Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 27.08.2008

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Landessozialgericht NRW, L 10 V 10/08
Datum:
27.08.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 10 V 10/08
Vorinstanz:
Sozialgericht Aachen, S 25 (18) V 101/06
Sachgebiet:
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Aachen vom 14.05.2008 (im Gerichtsbescheid fälschlich
bezeichnet als 14.05.2007) wird zurückgewiesen. Dem Kläger werden
wegen mutwilliger Prozessführung Kosten i.H.v. 225,00 EUR auferlegt.
Im Übrigen sind Kosten auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Streitig ist eine vom Kläger behauptete Untätigkeit des Beklagten bezüglich eines vom
Kläger behaupteten Antrages vom 27.09.2003.
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Der 1943 geborene Kläger leidet an einer als lmpfschaden anerkannten Multiplen
Sklerose. Er führt eine Vielzahl von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren wegen der Art
und des Umfangs der Versorgung sowie wegen sonstiger Angelegenheiten in diversen
Gerichtsbarkeiten und allen Instanzen. Mit Stand vom 27.08.2008 hat der Kläger 33
Hauptsache- und Beschwerdeverfahren vor dem Senat anhängig.
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Am 31.05.2006 erhob der Kläger beim Sozialgericht (SG) Aachen eine
Untätigkeitsklage. Der Beklagte entscheide nicht über seinen "Antrag vom 27.9.2003".
Soweit das Sozialgericht nachfrage, um was für einen Antrag es sich dabei handele und
an wen er gerichtet sei, sei der Klagegegenstand "völlig klar für alle". Nötigenfalls
müsse der Beklagte ihre Akten vorlegen.
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Der Kläger hat erstinstanzlich schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
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den Antrag vom 27.09.2003 zu bescheiden.
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Der Beklagte hat sinngemäß beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat darauf hingewiesen, dass sich in seinen Akten kein Antrag vom 27.09.2003
befinde.
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Das SG hat den Kläger zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört und
anschließend mit Gerichtsbescheid vom 14.05.2008 (im Tenor fälschlich als 14.05.2007
bezeichnet) die Klage abgewiesen. Es hat u.a. ausgeführt: Der vom Kläger behauptete
Antrag könne in den Akten des Beklagten nicht gefunden werden. Der Kläger habe sich
trotz mehrfacher Anfrage nicht dazu geäußert, an welche Behörde der Antrag gerichtet
gewesen und was mit dem Antrag begehrt worden sei. Er habe sich auch nicht im
Stande gesehen, eine Durchschrift dieses Antrags zu den Gerichtsakten zu reichen. Es
stehe mithin nicht fest, ob ein Antrag vom 27.09.2003 überhaupt gestellt worden sei.
Demzufolge könne der Beklagte nicht wegen Untätigkeit verurteilt werden.
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Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers. Er meint, dass
die Frage, was er mit seinem Antrag vom 27.09.2003 begehre, bei der Krankenkasse
oder beim Landesamt ermittelt werden müsse. Die Aufklärung des Sachverhalts sei
Aufgabe des Gerichts. Zudem beantrage er Akteneinsicht, Verlegung des
Verkündungstermins mangels einer Begleitperson sowie Stellung einer solchen
Begleitperson in einem weiteren Termin.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Aachen vom 14.05.2008 aufzuheben und den
Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung verweist er auf sein bisheriges Vorbringen und den angefochtenen
Gerichtsbescheid.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die
Streitakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten betreffend den Kläger Bezug
genommen. Diese liegen dem Senat in Kopie mit Stand bis Ende 2007 vollständig vor.
Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe:
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1.
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a) Der Senat hat trotz Ausbleibens des Beklagten und des Klägers im Termin zur
mündlichen Verhandlung entscheiden können, weil die Beteiligten von diesem Termin
mit dem Hinweis benachrichtigt worden sind, dass auch im Falle ihres Ausbleibens
verhandelt und entschieden werden kann.
