Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 18.07.2003

LSG NRW: arbeitslosenhilfe, unechte rückwirkung, berechnung der beiträge, altersrente, arbeitsamt, eigenleistung, konsolidierung, rechtsstaatsprinzip, arbeitsentgelt, bemessungsgrundlage

Landessozialgericht NRW, L 4 RA 63/02
Datum:
18.07.2003
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 4 RA 63/02
Vorinstanz:
Sozialgericht Münster, S 14 RA 44/02
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Münster vom 09.10.2002 wird zurückgewiesen. Die Klage
wird abgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu
erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Altersrente.
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Der 1941 geborene Kläger bezog seit Jahren durchgehend Arbeitslosenhilfe. Das
Arbeitsamt C ... legte bei der Berechnung der an die Beklagte abzuführenden Beiträge
bis zum 31.12.1999 als Bemessungsgrundlage 80 % des der Arbeitslosenhilfe zugrunde
liegenden Arbeitsentgeltes nach § 166 Abs. 1 Nr. 2 a Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB
VI) mit Wirkung ab dem 01.01.1997 zugrunde. Seit Januar 2000 ermittelte das
Arbeitsamt C ... die Beiträge aus dem Zahlbetrag der Arbeitslosenhilfe nach §§ 166 Abs.
1 Nr. 2 a, 276 a Abs. 2 S. 1 SGB VI in der ab 01.01.2000 geltenden Fassung (Art. 22 des
Haushaltssanierungsgeseztes - HSanG - vom 22.12.1999, BGBl. I S. 2530). Mit
Schreiben vom 21.02.2001 übersandte der Kläger der Beklagten die vom Arbeitsamt C
... ausgestellte Bescheinigung nach §§ 166 Abs. 1 Nr. 2 a, 276 a Abs. 1 SGB VI i.d.F.
vom 01.01.2000 und fragte an, ob und in welcher Höhe Zahlungen zur
Rentenversicherung geleistet werden können. Die Beklagte fasste das Schreiben als
formlosen Antrag zur Aufstockung der Beiträge wegen Bezuges von Arbeitslosenhilfe
nach § 276 a Abs. 2 SGB VI auf. Mit Bescheid vom 14.12.2001 stellte sie fest, dass der
Kläger zur Zahlung zusätzlicher Beiträge nach § 276 a SGB VI für die Zeit des Bezuges
von Arbeitslosenhilfe vom 01.01.2000 bis 31.12.2000 in Höhe von insgesamt 8515,35
DM (4353,83 Euro) berechtigt ist.
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Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, die Regelung
des § 276 a SGB VI sei verfassungswidrig. Durch einen Raubüberfall im März 1994 in
St. P ... sei er unverschuldet in gesundheitliche, wirtschaftliche und persönliche
Schwierigkeiten geraten. Nach mehreren Operationen und dem Verlust des linken
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Auges sei er arbeitslos und habe einen Grad der Behinderung von 60. Er erhalte weder
Leistungen aus der Unfallversicherung noch nach dem Opferentschädigungsgesetz.
Deshalb sei er nicht in der Lage, den in dem Bescheid festgestellten
Aufstockungsbetrag aufzubringen. Am 17.05.2002 wies die Beklagte den Widerspruch
als unbegründet zurück.
Der Kläger zahlte keine Aufstockungsbeiträge nach § 276 a SGB VI an die Beklagte.
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Mit Bescheid vom 07.05.2003 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen
Schwerbehinderung in Höhe von 906,15 Euro monatlich ab Juni 2003. Sie
berücksichtigte u. a. Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld in
der Zeit vom 01.01.2000 bis 30.04.2003 unter Zugrundelegung der vom Bund gezahlten
Beiträge nach §§ 166 Abs. 1 Nr. 2 a nF, 276 a Abs. 2 S. 1 SGB VI.
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Mit der am 05.06.2000 vor dem Sozialgericht (SG) Münster erhobenen Klage hat der
Kläger die Gewährung eines Nachteilausgleiches in Höhe von jährlich 4353,83 Euro bis
zum Beginn der Altersrente von der Beklagten begehrt. Er hat vorgetragen, er habe seit
Beginn seiner beruflichen Tätigkeit am 15.04.1956 Beiträge an die Rentenversicherung
unter Zugrundelegung seines Bruttoeinkommens gezahlt. Das Bruttoeinkommen sei
auch bis Ende 1999 bei der Berechnung der Beiträge für Zeiten des Bezuges der
Arbeitslosenhilfe zugrunde gelegt worden. Die Regelung des § 276 a SGB VI, wonach
seit dem 01.01.2000 der von der Bundesanstalt für Arbeit zu leistende Beitrag nach der
Höhe des Zahlbetrages der Arbeitslosenhilfe berechnet werde, sei verfassungswidrig.
