Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 02.03.2007

LSG NRW: garage, unternehmer, bauarbeiten, versicherungsschutz, umbau, neubau, arbeitsunfall, gefälligkeitsleistung, unternehmen, gefälligkeitshandlung

Landessozialgericht NRW, L 4 U 47/06
Datum:
02.03.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 4 U 47/06
Vorinstanz:
Sozialgericht Münster, S 13 U 20/05
Sachgebiet:
Unfallversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster
vom 10.05.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des
Klägers werden auch im Berufungsverfahren nicht erstattet. Die Revision
wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Der Kläger begehrt die Anerkennung des Ereignisses vom 14.08.2004 als Arbeitsunfall.
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Der Kläger ist gelernter Dachdecker und Bruder der Bauherrin B X.
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Im Dezember 2002 zeigten die Ehepaare N und M X sowie B und I1 X der Beklagten als
Bauherren die geplante Durchführung eines Bauvorhabens - Umbau und Erweiterung
eines Einfamilienhauses zu einem Zweifamilienhaus und Neubau einer Doppelgarage -
auf dem Grundstück Auf der I 0, 00000 S, an. Der Zeuge I1 X ist von Beruf gelernter
Diplomingenieur der Geographie und als Bauleiter im Garten- und Landschaftsbau tätig.
Seine Ehefrau, Frau B X, übt die Tätigkeit einer Einzelhandelskauffrau aus. N und M X
sind Rentner, Herr M X war als Konstrukteur im Großmaschinenbau tätig.
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Im Jahr 2003 wurde ein Anbau an das bereits bestehende Einfamilienhaus errichtet, das
Flachdach des Hauses durch ein Satteldach ersetzt und dieses als Dachgeschoss
ausgebaut. Der Dachstuhl und die Gewerke Sanitär-, Heizungs- und Elektroarbeiten
wurden gewerblich erstellt. Die Eigenleistungen wurden bis auf eine Ausnahme durch
die Bauherren und Familienangehörige erbracht. Die Bauherren meldeten der
Beklagten für die Zeit vom 25.03. bis zum 15.09.2003 insgesamt 112 Stunden nicht
gewerbsmäßiger Bauarbeiten, davon 10 Stunden Helfertätigkeit des Klägers in der Zeit
von 13.04. bis 13.06.2003. Der Kläger brachte am Dachrand des Hauses Kupferbleche
an (6 - 7 Stunden) und half beim Transport von Material. Die Bauherren zeigten der
Beklagten ein Ende der Bauarbeiten zum 15.09.2003 an.
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Im Jahr 2004 zeigten die Bauherren der Beklagten einen Baubeginn zum 08.06.2004
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an. Die auf dem Grundstück befindliche Garage wurde abgerissen und eine neue
Doppelgarage errichtet. Der Dachstuhl der Garage wurde gewerblich erstellt. Die
Bauherren meldeten für die Zeit vom 08.06. bis zum 14.08.2004 33 Stunden nicht
gewerbsmäßiger Bauarbeiten bei der Beklagten an, davon 3 Stunden Helfertätigkeit des
Klägers. Der Kläger brachte auf den Dachstuhl Folie auf und baute die Lattung ein.
Am 14.08.2004 war die Garage bis auf Restarbeiten im Bereich des Dachgeschosses
und des Fenstereinbaus fertiggestellt. In Absprache mit dem Zeugen X sollte der Kläger
die Klempnerarbeiten am Dach - Herrichten und Anbringen der Dachrinne - verrichten
und das Dach durch Eindeckung mit Pfannen fertig stellen. Am Unfalltag beabsichtigte
der Kläger, die Kupferbleche für die Dachrinnen zu kanten und an der Garage
anzubringen. Für die Ausführung der Kupferblecharbeiten erhielt der Kläger von seinem
Arbeitgeber die Genehmigung, die Kupferbleche in der Werkstatt des Betriebes mit einer
betriebseigenen Schwenkbiegemaschine zu biegen. Der Zeuge X hatte zuvor die
Kupferbleche im Betrieb des Arbeitgebers des Klägers bestellt und bezahlt. Bei der
Bedienung der Schwenkbiegemaschine klemmte sich der Kläger die rechte und linke
Hand ein. Er erlitt eine Quetschverletzung D III - D V der linken Hand mit
Sehnenverletzung. Nach dem Unfall beauftragte der Zeuge X eine gewerbliche Firma
mit der Dacheindeckung. Für die Zeit ab 26.08. bis zum 31.12.2004 meldeten die
Bauherren 24 Stunden nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten bei der Beklagten.