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Den Anträgen des Klägers auf Verlegung des Termins war nicht stattzugeben. Diese
Anträge sind nicht rechtswirksam gestellt worden. Den Terminverlegungsantrag vom
18.08.2008 hat nicht der Kläger gestellt. Zwar wird in diesem Schreiben sein Briefkopf
verwendet. Das Schreiben schließt jedoch mit einer unleserlichen Unterschrift und dem
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Zusatz "i.A.". Es handelt sich um ein Fax-Schreiben, auf dem computertechnisch als
Absender "Fam. C" vermerkt ist. Ungeachtet der Frage, ob der Unterzeichner des
Schriftsatzes vom 18.08.2008 vertretungsbefugt im Sinne des § 73 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist, liegt jedenfalls keine auf ihn ausgestellte Vollmacht vor
(§ 73 Abs. 6 Satz 1 SGG). Eine solche ist weder nachgereicht worden (§ 73 Abs. 6 Satz
2 SGG) noch hat der Kläger die Verfahrenshandlung genehmigt. Diesen Mangel
berücksichtigt der Senat von Amts wegen (§ 73 Abs. 6 Satz 4 SGG). Vom Kläger
unterzeichnet ist lediglich der Fax-Schriftsatz (ohne Datum) mit Eingang 18.08.2008
(12:17). Dieser wiederum enthält keinen Terminverlegungsantrag. Einen weiteren
Terminverlegungsantrag enthält zwar der Schriftsatz vom 22.08.2008. Auch dieser ist
nicht wirksam gestellt. Denn er ist wiederum mit "i.A." unterzeichnet. Der nicht
individualisierte und dem übrigen Schriftbild entsprechende Namenszug "Q" deutet
darauf hin, dass der Bruder des Klägers (W Q) dieses Schreiben verfasst hat. Eine
Bestätigung hierfür findet sich im Schriftsatz vom 20.08.2008, der einen identischen
Namenzug aufweist und in dem darauf hingewiesen wird, dass Zustellungen bis zum
15.09. an W Q erfolgen sollen. Entsprechendes gilt für den Verlegungsantrag vom
10.08.2008, der mit dem Namenzug "Q W" und dem Zusatz "i.A." unterzeichnet ist.
Im Übrigen: Dem Kläger ist aus einer Vielzahl von ihm geführter Verfahren bekannt,
dass der Senat einem von ihm - regelhaft - gestellten Terminverlegungsantrag nur dann
stattgeben wird, wenn die Dienst-, Termin- und Reiseunfähigkeit amtsärztlich bestätigt
wird. In diesem Zusammenhang ist auf den den Kläger betreffenden Beschluss des
Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.03.2007 - B 9 a V 26/06 B - zu verweisen. Ohnehin
hat der Senat aus diesem und der Vielzahl vom Kläger geführten Verfahren die
Überzeugung gewonnen, dass der Kläger sich in hohem Maße querulatorisch verhält,
indem er auf nahezu jede richterliche Tätigkeit mit teils umfangreichen, inhaltlich aber
kaum nachvollziehbaren Schriftsätzen reagiert und fortlaufend Befangenheits- oder
Terminverlegungsanträge stellt. Beispielsweise hat der Kläger bei dem für
Befangenheitsanträge nach dem Geschäft verteilungsplan des LSG Nordrhein-
Westfalen für 2007 zuständigen 15. Senat allein 32 Befangenheitsanträge
(einschließlich nachfolgender Anhörungsrügen) gegen Richter des für ihn örtlich
zuständigen SG Aachen anhängig gemacht.