Er sei finanziell nicht in der Lage, den Aufstockungsbeitrag nach § 276 a SGB VI
aufzubringen. Er sei durch eine unverschuldete Notlage arbeitslos geworden.
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Mit Gerichtsbescheid vom 09.10.2002 hat das SG Münster die Klage abgewiesen. Auf
die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
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Gegen den am 12.10.2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11.11.2002
Berufung beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt. Er verfolgt sein
Begehren weiter und ist der Auffassung, die Regelungen des §§ 166 Abs. 1 Nr. 2 a, 276
a Abs. 2 S. 1 SGB VI mit Wirkung ab dem 01.01.2000 verstießen gegen Art. 14 und 3
Grundgesetz (GG).
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Der Kläger beantragt,
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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 09.10.2002 zu ändern und die
Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 07.05.2003 zu verurteilen,
höhere Altersrente unter Berücksichtigung einer Beitragsbemessungsgrundlage nach §
166 Abs. 1 Nr. 2 a SGB VI in der bis zum 31.12.1999 geltenden Fassung für die Zeit ab
01.01.2000 zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung und die zweitinstanzliche Klage sind unbegründet.
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Der Bescheid vom 07.05.2003 über die Gewährung von Altersrente hat den Bescheid
vom 14.12.2001 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2002 ersetzt und ist
damit nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens
geworden.
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Der Bescheid vom 07.05.2003 ist rechtsmäßig. Dem Kläger besteht gegenüber der
Beklagten kein Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente zu.
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Die Beklagte hat zutreffend bei der Berechnung der Höhe der Altersrente die
Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezuges von Arbeitslosenhilfe in der Zeit vom
01.01.2000 bis zum 30.04.2003 unter Zugrundelegung der vom Bund für diesen
Zeitraum geleisteten Beiträge nach § 166 Abs. 1 Nr. 2 a, 276 a Abs. 2 SGB VI n. F.
berücksichtigt und bewertet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Pflichtbeitragszeiten
ab 01.01.2000 nach der bis zum 31.12.1999 geltenden Beitragsbemessungsgrundlage -
80 % des der Arbeitslosenhilfe zugrunde gelegten Arbeitsentgeltes (§ 166 Abs. 1 Nr. 2 a
SGB VI mit Wirkung ab dem 01.01.1997) - zu bewerten.
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Bei Beziehern von Arbeitslosenhilfe handelt es sich nach § 3 S. 1 Nr. 3 SGB VI um
sonstige Versicherte, für die Beiträge an die Rentenversicherung abzuführen sind. Als
beitragspflichtige Einnahmen haben beim Bezug von Arbeitslosenhilfe nach § 166 Abs.
1 Nr. 2 a SGB VI mit Wirkung ab dem 01.01.1997 (Art. 1 Nr. 20 Wachstums- und
Beschäftigungsgesetz vom 25.09.1996, BGBl. I, 1461) 80 % des der Arbeitslosenhilfe
zugrunde gelegten Arbeitsentgeltes, vervielfältigt mit dem Wert, der sich ergibt, wenn die
zu zahlende Arbeitslosenhilfe durch die ohne Berücksichtigung von Einkommen zu
zahlende Arbeitslosenhilfe geteilt wird, höchstens jedoch die sich bei entsprechender
Anwendung von Nr. 2 ergebenden Einnahmen, gegolten. Bis Dezember 1997 hat die
Bundesanstalt für Arbeit bei Bezug von Arbeitslosenhilfe die Beiträge nach § 170 Abs. 1
Nr. 2 b SGB VI i.d.F. getragen, ab Januar 1998 hat der Bund die Beiträge nach § 170
Abs. 1 Nr. 1 SGB VI in der ab 01.01.1998 geltenden Fassung (Art. 6 des Gesetzes zur
Reform der Arbeitsförderung vom 24.03.1997, BGBl. I, 594) unter Beibehaltung der
Beitragsbemessungsgrundlage geleistet. Die beitragspflichtigen Einnahmen bei
Beziehern von Arbeitslosenhilfe wurden durch Art. 22 Nr. 2 und 6 des HSanG mit
Wirkung vom 01.01.2000 geändert. Beitragsbemessungsgrundlage ist seit Januar 2000
der Zahlbetrag der Arbeitslosenhilfe (§ 166 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VI), die Beitragstragung
durch den Bund wurde aufrechterhalten. Bezieher von Arbeitslosenhilfe, die vor dem
01.01.2000 das 55. Lebensjahr erreicht hatten und vor dem 01.01.2000 arbeitslos
geworden sind, hat der Gesetzgeber aus Vertrauensschutzgründen die Möglichkeit
eingeräumt, die von Januar 2000 an zu zahlenden Beiträge für den Bezug von
Arbeitslosenhilfe durch eigene Beitragsleistungen ab dem 01.01.2000 aufzustocken.
