N und Q hat der Kläger auch erzählt, es habe sich bei den
Angreifern um Albaner gehandelt. Die Zeuginnen N und C haben erklärt, das ganze
Gesicht des Klägers sei angeschwollen gewesen. Die Zeugin N hat bekundet, sie
meine, auch Schürfwunden an einer Hand oder an beiden Händen gesehen zu haben.
Genau wisse sie das allerdings nicht mehr. Die Zeugin C hat ausgesagt, sich an
Schürfwunden im Gesicht zu erinnern. Der Zeuge Q hat bekundet, Schürfwunden an
den Ohren und Schwellungen der Augen und Nase bemerkt zu haben und dass der
Kläger ihm einen in ein Taschentuch gewickelten Zahn gezeigt habe. Der Zeuge Q1 hat
erklärt, der Kläger habe bei seinem Besuch im Krankenhaus in T ein ziemlich
aufgequollenes Gesicht und auch Schürfwunden im Gesicht gehabt, wo genau, könne
er nicht sagen; er meine, sie seien im Gesicht verteilt gewesen. In der Nase habe er
Tampons gehabt, mit der Lippe sei auch etwas gewesen. Der Kläger habe ihm erzählt,
er sei zusammengeschlagen worden.
Ferner hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des
Sachverständigen Dr. Dr. L, Evangelisches und K Klinikum -Abteilung für Mund-, Kiefer-
Gesichtschirurgie - E1 vom 01.10.2004 sowie dessen ergänzender Stellungnahmen
vom 12.01.2005 und 09.05.2006. In der mündlichen Verhandlung am 21.09.2005 hat der
Sachverständige sein Gutachten erläutert. Er hat ausgeführt, unter Berücksichtigung der
aktenkundigen Befunde und Untersuchungsergebnisse einschließlich des Ergebnisses
der von ihm durchgeführten Untersuchung, lasse sich nicht mit Sicherheit feststellen,
dass der Kläger die erlittenen Verletzungen und den Zahnverlust durch einen tätlichen
Angriff erlitten hat. Muster bzw. Komplexität der erlittenen knöchernen Verletzungen
sowie der Platz- und Risswunden im Bereich des Gesichtsschädels deuteten mit großer
Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass ein breitflächig und stumpf einwirkendes Trauma zu
den erlittenen Verletzungen geführt habe. Eine solche Gewalteinwirkung komme häufig
durch einen ungebremsten Sturz auf das Gesicht zustande, wie er bei stark
alkoholisierten Personen vorkommen könne. Es sei allerdings nicht ausgeschlossen,
dass auch andere Mechanismen, wie z.B. Schläge mit massiven stumpfen
Gegenständen (z.B. Baseballschläger) zu derartigen Verletzungen führen könnten.
Auch unter Berücksichtigung der von den Zeugen beschriebenen Verletzungen im
Bereich des "gesamten Gesichtes" ändere sich seine Beurteilung nicht. Ebenso wenig
lasse sich aufgrund der Verformung des metallischen Wurzelstiftes nachträglich mit
Sicherheit feststellen, auf welche Art und Weise das Trauma eingewirkt habe. Die
Verformung zur Lippe hin lasse allerdings den Schluss zu, dass die
Unterkieferzahnreihe mit Gewalt gegen die oberen Frontzähne gedrückt worden sei.
Auch dies könne sowohl durch einen Sturz z. B. auf das Kinn als auch durch einen
Schlag mit einem Fremdkörper, wie beispielsweise einem Baseball-Schläger, auf den
Bereich des rechten Kinns erfolgt sein.
24
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die
Akten der StA L - 000 - sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
26
Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, weil sich die
Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 14.05.2002 ist
zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der
Kläger durch den Bescheid vom 14.01.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid
vom 12.06.1998 nicht beschwert ist (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Versorgungsrente nach dem OEG.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält auf Antrag wegen der gesundheitlichen und
wirtschaftlichen Folgen Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des
Bundesversorgungsgesetzes, wer infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen
Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr
eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Der Ansprach ist ausgeschlossen, sofern
Versagungsgründe vorliegen (§ 2 OEG).
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Der vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriff, die (Primär-)Schädigung und die
behaupteten Schädigungsfolgen müssen nachgewiesen sein, d.h. die den Anspruch
begründenden Tatsachen müssen zur Überzeugung des Gerichts mit einer an Gewiss-
heit grenzenden Wahrscheinlichkeit oder einem so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit
feststehen, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (BSG, Urteil vom 05.05.1993 -
Az.: 9/9a RV 1/92 -, SozR 3-3100 § 38 Nr. 2). Für den Nachweis des ursächlichen
Zusammenhanges zwischen (Primär-)Schädigung und Schädigungsfolgen genügt die
Wahrscheinlichkeit (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i. V. m. § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG).