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Der Zeuge X zeigte der Beklagten am 16.08.2004 telefonisch einen Arbeitsunfall des
Klägers an. Er gab an, dass der Kläger bei Klempnerarbeiten für die Garage einen
Unfall erlitten habe. Der Kläger habe in seinem Betrieb für private Zwecke Bleche an der
Kantmaschine umkanten wollen (vorbereitende Arbeiten) und habe dabei eine
Verletzung an der Hand erlitten. Daraufhin befragte die Beklagte die Bauherren sowie
den Kläger. Im Bericht über die örtlichen Ermittlungen vom 26.08.2004 wurde
festgehalten, dass der Kläger auschliesslich bei Dacharbeiten geholfen habe. Am
Unfalltag habe er beabsichtigt, die Bleche für die Garage zu kanten. Mit dem
Arbeitgeber des Klägers sei abgesprochen worden, dass die Bleche im Betrieb des
Klägers an den entsprechenden Maschinen gekantet werden durften. Die gekanteten
Bleche sollten dann durch den Kläger an der Garage angebracht werden. Die
Zeiteinteilung habe durch den Kläger selbständig vorgenommen werden können. Wenn
der Unfall nicht eingetreten wäre, hätte der Kläger für die Restarbeiten an der Garage
noch ca. 15 Stunden benötigt. Dass sich die Familie gegenseitig unterstütze, sei eine
völlig selbstverständliche Angelegenheit. Dies sei von allen anwesenden Bauherren
und den Verletzten bestätigt worden. Die Tätigkeiten, die vom Kläger ausgeübt worden
seien, hätten durch die Bauherren nicht ausgeübt werden können, da ihnen sowohl die
technischen Geräte als auch der nötige Sachverstand für diese Tätigkeiten gefehlt
hätten. Der Bericht wurde u.a. vom Kläger und dem Zeugen X unterschrieben.
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Durch Bescheid vom 14.10.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen
aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Ereignisses am 14.08.2004 ab. Ein
Versicherungsfall habe sich nicht ereignet, da der Kläger zur Zeit des Eintritts des
Geschehens keine versicherte Person nach §§ 2 ff Sozialgesetzbuch Siebtes Buch
(SGB VII) gewesen sei. Der Kläger sei nicht Arbeitnehmer des Unternehmens
"Bauvorhaben N und M X" gewesen. Nach den getroffenen Ermittlungen habe seine
Hilfe bis zum Unfalltag am 14.08.2004 an dem Bauvorhaben einen Umfang von 10
Arbeitsstunden gehabt. Eine weitere Mithilfe ohne den Unfall hätte sich auf etwa 15
Arbeitsstunden beschränkt. Bei der Mithilfe des Klägers habe es sich um eine durch
enge familiäre Beziehung geprägte Gefälligkeitsleistung gehandelt, die unversichert
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gewesen sei.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, dass es sich bei
seinen Tätigkeiten um keine Gefälligkeit gehandelt habe. Seine Mithilfe sei von den
Bauherren fest eingeplant gewesen. Allein die Fertigung und das Anbringen der
Kupferbleche und der Rinnen hätte einen Umfang von 15 Stunden ausgemacht. Er hätte
weiterhin Mauerabdeckungen auf neu erstellte Zwischenwände erstellt, wenn sich der
Unfall nicht ereignet hätte. Vor dem Unfalltag habe er die Folie auf die Garage
aufgebracht. Seine Mithilfe sei in den Planungen und den weiteren Ausbaustufen für die
fachlichen Arbeiten im Dachdeckerbereich vorgesehen gewesen. Desweiteren sei
geplant gewesen, dass er bei den Arbeiten für die Einfahrt zur Doppelgarage hätte
helfen sollen. Am 06.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet
zurück. Es habe sich bei den Arbeiten des Klägers um eine aus enger familiärer
Beziehung heraus geprägten Gefälligkeitsleistung gehandelt, die keinen
Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII begründe. Nach ständiger
Rechtssprechung liege eine Tätigkeit "wie ein Arbeitnehmer" dann nicht vor, wenn die
Arbeitsleistung aus freundschaftlicher oder verwandtschaftlicher Beziehung heraus
erfolge. Selbst wenn nicht von einer unversicherten Gefälligkeitsleistung ausgegangen
werde, lasse sich ein Versicherungsschutz aus § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nicht
begründen, da der Kläger nicht wie ein Arbeitnehmer, sondern vielmehr wie ein
Unternehmer tätig geworden sei. Der Kläger sei ausschließlich im Bereich der Arbeiten
eingesetzt worden, welche er auch beruflich ausübe. Die Bauherren selbst verfügten
über keinerlei Fachkenntnisse im Dachdecker- und Zimmererberuf.
