Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 02.08.2005

LSG NRW: innere medizin, versorgung, lungenemphysem, lungentuberkulose, rücknahme, diagnose, klinik, chefarzt, soldat, anstalt

Landessozialgericht NRW, L 6 VS 33/03
Datum:
02.08.2005
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 6 VS 33/03
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 18 VS 167/02
Sachgebiet:
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund
vom 29.08.2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten
Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Umstritten ist, ob der Kläger Anspruch auf höhere Versorgungsrente nach dem
Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat. Der 1921 geborene Kläger war ab Februar 1941
Soldat der deutschen Wehrmacht. Im August 1945 kam er in französische
Kriegsgefangenschaft, aus der er Ende 1946 entlassen wurde.
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Die LVA Westfalen erkannte mit Bescheid vom 26.04.1949 nach der
Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 als Schädigungsfolgen:
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"Zustand nach nasser Rippenfellentzündung rechts, Inaktive Lungentuberkulose beider
Spitzen"
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mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in nicht rentenberechtigendem Grade
an. Mit Bescheid vom 05.10.1972 gewährte der Beklagte Versorgungsrente nach einer
MdE um 25 v.H ... Nach vorangegangenem Klageverfahren vor dem Sozialgericht
Dortmund (Az: S 18 V 125/79) wurde die MdE mit Ausführungsbescheid vom
20.08.1981 zunächst auf 40 v.H. und zuletzt mit Bescheid vom 03.06.1996 auf 50 v.H.
erhöht. Dabei wurden als Schädigungsfolgen anerkannt:
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I. Zwerchfellrippenschwarte rechts mit kleinen, alten spezifischen Herden in beiden
Lungenoberlappen,
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II. geringe Deformierung der Innenknöchelspitze und der hinteren
Sprungbeinbegrenzung nach Unfall,
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III. Verlust des Endgliedes der 1. und des End- und Mittelgliedes der 2. Zehe rechts
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sowie des Endgliedes und eines Teiles des Grundgelenkes der 1. Zehe links, winzige
Narben an der linken Gesäßhälfte,
IV. ausgeprägte Zehenfehlstellung beiderseits als Erfrierungsfolge, starke Verhornung
an der rechten Ferse,
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V. Bewegungseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk.
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Einen u.a. auf höhere Versorgung gerichteten Antrag von Mai 1996 lehnte der Beklagte
mit Bescheid vom 04.02.1998 und Widerspruchsbescheid vom 22.09.1998 ab. Die
hiergegen vor dem Sozialgericht Dortmund erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Urteil
vom 23.07.1999 - S 18 V 401/98 -). Im anschließenden Berufungsverfahren (L 6 V
47/99) nahm der Kläger die Berufung im Termin am 29.08.2000 zurück. Nachdem der
Kläger die Rücknahme "widerrufen" hatte, stellte der Senat mit Urteil vom 17.10.2000 (L
6 V 42/00) fest, dass der Rechtsstreit durch die Rücknahme der Berufung erledigt ist.
Bereits am 02.09.1999 hatte der Kläger einen neuerlichen Änderungsantrag gestellt und
eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen geltend gemacht. U.a. trug er vor, dass
"kontinuierlich seit 2 - 3 Jahren eine Bronchialdeformierung" eingetreten sei. Der
Beklagte zog Befundberichte des Dr. G, Internist u. Pneumologe, vom 20.09.1999 sowie
des Arztes für Orthopädie Dr. C vom 18.05.2001 bei. Nach Einholung eines
versorgungsärztlichen Gutachtens vom 23.10.2000 ließ der Beklagten den Kläger durch
Dr. T, Oberarzt der Medizinischen Klinik X der Städtischen Kliniken E, untersuchen und
begutachten. In dem fachinternistischen - pulmologischen Gutachten vom 29.06.2001
kam Dr. T zu dem Ergebnis, dass aus internistischer Sicht gegenüber den Vorgutachten
keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Daraufhin lehnte es der Beklagte mit
Bescheid vom 17.09.2001 und Widerspruchsbescheid vom 14.05.2002 ab, den
Anspruch auf Versorgung nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) neu
festzustellen.
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Mit der hiergegen am 13.06.2002 erhobenen Klage hat der Kläger weiterhin höhere
Versorgung begehrt. Er hat geltend gemacht, dass er fast keine Luft mehr bekomme. Es
sei ein Lungenemphysem diagnostiziert worden. Seine Lunge sei auf Grund der
erlittenen Schädigung kaputt.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 17.09.2001 und 14.05.2002 zu
verurteilen, ihm auch unter Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen Versorgung nach
einer MdE von mehr als 50 % ab September 1999 zu leisten.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat die angefochtenen Bescheide für zutreffend erachtet.
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Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines lungenfachärztlichen
Gutachtens des Arztes N I vom 30.05.2003. Der Sachverständige hat eine Änderung in
den schädigungsbedingten Befunden verneint und ausgeführt, dass sich die vom Kläger
angegebenen Beschwerden pulmologisch nicht begründen ließen. Ein Zusammenhang
der Beschwerden mit der durchgemachten Lungentuberkulose sei nicht gegeben. Mit
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Urteil vom 29.08.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat
es im Wesentlichen gestützt auf das Ergebnis des Gutachtens I und der im
Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten ausgeführt, dass eine wesentliche
Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X nicht eingetreten sei. Die
anerkannten Schädigungsfolgen hätten sich weder verschlimmert, noch seien weitere
Schädigungsfolgen hinzugekommen. Gegen dieses ihm am 02.10.2003 zugestellte
Urteil richtet sich die am 31.10.2003 eingegangene Berufung des Klägers. Er meint,
dass er wegen Verschlimmerung des Lungenleidens Anspruch auf höhere Versorgung
habe.
Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29.08.2003 zu ändern und den Beklagten
unter Aufhebung der Bescheide vom 17.09.2001 und 14.05.2002 zu verurteilen, ihm
wegen Verschlimmerung des Lungenleidens Versorgung nach einer MdE von mehr als
50 v.H. ab September 1999 zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
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Im Berufungsverfahren sind zunächst Berichte des Arztes für Innere Medizin/Kardiologie
Dr. W vom 31.03.2004 und des Prof. Dr. X, Chefarzt der Klinik für Kardiologie und
Angiologie der B-Anstalt C, vom 08.04.2004 beigezogen worden. Weiterhin ist Beweis
erhoben worden durch Einholung eines internistischen und lungenfachärztlichen
Gutachtens des Dr. D vom 12.11.2004. Der Sachverständige hat zusammenfassend
ausgeführt, dass aus Sicht des pneumologisch/internistischen Fachgebietes die
Bewertung in den früheren Bescheiden zutreffend sei. Eine wesentliche Änderung sei
zwischenzeitlich nicht eingetreten. Auch habe die Zwerchfell-Rippenfellschwarte rechts
mit kleinen alten spezifischen Herden in beiden Lungenoberlappen keine weiteren
Gesundheitsstörungen verursacht. Ein anzunehmendes Lungenemphysem mit Cor
pulmonale sei keine Schädigungsfolge. Auf den Inhalt der Gerichtsakte, der
Verwaltungsakten des Beklagten und der beigezogenen Vorprozessakten wird Bezug
genommen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist unbegründet.
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Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide
sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere
Versorgungsrente als nach einer MdE um 50 v.H ... In den für den Versorgungsanspruch
maßgeblichen Verhältnissen ist - wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt - keine
wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X eingetreten, die eine höhere
schädigungsbedingte MdE als 50 rechtfertigt. Zur Vermeidung von Wiederholungen
nimmt der Senat zunächst auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils
Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab,
§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das Vorbringen des Klägers im
Berufungsverfahren, mit dem er allein die Verschlimmerung des Lungenleidens geltend
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macht, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Vielmehr bestätigt das im
Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des Dr. D im Ergebnis die bisherige
Beurteilung. Nach den den Senat überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen
hat sich die Schädigungsfolge "Zwerchfellrippenschwarte rechts mit kleinen, alten
spezifischen Herden in beiden Lungenoberlappen" nicht verschlimmert und ist wie
bislang zu bewerten. Die Schädigungsfolge hat auch keine Folgeschäden verursacht.
Zwar ist Dr. D in Auswertung der beigezogenen weiteren Berichte und der vom Kläger
beigebrachten Unterlagen zu der Beurteilung gelangt, dass auf Grund der weiteren
Untersuchungsbefunde ein Lungenemphysem diagnostiziert werden könne. So seien
die neueren Untersuchungsbefunde typisch für ein Lungenemphysem mit Cor
pulmonale (Druckerhöhung im kleinen Kreislauf). Außerdem würden die
Gasaustauschstörung, die abgeleitete Flussvolumenkurve sowie vorliegende
Röntgenaufnahmen zu der Diagnose eines Lungenemphysems passen. Auch wenn
man diese Diagnose auf Grund der vom Sachverständigen hierfür angeführten Gründe
als gesichert ansieht, stellt das Lungenemphysem zur Überzeugung des Senats aber
jedenfalls keine Schädigungsfolge dar. Denn es ist nicht wahrscheinlich, dass die
durchgemachte Lungentuberkulose bzw. die ankannte Schädigungsfolge
"Zwerchfellrippenschwarte rechts mit kleinen, alten spezifischen Herden in beiden
Lungenoberlappen" bei der Entstehung des Emphysems wesentlich mitgewirkt haben.
Dies folgt aus der überzeugenden Beurteilung des Sachverständigen Dr. D, wonach das
Lungenemphysem hier sicher eine Alterserkrankung darstellt und mit der leichten
Pleuraschwarte oder den geringen Tuberkuloseresiduen in den Lungenspitzen nichts zu
tun hat. Unter Würdigung sämtlicher ärztlicher Unterlagen sieht der Senat auch unter
Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers keinen Anlass von dieser medizinisch
begründeten Beurteilung des Sachverständigen abzuweichen.
Soweit Dr. D eine Neurose des Klägers durch den Kriegsdienst bzw. die
Schädigungsfolgen angesprochen hat, besteht kein Anlass zu weiteren Ermittlungen.
Der Kläger hat die hierzu vom Sachverständigen gemachten Ausführungen weit von
sich gewiesen. Zudem finden sich nach den zahlreichen ärztlichen Unterlagen keinerlei
Hinweise auf irgendwelche krankhaften seelischen Störungen. Abgesehen hiervon hat
der Kläger im Berufungsverfahren seinen Antrag ausdrücklich auf eine
Verschlimmerung des Lungenleidens beschränkt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen.
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