Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.05.2003

LSG NRW: genehmigung, befristung, rka, ermessen, versorgung, widerruf, qualitätskontrolle, leistungserbringer, erfüllung, ermächtigung

Landessozialgericht NRW, L 11 KA 197/01
Datum:
07.05.2003
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 11 KA 197/01
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 17 KA 13/01
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 6 KA 60/03 R
Sachgebiet:
Vertragsarztangelegenheiten
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts
Düsseldorf vom 15.08.2001 abgeändert. Es wird festgestellt, dass die
Befristung in Ziff. 2 des Bescheides der Beklagten vom 30.03.1999 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2000 rechtswidrig war.
Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen werden
zurückgewie sen. Die Beklagte und die Beigeladene tragen die
außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen als
Gesamtschuldnerinnen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten über die Befristung der Genehmigung zur Durchführung
künstlicher Befruchtungen nach § 121a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
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Der Kläger ist als Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in F niedergelassen und
nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Bescheid vom 06.01.1994 erteilte
ihm die Beklagte die Genehmigung für die Durchführung ärztlicher Maßnahmen zur
künstlichen Befruchtung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung für näher
bezeichnete Verfahren, u.a. In-vitro-Fertilisation (IVF).
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In der Zeit von Dezember 1996 bis April 1997 erhielten vier Vertragsärzte von der
Beklagten für die sog. "höherwertigen Befruchtungsverfahren" eine unbefristete
Genehmigung. Am 03.09.1997 beschloss der Vorstand der Beklagten, dass
Genehmigungen künftig auf drei Jahre befristet werden sollten, um bis zum Jahr 2000
mit der Beigeladenen eine qualitätsorientierte Bedarfsplanung abstimmen zu können.
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Mit Schreiben vom 21.10.1998 beantragte der Kläger die (möglichst unbefristete)
Verlängerung seiner Genehmigung. Unter dem 15.01.1999 teilte die Beigeladene der
Beklagten auf Anfrage mit, dass die "Gewähr für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige
und wirtschaftliche Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer
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Schwangerschaft" (§ 121a Abs. 2 Nr. 2 SGB V) bestehe. Nachdem sie die
Genehmigung bereits im laufenden Verwaltungsverfahren vorübergehend bis zum
31.03.1999 verlängert hatte, erteilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom
30.03.1999 die Genehmigung nach § 121a SGB V mit unter anderem folgenden
zusätzlichen Bestimmungen:
2. Die Genehmigung wird befristet vom 01.04.1999 bis zum 31.03.2002 (drei Jahre)
erteilt.
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4. Die Genehmigung kann widerrufen werden, wenn sich nachträglich die tatsächlichen
und rechtlichen Verhältnisse ändern und die Genehmigung auf unrichtigen Angaben
beruht. Gleiches gilt beim Verstoß gegen spezifische Berufspflichten nach der
Berufsordnung.
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5. Änderungen der die für die Genehmigung nach § 121a SGB V maßgeblichen
Voraussetzungen, eine Änderung der Verfahren, der personellen Besetzung oder der
sachlichen Ausstattung sind der Ärztekammer umgehend anzuzeigen. Ein
beabsichtigter Wechsel in der Leitung des Teams ist vorher anzuzeigen.
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Darüber hinaus enthält der Bescheid zu Ziff. 6 bis 8 qualitätsbezogene Auflagen. Nach
Ziff. 9 darf die Beklagte das Fortbestehen der Genehmigung von der Erfüllung weiterer
Auflagen abhängig machen.
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Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er eine unbefristete, hilfsweise auf
zehn, mindestens aber fünf Jahre befristete Genehmigung begehrte. Mit
Widerspruchsbescheid vom 28.03.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die
Befristung auf drei Jahre sei erforderlich, zumutbar und angemessen, denn die
Genehmigung zur Durchführung höherwertiger Befruchtungsverfahren betreffe ein
hohes Schutzgut. Ärzte, die künstliche Befruchtungsverfahren durchführten, müssten
insbesondere wegen der erheblichen Gefährdung der Patientinnen einen erheblichen
Qualitätsstandard einhalten. Da die Praxis schon langjährig im Bereich der
Reproduktionsmedizin und Endokrinologie tätig sei und über entsprechendes Personal
verfüge, müssten zur Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen auch keine
erheblichen Investitions- bzw. Personalentscheidungen getroffen werden. Die
gesetzlichen Kriterien bedürften der regelmäßigen Überprüfung.