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Am 02.02.2005 hat der Kläger Klage auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls erhoben. Er
hat die Auffassung vertreten, dass kein Gefälligkeitsverhältnis zum Unfallzeitpunkt
vorgelegen habe. Es sei geplant gewesen, dass er in erheblichem Maße bei den
Bauarbeiten habe helfen sollen. Seine Tätigkeiten seien auch unter Berücksichtigung
des Verwandtschaftsverhältnisses weit über dasjenige herausgegangen, was im
Rahmen einer Gefälligkeit geleistet werde. Auch könne nicht von einer
unternehmerähnlichen Leistung ausgegangen werden. Er habe nicht versprochen, die
zum Unfall führenden Arbeiten im Wege eines Auftrages mit Werksvertragscharakter zu
erbringen. Hiergegen spreche, dass nach seinem Unfall eine andere Firma mit diesen
Aufgaben betraut worden sei. Hätte es sich um einen Auftrag mit Werkvertragscharakter
gehandelt, hätte er hierfür selbst sorgen müssen, nicht jedoch die Bauherren. Vor dem
Beginn der gesamten Baumaßnahme sei er von seiner Schwester und seinem
Schwanger angesprochen worden, ob er ihnen helfen könne. Dabei seien die Arbeiten
an der Doppelgarage und Arbeiten "wenn Not am Mann wäre", wie z. B. Steine
schleppen oder Pflasterarbeiten, angesprochen worden.
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Die Beklagte hat vorgetragen, die vom Kläger verrichtete Tätigkeit sei nach ihrem
Gesamtbild als unternehmerähnlich zu qualifizieren. Für die Dachdeckerarbeiten sei er
von den Bauherren speziell wegen seiner fachlichen Befähigung und Kenntnisse
ausgewählt und angesprochen worden. Er habe die Herstellung eines Gewerkes
versprochen, so dass es sich um die Besorgung eines Auftrages mit
Werkvertragscharakter gehandelt habe. Dies schließe die Annahme einer
arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit aus. Dagegen spreche auch nicht die Bekundung des
Klägers, dass er an der Baumaßnahme noch weitere Arbeiten, die keiner besonderen
fachlichen Qualifikation bedurft hätten, ausgeführt habe bzw. habe ausführen wollen.
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Durch Urteil vom 10.05.2006 hat das Sozialgericht (SG) Münster die Klage abgewiesen.