Nach § 276 a Abs. 1 SGB VI ist beitragspflichtige Einnahme bei diesen Versicherten 80
% des der Arbeitslosenhilfe zugrunde liegenden Arbeitsentgeltes, vervielfältigt mit dem
Wert, der sich ergibt, wenn die zu zahlende Arbeitslosenhilfe durch die ohne
Berücksichtigung von Einkommen zu zahlende Arbeitslosenhilfe geteilt wird, höchstens
jedoch die sich bei entsprechender Anwendung von § 166 Abs. 1 Nr. 2 ergebenden
Einnahmen, wenn die Beiträge insgesamt bis zum 30.06. des Kalenderjahres gezahlt
werden, das dem Kalenderjahr folgt, in dem der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe
bestanden hat. Die Beiträge werden nach § 276 a Abs. 2 S. 1 SGB VI vom Bund
getragen, soweit Beitragsbemessungsgrundlage die gezahlte Arbeitslosenhilfe ist, im
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übrigen vom Versicherten. Der Kläger hat keinen Aufstockungsbeitrag für die Zeit ab
01.01.2000 geleistet. Den Aufstockungsbetrag hat der Kläger auch selbst zu tragen,
eine Tragung des Aufstockungsbetrages durch sonstige Dritte wie z.B. Bund, Beklagte
als zuständiger Rentenversicherungsträger oder Bundesanstalt für Arbeit als
Leistungsträger, ist auch bei wirtschaftlichem Unvermögen des
Arbeitslosenhilfebeziehers nicht vorgesehen.
Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Bestimmungen des § 166 Abs. 1 Nr. 2 a,
276 a SGB VI i.d.F. vom 01.01.2000 nicht verfassungswidrig. Der Senat hat daher
keinen Anlass gesehen, die Streitsache dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100
GG vorzulegen.
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Die Regelungen sind mit Art. 14 GG vereinbar. Bei Inkrafttreten der Änderung des SGB
VI hinsichtlich der Beitragsbemessungsgrundlage beim Bezug von Arbeitslosenhilfe hat
der Kläger ein Rentenanwartschaftsrecht inne gehabt, das dem Schutz des Art. 14 Abs.
1 S. GG unterfällt. Denn Rentenanwartschaftsrechte sind dem Versicherten i. S. eines
subjektiv-öffentlichen Rechts individuell zugeordnet. Sie beruhen - auch soweit
versicherungstypische Risiken wie Zeiten der Arbeitslosigkeit und Krankheit bewertet
werden - auf einer nicht unerheblichen Eigenleistung des Versicherten und dienen
seiner Existenzsicherung (BSG, Urteil vom 29.08.1997, 8 RKn 5/97, SozR 3-2600 § 166
Nr. 1; Beschluss vom 16.12.1999, B 4 RA 11/99 R). Das Rentenanwartschaftsrecht
unterfällt dem Schutz des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, jedoch nicht die
einzelnen Anspruchs- bzw. Berechnungselemente (vgl. BSG, Urteil vom 18.04.1996, 4
RA 36/94, SozR 3-2600 § 71 Nr. 1; Urteil vom 11.12.1999, B 5 RJ 26/98 R). Die
konkrete Reichweite der Bestandsgarantie des Eigentums ergibt sich aus den
Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums, die Aufgabe des
Gesetzgebers ist (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG). Die durch §§ 166 Abs. 1 Nr. 2 a, 276 a SGB VI
verfügte Änderung der Beitragsbemessungsgrundlage für Zeiten des Bezuges von
Arbeitslosenhilfe und die dadurch verbundene Verminderung des
Rentenanwartschaftsrecht stellt eine Schrankenbestimmung des Eigentums i.S.v. Art. 14
Abs. 1 S. 2 GG dar. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG verleiht dem Gesetzgeber die Befugnis,
Rentenansprüche und Rentenanwartschaften zu beschränken, zu kürzen und
umzugestalten, wenn dies durch Gründe des öffentlichen Interesses und unter
Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (BVerfG,
Beschluss vom 28.04.1999, 1 BvL 32/95, BVerfGE 100, 1 (37)). Bei Eingriffen in
bestehenden Rentenanwartschaftsrechten steht dem Gesetzgeber eine weite
Gestaltungsfreiheit zu, da in den Rentenanwartschaften die Möglichkeit von
Änderungen in gewissen Grenzen angelegt ist. Damit ist eine Beschränkung des
Rentenanwartschaftsrechts zum Zwecke des Allgemeinwohls unter Wahrung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Gesichtspunktes des Vertrauenschutzes
zulässig.
