Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23.03.2004

LSG NRW: stationäre abklärung, zumutbare tätigkeit, psychische störung, berufsunfähigkeit, bergbau, therapie, ausbildung, rente, transport, leistungsfähigkeit

Landessozialgericht NRW, L 18 KN 85/02
Datum:
23.03.2004
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 18 KN 85/02
Vorinstanz:
Sozialgericht Gelsenkirchen, S 6 KN 128/01
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Gelsenkirchen vom 26. Juli 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtlich
Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Umstritten ist, ob die Beklagte dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren
hat.
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Der 1964 geborene Kläger hat nach einer arbeiterrentenversicherungspflichtigen
Beschäftigung als Karosseriebauer im Oktober 1981 als Jungbergmann im
Steinkohlebergbau angelegt. Seit Dezember 1984 war er als Hauer im Streckenausbau
und Transport nach Lohngruppe 9 der Lohnordnung für den rheinisch-westfälischen
Steinkohlebergbau tätig. Zum 31.12.2001 ist er nach einer seit dem 26.01.2000
bestehenden Arbeitsunfähigkeit auf Grund arbeitgeberseitiger Kündigung wegen
krankheitsbedingter Fehlzeiten abgekehrt. Die Rente wegen verminderter
Berufsfähigkeit im Bergbau bezieht er seit 01.02.2000.
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Auf den im Februar 2000 gestellten Rentenantrag wegen Erwerbs- bzw.
Berufsunfähigkeit veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch ihren
Sozialmedizinischen Dienst. Dieser stellte auf Grund einer Untersuchung im Mai 2000
eine Minderbelastbarkeit des Halteapparats und der Schultergelenke, ein chronisch
rezidivierendes Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit
mäßiggradigen Bandscheibenprotrusionen L 4/S 1 und ein rezidivierendes
Cervikalsyndrom mit beiderseitiger Schulter-Armsymptomatik fest; außerdem ein
"intensiviertes Krankheits- und Schmerzerleben", ein nervöses Magenleiden, ein
metabolisches Syndrom sowie eine Hochtonschwerhörigkeit beiderseits ohne
wesentliches kommunikatives Defizit. Der Kläger sei noch fähig, mittelschwere
Tätigkeiten über und unter Tage vollschichtig zu verrichten.
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Gestützt darauf lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 04.07.2000 und
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Widerspruchsbescheid vom 23.04.2001 Rentenleistungen ab.
Im Klageverfahren hat der Kläger eine anhaltende Schmerzsymptomatik geltend
gemacht, wegen der er nicht mehr regelmäßig vollschichtig arbeiten könne.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.07.2000 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 23.04.2001 zu verurteilen, bei ihm einen Zustand der
Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit anzunehmen und entsprechende
Leistungen nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten der den
Kläger behandelnden Ärzte und eines fachchirurgischen Gutachtens der Ärztin für
Chirurgie Dr. E. Diese hat auf ihrem Fachgebiet ein chronifizierendes Schmerzsyndrom
des Stütz- und Bewegungsapparates bei Wirbelsäulensyndrom und Gelenkleiden sowie
eine Hörminderung diagnostiziert sowie als Nebenleiden wiederkehrende
Magenbeschwerden, Übergewichtigkeit, Stoffwechselstörungen, Hautveränderungen,
ein Venenleiden und eine Fußfehlform. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte bis
mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Die Tätigkeiten sollten
weitgehend in geschlossenen Räumen unter Vermeidung von Nacht- und
Wechselschicht erfolgen. Der Kläger solle etwa einmal pro Stunde die Haltung
wechseln können.
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Durch Urteil vom 26.07.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Unter
Annahme eines Facharbeiterschutzes könne der Kläger auf die Tätigkeit des
Auslieferungsfahrers im Arzneimittelgroßhandel verwiesen werden. Offen bleiben
könne, ob der Kläger bis zum 31.12.2000 noch in der Lage gewesen sei, die Tätigkeit
eines Verwiegers 2 oder Lampenwärters zu verrichten.
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Im Berufungsverfahren sind dem Antrag des Klägers entsprechend nach § 109 SGG auf
neurologisch/psychiatrischem Gebiet von Prof. Dr. L von den evangelischen Kliniken H
und auf orthopädischem Gebiet von dem Oberarzt der orthopädischen Abteilung des N-
Hospitals H, Dr. W, die Gutachten vom 15.07. und 20.08.2003 erstattet worden.