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Mit der entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung der Beklagten zum Sozialgericht
(SG) Duisburg erhobenen und von dort an das SG Düsseldorf erhobenen Klage hat der
Kläger vorgetragen: Die Beklagte dürfe die im Rahmen der gebotenen
Qualitätssicherung notwendigen Genehmigungsvoraussetzungen nicht zusätzlich
nochmals auf der Ebene der Nebenbestimmungen zur Rechtfertigung einer Befristung
heranziehen. Die Befristung sei auch nicht geeignet, den mir ihr verfolgten Zweck zu
erfüllen. Qualitätsverlust trete ein durch Verlust von Mitarbeitern und Know-how sowie
durch veraltende Technik. All dies sei aber bereits nach Ziff. 5 des angegriffenen
Bescheides anzuzeigen und könne zum Widerruf der Genehmigung führen. Im Hinblick
auf die zwischenzeitlich unbefristet erteilten Genehmigungen liege in der Befristung ein
Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Selbst wenn die Praxis, Genehmigungen nur noch
befristet zu erteilen, wirksam sein sollte, müsse bei ihm wegen seiner unzweifelhaften
Qualifikation eine Ausnahme gemacht werden. Zumindest sei aber eine längere Frist
erforderlich, weil bei einer Befristung auf drei Jahre eine angemessene Personal- und
Investitionsplanung ausgeschlossen sei.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 30.03.1999 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 28.03.2000 insoweit aufzuheben, als er in Ziff. 2 die
Genehmigung vom 01.04.1999 bis zum 31.03.2002, also auf ingesamt 3 Jahre, befristet,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, unter der Berücksichtigung der
Rechtsauffassung des Gerichts den Kläger neu zu bescheiden.
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Die Beklagte und die Beigeladene haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie haben die Auffassung vertreten, die Befristung sei zur Kontrolle der Prozess- und
Ergebnisqualität der Tätigkeit des Klägers notwendig. Ein sachlicher Grund zur
Besserstellung des Klägers gegenüber anderen Ärzten, deren Genehmigung befristet
werden müsse, bestehe nicht.
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Mit Urteil vom 15.08.2001 hat das SG die Klage im Hauptantrag abgewiesen und ihr im
Hilfsantrag stattgegeben. Die Beklagte habe die Genehmigung auf der Grundlage von §
32 Abs. 2 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) befristen dürfen, ohne dass ihr
Ermessen zugunsten des Klägers auf Null reduziert gewesen sei. Eine Befristung sei
besser als ein Widerrufsvorbehalt geeignet, bei den Ärzten den erforderlichen
Qualitätsdruck auszulösen. Mit dem Widerrufsvorbehalt lasse sich zudem der Fall nicht
erfassen, dass zwar die Qualität eines Leistungserbringers nicht absinke, andere
Leistungserbringer jedoch zwischenzeitlich einen höheren Qualitätsstandard anböten.
Die Befristung sei zudem sinnvoll, da die Genehmigung bezogen auf bestimmte
Befruchtungsverfahren erfolge und sich diese u.U. mit der Zeit überleben könnten. Eine
Befristung auf lediglich drei Jahre sei hingegen zumindest bei einer seit Jahren
erfolgreich an der Versorgung der gesetzlich Versicherten teilnehmende Praxis
unverhältnismäßig, zumal sie keine Grundlage für weitgehende
Investitionsentscheidungen biete. Vielmehr seien im Fall des Klägers sieben bis acht
Jahre angemessen.
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Gegen dieses Urteil haben alle Beteiligten Berufung erhoben.
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Die Beklagte weist darauf hin, dass § 121a SGB V in Anlehnung an die Rechtsprechung
des BSG zur Großgeräteplanung (§ 122 SGB V a.F.) eine hinreichend bestimmte
Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Nebenbestimmungen sei. Sie werde durch
die Richtlinie zur Entscheidung über die Genehmigung von Maßnahmen zur
Durchführung künstlicher Befruchtungen durch Ärztinnen und Ärzte, Einrichtungen und
Krankenhäuser gemäß § 121a SGB V des Ministeriums für Arbeit und Gesundheit und
Soziales Nordrhein-Westfalen vom 24.01.1997 (MinBl. 1997, S. 137), im Folgenden:
Richtlinie) konkretisiert, die im Ergebnis auch die vorliegende Befristung decke.