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Der vom HSanG verfolgte Regelungszweck dient dem Allgemeinwohl. Mit den im
HSanG ergriffenen Maßnahmen hat der Gesetzgeber eine strukturelle Konsolidierung
des Bundeshaushaltes angestrebt, um die Finanzierung von notwendigen
Zukunftsinvestitionen und Steuersenkungen sowie eine Zurückführung der
Neuverschuldung sicher zu stellen (BT-Drucks. 14/1523, S. 163). Der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Als Mittel der Ausgabenkürzung ist die Reduzierung
der Beitragsbemessungsgrundlage für Bezieher von Arbeitslosenhilfe von 80 % des
dem Zahlbetrag der Arbeitslosenhilfe zugrunde liegenden Arbeitsentgeltes auf den
Zahlbetrag der Arbeitslosenhilfe und die damit verbundene Reduzierung der
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Beitragslast des Bundes an die Rentenversicherung zur Konsolidierung des
Bundeshaushaltes geeignet und erforderlich gewesen. Insbesondere ist die umgehende
Umsetzung der Einsparung erforderlich gewesen, um die notwendige Verbesserung der
Finanzlage des Bundes rasch zu erreichen. Die Änderung der
Beitragsbemessungsgrundlage ist dem Kläger auch zumutbar gewesen. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass die Befugnis des Gesetzgebers zu Eingriffen in das
Rentenanwartschaftsrecht um so weiter geht, als die das Rentenanwartschaftsrecht
begründenden Zeiten nicht auf eigenen Beiträgen des Versicherten beruhen, sondern
vom Staat in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht durch Gesetz eingeräumt worden ist. Der
Berücksichtigung der Bezugszeiten von Arbeitslosenhilfe im Rentenversicherungsrecht
liegt keine einkommensbezogene Eigenleistung des Versicherten zugrunde. Denn bei
der Arbeitslosenhilfe handelt es sich nicht um eine Leistung, die dem Art. 14 Abs. 1 S. 1
GG unterfällt, da sie keine aus Beiträgen des Versicherten, sondern eine aus
Steuermitteln finanzierten Leistung darstellt. Dem aus Steuermitteln finanzierte
Arbeitslosenhilfeanspruch liegt keine Leistung des Versicherten zugrunde, sondern er
ist eine Leistung des Staates, die Elemente der Fürsorgeleistung enthält (BSG, Urteil
vom 21.11.2002, B 11 Al 1/02 R m.n.V.). Als Ausdruck der besonderen staatlichen
Fürsorge hat der Gesetzgeber die Berücksichtigung von Zeiten des Bezuges von
Arbeitslosenhilfe in der Rentenversicherung sichergestellt. Vom Versicherten müssen
keine eigenen Leistungen aufgewandt werden. Die Neuregelung des § 166 Abs. 1 Nr. 2
a SGB VI i.d.F. vom 01.01.2000 sieht auch weiterhin eine Berücksichtigung von Zeiten
des Bezuges von Arbeitslosenhilfe als Pflichtversicherungszeiten vor, aber unter
Zugrundelegung einer geringeren Bewertung. Wegen der fehlenden
Beitragsbezogenheit ist ein Eingriff des Gesetzgebers in diese Zeiten zulässig. Die
Änderung der Beitragsbemessungsgrundlage wird für Versicherte, die zum Zeitpunkt
der Rechtsänderung das 55. Lebensjahr erreicht hatten und vor dem 01.01.2000
arbeitslos geworden sind, durch die Übergangsvorschrift des § 276 a SGB VI
abgemildert. Ihnen wird in dieser Übergangsvorschrift die Möglichkeit eingeräumt, durch
eigene Leistungen die Rentenanwartschaft weiter zu steigern, wie es dem bisherigen
Recht entsprochen hat. Dabei räumt der Senat ein, dass im Hinblick darauf, dass die
Arbeitlosenhilfe nur bei Bedürftigkeit gezahlt wird, der Personenkreis, der diese
Übergangsvorschrift in Anspruch nehmen kann, eingeschränkt ist.
