Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 30.01.2008

LSG NRW: behandlung, klinikum, notfall, dringlichkeit, lähmung, leistungserbringer, versorgung, verfügung, ergänzung, gerichtsakte

Landessozialgericht NRW, L 11 KR 52/07
Datum:
30.01.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 11 KR 52/07
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 5 KR 286/05
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom
25.04.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht
zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
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I. Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer stationären Behandlung.
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Die 1943 geborene Klägerin ist bei der Beklagten versichert. Sie ließ sich im Dezember
2004 in der Q-Klinik, L, die weder in den Krankenhausplan des Landes aufgenommen
ist noch einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat, stationär behandeln, wobei am
09.12.2004 eine Operation an der Wirbelsäule durchgeführt wurde. Hierfür sind ihr -
nach ihrer Angabe - Kosten in Höhe von insgesamt 6802,30 Euro entstanden.
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Mit Schreiben vom 18.12.2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erstattung
dieser Kosten. Sie trug vor, sie habe sich seit Januar 2004 wegen Rückenschmerzen in
orthopädischer Behandlung befunden. Nachdem zunehmende
Lähmungserscheinungen aufgetreten seien, habe ihr ihr Hausarzt empfohlen, den
"Spezialisten" Prof. Dr. S in der Q-Klinik aufzusuchen. Dieser habe eine sofortige
Operation für erforderlich gehalten, da ihr Rückenmark bereits "deformiert" sei. Sie habe
sich wegen der Operation an das Klinikum L-N gewandt. Dort sei ihr mitgeteilt worden,
dass eine sofortige Operation nicht möglich sei. Wegen der Dringlichkeit habe sie sich
daher entschlossen, die Operation durch Prof. Dr. S in der Q-Klinik durchführen zu
lassen. Mit Bescheid vom 29.12.2004 lehnte die Beklagte die Erstattung der
entstandenen Kosten ab. Bei der Q-Klinik handele es sich nicht um ein zugelassenes
Krankenhaus. Eine Behandlung sei in einem Plankrankenhaus zeitnah möglich
gewesen, u.a. hätte eine Notfallbehandlung auch im Klinikum N durchgeführt werden
können. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, bei ihr habe eine akute
Erkrankung vorgelegen. Das Klinikum N habe ihr mitgeteilt, dass eine Operation vor
Januar nicht möglich sei. Wegen der Dringlichkeit der Behandlung habe sie deswegen
die Q-Klinik aufgesucht. Die Beklagte holte Auskünfte des Klinikums N und der
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Universitätsklinik L ein, die beide bestätigten, dass im fraglichen Zeitraum in einem
Notfall eine Bandscheibenoperation hätte durchgeführt werden können. In einem
Hinweisschreiben vom 18.03.2005 erläuterte die Beklagte der Klägerin die Rechtslage
und wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Stadt L in Zusammenarbeit mit
dem Rettungsdienst und den Krankenhäusern eine Struktur aufgebaut habe, die in
einem Notfall eine Behandlung innerhalb 24 Stunden sicherstelle, wobei ggfls. die
Weiterleitung an ein geeignetes Krankenhaus erfolge, ohne dass der Patient selbst aktiv
werden müsse. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2005 wies sie den Widerspruch
zurück.
Zur Begründung der Klage hat die Klägerin ihren Vortrag aus dem
Verwaltungsverfahren wiederholt und erneut betont, Prof. Dr. S habe ihr eine sofortige
Operation empfohlen, da jeder Tag Verzögerung hätte zu einer endgültigen Lähmung
und einer Verschlechterung der Heilungschancen führen können. Das Klinikum N habe
ihr selbst nach einem Hinweis auf die Notsituation keinen Operationstermin im
Dezember anbieten können. Erst in dieser Situation habe sie sich für die Operation
durch Prof. Dr. S in der Q-Klinik entschlossen. Es habe sich um einen "äußersten
Notfall" gehandelt.
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Mit Urteil vom 25.04.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die
Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs lägen nicht vor, denn weder habe
die Beklagte eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen können noch
habe sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt. Letztere Voraussetzung liege schon
deshalb nicht vor, weil der Klägerin nicht durch eine ablehnende Entscheidung der
Beklagten Kosten entstanden seien, denn die Klägerin habe die Kostenübernahme erst
nach Durchführung der Operation beantragt. Unaufschiebbar im Sinne des Gesetzes sei
eine Leistung nur, wenn eine rechtzeitige Behandlung durch einen zugelassenen
Leistungserbringer nicht möglich sei. Diese Voraussetzung liege nicht vor, denn im
Raum L-C stünden zahlreiche zur Versorgung zugelassene Krankenhäuser mit
Notfallaufnahmen und orthopädisch-chirurgischer Abteilung zur Verfügung.
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Gegen das ihr am 14.05.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.06.2007
Berufung eingelegt, die sie nicht begründet hat.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.04.2007 abzuändern und die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheides vom 29.12.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 19.10.2005 zu verurteilen, ihr 6802,30 Euro zu erstatten.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des
Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der
Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen
ist.
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II. Der Senat konnte über die zulässige Berufung durch Beschluss ohne mündliche
Verhandlung entscheiden, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche
Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz
(SGG)). Die Beteiligten sind zu dieser Möglichkeit angehört worden.
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Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf
Erstattung der Kosten der stationären Behandlung in der Q-Klinik gegen die Beklagte
hat. Auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung wird Bezug
genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
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Nur zur Ergänzung wird darauf hingewiesen, dass im Falle eines echten Notfalles im
Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), bei dem ein
unvermittelt auftretender Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss, so dass
schon die Auswahl eines zugelassenen Therapeuten nicht mehr möglich ist (vgl. BSG,
Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R), ohnehin nur ein unmittelbarer
Vergütungsanspruch der Q-Klinik gegen die Beklagte in Betracht gekommen wäre (BSG
SozR 3-2500 § 13 Nr. 25; ebenso im Falle einer ambulanten Behandlung siehe BSG
SozR 4-2500 § 13 Nr. 9). Der Klägerin wären damit im Rechtsinne keine Kosten
entstanden (§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V), weil für sie keine wirksame
Zahlungsverpflichtung bestanden hätte. Lag kein Notfall in diesem Sinne vor, wäre es -
worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat - für die Klägerin zumutbar
gewesen, sich vor der Selbstbeschaffung der Leistung an die Beklagte zu wenden, um
ihr die Möglichkeit zu geben, ihr - entsprechend dem Hinweisschreiben vom 18.03.2005
- Behandlungsalternativen aufzuzeigen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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