Hinsichtlich deren Dauer bestehe ein Beurteilungsspielraum, der von den Gerichten nur
auf offensichtliche Fehlsamkeit oder Unvereinbarkeit mit der Wertordnung des
Grundgesetzes (GG) überprüft werden dürfe. Das SG habe die ihm danach zustehenden
beschränkten Kontrollbefugnisse überschritten. Darüber hinaus habe es zu Unrecht
zwischen Erst- und Folgegenehmigungen unterschieden, weil auch bei Letzteren eine
unverändert intensive Qualitätskontrolle geboten sei. Soweit es auf die
Investitionskosten abgehoben habe, seien diese bei einem Erstantragsteller wesentlich
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höher als bei einem Folgeantrag. Zur Einhaltung der gerade in der
Reproduktionsmedizin gebotenen besonders hohen Qualität bedürfe es umfassender
Feststellungen, die nur im Rahmen eines jeweils neuen Antragsverfahrens getroffen
werden könnten. Dieses zwinge die betroffenen Leistungserbringer zudem zur
Qualitätssicherung in kurzfristigen Abständen. Ein Drei-Jahres-Zeitraum sei dabei
angemessen, zumal die Bedarfspläne alle drei Jahre neu erstellt würden und im
Rahmen von Ermächtigungen eine Befristung auf zwei Jahre unproblematisch zulässig
sei. Schließlich könne die von § 121a SGB V geforderte Auswahlentscheidung
zwischen mehreren geeigneten Ärzten nur dann erfolgen, wenn erteilte Genehmigungen
regelmäßig ausliefen.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.08.2001 abzuändern, die Klage
abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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Die Beigeladene schließt sich dem Vortrag der Beklagten und ihrem Antrag an.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.08.2001 abzuändern und festzustellen,
dass die Befristung in Ziffer 2 des Bescheides der Beklagten vom 30.03.1999 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2000 dem Grunde nach rechtswidrig
und unzulässig war sowie die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen
zurückzuweisen.
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Der Kläger verbleibt bei seiner Auffassung, dass den Erfordernissen der
Qualitätssicherung mit dem Widerrufsvorbehalt hinreichend Rechnung getragen werde.
Wenn dieser, wie das SG ausgeführt habe, bei den Ärzten gemeinhin zu weniger Druck
als eine Befristung führe, liege dies an der praktischen Handhabung durch die
Kassenärztlichen Vereinigungen und die Ärztekammern. Im Übrigen sei § 121a SGB V
nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber eine Befristung überhaupt für zulässig
gehalten habe. Vielmehr stehe das Ziel der Beklagten, regelmäßig eine
Wettbewerbssituation zu erzeugen, im Widerspruch zu § 121a Abs. 3 Satz 2 SGB V,
wonach eine Auswahl nur dann stattfinde, wenn sie "notwendig" sei.
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Mit Bescheid vom 16.03.2002 hat die Beklagte dem Kläger die Genehmigung nach §
121a SGB V für die Zeit vom 01.04.2002 bis zum 31.03.2005 erteilt, soweit nicht die im
Bescheid vom 30.03.1999 gewählte Befristung als zu kurz erachtet werde.
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Der Senat hat Auskünfte von 17 Landesärztekammern bzw. nach Landesrecht
zuständigen Genehmigungsbehörden zur jeweiligen Befristungspraxis eingeholt.
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Wegen des Ergebnisses wird auf die schriftlichen Antworten Bezug genommen. Die
Verwaltungsakte der Beklagten ist beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Dagegen sind die zulässigen
Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen unbegründet.
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Die ursprünglich auf Erteilung einer unbefristeten Genehmigung gerichtete Klage ist mit
dem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Klageantrag als
Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG))
zulässig.
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Der Genehmigungsbescheid vom 30.03.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 28.03.2000 und die in ihm enthaltene angegriffene Nebenbestimmung haben sich
durch Zeitablauf erledigt. Ebenso wie bei Ermächtigungen (vgl. hierzu ausführlich BSG,
Urt. v. 15.03.1995 - 6 RKa 27/94 - SozR 3-2500 § 116 Nr. 12; Urt. v. 19.06.1996 - 6 RKa
15/95 - SozR 3-2500 § 116 Nr. 13) ist der Folgebescheid vom 16.03.2002 weder in
unmittelbar noch in entsprechender Anwendung von § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des
Verfahrens geworden.
