Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.04.2005

LSG NRW: spina bifida, krankenpflege, schule, ausschluss, eltern, versorgung, auskunft, haushalt, fahrkosten, verordnung

Landessozialgericht NRW, L 5 KR 228/03
Datum:
28.04.2005
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 5 KR 228/03
Vorinstanz:
Sozialgericht Duisburg, S 9 (7) KR 29/03
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 3 KR 17/05 R
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
Duisburg vom 31.10.2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
die Beklagte den Eltern der Klägerin 63,49 Euro zu erstatten hat. Die
Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu
erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer täglichen Katheterisierung
der Klägerin während des Schulbesuchs.
2
Bei der am 00.00.1994 geborenen Klägerin besteht eine angeborene thorako-lumbale
Spina bifida (angeborene Spaltbildung an einem Teil der Wirbelsäule), die u.a. eine
neurogene Blasenentleerungsstörung zur Folge hat. Die Blasenentleerung erfolgt durch
regelmäßige Katheterisierung, die im häuslichen Bereich von den Eltern durchgeführt
wird.
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Die Klägerin erhielt im streitigen Zeitraum (Oktober bis Dezember 2002) Leistungen aus
der gesetzlichen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II. Nach dem Pflegegutachten
vom 05.06.2002 bestand im Bereich der Grundpflege ein behinderungsbedingter Bedarf
im Umfang von 145 Minuten täglich. Das Katheterisieren wurde bei der Verrichtung
"Blasenentleerung" im Umfang von 21 Minuten täglich bei der Grundpflege
berücksichtigt.
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Die rollstuhlpflichtige Klägerin hatte seit Mai 1998 einen Kindergarten besucht und war
dort täglich durch einen Pflegedienst katheterisiert worden. Seit Sommer 2001 besucht
sie eine Regelschule, die etwa 3,9 km von der Familienwohnung entfernt liegt. Auch
dort wurde die Katheterisierung zunächst durch einen Pflegedienst durchgeführt.
Gestützt auf Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
(MDK) hatte die Beklagte seit Mai 1998 bis zuletzt zum 30.09.2002 die jeweils für ein
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Quartal verordnete Katheterisierung übernommen, seit dem 01.04.2000 im Umfang von
zweimal täglich.
Mit Schreiben vom 27.08.2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die
Einmalkatheterisierung keine Leistung der häuslichen Krankenpflege sei. Es handele
sich um eine grundpflegerische Leistung, die von der Pflegeversicherung abzudecken
sei. Außerdem stehe der Leistungsgewährung entgegen, dass die Katheterisierung
nicht im Haushalt erbracht werde. Letztmalig erfolge die Leistungsgewährung bis
30.09.2002. Die Klägerin legte Widerspruch ein und beantragte mit einer Verordnung
der Kinderärztin L vom 17.09.2002 die Gewährung der Katheterisierung im Umfang von
zweimal täglich/fünfmal wöchentlich für den Zeitraum 01.10. bis 31.12.2002. Mit
Bescheid vom 19.09.2002 lehnte die Beklagte aus den Gründen des Schreibens vom
27.08.2002 die Bewilligung ab. Im Widerspruchsverfahren übernahm sie ohne
Anerkennung eines Rechtsanspruchs für die Zeit vom 01.10. bis 14.10.2002 (Beginn der
Herbstferien) die Kosten der Katheterisierung, im Übrigen wies sie den Widerspruch mit
Widerspruchsbescheid vom 10.02.2003 zurück.
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Zur Begründung der am 19.02.2003 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht,
die Katheterisierung sei medizinisch notwendig. Während in Schulen für
Körperbehinderte die medizinische Behandlungspflege gewährleistet sei, sei dies in der
Regelschule nicht der Fall. Nur wenige Kinder mit Blasenentleerungsstörung besuchten
die Regelschule, diese Gruppe werde weder vom Gesetz noch von den Richtlinien
erfasst. Zur Zeit erbringe ihre Mutter die Leistung. Sie fahre im Durchschnitt einmal pro
Vormittag zur Schule, wobei sie bei diesen Fahrten ihren (damals) dreijährigen Sohn
mitnehmen müsse.