30
Der geltend gemachte Anspruch scheitert daran, dass sich schon ein vorsätzlicher
Angriff, nämlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines
anderen Menschen zielende Einwirkung (BSG, Urteil vom 24.07.2002 - Az.: B 9 VG 4/01
R -, SozR 3-3800 § 1 Nr. 22; Urteil vom 10.12.2003 - B 9 VG 63/02 -, SozR 4-3800 § 1
Nr. 5) nicht zur vollen richterlichen Überzeugung feststellen lässt, so dass nach dem
Grundsatz der sog. objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers zu entscheiden war.
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Unmittelbare Tatzeugen sind nicht vorhanden. Auch sind die aufgrund der Strafanzeige
des Klägers angestellten polizeilichen Ermittlungen nach einem Täter bzw. Tätern
erfolglos geblieben, so dass das Verfahren eingestellt werden musste.
32
Die deshalb zur Aufklärung des Geschehens im sozialgerichtlichen Verfahren
durchgeführten Ermittlungen sind ebenfalls ergebnislos verlaufen. Der Senat konnte
sich nach Würdigung des Beweisergebnisses nicht davon überzeugen, dass der Kläger
am 19.07.1997 Opfer eines tätlichen Angriffs geworden ist. Weder die Aussagen der im
Berufungsverfahren gehörten mittelbaren Zeugen noch die eingeholten ärztlichen
Gutachten vermochten dem Senat die erforderliche Überzeugung zu verschaffen.
33
Die Bekundungen der vom Senat gehörten Zeuginnen/Zeugen N, C, Q und Q1 haben
nicht zur Klärung des Geschehensablaufes beitragen können. Bei den genannten
Zeuginnen/Zeugen handelt es sich nicht um unmittelbare Zeugen, sondern um solche
vom "Hörensagen". Auch wenn den Aussagen eines Augenzeugen grundsätzlich ein
höherer Beweiswert beizumessen ist, kommen Zeugen vom "Hörensagen" zum
Nachweis einer Tatsache grundsätzlich in Betracht. Sie sind nicht wertlos und beim
Fehlen besserer Beweismittel auszuschöpfen, bevor ein Klagebegehren aus Gründen
der Beweislast abgewiesen wird (BSG, Urteil vom 27.11.1991 - Az.: 9a RV 23/91 -).
Zwar haben die genannten Zeugen übereinstimmend bekundet, der Kläger habe ihnen
bereits im Krankenhaus erzählt, er sei zusammengeschlagen worden. Das stimmt
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insoweit überein mit der Darstellung, die der Kläger nach Wiedereinsetzen seines
Erinnerungsvermögens abgegeben hat.
Diese Übereinstimmung kann indes schon deswegen nicht dazu führen, das Vorbringen
des Klägers als bewiesen anzusehen, weil die Widerspruche in der Darstellung des
Tatgeschehens im polizeilichen Ermittlungsverfahren und auch im sozialrechtlichen
Verfahren nicht beseitigt sondern noch vermehrt worden sind. So hat der Kläger, dessen
Erinnerungsvermögen etwa eine Woche nach dem Ereignis wieder "sicherer" geworden
ist, den Zeuginnen/Zeugen N, C und Q1 noch während des Krankenhausaufenthaltes
berichtet, er sei von mehreren Personen zusammengeschlagen worden. Gegenüber der
Zeugin N hat er noch im Krankenhaus die Vermutung geäußert, es habe sich bei den
Tätern um Albaner gehandelt. Diese Äußerungen stehen im Widerspruch zu den - nach
Entlassung aus der stationären Behandlung - am 15.08.1997, etwa vier Wochen nach
dem Ereignis, in der Strafanzeige gemachten Angaben des Klägers. Dort war nur von
einer Person, nämlich einem Polen, die Rede. Ob noch andere Personen zugegen
waren, wusste der Kläger nicht. Auch insoweit hat der Kläger im sozialgerichtlichen
Verfahren seinen Vörtrag gewechselt, denn nunmehr war von einer Gruppe
Jugendlicher die Rede. Dem Zeugen Q hat er nach Entlassung aus der stationären
Behandlung die Anzahl der ihn zusammenschlagenden Personen mit drei sogar genau
angegeben. Über den Zeitpunkt, wann ihm der Kläger dies berichtet hatte, konnte der
Zeuge allerdings keine Angaben machen.
