Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20.12.1999

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Landessozialgericht NRW, L 4 RA 66/99
Datum:
20.12.1999
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 4 RA 66/99
Vorinstanz:
Sozialgericht Aachen, S 8 RA 43/99
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 4 RA 28/00 R
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen
vom 27. August 1999 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die
außergerichtlichen Kosten des Klägers in der Berufungsinstanz zu
erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Die Beklagte wehrt sich gegen die Pflicht, dem Kläger Kindererziehungszeiten (KEZ)
und Berücksichtigungszeiten (BZ) wegen Kindererziehung (KE) für sein am 28. Oktober
1968 geborenes Kind D ... zuzuordnen.
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Der am ... 1938 geborene Kläger ist verheiratet und Vater des am 28. Oktober 1968
geborenen ehelichen Kindes D ... Ab Beginn des Eintritts in das Erwerbsleben mit
Aufnahme der beruflichen Ausbildung im April 1953 wurden für den Kläger fortlaufend
bis Juni 1993 Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter und ab Juli 1993 zur
Rentenversicherung der Angestellten entrichtet. Mit am 10. April 1996 von dem Kläger
unterschriebenen Antrag begehrte er die Klärung seines Versicherungskontos bzw. eine
Rentenauskunft und gab an, KEZ sowie BZ wegen KE nicht geltend zu machen. Unter
dem 15. Oktober 1996 erstellte die Beklagte sodann einen Kontospiegel ohne KEZ bzw.
BZ wegen KE.
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Mit Schreiben vom 23. April 1998 übermittelte die Landesversicherungsanstalt
Rheinprovinz der Beklagten einen Antrag des Klägers auf Zuordnung von KEZ für die
Erziehung seines Sohnes D ... im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.
Der Kläger habe sich Anfang 1996 beim Sprechtag der Beklagten im Hause der
Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Aachen nach der Möglichkeit erkundigt, KEZ in
seinem Versicherungskonto anrechnen zu lassen. Ihm sei damals gesagt worden, eine
Anrechnung würde eine Rente nicht erhöhen, da er in den ersten zwölf Lebensmonaten
des Kindes durchgehend beschäftigt gewesen sei. Nunmehr habe er erfahren, daß ab
01. Juli 1998 auch dann eine rentensteigernde Anrechnung von KEZ möglich sei, wenn
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immer durchgehend gearbeitet worden sei. Den förmlichen Antrag auf Zuordnung von
KEZ bzw. BZ wegen KE stellte der Kläger am 06. August 1998. Unter dem gleichen
Datum erklärten der Kläger und seine im August 1942 geborene Ehefrau sowie Mutter
des im Oktober 1968 geborenen Kindes D ... übereinstimmend, die KEZ für das Kind D
... solle für die Zeit vom 01. November 1968 bis zum 31. Oktober 1969 dem Kläger als
Vater zugeordnet werden. Ebenfalls solle ihm die BZ wegen KE für die vollen zehn
Jahre zugeordnet werden. Im Oktober 1998 ergänzte der Kläger sein Antragsbegehren
unter Hinweis darauf, daß ihm bei der Beratung Anfang 1996 durch die Beklagte gesagt
worden sei, daß die Stellung eines Antrags auf Zuordnung von KEZ bzw. BZ wegen KE
unnötig sei, da dies nicht zu einer Rentenerhöhung führen könne. Auf die Möglichkeit
einer vorsorglichen Antragstellung sei er nicht hingewiesen worden.
Mit Bescheid vom 16. November 1998 lehnte die Beklagte die zugunsten des Klägers
beantragte Zuordnung der KEZ vom 01. November 1968 bis zum 31. Oktober 1969
ebenso ab wie die Zuordnung der BZ wegen KE vom 28. Oktober 1968 bis zum 27.
Oktober 1978. Die übereinstimmende Erklärung des Klägers und seiner Ehegattin als
Eltern des Kindes D ... habe nicht rechtzeitig bei der Beklagten vorgelegen. Ein
sozialrechtlicher Herstellungsanspruch komme nicht in Betracht. Die dem Kläger Anfang
1996 erteilte Auskunft sei richtig gewesen. Erst der Beschluss des
Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 12. März 1996 habe den Gesetzgeber
verpflichtet, bis zum
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30. Juni 1998 eine Regelung hinsichtlich der Bewertung der KEZ, die mit
Pflichtbeiträgen zusammentreffen, zu schaffen. Darüber sei in den Medien wie auch
durch die Rentenversicherungsträger umfassend informiert worden. Insbesondere sei
auch auf die Ausschlußfrist für die gemeinsame Erklärung der Eltern hingewiesen
worden.
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Der Kläger habe somit bis Ende 1996 einen vorsorglichen Antrag stellen können.