7
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von der behandelnden Kinderärztin L
eingeholt, die in ihrem Bericht vom 07.07.2003 u.a. dargelegt hat, das regelmäßige
Katheterisieren, das alle vier Stunden durchgeführt werden müsse, sei als Prophylaxe
von Nierenbeckenentzündungen erforderlich. Ein Dauerkatheter sei ungeeignet, da er
zur Schrumpfblase führe und die große Gefahr von aufsteigenden Keimen mit neuen
Infektionen in sich berge. Die Klägerin könne die Katheterisierung bisher nicht selbst
durchführen, da sie durch den erheblich verkrümmten Rücken technisch dazu nicht in
der Lage sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht verwiesen.
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Mit Urteil vom 31.10.2003 hat das Sozialgericht die Beklagte zur "Übernahme" der
Kosten für die Katheterisierung über den 14.12.2002 hinaus verurteilt. Es hat einen
Leistungsanspruch der Klägerin nach § 37 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB
V) bejaht, der durch die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und
Krankenkassen weder beschränkt noch ausgeschlossen werden könne.
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Gegen das ihr am 04.12.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.12.2003
Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, die Richtlinien des Bundesausschusses
stünden einer Leistungsgewährung durch sie entgegen. Außerdem sei die
Erforderlichkeit der Maßnahme im Rahmen des § 37 Abs. 2 SGB V zu verneinen, da die
Katheterisierung als krankheitsspezifische Verrichtung Teil der Grundpflege sei und als
Hilfebedarf im Rahmen der Grundpflege berücksichtigt worden sei. Somit bestehe eine
alleinige Leistungspflicht der Pflegekasse. Außerdem meint sie, dass der Anspruch
ausgeschlossen sei, weil es der Mutter zumutbar sei, die Leistung zu erbringen. Nach
dem eigenen Vortrag der Eltern habe die Mutter ihre Berufstätigkeit zugunsten der
Geldleistung aus der Pflegeversicherung aufgegeben, so dass ihr zugemutet werden
10
könne, die Katheterisierung auch in der Schule durchzuführen.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 31.10.2003 zu ändern und die Klage
abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
14
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Beklagte habe zumindest die
ihrer Mutter entstandenen Fahrkosten zu erstatten. Diese sei im Zeitraum 28.10. bis
20.12.2002 an 37 Schultagen mindestens einmal täglich zur Schule gefahren, um die
Katheterisierung durchzuführen.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. H,
Orthopädische Universitätsklinik I, Abteilung Orthopädie II. In seinem Gutachten vom
14.10.2004 beschreibt Prof. Dr. H die Entwicklung der Therapie neurogener
Blasenentleerungsstörungen bei angeborenen oder erworbenen
Rückenmarksschädigungen und legt dar, dass sich der intermittierende Katheterismus
als Blasenentleerungsmethode allgemein durchgesetzt habe und als
Behandlungsmethode der Wahl gelte. Personen mit angeborener
Wirbelsäulenmißbildung seien auf Dauer auf eine regelmäßige Katheterisierung
angewiesen, das Einbringen eines dauernd verweilenden Katheters sei nur kurzfristig
statthaft, wenn zwingende medizinische Gründe das intermittierende Katheterisieren
unmöglich machten. Grundsätzlich könnten Kinder mit Spina bifida den
Einmalkatheterismus erlernen. Üblicherweise beginne das eigenständige
Katheterisieren von Kindern in etwa mit der Schulreife, allerdings könne den Patienten
zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Eigenverantwortung für das Einmalkatheterisieren
übertragen werden. In keinem Fall sei die Einlage eines Dauerkatheters bei Kindern
indiziert, bei denen davon ausgegangen werden könne, dass sie das
Einmalkatheterisieren im weiteren Verlauf ihrer Entwicklung lernten. In einer
ergänzenden Stellungnahme vom 18.03.2005 hat Prof. Dr. H dargelegt, dass, sofern
keine Entwicklungsstörungen vorliegen, ab einem Lebensalter von 10 Jahren die
selbständige Durchführung der Katheterisierung erwartet werden kann. Wegen der
Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen.
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Die Ärztin für Kinderheilkunde L hat in einer Auskunft vom 15.04.2005 mitgeteilt, dass
bei der Klägerin eine komplette Lähmung der Beine vorliege und der Rücken so stark
gekrümmt sei, dass sie nur mit extrem nach vorn geneigtem Oberkörper sitzen könne.
Aus dieser Position sei es völlig unmöglich, selbst die Katheterisierung der Blase
vorzunehmen; die Klägerin sei deshalb langfristig auf Fremdhilfe angewiesen.
17
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen ist.
18
Entscheidungsgründe:
19
I.