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Auch die Aussage des Busfahrers T, bei dem es sich insoweit ebenfalls um einen
Zeugen vom "Hörensagen" handelt, führt nicht weiter. Seine Bekundungen im
Berufungsverfahren stimmen in dem wesentlichen Punkt nicht mit seiner etwa sieben
Jahre vorher gemachten Aussage im polizeilichen Ermittlungsverfahren überein, an die
sich der Zeuge nicht mehr erinnern konnte. Damals - etwa 2 Vz Monate nach dem
Ereignis - hatte er erklärt, der Kläger habe, als er auf dem Boden liegend auf den Notarzt
wartete, die Frage, ob er in eine Schlägerei verwickelt gewesen sei, verneint.
Gegenüber dem Senat hat der Zeuge das Gegenteil bekundet, nämlich, dass der Kläger
ihm gesagt habe, in M in eine Schlägerei verwickelt gewesen zu sein. Angesichts
dessen, dass sich der Zeuge nicht nur an Einzelheiten seiner Aussage vor der Polizei
sondern an die damalige Aussage selbst nicht mehr erinnern konnte, wertet der Senat
dessen einander in dem wesentlichen Punkt widersprechenden Aussagen als nicht
beweiskräftig.
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Die Ungewissheit eines schädigenden Ereignisses ist auch nicht durch die eingeholten
Gutachten ausgeräumt worden. Die gehörten Mediziner haben die Frage, ob sich die
Feststellung treffen lässt, dass der Kläger die geltend gemachten Verletzungen durch
einen tätlichen Angriff erlitten hat, allein aufgrund der von ihnen erhobenen Befunde
sowie der aktenkundigen ärztlichen Unterlagen nicht bejahen können. Die
sachverständigen Zeugen Prof. B und Dr. N sowie der gem. § 109 SGG gehörte
Sachverständige C haben sogar die Auffassung vertreten, dass Ursache der
dokumentierten Verletzungen eher ein ungebremster Sturz bei Bewusstlosigkeit infolge
erheblicher Alkoholeinwirkung als die behaupteten Schläge oder Tritte sei. Ebenso
wenig hat sich der vom Senat gehörte Sachverständige Dr. Dr. L in der Lage gesehen,
die Behauptung des Klägers, er sei geschlagen und getreten worden, zu stützen. Der
Sachverständige stimmt in seinen wesentlichen Feststellungen und Schlussfolgerungen
mit den im erstinstanzlichen Verfahren gehörten sachverständigen Zeugen Prof. B und
Dr. N sowie dem Sachverständigen Dr. C überein. Danach lässt sich aufgrund der
dokumentierten ärztlichen Befunde, insbesondere der Krankengeschichte über die im
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Anschluss an das Ereignis erfolgten stationären Behandlungen und der in der St. M
Klinik angefertigten Röntgenaufnahmen des Schädels, nicht feststellen, dass die
Gesichtsverletzungen durch die behaupteten Schläge und Fußtritte entstanden sind.
Zwar ist aufgrund des Gesamtbildes der knöchernen Verletzungen sowie der Platz- und
Risswunden im Bereich des Gesichts wahrscheinlich von einem breitflächigen,
stumpfen Trauma auszugehen, das auf das Mittelgesicht des Klägers eingewirkt hat.
Dafür sprechen insbesondere die Schilderungen der Zeuginnen/Zeugen N, C, Q und Q1
über Verletzungen im "ganzen Gesicht". Als ein solches Trauma kommen indes sowohl
ein aufgrund eines stark alkoholisierten Zustandes ungebremster und abwehrloser Sturz
als auch massive Schläge, z. B. mit einem stumpfen Gegenstand, in Betracht. Dass der
Kläger stark alkoholisiert war, wird durch seine eigenen - wechselnden -Angaben zur
Menge des vor dem Ereignis genossenen Alkohols (35, 25, 23/24, 21, 23 Gläser Bier ä
0,2 l) belegt und ist auch in der Krankengeschichte des Klinikums M dokumentiert.
Weder unter Berücksichtigung der von den Zeugen beschriebenen Schürfwunden und
der Schmutztätowierung der Narbe im Stirnbereich noch der Verformung des
Metallstiftes des vorgelegten Stiftzahnes ist die letztgenannte Sachverhaltsvariante -
massive Schläge, z. B. mit einem stumpfen Gegenstand - als die wahrscheinlichere zu
werten. Schürfwunden und Schmutztätowierung deuten eher auf eine Gewalteinwirkung
infolge eines ungebremsten Sturzes auf den Boden. Entgegen der Auffassung des
Sachverständigen Dr. C kann für die Verformung des Metallstiftes des Stiftzahnes auch
ein ungebremster Sturz in Betracht kommen. Denn die Gewalteinwirkung auf den
Unterkiefer, durch die dieser wahrscheinlich gegen die oberen Frontzähne gedrückt
worden ist und so die Verformung verursacht hat, kann nicht nur durch einen Schlag
gegen den Unterkiefer sondern auch durch einen ungebremsten Sturz auf eine harte
Unterlage verursacht werden.
