Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10.02.2004

LSG NRW: gebühr, gerichtlicher vergleich, vorverfahren, vergütung, verhinderung, ermessen, auflage, post, krankenversicherung, rechtskraft

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Sachgebiet:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Rechtskraft:
Landessozialgericht NRW, L 16 B 3/04 KR
10.02.2004
Landessozialgericht NRW
16. Senat
Beschluss
L 16 B 3/04 KR
Sozialgericht Düsseldorf, S 8 KR 59/03
Krankenversicherung
rechtskräftig
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.11.2003 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren streitig.
Der Antragsteller ist Rechtsanwalt. Er vertrat den Kläger in einem am 31.03.2003
eingeleiteten Klageverfahren, in dem ein Krankengeldanspruch gegen die Beklagte
durchgesetzt werden sollte. Neben der Klage beantragte er, die Beklagte im Wege der
einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Krankengeld zu verpflichten (S 8 KR 58/03 ER).
Mit Beschluss vom 29.04.2003 bewilligte das Sozialgericht dem Kläger für das
Klageverfahren vor dem Sozialgericht PKH ohne Ratenzahlung und ordnete den
Antragsteller bei, nachdem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Termin vom
25.04.2003 ein auch das vorliegende Verfahren erfassender gerichtlicher Vergleich
geschlossen worden war.
Mit seinem "Kostenfestsetzungsantrag für Prozesskostenhilfe" vom 2.10.2003 begehrte der
Antragsteller die Erstattung folgender Gebühren:
Gebühr gem. § 116 Abs. 1 Satz 1 BRAGO 520,00 Euro Post- und
Telekommunikationsentgelte gem. § 26 BRAGO 20,00 Euro Umsatzsteuer § 25 Abs. 2
BRAGO 86,40 Euro ----------------------------------------------------------------------------------------------------
- Gesamt 626,40 Euro
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.10.2003 setzte der Urkundsbeamte der
Geschäftsstelle die von der Staatskasse zu erstattenden Gebühren auf 255,20 Euro (§ 116
Abs. 1 BRAGO: 200 Euro) fest und führte aus, es komme nur eine Gebühr im unteren
Gebührenbereich in Betracht, da die anwaltliche Tätigkeit in dem Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes identisch gewesen sei.
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Mit seiner Erinnerung vom 04.11.2003 machte der Antragsteller geltend, von einer Identität
der Tätigkeit in Klage und einstweiligem Rechtsschutzverfahren könne nicht ausgegangen
werden. Grundsätzlich sei von der Mittelgebühr auszugehen. Vor Anrufung des Gerichts sei
mehrfach mit der Beklagten telefoniert worden. Für seine Tätigkeit im Vorverfahren stehe
ihm noch eine Gebühr nach § 116 Abs. 1 BRAGO zu, so dass im Ergebnis die geltend
gemachte Vergütung gerechtfertigt sei. Mit Beschluss vom 20.11.2003 hat das
Sozialgericht die von der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 255,20 Euro festgesetzt
und ausgeführt, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfasse ausschließlich die Kosten
des Klageverfahrens.
Für das einstweilige Anordnungsverfahren sei die geltend gemachte Gebühr
antragsgemäß festgesetzt worden. Das vorprozessuale Handeln habe auch der
Verhinderung dieses Verfahrens gedient.
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer am 08.12.2003 Beschwerde eingelegt
und zur Begründung ausgeführt, dem Anordnungsverfahren gehe kein Vorverfahren voran.