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Die Berufung ist zulässig. Ihrer Statthaftigkeit steht nicht entgegen, dass aufgrund des in
der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschlossenen Teilvergleichs nur noch die
Katheterisierung im 4. Quartal 2002 im Streit ist und die Klägerin insoweit lediglich
einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 63,49 Euro geltend macht. Das
Sozialgericht hatte die Beklagte zeitlich uneingeschränkt zur "Übernahme" der Kosten
der Katheterisierung über den 14.10.2002 hinaus verurteilt, so dass aufgrund der
ungewissen Leistungsdauer die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft war. Maßgebend für die Zulässigkeit der Berufung
ist der Zeitpunkt der Einlegung. Eine spätere Beschränkung macht sie nicht unzulässig,
sofern die Minderung der Beschwer nicht auf einer willkürlichen Beschränkung des
Rechtsmittels beruht (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., Vor § 143 Rdn. 10b m.w.N.).
Letzteres ist nicht der Fall. Die Parteien haben vielmehr sachgerecht das Verfahren auf
den durch den Bescheid vom 19.09.2002 erfassten Zeitraum beschränkt.
21
In der Sache ist die Berufung nicht begründet, denn im Ergebnis hat das Sozialgericht
zu Recht die Leistungspflicht der Beklagten für die streitige Katheterisierung bejaht.
Soweit es die Beklagte für die Vergangenheit zur "Übernahme" der Kosten verurteilt hat,
hat es allerdings übersehen, dass für die Vergangenheit nur
Kostenerstattungsansprüche in Betracht kommen und die entstandenen Kosten beziffert
und nachgewiesen werden müssen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 41; USK 2002-56).
Insoweit hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung die für eine Bezifferung des
Anspruchs erforderlichen Angaben gemacht und klargestellt, dass sie (nur) die für die
Fahrten ihrer Mutter in die Schule entstandenen Kosten fordert.
22
II.
23
Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) besteht ein
Anspruch auf Kostenerstattung, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht
abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten
entstanden sind. Die Klägerin ist allerdings im fraglichen Zeitraum nicht durch einen
Pflegedienst, sondern durch ihre Mutter katheterisiert worden, die an jedem Schultag
mindestens einmal täglich zur Schule gefahren ist. Insoweit kommt aber in Anlehnung
an § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB V die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten in Betracht.
Es kann nicht der Beklagten zugute kommen, wenn zwar die Eltern wegen des
Kostenrisikos von der Beauftragung eines Pflegedienstes absehen, andererseits aber
über die Grenze der Zumutbarkeit hinaus (§ 37 Abs. 3 SGB V, dazu sogleich unten)
Pflegemaßnahmen selbst erbringen. In diesem Fall müssen zumindest die ihnen
entstandenen Aufwendungen - hier der Fahrkosten - ausgeglichen werden. Ebenso wie
die Klägerin die von ihren Eltern im Rahmen der elterlichen Fürsorge übernommenen
Kosten eines Pflegedienstes wie eigene Aufwendungen geltend machten könnte (BSG,
Urteil vom 16.09.2004 - B 3 KR 19/03 R -), kann sie dann auch die für die erforderlichen
Fahrten der Mutter entstandenen Kosten als erstattungsfähige Kosten von der Beklagten
fordern.
24
Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V sind erfüllt, da die Beklagte
in dem Bescheid vom 24.10.2002 zu Unrecht die Bewilligung der für das 4. Quartal 2002
ärztlich verordneten Katheterisierung während des Schulbesuchs abgelehnt hat.
25
1.