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Das für die Fortführung des Verfahrens im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage
erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers besteht darin, dass er bei
Folgebescheiden eine erneute Befristung der Genehmigung auf lediglich drei Jahre
befürchten muss (vgl. BSG, Urt. v. 27.06.2001 - B 6 KA 39/00 R). Die darin liegende
Wiederholungsgefahr hat sich im Übrigen sogar schon verwirklicht, wie der Bescheid
vom 16.03.2002 zeigt.
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Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet. Denn der angefochtene
Bescheid war rechtswidrig, soweit er die dem Kläger teilte Genehmigung zur
Durchführung künstlicher Befruchtungen befristete.
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Als Rechtsgrundlage für die Befristung kommt ohnehin entgegen der Auffassung der
Beklagten nicht § 32 Abs. 2 Nr. 1 SGB X, sondern nur § 32 Abs. 1 SGB X in Betracht.
Denn der Kläger hatte auf die Erteilung der Genehmigung nach § 121a SGB V einen
Rechtsanspruch.
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Ein solcher Rechtsanspruch besteht nur ausnahmsweise dann nicht, wenn eine
Auswahl zwischen mehreren Bewerbern notwendig ist, weil mehr Bewerber vorhanden
sind als Bedarf besteht (i.E. wie hier: Hencke in Peters KV (SGB V), § 121 a Rdnr. 5;
Krauskopf, KV, § 121a Rdnr. 4; i.E. auch Jung in GK-SGB V § 121a Rdnr. 8; a.A.
Dalichau/Grüner, GSG, § 121a, S. 4; Hess in KassKomm, § 121a SGB V Rdnr. 4;
Kruschinsky in Hauck/Haines-SGB V, § 121a Rdnr. 6; Tuschen in GKV-Komm. § 121a
Rdnr. 8). Das ergibt sich entgegen dem missverständlichen Wortlaut des § 121a Abs. 3
Satz 1 SGB V, der einen Genehmigungsanspruch grundsätzlich auszuschließen
scheint, aus der systematischen Stellung des § 121a Abs. 3 SGB V und der
Entstehungsgeschichte der Vorschrift: § 121a Abs. 3 SGB V ist im Zusammenhang mit
zwei weiteren ähnlich lautenden Vorschriften zu lesen: Nach § 8 Abs. 2 Satz 1
Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) besteht kein Anspruch auf Aufnahme eines
Krankenhauses in den Krankenhausplan. Bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren
Krankenhäusern entscheidet die zuständige Landesbehörde unter Berücksichtigung der
öffentlichen Interessen und der Vielfalt der Krankenhausträger nach pflichtgemäßem
Ermessen, welches Krankenhaus den Zielen der Krankenhausplanung des Landes am
besten gerecht wird (§ 8 Abs. 2 Satz 2 KHG). Nach § 109 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben
Krankenhäuser, die weder Hochschulkliniken noch Plankrankenhäuser sind,
grundsätzlich keinen Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages. Bei
notwendiger Auswahl zwischen mehreren geeigneten Krankenhäusern, die sich um den
Abschluss eines Versorgungsvertrages bewerben, entscheiden die Landesverbände
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der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam unter
Berücksichtigung der öffentlichen Interessen und der Vielfalt der Krankenhausträger
nach pflichtgemäßem Ermessen, welches Krankenhaus den Erfordernissen einer
bedarfsgerechten, leistungsfähigen und wirtschaftlichen Krankenhausbehandlung am
besten gerecht wird.
Zur Auslegung von § 8 Abs. 2 KHG haben das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
und das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass ein Anspruch auf Aufnahme in den
Krankenhausplan nach § 8 Abs. 2 Satz 1 KHG nur dann nicht besteht, wenn eine
"notwendige" Auswahl im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 2 KHG zu treffen ist, weil mehrere
gleichwertige Krankenhäuser zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehen (BVerwG, Urt.
v. 25.07.1985 - 3 C 25/84 - NJW 1986, 796, 799; BVerfG, Beschl. v. 12.06.1990 - 1 BvR
355/86 - BVerfGE 82, 209). Nur in dieser Auslegung verstoße § 8 Abs. 2 Satz 1 KHG
nicht gegen Art 12 Abs. 1 GG und Art 19 Abs. 4 GG. Diese Betrachtungsweise hat der 3.
Senat des BSG im Zusammenhang mit § 109 Abs. 2 SGG übernommen (Urt. v.
29.05.1996 - 3 RK 23/95 - BSGE 78, 233, 239; Urt. v. 19.11.1997 - 3 RK 6/96 - BSGE 81,
182, 184).