Die Vorschriften des §§ 166 Abs. 1 Nr. 2 a, 276 a SGB VI entsprechen auch dem im
Rahmen des Art. 14 GG gebotenen Vertrauensschutzes, der dem aus dem
Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 GG abgeleiteten Grundsatz entspricht (BSG, Beschluss
vom 21.11.2002, B 11 Al 1/02 R). Die Regelungen verstoßen nicht gegen das
Rückwirkungsverbot. Eine im Regelfall unzulässige echte Rückwirkung liegt nur dann
vor, wenn der Gesetzgeber in bereits abgewickelte, in der Vergangenheit liegende
Tatbestände eingreift. Die §§ 166 Abs. 1 Nr. 2 a, 276 a SGB VI entfalten ihre
Rechtswirkung jedoch erst ab ihrem Inkrafttreten, dem 01.01.2000. Sie wirken lediglich
auf Rechtsbeziehungen, d.h. auf das Versicherungsverhältnis, ein, die in der
Vergangenheit begründet wurden. Damit kommt den Regelungen eine unechte
Rückwirkung zu. Die unechte Rückwirkung einer Norm ist in der Regel
verfassungsrechtlich zulässig, da das Vertrauen aus dem Fortbestand gesetzlicher
Vorschriften regelmäßig nicht geschützt ist. Eine mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu
vereinbarende unechte Rückwirkung kommt deshalb ausnahmsweise nur dann in
Betracht, wenn das Vertrauen des Betroffenen in den Bestand einer begünstigenden
Regelung generell schutzwürdiger ist als das öffentliche Interesse ihrer Änderung (BSG,
Beschluss vom 21.11.2002, B 11 Al 1/02 R; Urteil vom 01.12.1999, B 5 RJ 26/98 R,
SozR 3 - 5050 § 22 Nr. 7).
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Das Vertrauen des Klägers in den Bestand der erst zum 01.01.1997 eingeführten
Regelung des § 166 Abs. 1 Nr. 2 a SGB VI, wonach beim Bezug von Arbeitslosenhilfe
80 % des der Arbeitslosenhilfe zugrundeliegenden Arbeitsentgeltes
Beitragsbemessungsgrundlage für die Beiträge zur Rentenversicherung sind, ist nicht
schutzwürdig. Der Kläger konnte auf die Dauerhaftigkeit dieser Regelung nicht
vertrauen. Der Gesetzgeber hat schon mehrmals in der Vergangenheit die
Bestimmungen über die Berücksichtigung und Bewertung von Zeiten des Bezuges von
Arbeitslosenhilfe in der Rentenversicherung geändert. Zeiten des Bezuges von
Arbeitslosenhilfe wurden für die Zeiten ab 01.01.1983 nicht mehr als
Pflichtbeitragszeiten, sondern lediglich als Ausfallzeiten gewertet, wobei deren
Anrechnung von der Zahlung von "Beiträgen" durch die Bundesanstalt für Arbeit abhing.