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Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, bei der Beratung Anfang
1996 hätte der Berater der Beklagten Kenntnis von dem anhängigen Verfahren vor dem
BVerfG haben müssen. Diese habe er ihm mitzuteilen gehabt. Einen vorsorglichen
Antrag habe er nicht stellen können, da er von dieser Angelegenheit nichts aus den
Medien, nichts von der Beklagten bzw. nichts von sonstigen Versicherungsträgern
erfahren habe. Diesen Widerspruch wies die Widerspruchsstelle bei der Beklagten mit
Widerspruchsbescheid vom 09. April 1999 zurück. Die gemeinsame Erklärung der
Eltern sei bis zum 31. Dezember 1996 abzugeben gewesen. Ein sozialrechtlicher
Herstellungsanspruch des Klägers bestünde nicht. Ein Beratungsfehler der Beklagten
liege nicht vor. Eine Pflicht zur spontanen Beratung habe für sie nicht bestanden.
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Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 20. April 1999 Klage erhoben.
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Zur Begründung hat er behauptet, sich beim Sprechtag der Beklagten in Aachen am 09.
April 1996 konkret danach erkundigt zu haben, ob es sich für ihn lohne, wenn KEZ bzw.
BZ wegen KE ihm zugeordnet würden. Der Berater der Beklagten habe daraufhin
wörtlich gesagt: "Das lohnt sich nicht für Sie, die Arbeit brauchen wir uns nicht zu
machen. Das bringt Ihnen keinen Vorteil." Er sei nicht darauf hingewiesen worden,
einen eventuellen Antrag bis zum 31. Dezember 1996 zu stellen. Deshalb habe er auch
nichts unternommen. Erst nach Fristablauf am 31. Dezember 1996 sei er darauf
aufmerksam geworden, daß es ihm gegebenenfalls doch Vorteile gebracht hätte, den
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Antrag zu stellen.
Die Beklagte hat behauptet, sie habe erst nach Bekanntgabe des Beschlusses des
BVerfG vom 12. März 1996 im Juni 1996 ihre Mitarbeiter über die geänderte Rechtslage
informieren können.
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Das Sozialgericht hat R ...als Zeugen vernommen. Der Zeuge hat am 20. August 1999
bekundet, 52 Jahre alt und Verwaltungsamtmann zu sein. Er sei am Sprechtag der
Beklagten in Aachen am 09. April 1996 der Berater des Klägers gewesen. Ihm sei im
Frühjahr 1996 die Rechtslage hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit von KEZ
bekannt gewesen. Damals sei eine kumulative Anrechnung von KEZ neben
Beitragszeiten nicht in Betracht gekommen. Sollte er damals aus dem
Versicherungsverlauf des Klägers entnommen haben, daß dieser überdurchschnittliche
Beitragszeiten hat, dann hätte er ihn darauf hingewiesen, daß es keinen Sinn mache,
die Zuordnung der KEZ zu beantragen. Es könne gut sein, daß er dann dem Kläger
gesagt hätte, es lohne sich nicht, die Arbeit bräuchten sie sich nicht zu machen, da es
für den Kläger keinen Vorteil gebe. Er wisse nicht mehr, ob das anhängige Verfahren
vor dem BVerfG bekannt gewesen ist. Er wisse auch nicht, ob er dem Kläger im Hinblick
auf ein solches Verfahren eventuell geraten habe, vorsorglich einen Antrag zu stellen.
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Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung hat das Sozialgericht am 27. August 1999 unter
Abänderung der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, die
Kindererziehungszeiten und die Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für
das am 28. Oktober 1968 geborene Kind D ... dem Kläger zuzuordnen. Die von dem
Kläger und seiner Ehefrau und Mutter des Kindes D ... am 06. August 1998 abgegebene
Erklärung reiche dazu aus. Die Ausschlußfrist bis 31. Dezember 1996 stehe dem nicht
entgegen. Die Beklagte könne sich nicht auf den Ablauf dieser Frist berufen. Der Kläger
habe ihr gegenüber einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Er habe infolge
eines Informationsfehlverhaltens der Beklagten die Fristwahrung versäumt. Sie habe
ihm gegenüber ihre Beratungspflicht verletzt. Der Kläger sei durch den Zeugen B ...