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Die geschilderte Rechtsprechung, der sich der Senat aus eigener Überzeugung
anschließt, ist auch auf § 121a SGB V zu übertragen. Diese Bestimmung ist ausweislich
der Gesetzgebungsmaterialien gezielt § 109 Abs. 2 SGB V nachgebildet (BR-Drucks.
65/90, S. 40). Alle drei genannten Vorschriften sind durch die gleiche Regelungsstruktur
und einen ebenfalls vergleichbaren materiellen Regelungsgehalt gekennzeichnet. Sie
eröffnen, wenn auch aufgrund unterschiedlicher Konstruktionen, den Weg zur
Behandlung gesetzlich Krankenversicherter. Für den Fall der "notwendigen" Auswahl
zwischen mehreren Bewerbern schreiben sie als Auswahlkriterien die
Bedarfsgerechtigkeit, Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit fest. Für §§ 121a Abs. 3,
109 Abs. 2 SGB V ergibt sich dies unmittelbar aus dem Gesetz. Für § 8 Abs. 2 KHG,
wonach sich die Auswahl an den Zielen der Krankenhausplanung zu orientieren hat,
folgen dieselben Merkmale aus § 1 Abs. 1 KHG, der diese Ziele ausdrücklich formuliert.
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Aufgrund dessen hatte der Kläger einen Rechtsanspruch auf Erteilung der
Genehmigung: Die Genehmigungsvoraussetzungen waren erfüllt. Das steht zwischen
den Beteiligten außer Zweifel und bedarf daher keiner näheren Darlegung. Eine
Auswahlentscheidung nach § 121a Abs. 3 SGB V war hingegen erforderlich, zumal die
in § 121 Abs. 2 Nr. 2 SGB V genannten Kriterien der Wirtschaftlichkeit und
Bedarfsgerechtigkeit ausweislich der "Bedarfsgerechtigkeitsbescheinigung" der
Beigeladenen erfüllt waren (vgl. hierzu Abschn. B II. B der Richtlinie).
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Im Hinblick hierauf durfte die Genehmigung nicht nach § 32 Abs. 1 SGB X befristet
werden.
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Die Befristung ist nicht "durch Rechtsvorschrift zugelassen" (§ 32 Abs. 1 1. Alt. SGB X).
Der Wortlaut enthält keinen Hinweis auf die Zulässigkeit einer Befristung. Insbesondere
fehlt eine Wendung wie "solange" in § 116 SGB V, aus der das BSG für die
Ermächtigung von Krankenhausärzten eine Befristungsbefugnis abgeleitet hat (BSG,
Urt. v. 27.02.1992 - 6 RKa 15/91 - BSGE 70, 167, 171 ff. m.w.N.). Dabei hätte eine
eindeutige klarstellende Regelung nahegelegen, nachdem § 121a Abs. 3 SGB V
ausdrücklich an § 109 Abs. 2 SGB V und damit auch an § 8 Abs. 2 KHG angelehnt
worden ist und das BVerwG eine Befristung der Feststellung der Aufnahme in den
Krankenhausplan sogar trotz der Formulierung "soweit und solange" in § 8 Abs. 1 KHG
41
generell für unzulässig erachtet hat (BVerwG, Urt. v. 10.07.1980 - 3 C 136/79 -
BVerwGE 60, 269, 276 ff.; Beschl. v. 05.08.1985 - 3 B 78/84 - Buchholz 451.74 § 8 Nr.
6). Von Sinn und Zweck her ist der Schluss auf eine Zulassung "durch Rechtsvorschrift"
ebenfalls nicht geboten. Anders als bei § 116 SGB V gibt es im vorliegenden Fall
nämlich kein Stufenverhältnis wie zwischen den grundsätzlich zu bevorzugenden
Vertragsärzten und den nur hilfsweise zu ermächtigenden Krankenhausärzten, für deren
Ermächtigung keine Notwendigkeit mehr besteht, sobald der Versorgungsbedarf durch
niedergelassene Vertragsärzte gedeckt ist.
Die Befristung stellt auch nicht sicher, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der
Genehmigung erfüllt werden (§ 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X).
42
Es steht außer Zweifel, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung nach § 121a
SGB V zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung, auf den es maßgeblich ankommt,
in vollem Umfang vorgelegen haben. Es bedurfte also keiner Befristung, um die
gesetzlichen Voraussetzungen für die getroffene Entscheidung herbeizuführen. Der
Kläger hat mithin keinen in seiner Person oder Praxis liegenden Anlass zur Befristung
gegeben.