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Der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt eine unternehmerähnliche Tätigkeit ausgeübt und
sei deshalb nicht nach § 2 Abs. 2 SGB VII versichert gewesen. Auf die
Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Gegen das am 24.05.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.06.2006 Berufung
eingelegt. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, dass
es sich bei den Arbeiten - dem Umbau und der Erweiterung eines Einfamilienhauses zu
einem Zweifamilienhaus und dem Neubau einer Doppelgarage - um ein einheitliches
Bauvorhaben gehandelt habe. Die zeitlich kurze Unterbrechung zwischen den Arbeiten
am Haupthaus und an der Garage sei darauf zurückzuführen, dass seine Schwester
schwanger gewesen sei. Zur Vermeidung von Komplikationen der Schwangerschaft sei
das Bauvorhaben unterbrochen worden. Im Rahmen der Arbeiten am Haupthaus habe
er beim Transport von Material (3 bis 4 Stunden) geholfen, Kupferarbeiten im Umfang
von 7 Stunden verrichtet, beim Einsatz eines Stahlträgers geholfen (2 Stunden) sowie
den Innenausbau im Haupthaus (3 Stunden Minimum) durchgeführt. Desweiteren hätten
die geplanten Arbeiten am Dach der Doppelgarage 30 Stunden, davon 15 Stunden
Kupferarbeiten, umfasst. Auch seien die beiden Dächer noch mit einem
voraussichtlichen Zeitaufwand von 16 Stunden zu dämmen gewesen. Wenn der
Zeitaufwand für die Arbeiten am Haupthaus und an der Garage zusammengerechnet
werde, liege der Zeitumfang deutlich über dem zeitlichen Umfang von
Gefälligkeitsarbeiten. Da er beim Bauvorhaben Arbeiten verrichtet habe, die nicht seine
besondere Fach- und Sachkunde als Dachdecker vorausgesetzt hätten, und ein
weiterer Einsatz bei solchen Arbeiten geplant gewesen sei, könne es sich bei seinen
Arbeiten nicht um Leistungen eines Unternehmers handeln.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 10.05.2006 aufzuheben und unter Aufhebung
des Bescheides vom 14.10.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
06.01.2005 festzustellen, dass das Ereignis vom 14.08.2004 ein Arbeitsunfall ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Der Kläger sei zum Unfallzeitpunkt wie
ein Unternehmer tätig geworden. Er sei allein aufgrund seiner handwerklichen
Fachkenntnisse befähigt gewesen, die erforderlichen Klempnerarbeiten zu verrichten.
Der Zeuge X habe bei seiner Vernehmung angegeben, dass ihm für die erforderlichen
Klempnerarbeiten das nötige Know How und die entsprechenden Werkzeuge gefehlt
hätten. Hätte der Kläger nicht zur Verfügung gestanden, wären die Arbeiten entweder
durch einen gewerblichen Unternehmer oder überhaupt nicht ausgeführt worden. Damit
habe der Kläger wie ein Unternehmer innerhalb des vom Bauherren vorgegebenen
Rahmens den entsprechenden Einfluss auf die Art und Weise der auszuführenden
Arbeiten gehabt. Nach dem Geschehensablauf bis zum Unfallzeitpunkt habe der Kläger
die Leitungsfunktion in Bezug auf die auszuführenden Dacharbeiten gehabt, während
der Zeuge X lediglich unterstützende Aufgaben wahrgenommen habe. Selbst wenn der
Kläger zum Unfallzeitpunkt nicht wie ein Unternehmer an der Baumaßnahme tätig
geworden sei, komme ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nicht in
Betracht, da sich die vom Kläger bis zum Unfallzeitpunkt geleisteten bzw. die darüber
hinaus geplanten Arbeitsleistungen durchaus noch im Rahmen einer
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verwandtschaftlichen Gefälligkeitsleistung bewegten. Nach eigener Aussage habe der
Kläger für die Dacharbeiten an der Garage insgesamt einen Zeitaufwand von 30
Arbeitsstunden geschätzt, wobei 15 Arbeitsstunden auf die ausführenden
Kupferarbeiten entfallen sollten. Bei dem Umbau und der Erweiterung des
Einfamilienhauses und dem Neubau der Doppelgarage handele es sich um zwei
voneinander getrennt zu beurteilende Baumaßnahmen. Die Arbeiten an der Garage
seien zeitlich und räumlich eindeutig von den Umbauarbeiten am Wohnhaus
abzugrenzen.
Der Senat hat im Erörterungstermin vom 29.09.2006 den Zeugen X vernommen.
Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift
Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten genommen, deren wesentlicher
Inhalt Gegenstand der mündlichen Beratung gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist unbegründet
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Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
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Der Kläger ist nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz
(SGG). Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Bei dem Ereignis vom 14.08.2004
handelte es sich nicht um einen nach § 8 Abs. 1 SGB VII versicherten Arbeitsunfall.
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Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge
einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit
(versicherte Tätigkeit). Der Kläger erlitt 14.08.2004 keinen Arbeitsunfall, weil er sich die
Verletzung der linken Hand nicht bei einer versicherten Tätigkeit zuzog. Während seiner
Tätigkeit für die Bauherren X gehörte er nicht zum versicherten Personenkreis.