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Auf Grund von Untersuchungen am 04.04.2003 und 12.08.2003 sind die
Sachverständigen abschließend zu der Beurteilung gelangt, dass der Kläger
gegenwärtig in der Lage sei, leichte - nach Auffassung Prof. Dr. Ls bis gelegentlich
mittelschwere - Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Dabei hat Prof. Dr. L die im
Gutachtenzeitpunkt vorliegende Gesundheitsstörung am ehesten einem vital
depressiven Syndrom zugeordnet, das sich kennzeichne durch Lust- und
Schwunglosigkeit, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit und Störung von Entschlusskraft
und Denkabläufen. Letztendlich lasse sich die zugrundeliegende psychische Störung
und dazu adäquate Behandlungsmöglichkeiten nur nach ausführlicher Diagnostik
einschließlich bildgebender Verfahren zuordnen und daraus eine individuelle Therapie
ableiten. Nach Abschluss der entsprechenden Diagnostik und Therapie solle eine
erneute Beurteilung der psychischen Situation erfolgen. Die Leistungsfähigkeit sei
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limitiert für ständig mittelschwere und schwere Arbeiten sowie Tätigkeiten mit starker
emotionaler und affektiver Belastung unter Zeitdruck. Eine entsprechende Belastung
hätte unter Umständen die Folge, dass der Kläger psychiatrischerseits völlig
dekompensiere.
Dr. W hat demgegenüber im Vergleich zu den Vorgutachten keine Änderung,
insbesondere keine Verschlimmerung feststellen können. Es bestehe eine deutliche
Einschränkung der Leistungsfähigkeit durch die chronischen Rückenschmerzen, die
durch die psychiatrischerseits festgestellte depressive Episode verstärkt würden. Der
Kläger solle keine Arbeiten in Zwangshaltung und überwiegend einseitiger
Körperhaltung verrichten; beim Gehen, Stehen und Sitzen sei er nicht behindert,
allerdings beim Klettern, Kriechen und Bücken. Zuverlässiges Handeln sei im Rahmen
der erforderlichen antidepressiven Medikation eingeschränkt. Leichte Arbeiten könnten
als Dauerbelastung im Rahmen der genannten Einschränkungen vollschichtig, das
heißt acht Stunden täglich verrichtet werden.
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Der Kläger hat unter Bezugnahme auf ein Attest des Internisten Dr. T vom 25.09.2003
die Auffassung vertreten, dass die Feststellungen von Dr. W (gemeint ist Prof. Dr. L) in
Zweifel zu ziehen seien im Hinblick darauf, dass dieser auf Seite 16 des Gutachtens
eine ausführliche Diagnostik sowie eine fachpsychiatrische stationäre Abklärung in
türkischer Sprache für erforderlich erachte.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26. Juli 2002 zu ändern und nach dem
Klageantrag zu entscheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und sieht sich durch das Ergebnis der
Begutachtungen in ihrer Auffassung bestätigt.
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Auf entsprechende Nachfrage des Senats hat die Deutsche Steinkohle AG (DSK) im
Schreiben vom 07.11.2003 mitgeteilt, dass der Kläger nach dem vorliegenden
Bergmannsbuch am 14.12.1984 eine Prüfung als Hauer im Streckenausbau und
Transport abgelegt habe. Der Kläger sei sodann als Hauer im Streckenausbau und
Transportarbeiter 3 in Lohngruppe 9 eingesetzt gewesen.
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Der Senat hat dem Kläger berufskundliche Ermittlungsergebnisse hinsichtlich der
Tätigkeit des Lampenwärters zur Kenntnis gegeben.
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Der weiteren Einzelheiten wegen wird auf den Inhalt der Streit- und Verwaltungsakte
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte
Rentenleistung wegen Berufsunfähigkeit nach der bis zum 31.12.2000 geltenden
Bestimmung des § 43 Abs.2 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs - SGB VI -.
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Insoweit hat das Sozialgericht zu Recht die angefochtenen Bescheide der Beklagten als
rechtmäßig im Sinne des § 54 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - angesehen.
Nach der vorgenannten Regelung des § 43 Abs.2 SGB VI ist berufsunfähig der
Versicherte, dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger
als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit
ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist.
Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu
beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen
und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie
ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer Berufstätigkeit
zugemutet werden können. Nach den Übergangsvorschriften der §§ 300 Abs.2 und
302b Abs.1 SGB VI, letztere neugefasst durch Gesetz vom 20.12.2000 (BGBl I, 1827), ist
diese Vorschrift für einen am 31.12.2000 bestehenden Anspruch auf Rente wegen
Berufsunfähigkeit weiterhin maßgebend.
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Es hat sich nicht feststellen lassen, dass der Kläger am 31.12.2000 einen Anspruch auf
Berufsunfähigkeitsrente im Sinne der zitierten Vorschrift hatte. Zwar sind bzw. waren die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs.1 Ziffern 2 und 4 SGB VI
erfüllt. Der Kläger kann auch, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, seinen
bisherigen Beruf als Hauer wegen der im Tatbestand näher aufgeführten
gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr ausüben. Dennoch ist er damit noch
nicht berufsunfähig. Denn er konnte bis zu seiner Abkehr vom deutschen
Steinkohlebergbau auf die ihm sozial und gesundheitlich zumutbare Tätigkeit als
Lampenwärter im Übertagebetrieb verwiesen werden. Diese Verweisungstätigkeit ist
ihm unter Berücksichtigung des Umstands sozial zumutbar, dass er als Hauer der
Lohngruppe 9 mit Hauerprüfung die Stellung eines bergmännischen Facharbeiters
innehatte. Mit Rücksicht auf den Wert dieses bisherigen Berufs darf er nach dem vom
Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Mehrstufenschema (vgl. etwa BSG SozR 2200
§ 1246 Nrn. 150 und 153; SozR 3-2200 § 1246 Nr.5), dessen Grundsätze vom
Sozialgericht im Einzelnen zutreffend wiedergegeben worden sind, auf solche
Tätigkeiten verwiesen werden, die eine betriebliche Ausbildung von wenigstens 3
Monaten erfordern oder sich aus dem Kreis ungelernter Tätigkeiten innerhalb des
Betriebs im Ansehen, aber auch unter Berücksichtigung der tariflichen Eingruppierung
im Vergleich mit anderen Tätigkeiten besonders herausheben. Bezogen auf den
"bisherigen Beruf" muss er mithin einen zumutbaren beruflichen Abstieg in Kauf
nehmen.
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Die Tätigkeit des Lampenwärters erfüllt die genannten Kriterien. Sie ist tarifvertraglich in
die Lohngruppe 6 (über Tage) eingestuft, die beispielsweise auch angelernte
Handwerker erfasst. Der sachliche Grund für ihren tariflichen Rang liegt darin begründet,
dass die regelmäßige Wartung des Geleuchts und der Atemschutzgeräte der Sicherheit
des Untertage-Bergbaus dient und deshalb von deutlich gehobener betrieblicher
Wichtigkeit ist. Sie ist damit nicht aus Gründen besonderer Arbeitserschwernisse und
aus sozialen Gründen einer Anlerntätigkeit tariflich gleichwertig behandelt, sondern weil
sie von deutlich gehobener betrieblicher Bedeutung ist.
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Der Kläger ist nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme der
Lampenwärtertätigkeit gesundheitlich gewachsen. Denn er kann nach dem Ergebnis der
medizinischen Beweisaufnahme noch körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig
verrichten. Dies steht zur Überzeugung des Senats auf Grund des vom Sozialgericht
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von Amts wegen eingeholten Gutachtens von Dr. E, aber auch der nach § 109 SGG auf
Antrag des Klägers eingeholten Gutachten des Dr. W und des Prof.Dr. L fest. Anlass,
deren Feststellungen anzuzweifeln, besteht nicht. Insbesondere steht diesem Ergebnis
nicht entgegen, dass Prof. Dr. L die Einleitung einer geeigneten Therapie, wofür
möglicherweise auch die Pathogenese zu erforschen wäre, für sinnvol erachtet hat. Die
damit einhergehende fachpsychiatrische, stationäre Abklärung soll nach der von Prof.