26
Versicherte haben nach § 37 Abs. 2 SGB V Anspruch auf Behandlungspflege in ihrem
Haushalt oder ihrer Familie, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen
Behandlung erforderlich ist. Die von der Kinderärztin L verordnete tägliche
Katheterisierung ist eine Maßnahme der Behandlungspflege. Hierzu zählen alle
Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell auf
den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, eines
der Behandlungsziele des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu erreichen (BSGE 82, 27; 83,
254). Die Katheterisierung der Klägerin ist als Folge der neurogenen
Blasenentleerungsstörung notwendig und dient der Verhütung einer Verschlimmerung
(Schädigung der Nieren durch Rückfluss des Restharns, s. Bericht Kinderärztin L vom
07.07.2003). Die Versorgung mit einem transurethralen oder suprapubischen
Dauerkatheter kam als Alternative nicht in Betracht. Prof. Dr. H hat insoweit auf die
Gefahr von Harnwegsinfekten bei Einbringung eines dauerhaft in der Blase
einliegenden Katheters hingewiesen. Selbst wenn tatsächlich, wie der Beigeladene in
der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, keine größere Infektionsgefahr als bei der
Einmalkatheterisierung bestünde, spricht gegen einen Dauerkatheter der weitere
Gesichtspunkt, dass durch den kontinuierlichen Urinablauf die vorhandene
Blasenfunktion außer Kraft gesetzt wird und so eine Schrumpfblase entstehen kann
(Bericht Kinderärztin L vom 7.7.2003). Prof. Dr. H hat zwar seine Aussage, die Einlage
eines Dauerkatheters bei einem Kind entspreche nicht dem wissenschaftlichen Stand,
unmittelbar nur auf Kinder bezogen, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass
sie die Eigenkatheterisierung erlernen können. Auch wenn die Klägerin entgegen der
Beurteilung des Sachverständigen aufgrund der starken Wirbelsäulenverkrümmung auf
Dauer auf fremde Hilfe beim Katheterisieren angewiesen sein sollte (so die Kinderärztin
L in der Auskunft vom 15.04.2005), scheidet jedoch die Anlage eines Dauerkatheters
nach dem Gutachten als Alternative aus. Prof. Dr. H hat insoweit dargelegt, dass ein
Dauerkatheter beispielsweise dann indiziert ist, wenn aufgrund einer Grunderkrankung
die Lebenserwartung so weit reduziert ist, dass die Langzeitgefährdung durch einen
Dauerkatheter zurücktritt. Das ist bei einem Kind wie der Klägerin ersichtlich nicht der
Fall. Die Kinderärztin L hat in ihrem Befundbericht einen Dauerkatheter ebenfalls wegen
der Gefahr der Schrumpfblase und aufsteigender Keime ausgeschlossen. Schließlich
hatte auch der MDK mit der Befürwortung der jeweiligen Verordnungen vor dem hier
streitbefangenen Zeitraum die medizinische Notwendigkeit eines Einmalkatheterismus
anerkannt. Selbst die Beklagte hat die medizinische Notwendigkeit der
Einmalkatheterisierung nie bezweifelt.
27
Es ist auch unerheblich, dass die streitige Maßnahme außerhalb des häuslichen
Bereichs erbracht worden ist, da der Anspruch auf häusliche Krankenpflege räumlich
nicht auf den Haushalt des Versicherten oder den seiner Familie beschränkt ist.
Medizinisch erforderliche Maßnahmen, die bei einem vorübergehenden Aufenthalt
außerhalb der Familienwohnung anfallen (wie hier während des Besuchs der Schule)
sind nicht ausgeschlossen, wenn sich der Versicherte ansonsten in seinem (Familien-
)Haushalt aufhält und dort seinen Lebensmittelpunkt hat (BSG SozR 3?2500 § 37 Nr. 5
S. 35; SozR 4-2500 § 32 Nr. 1 S. 3). Unabhängig von den anatomischen Verhältnissen
war die im streitigen Zeitraum achtjährige Klägerin nicht in der Lage, die
Katheterisierung selbst durchzuführen. Nach der ergänzenden Stellungnahme von Prof.
Dr. H vom 18.03.2005 kann erst ab einem Lebensalter von etwa 10 Jahren die
selbständige Durchführung der Katheterisierung erwartet werden.
28
Der Anspruch ist auch nicht nach § 37 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen, denn den Eltern
der Klägerin war die Übernahme der Pflege während des Kindergartenbesuchs nicht
29
zumutbar. Der Vater der Klägerin ist ganztägig berufstätig. Entgegen der Ansicht der
Beklagten war es auch der nicht berufstätigen Mutter nicht zumutbar, die
Katheterisierung durchzuführen und hierzu täglich eine Wegstrecke von 3,9 km von der
Wohnung in die Schule hin und zurück zurückzulegen. Einschließlich der
Katheterisierung betrug nach der Angabe der Mutter vor dem Sozialgericht der
Zeitaufwand ca. 1 Stunde. Auch wenn die Mutter ihre Berufstätigkeit zugunsten der
Pflege der Klägerin aufgegeben hatte, übersteigt dieser tägliche Zeitaufwand die
Grenze der Zumutbareit. Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass der jüngere Bruder der
Klägerin betreut werden und die Mutter ihn selbst im streitigen Zeitraum immer
mitnehmen musste. Selbst die Beklagte hat zunächst offensichtlich die Erbringung der
Leistung durch die Mutter nicht für zumutbar gehalten, wie ihre Leistungsbewilligungen
bis zum 30.09.2002 zeigen.