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Der Kläger war nicht nach § 2 Abs. 1 SGB VII aufgrund eines Arbeits- oder
Dienstverhältnisses mit den Bauherren X versichert. Nach dem Gesamtergebnis der
Beweisaufnahme bestand zwischen dem Kläger und den Bauherren X kein derartiges
Vertragsverhältnis. Es sind keine Anhaltspunkte für eine Eingliederung des Klägers in
das Unternehmen der Bauherren X vorhanden. Insbesondere gibt es für ein
umfassendes Weisungs- und Direktionsrecht der Bauherren, nämlich für etwaiger
Anordnungsrechte bezüglich der Arbeit, der Zeit und des Ortes der Arbeitsausübung
oder bezüglich Vergütung, Kündigungsfristen und Urlaub keiner Anhaltspunkte.
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Zum Unfallzeitpunkt gehörte der Kläger auch nicht zu dem nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB
VII versicherten Personenkreis. Danach sind Personen versichert, die wie nach Abs. 1
Nr. 1 Versicherte tätig werden. Der ständigen Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) folgend legt der Senat die Vorschrift des § 2 Abs. 2 SGB VII
ebenso wie die Vorgängervorschrift des § 539 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung
(RVO) dahingehend aus, dass aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen
Versicherungsschutz auch dann gewährt werden soll, wenn die Voraussetzungen eines
Beschäftigungsverhältnisses nicht vollständig erfüllt sind und bei einer ggfs. nur
vorübergehenden Tätigkeit die Grundstruktur eines Beschäftigungsverhältnisses
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gegeben ist. Dies kommt in Betracht, wenn eine ernstliche Tätigkeit von wirtschaftlichem
Wert vorliegt, die von der Handlungstendenz her einem fremden Unternehmen dienen
soll, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, einer
Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist und nicht auf einer
Sonderbeziehung zum Unternehmer zum Beispiel als Familienangehöriger oder als
Vereinsmitglied beruht (BSG, Urteil vom 31.05.2005 - B 2 U 35/04 R - m.w.N.). Diese
Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, da der Kläger zum Unfallzeitpunkt
keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit verrichtete und die Tätigkeit auf einer
Sonderbeziehung beruhte.
Das SG hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt keine
arbeitnehmerähnliche Tätigkeit, sondern eine unversicherte unternehmerähnliche
Tätigkeit ausübte. Für die Abgrenzung zwischen einer Tätigkeit eines
arbeitnehmerähnlichen Beschäftigten im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VII und einer
unternehmerähnlichen Tätigkeit ist von der Abgrenzung zwischen einem abhängig
Beschäftigtem und einem Unternehmer auszugehen, wobei jeweils gewisse Abstriche
zu machen sind, weil nur eine arbeitnehmerähnliche Beschäftigung und eine
unternehmerähnliche Tätigkeit gegenüber zu stellen sind. Es müssen jeweils nicht alle
Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses bzw. einer Unternehmertätigkeit erfüllt
seien. Entscheidend ist vielmehr, ob dem Gesamtbild nach die Tätigkeit wie von einem
Beschäftigten oder wie von einem Unternehmer ausgeübt wurde (BSG, Urteil vom
31.05.2005 - B 2 U 35/04 R - m.w.N.).
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Insbesondere muss beim arbeitnehmerähnlichen Tätigwerden die persönliche oder
wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen nicht vorliegen, für die
unternehmerähnliche Tätigkeit muss kein Geschäftsbetrieb oder eine auf Erwerb
gerichtete Tätigkeit vorliegen (BSG a.a.O.). Bei der Beurteilung der Tätigkeit ist nicht
allein auf die unmittelbar zum Unfall führende Tätigkeit - vorliegend das Umkanten der
Kupferbleche - abzustellen. Maßgeblich ist das Gesamtbild des ausgeführten und
beabsichtigten Vorhabens, also das Gesamtbild der übernommenen Aufgaben (BSG,
Urteil vom 24.01.1991, - 2 RU 44/90 -; Urteil vom 17.03.1992, - 2 RU 22/91 -).