Die Vorverfahrensgebühr sei daher im Klageverfahren zu erheben und festzusetzen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht
zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist nach § 128 Abs. 4 BRAGO zulässig. Danach ist gegen den Beschluss
die Beschwerde zulässig, wenn - wie hier - der Wert des Beschwerdegegenstandes 50
Euro übersteigt.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Zutreffend hat das SG erkannt, dass dem Antragsteller ein Vergütungsanspruch für das
Vorverfahren gemäß § 121ff. BRAGO nicht zusteht. Gemäß § 121 Abs. 1 BRAGO erhält der
im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt in Verfahren vor Gerichten
eines Landes die gesetzliche Vergütung. Nach § 122 Abs. 1 BRAGO bestimmt sich der
Anspruch nach den Beschlüssen, durch die Prozesskostenhilfe bewilligt und der
Rechtsanwalt beigeordnet worden ist.
Diese gesetzlichen Vorgaben verdeutlichen, dass nur ein Anspruch für gerichtliche
Verfahren in Betracht kommt, zu denen das Vorverfahren gemäß §§ 78ff.
Sozialgerichtsgesetz nicht zählt. Dem durchgeführten Vorverfahren kommt prozessual
lediglich die Bedeutung einer Klagevoraussetzung zu. Es geht dem Rechtsstreit als Teil
des Verwaltungsverfahrens voran (vgl. etwa § 119 Abs. 1 BRAGO) und wird
dementsprechend gebührenrechtlich gesondert berücksichtigt (vgl. für das Vorverfahren
gemäß § 68ff. VwGO: OVG Münster, Beschluss vom 13.01.1998 - 18 E 674/96 - m.w.N.).
Dem entspricht auch, dass das Sozialgericht Prozesskostenhilfe nur "für diesen
Rechtszug" Prozesskostenhilfe bewilligt hat.
Die Kosten des Vorverfahrens gehören zwar zu den außergerichtlichen Kosten im Sinne
des § 193 SGG (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, 2002, § 193 Rdnr. 5a). Dieser
Anspruch ist aber gegenüber der Beklagten geltend zu machen.
2. Auch ansonsten begegnet die Kostenfestsetzung keinen Bedenken. Nach § 116 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 BRAGO erhält ein Rechtsanwalt in einem Verfahren vor dem Sozialgericht
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eine Gebühr von 50 bis 660 Euro. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO bestimmt der
Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller
Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der
Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und
Einkommensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von
einem Dritten - oder sinngemäß von einem Vergütungsschuldner (vgl. LSG Schleswig-
Holstein in Breithaupt 1995, S. 738, 739) - zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt
getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 12 Abs. 1 Satz 2 BRAGO).
Abweichungen bis zu 20 v. H. von der als billig erscheinenden Gebühr werden aber als
vertretbar angesehen und noch hingenommen.
Zwar weist der Antragsteller zutreffend darauf hin, dass es im Regelfall gerechtfertigt
erscheint, die Mittelgebühr anzusetzen (vgl. für die h.M. m.w.N. Hartmann, Kostengesetze,
§ 116 Rdnr. 2). Er selbst hat aber schon eine deutlich höhere Gebühr geltend gemacht.
Aber auch ein Abweichen von der Mittelgebühr erscheint vorliegend gerechtfertigt, da
Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Dauer des Verfahrens
lediglich als deutlich unterdurchschnittlich bezeichnet werden können.
Neben der Klageerhebung, die eine rechtliche Begründung neben der Schilderung des
Sachstandes nicht enthielt, musste der Antragsteller vorliegend nicht weiter tätig werden.
Mit der Klageerhebung wurde zugleich das gesondert erfasste Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes anhängig gemacht, in dem die Gebühren des Antragsstellers
antragsgemäß ausgehend von einer Gebühr gemäß § 116 Abs. 1 BRAGO von 520 Euro
festgesetzt worden sind.
Das Klageverfahren ist aufgrund des im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
geschlossenen Vergleichs ebenso wie das weitere Verfahren des Sozialgerichts
Düsseldorf - S 8 KR 55/93 - erledigt worden.
Kosten des Verfahrens über die Erinnerung und die Beschwerde sind nach § 128 Abs. 5
Satz 2 BRAGO nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 128 Abs. 4 Satz 3 BRAGO, 177 SGG).