anläßlich der Beratung am 09. April 1996 darauf hingewiesen worden, daß es für ihn
keinen Sinn mache, neben den Beitragszeiten auch KEZ geltend zu machen, da der
Kläger für den fraglichen Zeitraum bereits überdurchschnittlich hohe Entgeltpunkte für
Beitragszeiten hatte. Es sei auch davon auszugehen, daß er nicht im Hinblick auf das
Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (1 BvR 609/90) zur vorsorglichen
Antragstellung aufgefordert worden ist. Der Kläger könne hinsichtlich der
Kenntnisnahme des Beschlusses des BverfG vom 12. März 1996 nicht auf die Medien
und sonstigen Informationen der Rentenversicherungsträger verwiesen werden. In
einem solchen Falle hätte der Zeuge ... erst Recht dem Kläger entsprechende Hinweise
geben müssen. Selbst bei Zugang des Beschlusses des BVerfG vom 12. März 1996 bei
der Beklagten erst im Juni 1996 hätte sie den Kläger bereits im April 1996 auf dieses
anhängige Verfahren aufmerksam machen müssen und ihm zu raten gehabt, einen
vorsorglichen Antrag zu stellen. Auch sei bei verfassungskonformer Auslegung die
Ausschlußfrist nicht auf den Kläger anzuwenden. Dieser habe erst durch den Beschluss
vom 12. März 1996 eine Besserstellung bei der Rentenberechnung erreichen können.
Erst die Neuregelung des § 70 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) durch
das Rentenreformgesetz (RRG) 99 habe die Möglichkeit der Addition von
Entgeltpunkten aus KEZ und Beitragsleistungen für die gleichen Monate gebracht. 1996
sei die Geltendmachung von KEZ für den Kläger nach § 70 Abs. 2 SGB VI alte Fassung
sinnlos gewesen. Bei Schaffung der Frist des § 249 Abs. 6 SGB VI alte Fassung sei die
Entscheidung des BVerfG noch nicht ergangen gewesen. Der Gesetzgeber habe eine
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derartige Möglichkeit auch erkennbar nicht im Blick gehabt. Die Frist sei für solche
Versicherten gesetzt worden, die KEZ sinnvollerweise hätten geltend machen können.
Das der Gesetzgeber mit dem RRG 99 die Frist gemäß § 249 Abs. 6 SGB VI alte
Fassung nicht verlängert habe beruhe darauf, daß er die Versichertengruppe des
Klägers ebenfalls nicht im Blick gehabt hatte. Jedoch habe keine Regelung zum
endgültigen Ausschluß von Versicherten wie dem Kläger getroffen werden sollen. Es
bestehe somit eine planwidrige Regelungslücke. Diese Lücke sei so zu schließen, daß
die Frist für den Kläger nicht angewandt werde. Hier entspreche die Frist einer
Stichtagsregelung. Die Wahl des Zeitpunkt müsse sich am gegebenen Sachverhalt
orientieren. Der Kläger werde nicht durch die Intention der Frist, sondern nur zufällig von
ihr betroffen. Dadurch werde er unbillig benachteiligt. Auch sei die Anerkennung von
KEZ verfassungsrechtlich geboten. Deshalb könne die zufällig nachteilige Auswirkung
der Frist für ihn nicht hingenommen werden. Der Stichtag sei im Hinblick auf den Kläger
nicht plausibel.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 16. September 1999 Berufung eingelegt.
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Zur Begründung behauptet sie, bei dem Sprechtag Anfang 1996 den Kläger nur nach
der damaligen Rechtslage habe beraten zu können. Der in nichtöffentlicher Sitzung des
Bundesverfassungsgerichtes ergangene Beschluss vom 12. März 1996 sei erst am 27.
Juni 1996 bekannt gegeben worden. Sie sei im Hinblick auf den Fristablauf nicht
verpflichtet gewesen, Versicherte auf das Verfahren vor dem BVerfG hinzuweisen und
zu einer vorsorglichen Antragstellung auf Anerkennung von KEZ beim Zusammentreffen
mit Beitragszeiten anzuhalten. Trotz des seit 1992 anhängigen Verfahrens vor dem
BVerfG habe sie von der Verfassungsgemäßheit der Vorschrift über die
ausgeschlossene Zuordnung von KEZ und Beitragzeiten bei Gleichzeitigkeit
auszugehen gehabt. Fristgemäß abgegebene Zuordnungsanträge von Eltern hätten
auch nicht als vorläufige angesehen werden können. Sie habe keine Möglichkeit
gehabt, wirksam abgegebene Erklärungen von gemeinsam erziehenden Eltern als
schwebend unwirksam entgegenzunehmen und nicht umzusetzen, da die Abgabe
dieser Erklärung weder unter Vorbehalt erfolgen durfte noch an Bedingungen geknüpft
werden konnte. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch können nur in den Fällen in
Betracht kommen, in denen sie nach dem 27. Juni 1996 und vor dem 01. Januar 1997
von der Abgabe der Erklärung abgeraten habe, weil sich die Berücksichtigung der KEZ
nach den damals noch geltenden Regelungen nicht habe rentensteigernd auswirken
können.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 27. August 1999 abzuändern und die Klage
abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil.