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Der Kläger hatte im Rahmen des Neubaus der Garage die Aufgabe übernommen, die
Klempnerarbeiten am Dach auszuführen und das Dach mit Pfannen einzudecken. Die
zum Unfallzeitpunkt durchgeführte Arbeit - Umkanten der Kupferbleche - diente zur
Vorbereitung der übernommenen Klempnerarbeiten. Das SG hat zutreffend die vom
Kläger geplanten Arbeiten am Dach der Garage als unternehmerähnliche Tätigkeit
gewertet. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die erstinstanzlichen
Entscheidungsgründe und sieht von einer weiteren Darstellung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
In der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme haben sich keine Anhaltspunkte ergeben,
die gegen die Annahme einer unternehmerähnlichen Tätigkeit des Klägers sprechen.
Vielmehr hat der Zeuge X bestätigt, dass er auf die besondere Sachkunde des Klägers
angewiesen gewesen war, der Kläger die Dacharbeiten eigenständig mit eigenem
Arbeitsgerät durchführen sollte und er selbst nur unterstützend tätig werden sollte.
Entgegen der Auffassung des Klägers spricht die Tatsache, dass er im Jahr 2003 seiner
Schwester bei dem Umbau und der Erweiterung des Einfamilienhauses geholfen hatte
und dabei auch Tätigkeiten, die keine besonderen Fachkenntnisse erforderten,
verrichtet hatte, nicht gegen die Annahme der Ausführung einer unternehmerähnlichen
Tätigkeit am 14.08.2004. Denn bei dem Umbau und der Erweiterung des
Einfamilienhauses und dem Neubau der Doppelgarage handelte es sich um zwei
voneinander getrennt zu beurteilende Baumaßnahmen. Die Arbeiten an der Garage
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sind zeitlich und räumlich eindeutig von den Umbauarbeiten am Wohnhaus
abzugrenzen.
Allein die Tatsache, dass die Bauherren den Umbau und die Erweiterung eines
Einfamilienhauses zu einem Zweifamilienhaus und den Bau einer Doppelgarage von
Beginn an geplant hatten, die entsprechenden Baugenehmigungen eingeholt und die
geplanten Baumaßnahmen als ein Bauvorhaben bei der Beklagten angemeldet hatten,
spricht nicht dagegen, den Charakter der vom Kläger übernommen Arbeiten am Dach
der Garage für sich zu beurteilen. Die Tätigkeiten des Klägers fanden zum einen an
verschiedenen Bauobjekten, die räumlich voneinander getrennt waren, statt, zum
anderen bestand ein zeitlicher Abstand von neun Monaten zwischen dem Ende der
Baumaßnahmen am Einfamilienhaus und dem Beginn des Neubaus der Garage. Des
weiteren hat der Senat auch berücksichtigt, dass der Kläger im Jahr 2003 am Dach des
Einfamilienhauses identische Arbeiten, nämlich Klempnerarbeiten beim Befestigen der
Dachrinnen verrichtete hatte und er im übrigen nur im geringen zeitlichen Umfang
Helfertätigkeiten beim Transport von Material geleistet hatte. Soweit der Kläger bereit
war, bei den Pflasterarbeiten für die Einfahrt zur Garage zu helfen oder andere Arbeiten
zu verrichten, bestanden zum Unfallzeitpunkt noch keine konkreten Absprachen über
den Zeitpunkt und den Umfang der weiteren Helfertätigkeit des Klägers, so dass diese
Arbeiten bei der Beurteilung des Charakters der Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt erst recht
nicht zu berücksichtigen sind.
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Selbst wenn die Tätigkeit des Klägers beim Neubau der Garage als
arbeitnehmerähnliche Tätigkeit gewertet würde, ist ein Versicherungsschutz nach § 2
Abs. 2 SGB VII nicht gegeben. Denn bei der Tätigkeit des Klägers handelte um eine
sogenannte Gefälligkeitshandlung. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG, der
sich der Senat anschließt, schließen unter Verwandten vorgenommene
Gefälligkeitshandlungen den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII aus, wenn
diese ihr gesamtes Gepräge durch die familiären Bindungen zwischen den Angehörigen
erhalten. Je enger die verwandtschaftliche Beziehung ist, umso eher erscheint die
Annahme gerechtfertigt, dass es sich um Gefälligkeitsdienste handelte, die ihr Gepräge
allein durch die familiären Beziehungen erhalten und deshalb nicht mehr als
arbeitnehmerähnlich angesehen werden können. Dabei sind die Stärke der
tatsächlichen verwandtschaftlichen Beziehungen und die gesamten Umstände des
Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere Art, Umfang und Zeitdauer der
vorgesehenen Tätigkeit (BSG, Urteil vom 29.09.1992, - 2 RU 46/91 -).