43
Dass die Genehmigungsvoraussetzungen auf Dauer erhalten bleiben, wird durch die
Befristung nicht gewährleistet. Ändern sie sich, so ist jedenfalls durch die
entsprechenden Auflagen sichergestellt, dass die Beklagte hiervon Kenntnis erlangt.
Die in diesem Fall zu treffende Entscheidung über einen Widerruf bzw. eine Aufhebung
der Genehmigung (auf der Grundlage des Widerrufsvorbehalts bzw. nach § 48 Abs. 1
Satz 1 SGB X) ist eine Ermessensentscheidung und kann daher grundsätzlich nicht im
Wege einer Befristung vorweggenommen werden (vgl. BVerwGE 60, 269, 277). Die
Nichtbefolgung der Auflagen stellt dabei ihrerseits einen eigenständigen Widerrufsgrund
dar (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 SGB X). Die sofortige Umsetzung der Aufhebung bzw. des
Widerrufs kann überdies durch die Anordnung ihrer sofortigen Vollziehbarkeit
sichergestellt werden. Auf diese Weise ist zudem eine kontinuierliche und nicht lediglich
alle drei Jahre anfallende Qualitätskontrolle gewährleistet. Da der Kläger den
Widerrufsvorbehalt nicht angefochten hat, kann der Senat im Übrigen unentschieden
lassen, ob dieser (wenngleich in Abschn. B III. 4.1. Richtlinie ausdrücklich vorgesehen)
nicht ebenfalls wegen Verstoßes gegen § 32 Abs. 1 SGB X rechtswidrig ist.
44
Erst recht dient die Befristung nicht der Sicherung der versorgungsgebietsbezogenen
Genehmigungsvoraussetzungen "wirtschaftlich" und "bedarfsgerecht" (§ 121a Abs. 2 Nr.
2 SGB V). Die Beklagte trägt hierzu vor, nur durch eine Befristung der Genehmigung
lasse sich in regelmäßigen Abständen die für eine Auswahlentscheidung nach § 121a
Abs. 3 Satz 2 SGB V notwendige Wettbewerbssituation herstellen. Diese Zielsetzung
rechtfertigt die Befristung der Genehmigung jedoch schon deshalb nicht, weil sie der
gesetzlichen Wertung des § 121a Abs. 3 Satz 2 SGB V zuwiderläuft. Da danach eine
Auswahl nur erfolgen darf, wenn sie erforderlich ist, ist es unzulässig, eine
Auswahlsituation durch befristete Genehmigungen künstlich herbeizuführen.
45
Der Hinweis der Beklagten auf die Rechtsprechung des BSG zur Großgeräteplanung
führt zu keinem anderen Ergebnis. Gewiss hat das BSG die dieser Planung vormals
zugrunde liegende Vorschrift des § 122 SGB V a.F. als ausreichend bestimmte
Ermächtigungsgrundlage angesehen, eine im Einzelnen unterschiedliche
landesrechtliche Ausgestaltung für zulässig gehalten (Urt. v. 14.05.1992 - 6 RKa 41/91 -
BSGE 70, 285, 292 ff.) und diese Grundsätze auch auf die Genehmigung nach § 121 a
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SGB V übertragen (Beschl. v. 16.08.2000 - Az B 6 SF 1/00 R - SozR 3-2500 § 51 Nr.
26). Das ändert jedoch nichts daran, dass die Landesbehörden bei der Wahrnehmung
ihrer Ausgestaltungsbefugnisse an zwingende bundesgesetzliche Regelungen
gebunden sind. Zu diesen zählt insbesondere § 32 Abs. 1 SGB X.
Da sich die Befristung in vollem Umfang als rechtswidrig erweist, sind die Berufungen
der Beklagten und der Beigeladenen zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden
Fassung. Der Senat hat es mit Blick auf den Veranlassungsgrundsatz nicht für
angemessen gehalten, die durch die Klageerhebung beim unzuständigen Gericht
entstandenen Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Denn dieser hat sich bei der Wahl des
Gerichts ersichtlich an der (unzutreffenden) Rechtsbehelfsbelehrung im
Widerspruchsbescheid orientiert.
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Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache
zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Umfrage unter den Genehmigungsbehörden
hat eine vollständig unterschiedliche Befristungspraxis und damit grundsätzlichen
Klärungsbedarf ergeben.
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