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Hinsichtlich der Einzelheiten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der
beigezogenen und zum Verfahrensgegenstand gemachten Rentenakten der Beklagten
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht die Beklagte verurteilt, dem Kläger die KEZ
und BZ wegen KE für das am 28. Oktober 1968 geborene Kind D ... zuzuordnen (vgl. §
56, § 57 und § 249 Abs. 1 SGB VI sowie § 249 Abs. 6 und Abs. 7 SGB VI in der Fassung
bis zum 31. Dezember 1997), obwohl der Kläger und seine Ehefrau als Eltern des
Kindes D ... nicht bis zum Ablauf der gesetzlichen Ausschlußfrist am 31. Dezember
1996 übereinstimmend erklärt hatten, daß der Kläger als Vater das Kind überwiegend
erzogen hat und die BZ wegen KE ihm zugeordnet werden soll. Diese Erklärung wurde
erst am 06. August 1998 abgegeben. Zwar steht dem Kläger ein sozialrechtlicher
Herstellungsanspruch nicht zu. Im Rahmen eines sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs können nur die Versicherten noch die Kindererziehungszeiten
beanspruchen, denen der Versicherungsträger nach Bekanntgabe des Beschlusses des
BVerfG vom 12. März 1996 (1 BvR 609/90 und 1 BvR 692/90) die Rücknahme der
Erklärung entsprechend der ursprünglichen Rechtslage nahegelegt hat. Ein
Herstellungsanspruch ist auch dann zuzulassen, wenn über den Antrag auf Zuordnung
von KEZ noch nicht entschieden wurde, jedoch die Abgabe der gemeinsamen
Erklärung über die Zuordnung von KEZ zum Vater bis zum 31. Dezember 1996 erfolgte
(vgl. Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch - Gesetzliche
Rentenversicherung, GK - SGB VI, § 249, Rn. 87). Diese Voraussetzungen liegen hier
nicht vor. Weder hat die Beklagte dem Kläger nach Bekanntgabe des Beschlusses vom
12. März 1996 am 27. Juni 1996 die Rücknahme einer entsprechenden Erklärung
nahegelegt, noch erfolgte seitens des Klägers zum 31. Dezember 1996 eine
entsprechende gemeinsame Erklärung. Anläßlich der Beratung des Klägers durch die
Beklagte im April 1996 bestand aufgrund der gegebenen Rechtslage für die Beklagte
keine Pflicht, den Kläger zu einer entsprechenden Erklärung zu veranlassen. Eine
solche Erklärung war keine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit. Gemäß der
einschlägigen Rechtslage konnten KEZ sowie BZ wegen KE beim Zusammentreffen mit
den beitragsbelegten Zeiten des Klägers in der Gesetzlichen Rentenversicherung nicht
zu einer Erhöhung der Entgeltpunkte (EP) führen (vgl. § 70 Abs. 2 SGB VI in der
Fassung bis zum 30. Juni 1998). Auch haben die Verfahren vor dem BVerfG der
Beklagten kein Anlaß geboten, den Kläger und seine Ehefrau als Eltern des Kindes D ...
zu einer derartigen, nicht wiederruflichen Erklärung zu veranlassen (vgl. § 249 Abs. 6
Satz 4 SGB VI alte Fassung). Zum einen bestand im April 1996 eine rechtsförmige
Gesetzeslage. Zum anderen hat das BVerfG mit am 27. Juni 1996 bekanntgegebenem
Beschluss vom 12. März 1996 weder die Regelung des § 70 Abs. 2 SGB VI alte
Fassung für nichtig erklärt, noch den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum für eine
gegebenenfalls nur zukünftige Regelung eingeschränkt und darüber hinaus dem
Gesetzgeber eine Regelungsfrist bis zum 30. Juni 1998 gesetzt.
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Jedoch besteht eine "planwidrige Regelungslücke", die dadurch zu schließen ist, daß
die Frist des § 249 Abs. 6 oder Abs. 7 SGB VI in der Fassung bis zum 31. Dezember
1997 nicht auf den Kläger anzuwenden ist. Zum einen wird insoweit von einer weiteren
Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und auf die entsprechenden
Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts verwiesen (vgl. §
153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz, SGG).
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Zum anderen ist aus den Gesetzesmaterialien nichts dafür ersichtlich, daß Fälle wie der
Kläger von der Neuregelung ausgeschlossen werden sollten. Vielmehr war der
Gesetzgeber wohl der irrigen Ansicht, die gestrichenen Teile der bisherigen Vorschrift
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des § 249 SGB VI seien durch Zeitablauf überholt. Hätten Fälle wie der des Klägers
ausgeschlossen werden sollen, so leuchtet nicht ein, warum er jedenfalls dennoch dann
begünstigt worden wäre, wenn er den Antrag bis zum 31. Dezember 1996 gestellt hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 (SGG).
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Die Revision war zuzulassen. Die Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung (vgl. § 160
Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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