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestand zwischen dem Kläger und der
Familie seiner Schwester nicht nur ein Verhältnis formal enger familiärer Art, sondern es
war durch tatsächlich bestehende familiäre Bindungen geprägt, so dass es für den
Kläger selbstverständlich war, dass er seiner Schwester, deren Ehemann und
Schwiegereltern bei dem Bauprojekt am eigenen Haus half, insbesondere bei Arbeiten
am Dach. Dies ergibt sich sowohl aus den Einlassungen des Klägers wie aus den
Bekundungen des Zeugen X, wonach es in der Familie selbstverständlich ist, dass man
sich gegenseitig hilft, wenn es erforderlich ist. Der Kläger half nach eigenen Angaben
bei den Bauarbeiten seiner beiden Schwestern an den eigenen Häusern und geht
davon aus, dass diese ihm bei Bauarbeiten am eigenen Haus ebenfalls helfen. Der
Zeuge X half nach Angaben des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung des
Senates zwischenzeitlich beim Umbau des Hauses des Klägers mit.
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Bei der Beziehung zwischen Geschwistern handelt es sich - abgesehen von dem Eltern
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- Kind - Verhältnis - um die engste verwandtschaftliche Beziehung. Die zum Unfall
führende Tätigkeit des Klägers, stand in engem Zusammenhang mit den
Klempnerarbeiten am Dach, nämlich dem Herrichten und Anbringen der Dachrinne, und
dem Eindecken des Daches mit Pfannen. Diese Tätigkeit geht nicht über eine bloße
Gefälligkeitshandlung zwischen Geschwistern hinaus. Die Tatsache, dass diese
Arbeiten eine besondere Sachkunde erfordern und Arbeiten am Dach ihrer Natur nach
gefährlich sind, steht der Annahme einer rein familiär geprägten Gefälligkeitshandlung
nicht entgegen (siehe auch LSG Niedersachsen, Urteil vom 13.03.1987, - L 6 U 348/96 -
). Denn der Kläger verfügt über die Sachkunde und die Geräte zur Ausführung der
Dacharbeiten, insbesondere der Klempnerarbeiten am Dach. Da zwischen ihm und
seiner Schwester ein intaktes Verwandtschaftsverhältnis bestand, lag es nahe und
konnte auch erwartet werden, dass sich der Kläger zur Hilfeleistung für die Arbeiten am
Dach der Garage bereit erklärte. Dafür spricht auch, dass der Kläger schon im Jahr 2003
die Klempnerarbeiten am Dach des Wohnhauses seiner Schwester ausgeführt hatte.
Der geschätzte Zeitaufwand für die Dacharbeiten von ca. 30 Stunden spricht auch nicht
gegen die Zuordnung der geplanten Tätigkeit des Klägers zu einer rein familiären
Gefälligkeit (vgl. BSG, Urteil vom 29.09.1992, - 2 RU 46/91 -, 40 Stunden bei der
Tätigkeit des Schwiegervaters; Urteil vom 30.07.1987, - 2 RU 17/86 - Tätigkeit von 3 ½ -
4Tagen im Jahr beim Holzfällen und Brennholzzubereiten für einen Bruder). Bei der
Ermittlung des Zeitumfangs sind die im Jahr 2003 geleisteten Arbeiten des Klägers am
Wohnhaus nicht zu berücksichtigen, da es sich um ein zeitlich und räumlich
abgrenzbares Bauvorhaben handelte. Des weiteren sind Arbeiten, über deren Anfall
noch keine konkrete Absprache getroffen war, wie z. B. die Pflasterung der Einfahrt,
nicht mit einzubeziehen. Sie sind ebenfalls von den Arbeiten, bei denen sich der Unfall
ereignete, räumlich und zeitlich abgrenzbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
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