2.
30
Die Notwendigkeit (§ 12 Abs. 1 SGB V) der Einmalkatheterisierung in der Schule kann
auch nicht mit der Begründung verneint werden, dass die Katheterisierung bei der
Grundpflege im Rahmen der Pflegeversicherung berücksichtigt worden sei, so dass
insoweit die alleinige Leistungspflicht der Pflegekasse bestehe. Zwar soll nach dem
Urteil des BSG vom 30.10.2002 (SozR 3?2500 § 37 Nr. 3 S. 23) grundsätzlich ein
dieselbe Maßnahme betreffender Anspruch auf häusliche Krankenpflege entfallen,
wenn die krankheitsspezifische Pflegemaßnahme zum Grundpflegebedarf nach § 14
Abs. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zu zählen ist, weil sie entweder
untrennbarer Bestandteil einer Katalogverrichtung ist oder mit einer solchen Verrichtung
objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang steht. Entgegen
der Annahme des Sozialgerichts liegen auch die Voraussetzungen für die Einbeziehung
der Katheterisierung zum Grundpflegebedarf vor, weil diese mit der Katalogverrichtung
"Blasenentleerung" untrennbar verbunden ist (BSG USK 2001-84). Dementsprechend
ist auch im Pflegegutachten vom 05.06.2002 ein täglicher zeitlicher Aufwand von 21
Minuten für die Katheterisierung beim Grundpflegebedarf berücksichtigt worden.
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Der Senat hat jedoch bereits in seinen Urteilen vom 04.12.2003 (L 5 KR 23/03; 139/03)
Bedenken gegen die Rechtsprechung des BSG geäussert. Diese Rechtsprechung hat
in allen Fällen, in denen die Einbeziehung der krankheitsspezifischen Maßnahme in die
Grundpflege nicht zu einer höheren Pflegestufe mit weitergehenden
Leistungsansprüchen führt, zur Folge, dass die Versicherten medizinischen Hilfebedarf,
der nach der gesetzlichen Regelung über § 37 Abs. 2 SGB V abgedeckt werden soll,
aus den begrenzten Leistungen der Pflegeversicherung abdecken müssen (Zweifel an
der Auffassung des BSG auch bei Udsching, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht,
2004, 691, 696 f). Der von der Beklagten und dem Beigeladenen für ihre Auffassung
benannte Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 13.12.2004 (L 4 KR 340/04
ER) zeigt, zu welchen unangemessenen Ergebnissen die Rechtsprechung des BSG
führen kann. Die dortige Versicherte erhielt ein monatliches Pflegegeld von 410,00
Euro, während sich die Kosten für die tägliche Einmalkatheterisierung im Kindergarten
auf 13,52 Euro pro Tag beliefen, was bei 23 Bezugstagen im Monat einen Betrag von
310,96 Euro ergab. Das Pflegegeld würde somit zu 75% schon für eine Maßnahme
verbraucht werden, deren Sicherstellung an sich über § 37 Abs. 2 SGB V vorgesehen
ist.
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Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass für eine Maßnahme der
Behandlungspflege die Notwendigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V allenfalls dann
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verneint werden kann, wenn die Berücksichtigung dieser Maßnahme bei der
Grundpflege zu einer höheren Pflegestufe führt. Das ist hier nicht der Fall, denn selbst
unter Berücksichtigung der Katheterisierung bei der Blasenentleerung mit einem
Zeitbedarf von 21 Minuten betrug der Grundpflegebedarf insgesamt 145 Minuten, so
dass der "sonstige Pflegebedarf" auch ohne Katheterisierung über dem für die
Pflegestufe II erforderlichen Bedarf von 120 Minuten (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI) lag.
3.
34
Schließlich stehen dem Anspruch der Klägerin auch nicht die Richtlinien des (früheren)
Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von
"häuslicher Krankenpflege" nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V vom
16.02.2000 (BAnz. Nr. 91 vom 13.05.2000 (Krankenpflege-RL)) entgegen. Das
Verzeichnis der verord-nungsfähigen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege
(Anlage der Krankenpflege-RL) sah in dem hier maßgeblichen Zeitraum allerdings in Nr.