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b) Auch soweit der Kläger Akteneinsicht beantragt hat, hindert dies eine Entscheidung
des Senats nicht. Der Akteneinsichtsantrag im Schriftsatz vom 18.08.2008 ist nicht
rechtswirksam gestellt. Auf die Ausführungen zu Ziffer a) ist zu verweisen. Im Übrigen
hat der Senat dem Kläger mit Verfügung vom 25.06.2008 unter Setzung einer Frist von
14 Tagen ermöglicht, die Akten einzusehen. Darauf hat er nicht reagiert. Auf den
erneuten und kurzfristig vor dem Termin vom 27.08.2008 gestellten Antrag auf
Akteneinsicht vom 18.08.2008 hat ihm der Senatsvorsitzende mit Verfügung vom
19.08.2008 die Gelegenheit gegeben, die Akten auf der Geschäftstelle einzusehen.
Davon hat er ebenfalls nicht Gebrauch gemacht. Er hat auch nicht substantiiert
vorgetragen, dass es weder ihm noch den zahlreichen in seinem Auftrag in diesem und
anderen Verfahren tätigen Personen (W Q, Familie Dr. C etc.) möglich war, die Akten
einzusehen. Zur Überzeugung des Senats steht vielmehr fest, dass es vorliegend - wie
nahezu in allen anderen vom Kläger vor dem Senat anhängig gemachten Verfahren -
sein einzige Ziel ist, den Senat durch rechtsmissbräuchliches Verhalten zu veranlassen,
den Termin aufzuheben, um damit den Rechtsstreit zu verschleppen (vgl. zum
missbräuchlichen Antrag auf Akteneinsicht: Beschluss des Senats vom 05.09.2001 - L
10 SB 136/00 -). Dies folgt sowohl aus dem prozessualen Gesamtverhalten des Klägers,
als auch daraus, dass er die Akten nicht eingesehen hat, obgleich ihm dies mehrfach
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angeboten worden ist. Damit hat der Senat alles Erforderliche getan, um dem Kläger die
Einsichtnahme in die Streitkakte zu ermöglichen (vgl. BFH, Beschluss vom 23.09.1999 -
VI B 397/98 -). Auf eine Übersendung der Akten an die häusliche Adresse besteht kein
Anspruch. Im Übrigen ist gerichtsbekannt, dass der Kläger Verfahrensakten mehrfach
trotz Aufforderung nur verspätet zurückgereicht hat.
2.
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a) Die Berufung ist zulässig. Die Berufungsschrift gegen den am 15.05.2008
zugestellten Gerichtsbescheid ist am 06.06.2008 beim LSG eingegangen. Dieser Fax-
Schriftsatz ist zwar wiederum nicht vom Kläger unterzeichnet. Als Namenzug ist
lediglich "i.A. Q W" vermerkt. Der Senat hat die Berufung dennoch nicht verworfen, weil
er dem auf diesem Schriftsatz computertechnisch vermerkten Absender "Q" (im
Gegensatz zu "Q W") meint noch hinreichend sicher entnehmen zu können, dass sich
der Kläger dieses Schriftsatzes mit Wissen und Wollen begeben hat.
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b) Die Berufung ist unbegründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat
auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug und sieht von einer
weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist
darauf hinzu- weisen, dass der vom Kläger behauptete Antrag vom 27.09.2003 sich
auch nicht in den in Kopie auf der Geschäftsstelle des Senats gelagerten
Verwaltungsvorgängen des Beklagten befindet. Ohnehin hat der Kläger trotz
wiederholter Aufforderung weder dargelegt, welchen Antrag er gestellt haben will, noch
dass und wie dieser Antrag dem Beklagten zugegangen sein soll. Eine Untätigkeit des
Beklagten kann danach nicht festgestellt werden (§ 88 SGG).
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Angesichts dieser eindeutigen Sach- und Rechtslage hat der Kläger - nach schriftlicher
Erteilung eines entsprechenden Hinweises - die Kosten für die Missbräuchlichkeit der
Rechtsverfolgung nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zumindest teilweise zu tragen.
Dabei belässt es der Senat bei dem Mindestbetrag von 225,00 EUR (§ 192 Abs. 1 Satz
1 Satz 3 i.V.m. § 184 Abs. 2 SGG).
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Die Kostenentscheidung im Übrigen ergeht nach §§ 183, 193 SGG.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2
SGG).
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