Die Beweiserleichterung des § 15 Satz 1 KOWfG durfte vorliegend nicht angewandt
werden. Nach dieser für das Verwaltungs- und Gerichtsverfahren geltenden Vorschrift,
die gem. § 6 Abs. 3 OEG auch für Gewaltopfer Anwendung findet, sind, wenn
Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des
Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind, die Angaben des
Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden
Tatsachen beziehen, zu Grunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles
glaubhaft erscheinen. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun überwiegender
Wahrscheinlichkeit, d.h. der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen
hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Beschluss vom
08.08.2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3 - 3900 § 15 Nr. 4). Die Anwendung dieses
Maßstabes setzt weiter voraus, dass der Antragsteller bzw. der Kläger Angaben zu den
entscheidungserheblichen Fragen aus eigenem Wissen machen kann und
widerspruchsfrei vorträgt (s. dazu BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R -, SozR
3-3900 § 15 Nr 3).
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Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar ist auch der Senat davon ausgegangen,
dass bei dem Kläger ungeachtet des Alkoholkonsums und der von den
erstbehandelnden Ärzten des Klinikums M dokumentierten und auch vom Kläger
hinsichtlich des Tatgeschehens zunächst angegebenen Amnesie das
Erinnerungsvermögen allmählich wiedergekehrt ist ("Meine Erinnerung wurde etwa eine
Woche nach dem Vorfall sicherer. Es kam alles so nach und nach langsam.") und er
deswegen aus eigenem Wissen insoweit Angaben machen kann. Jedoch ist der Vortrag
des Klägers, er sei geschlagen und getreten worden, nicht widerspruchsfrei.
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Der Senat verweist insoweit auf die im wesentlichen zutreffenden Ausführungen des
SG, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§153 Abs. 2
SGG). Zu Recht hat das SG auf die unterschiedlichen Angaben des Klägers im
polizeilichen Ermittlungsverfahren und sozialrechtlichen Verfahren zum eigentlichen
Tathergang, zu der Angreiferzahl und zu dem Verhalten des Klägers vor und während
des behaupteten Ereignisses hingewiesen.
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Insoweit hat das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren nicht zu einer
Auflösung der vom SG aufgezeigten Widersprüche sondern noch zu deren Vertiefung
geführt. So hat der Kläger nicht nur hinsichtlich Verhaltens und Anzahl der Angreifer
unterschiedliche Angaben gemacht. Auch zu deren Nationalität divergiert sein
Vorbringen. Erstmalig im Berufungsverfahren hat er vorgetragen, er habe Dr. N, St.-M-
Klinik, in deren stationärer Behandlung er sich vom 25.07. bis 05.08.1997 befunden
hatte, berichtet, von einer Gruppe Albanern zusammengeschlagen worden zu sein. Dies
hat er auch der vom Senat gehörten Zeugin N - wie sich aus deren Bekundungen ergibt
- schon während seines Krankenhausaufenthaltes erzählt. Demgegenüber hat der
Kläger danach, nämlich in seiner nach Entlassung aus der ihn zuletzt behandelnden St.-
M-Klinik erstatteten Strafanzeige vom 15.08.1997, den Angreifer als einen ihm von
Fahrten mit dem Bus bekannten Polen beschrieben. Angesichts seines Vorbringens,
dass das Erinnerungsvermögen allmählich wieder eingesetzt habe und etwa eine
Woche nach dem Ereignis wieder "sicherer" geworden sei, und des Umstandes, dass er
in der ca. 4 Wochen nach dem behaupteten Angriff erstatteten Strafanzeige sogar
Gründe für seine Behauptung (" ... es handelt sich um einen Polen, weil er schon mal
polnische Worte gebrauchte.") angeführt hat, steht auch der insoweit wechselnde
Vortrag im Berufungsverfahren einer Anwendung des § 15 Satz 1 KOWfG entgegen.
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Der Senat hat keine Möglichkeit gesehen, den Sachverhalt noch weiter aufzuklären. Der
Umstand, dass schon der behauptete tätliche Angriff nicht nachgewiesen werden
konnte, geht zu Lasten des Klägers. Ihm obliegt, da er aus von ihm behaupteten, aber
nicht nachweisbaren Tatsachen ein Recht herleiten will, die alleinige Beweis bzw.
Feststellungslast (Grundsatz der objektiven Beweislast).
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht
vor.
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