23 nur das Einlegen, Entfernen und Wechseln eines transurethralen Dauerkatheters in
die Harnblase (alle drei vier Wochen) vor. Erst durch den Beschluss vom 24.03.2003
(BAnz. Nr. 123 vom 08.07.2003) ist die Nr. 23 mit Wirkung vom 09.07.2003 um das
Einbringen eines transurethralen Einmalkatheters erweitert worden, allerdings
ausdrücklich nur zur Schulung von Patienten in der sachgerechten Anwendung des
Einmalkatheters. In der erläuternden Bemerkung wird darauf hingewiesen, dass die
Schulungskatheterisierung bei Patienten verordnungsfähig sei, die im Rahmen der
vorhergehenden Behandlung nicht ausreichend geschult worden seien und die
Fähigkeit besässen, die Selbstkatheterisierung zu erlernen. Die Leistung kann nur für
maximal fünf Tage verordnet werden. Nach Abschnitt I Nr. 3 der Krankenpflege-RL
werden die verordnungsfähigen Maßnahmen in der Anlage aufgeführt, dort nicht
genannte Maßnahmen sind als häusliche Krankenpflege nicht verordnungsfähig. Die
Krankenpflege-RL gehen also von einer enumerativen Aufzählung der
verordnungsfähigen Maßnahmen aus. Da der Einmalkatheterismus weder in der im
streitigen Zeitraum noch in der derzeit geltenden Fassung der Krankenpflege-RL in der
Anlage genannt wird, wäre demnach eine entsprechende Verordnung nicht möglich.
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Zwar handelt es sich bei den auf der Grundlage des § 92 Abs. 1 SGB V erlassenen
Richtlinien um untergesetzliche Normen, die auch für das Leistungsrecht verbindliche
Regelungen treffen können (BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 6 S. 32; Nr. 7 S. 51; BSGE 81,
240, 242). Der Ausschluss der Einmalkatheterisierung als einer medizinisch
notwendigen Maßnahme der Behandlungspflege in den Krankenpflege-RL ist jedoch
von der Ermächtigungsgrundlage des § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, Abs. 7 SGB V nicht
gedeckt und verstößt gegen höherrangiges Recht (ebenso der 16. Senat des LSG NRW,
Urteil vom 17.03.2005 - L 16 KR 99/04 -). Die Auffassung des Beigeladenen, die
Krankenpflege-RL konkretisierten lediglich das aus §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 37 Abs. 2 SGB
V folgende Rahmenrecht der Versicherten und legten insoweit den Inhalt des Anspruchs
aus § 37 Abs. 2 SGB V im Einzelnen fest, kann der Senat nicht teilen.
36
§ 92 Abs. 7 SGB V (eingefügt durch das 2. GKV-Neuordnungsgesetz vom 23.06.1997,
BGBl. I, 1520) erlaubt nur Regelungen zur Verordnung und deren ärztlicher Zielsetzung
sowie zur Zusammenarbeit des verordnenden Arztes mit dem Leistungserbringer und
dem Krankenhaus. Um die Regelung solcher Fragen geht es hier aber nicht. Nach § 92
Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ist der Gemeinsame Bundesausschuss ermächtigt,
Vorschriften zur Sicherung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen
Versorgung zu erlassen. Die Richtlinien sollen im Sinne der §§ 12 Abs. 1, 70 Abs. 1, 72
37
Abs. 2 SGB V den allgemeinen Standard für eine ausreichende, zweckmäßige und
wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein
anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse festlegen (Hencke in: Peters,
Handbuch der Krankenversicherung - SGB V, § 92 Rn. 5). Aufgabe des
Bundesausschusses ist es also, in den Richtlinien die gesetzlichen Ansprüche
gesetzeskonform so zu konkretisieren, dass die ärztliche Versorgung gesichert ist.