In dem ab 01.01.1992 geltenden SGB VI wurden die Zeiten des Bezuges von
Lohnersatzleistungen, also auch der Bezug von Arbeitslosenhilfe, wieder als
Pflichtbeitragszeiten gewertet. Als beitragspflichtige Einnahmen wurde dabei für
Bezieher von Arbeitslosenhilfe in der Zeit vom 01.01.1992 bis 31.12.1994 der
Zahlbetrag der Arbeitslosenhilfe (§ 276 Abs. 1 SGB VI) zugrunde gelegt. Gleichzeitig
wurden die Zeiten des Bezuges von Arbeitslosenhilfe als Anrechnungszeiten
berücksichtigt (§ 252 Abs. 2 SGB VI) und nach § 263 Abs. 3 SGB VI die Begrenzung
des Gesamtleistungswertes ausgeschlossen. In dem Zeitraum vom 01.01.1995 bis
31.12.1996 war nach § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI 80 % des der Arbeitslosenhilfe
zugrunde liegenden Arbeitsentgeltes als beitragspflichtiges Einkommen zu versichern,
wobei die Bundesanstalt für Arbeit die Beiträge leistet. Die Zeiten wurden weiterhin
nach § 252 Abs. 2 SGB VI als Anrechnungszeiten berücksichtigt, die Begrenzung des
Gesamtleistungswertes war gemäß § 263 Abs. 3 SGB VI auf 75 % bei einem
Leistungsbeginn im Jahre 1995 und auf 90 % beim Rentenbeginn im Jahre 1996
beschränkt. Durch das Wachstums- und Beschäftigungsgesetz im Jahre 1996 wurde die
Beitragsberechnung erneut geändert. In der Zeit vom 01.01.1997 bis zum 31.12.1999
bestimmte § 166 Abs. 1 Nr. 2 a SGB VI, dass 80 % des der Arbeitslosenhilfe zugrunde
liegenden Arbeitsentgeltes vervielfältigt mit dem Betrag, der sich ergibt, wenn die zu
zahlende Arbeitslosenhilfe durch die ohne Berücksichtigung von Einkommen zu
zahlende Arbeitslosenhilfe geteilt wird, beitragspflichtige Einnahme sein sollte,
höchstens jedoch die sich nach der bis 1996 geltenden Regelung ergebenden
Einnahmen. Der versicherungspflichtige Arbeitslosenhilfebezug war nach § 252 Abs. 2
SGB VI nur noch im Jahr 1997 Anrechnungszeit, weil die Begrenzung des
Gesamtleistungswertes nach § 263 Abs. 2 a SGB VI zu beachten war. Ab Januar 1998
übernahm der Bund die Beiträge zur Rentenversicherungspflicht.
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Die Regelungen des § 166 Abs. 1 Nr. 2 a, 276 a Abs. 2 S. 1 SGB VI mit Wirkung ab dem
01.01.2000 sind auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. GG vereinbar. Zwar
wird seit dem 01.01.2000 bei der Berechnung von Beiträgen der Bezieher von
Arbeitslosenhilfe nicht mehr auf das Arbeitsentgelt, das der Berechnung der
Lohnersatzleistungen - hier: der Arbeitslosenhilfe - zugrunde gelegt wird, abgestellt,
sondern auf den Zahlbetrag der Lohnersatzleistung, während Bemessungsgrundlage
bei den Beiträgen der Erwerbstätigen das erzielte Arbeitsentgelt ist, wie der Kläger
zutreffend ausgeführt hat. Der allgemeine Gleichheitssatz ist jedoch nur verletzt, wenn
eine Personengruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten
ohne sachlichen Grund anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine
Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche
Behandlung rechtfertigen könnten. Die vom Gesetzgeber getroffene rechtliche
Unterscheidung darf in sachlichen Unterschieden keine ausreichende Stütze finden.
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Denn Art. 3 Abs. 1 GG verbietet nur, Art und Gewicht der tatsächlichen Unterschiede
sachwidrig außer Acht zu lassen, also wesent- lich Gleiches ungleich zu behandeln
(BSG, Urteil vom 06.02.2003, B - 13 RJ 17/02 - R n.b.N.; Urteil vom 30.01.2003, B 4 RA
47/02 R n.b.N.). Die Ungleichbehandlung von Erwerbstätigen und Beziehern von
Arbeitslosenhilfe bei der Bestimmung der Beitragsbemessungsgrundlage ist nicht
sachwidrig. Erwerbstätige leisten die Beiträge zur Rentenversicherung aus ihrem
eigenen Einkommen und beabsichtigen durch diese Eigenleistung, ihre Existenz im
Alter zu sichern. Demgegenüber übernimmt der Bund aus Fürsorgegesichtspunkten die
Leistung von Beiträgen für die Personengruppe der Bezieher von Arbeitslosenhilfe, um
Ansprüche dieser Personengruppe in der gesetzlichen Rentenversicherung zu
begründen - bzw. aufrechtzuerhalten. Dabei ist der Bund nicht gehalten,
Arbeitslosenhilfebezieher mit der Personengruppe der Erwerbstätigen gleichzustellen.
Dem Bund steht ein weiter Gestaltungsspielraum zu, wie er die Existenz der Bürger,
ggfls. durch Leistung von Sozialhilfe, sichert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 196 SGG.
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Die Revision wird nicht zugelassen.
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