Insoweit mag auch eine inhaltliche Konkretisierung und Begrenzung von
behandlungspflegerischen Maßnahmen in Betracht kommen. Das BSG hat jedoch
bereits in anderem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Ermächtigung in § 92
Abs. 1 Satz 2 SGB V dem Bundesausschuss nicht die Befugnis gibt, darüber
hinausgehend Leistungsansprüche durch eine inhaltliche Bestimmung
leistungsrechtlicher Begriffe zu begrenzen (s. BSGE 81,240, 242 zum
Arzneimittelbegriff; BSGE 85, 36, 45 zum Krankheitsbegriff). Ebenso wenig ist der
Gemeinsame Bundesausschuss befugt, medizinisch notwendige krankheitsbedingte
Pflegemaßnahmen aus dem Bereich der Behandlungspflege auszuschließen. Selbst
nach der Einfügung des Halbsatzes 3 in § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V durch das GKV-
Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 (BGBl. I, 2190) kann der Gemeinsame
Bundesausschuss in den Richtlinien nur Leistungen und Maßnahmen ausschließen,
deren Nutzen, Notwendigkeit oder Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen ist. Diese
Einfügung hat der Gesetzgeber aber nur als "Präzisierung" des
Normsetzungsprogramms nach Inhalt, Zweck und Ausmaß gesehen (BT-Drucksache
15/1525 107). Dem Gemeinsamen Bundesausschuss sollte also keine weitergehende
Kompetenz eingeräumt werden. Die Regelung dient nur der Klarstellung der Kompetenz
des Gemeinsamen Bundesausschusses gegenüber der Verordnungsermächtigung
nach § 34 SGB V und mag ihn nun allenfalls ermächtigen, Maßnahmen, die im
Grenzbereich von Krankenbehandlung und allgemeiner Lebensführung liegen, unter
Abwägung der relevanten medizinischen und finanziellen Verhältnisse aus dem
Leistungskatalog herauszunehmen (vgl. insoweit BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 12 S. 66 f).
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Ausschluss der Einmalkatheterisierung damit
gerechtfertigt werden könnte, diese Maßnahme sei nicht notwendig oder
unwirtschaftlich. Sowohl in dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H als auch in
dem Bericht der Kinderärztin L vom 07.07.2003 wird überzeugend dargelegt, dass bei
angeborenen oder erworbenen Rückenmarksschädigungen mit daraus resultierender
neurogener Blasenentleerungsstörung allein die intermittierende Katheterisierung dem
allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Auch in den
von der Beklagten eingeholten Stellungnahmen des MDK ist dies nie in Frage gestellt
worden. Die Haltung des Beigeladenen zu dieser Frage ist widersprüchlich und kaum
verständlich. Auch er hält in seiner - in einem Parallelverfahren eingeholten und zum
Verfahren beigezogenen - Auskunft vom 19.08.2004 bei chronischen
Blasenentleerungsstörungen die Einmalkatheterisierung für medizinisch geboten. Dass
es insoweit den medizinischen Erkenntnissen entspricht, dass die Versicherten die
Eigenkatheterisierung erlernen sollen, berührt nicht die medizinische Erforderlichkeit
des Einmalkatheterismus; die vorrangige Durchführung durch den Versicherten selbst
berücksichtigt nur die ihm zuzumutende Eigenverantwortung (§ 1 Satz 2 SGB V). Mit der
Anerkennung der Einmalkatheterisierung als medizinischem Standard ist es aber
unvereinbar, Personen, die aus anatomischen oder intellektuellen Gründen die
Eigenkatheterisierung nicht erlernen können, auf einen Dauerkatheter zu verweisen. Die
Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 19.08.2004 nennt keinerlei
Gründe, weshalb gleichwohl in diesem Fall ein Dauerkatheter dem allgemein
anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V)
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entspricht. Der Ausschluss kann auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass häufig
eine Fremdkatheterisierung durch Personen aus dem Umfeld der Versicherten in
Betracht kommt. Insoweit ergibt sich bereits aus § 37 Abs. 3 SGB V ein Ausschluss auf
Leistungen zu Lasten der Krankenkasse; dieser Ausschluss ist anhand der insoweit
maßgeblichen Kriterien zu beurteilen (s. in diesem Zusammenhang insbesondere BSG
SozR 3-2500 § 37 Nr. 2). Die Möglichkeit einer Fremdkatheterisierung durch
Angehörige ist aber kein Grund, generell die Einmalkatheterisierung als
verordnungsfähige Maßnahme auszuschließen.
Insbesondere hinsichtlich der Versorgung von Kindern mit Spina bifida kann die
Auffassung des Beigeladenen nicht nachvollzogen werden. Insoweit wird in der
Auskunft vom 19.08.2004 darauf hingewiesen, dass die jungen Patienten aufgrund
bestehender Vereinbarungen in der Anwendung des Einmalkatheters geschult würden,
so dass davon auszugehen sei, dass ein großer Teil der Patienten die
Einmalkatheterisierung erlernen werden. Kinder mit Spina bifida seien schon im frühen
Alter in der Lage, die Einmalkatheterisierung zu erlernen und selbst durchzuführen.
Abgesehen davon, dass die Aussage des Beigeladenen in diesem Zusammenhang die
wichtige Einschränkung enthält, "sofern es die anatomischen und intellektuellen
Voraussetzungen erlauben" (und der vorliegende Fall zeigt, dass vielfach die
Voraussetzungen nicht vorliegen werden), kann nach dem Gutachten von Prof. Dr. H
üblicherweise erst ab Erreichen der Schulreife die Einmalkatheterisierung erlernt
werden (wobei er aber gleichzeitig darauf hinweist, dass Kindern in diesem Alter noch
nicht die Eigenverantwortung für die Katheterisierung übertragen werden kann, sondern
ihre Beaufsichtigung erforderlich ist). Unabhängig davon, dass es somit schon
zahlreiche Versicherte geben wird, die überhaupt nicht in der Lage sind, die
Eigenkatheterisierung zu erlernen, würde die Auffassung des Beigeladenen darauf
hinauslaufen, dass "zunächst" alle Kinder mit Spina bifida mit einem Dauerkatheter
versorgt werden müssten, bevor sie selbst die Katheterisierung erlernen können (der
Verweis auf die mögliche Durchführung durch Angehörige kann - wie dargelegt - den
Ausschluss nicht rechtfertigen). Ein solches Vorgehen hat Prof. Dr. H ausdrücklich als
"schlicht fehlerhaft" bezeichnet. Zur vollends ungereimten Ergebnissen führt der
Ausschluss der Einmalkatheterisierung in Fällen der vorliegenden Art, in denen die
Eltern im häuslichen Bereich die Katheterisierung durchführen, die ihnen aber während
des Kindergarten- oder Schulbesuches nicht möglich oder unzumutbar ist. Auch aus der
Sicht des Beigeladenen wird medizinisch kaum in Betracht kommen, ein Kind nur für die
Dauer der Abwesenheit aus dem Haushalt mit einem Dauerkatheter zu versorgen.
Sollte, worauf Äußerungen des in der mündlichen Verhandlung anwesenden
Vorsitzenden des Unterausschusses Häusliche Krankenpflege hindeuten, der
Bundesausschuss sich von der Überlegung hat leiten lassen, dass bei Personen mit
Fremdhilfebedarf bei der Katheterisierung wegen der Berücksichtigung dieser
Maßnahme bei der Grundpflege im Regelfall ein Leistungsanspruch aus der
gesetzlichen Pflegeversicherung bestehe, lägen diese Erwägungen neben der Sache.
Der Gemeinsame Bundesausschuss kann bei einer Entscheidung über
Krankenversicherungsleistungen nicht medizinisch erforderliche Leistungen deshalb
ausschließen, weil die Versicherten diese auch von einem Träger aus einem anderen
Sozialversicherungszweig erlangen können.
39
Da jedenfalls bei Kindern nach dem Gutachten von Prof. Dr. H die Versorgung mit
einem Dauerkatheter sogar als Kunstfehler zu bewerten wäre (also entgegen der
Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales vom 12.08.2003
gegenüber dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages keineswegs als
40
ausreichende Versorgung angesehen werden kann), handelt es sich bei der
Einmalkatheterisierung um eine medizinisch notwendige Maßnahme im Rahmen der
Krankenbehandlung. Deren Wirtschaftlichkeit kann angesichts fehlender Alternativen
ungeachtet der hierfür anfallenden Kosten nicht verneint werden. Der völlige Ausschluss
der Einmalkatheterisierung in den Krankenpflege-RL ist somit mit dem in §§ 27 Abs. 1
Satz 1, 37 Abs. 2 SGB V verbürgten Anspruch auf Krankenbehandlung unter Einschluss
häuslicher Krankenpflege unvereinbar und damit unbeachtlich.
4.
41
Nach den glaubhaften Angaben der Klägerin ist ihre Mutter in der Zeit vom 28.10. -
20.12.2002 an 37 Schultagen mindestens einmal täglich mit dem privaten PKW zur
Schule gefahren, um die Katheterisierung durchzuführen. Entsprechend § 60 Abs. 3 Nr.
4 SGB V i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Bundesreisekostengesetz (BRKG) sind für jeden
gefahrenen Kilometer 0,22 EUR als Fahrkosten anzuerkennen. Es ergibt sich somit ein
Erstattungsanspruch von 63,49 EUR ([37 x (3,9 km x 2)] x 0,22 EUR).
42
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
43
Der Senat hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die
Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
44