Dr. L vorgenommenen Beurteilung der umfassenden Besserung der Symptomatik
dienen. Demgegenüber hat Prof. Dr. L das zu dem im Zeitpunkt der Begutachtung und
davor bestehende Leistungsvermögen auf Grund des derzeit bestehenden
Krankheitsbildes abschließend dahingehend beurteilt, dass der Kläger - bei Beachtung
gewisser Einschränkungen - sogar noch zu gelegentlich mittelschweren Arbeiten
vollschichtig in der Lage sei, ohne dass es dazu weiterer Erkenntnisquellen bedurft
hätte. Die weitere Vorgehensweise im Zusammenhang mit der Verbesserung dieses
Leistungsvermögens mag zwar prognostisch im Hinblick auf die Gewährung einer
zeitlich zu befristenden Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente Bedeutung erlangen
können. Diese steht hier allerdings schon deshalb nicht im Raum, weil mit dem
festgestellten vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte bis gelegentlich
mittelschwere Arbeiten ein den Versicherungsfall der Berufs- oder gar
Erwerbsunfähigkeit begründender Tatbestand nicht anzunehmen war.
Vor dem Hintergrund, dass die auf der Lampenstube anfallenden Arbeiten körperlich
leichter Art sind, ist dem Kläger diese Tätigkeit auf Grund der insgesamt getroffenen
medizinischen Feststellungen zumutbar.
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Der Lampenwärter hat die Aufgabe, die Kopf- und Spezialleuchten auszugeben (auf
manchen Zechen nehmen sie die Bergleute vor der Einfahrt selbst aus den Regalen),
die Lampen zu warten und in Stand zu setzen, CH-4-Handmessgeräte zu reinigen,
Batterien auszuwechseln bzw. zu laden. Er kann diese Tätigkeiten im Wechsel
zwischen Gehen, Stehen und Sitzen verrichten. Das ergibt sich aus den Bekundungen
der Lampenmeister H, P, X, L und des Zeugen F in den Verfahren L 18 KN 7/93 bzw. L
18 KN 83/95; Fotokopie der entsprechenden Sitzungsniederschriften vom 07.06.1994
bzw. 24.09.1996 sind dem Kläger zur Kenntnis gegeben worden.
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Diese Arbeiten kann der Kläger mit den von Dr. E, Dr. W und Prof.Dr. L festgestellten
Einschränkungen verrichten. Die im Berufungsverfahren auf Antrag des Klägers
gehörten Sachverständigen schließen zwar Arbeiten unter Zeitdruck, wie Akkord und
Fließbandarbeit aus, auch Arbeiten auf Gerüsten oder Leitern soll der Kläger nicht
verrichten. Ein derartiges Anforderungsprofil findet sich bei der Lampenwärtertätigkeit
allerdings nicht. Die Lampen, die in Ladegerüsten oder Regalen abgestellt werden,
können ohne Benutzung einer Leiter aus den Regalböden entnommen und an
Arbeitstischen bzw. an einer Art Theke kontrolliert und erforderlichenfalls repariert, d.h.
defekte Teile ausgetauscht werden. Wirbelsäulebelastende, längere statische
Tätigkeiten fallen ebenso wenig an wie Leiter- und Gerüstarbeiten oder gar Arbeiten am
Fließband. Beim Austauschen von Glühbirnen, Kabeln, Fassungen oder Batterien kann
der Lampenwärter sitzen oder stehen und sich darüber hinaus zwischendurch jederzeit
bewegen, indem er defekte Lampen holt oder reparierte wieder in die Ladegerüste
einstellen kann. Im Übrigen werden an die Tätigkeit, wie das beschriebene
Anforderungsprofil zeigt, über ein durchschnittliches Maß hinausgehende
Anforderungen an Reaktion und zuverlässiges Handeln nicht gestellt.
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Die Verweisbarkeit scheitert auch nicht daran, dass Dr. W Arbeiten in Wechselschicht
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ausgeschlossen bzw. gemeint hat, dass diese zu vermeiden seien. Wie sich aus den
dem Kläger u.a. zur Kenntnis gegebenen Auskünften der DSK vom 26.06. und
28.10.2003 ergibt, ist prinzipiell für Lampenwärter die Möglichkeit gegeben, nur in
Frühschicht zu arbeiten, soweit dies auf ärztliche Empfehlung notwendig erscheint.
Da Kälte, Nässe, Zugluft und starke Temperaturschwankungen am Arbeitsplatz des
Lampenwärters ebenfalls nicht vorzufinden sind, ergeben sich insgesamt keine
Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Tätigkeit vom Kläger nicht ausgeübt werden
könnte.
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Eine Verweisung auf die genannte Tätigkeit scheitert schließlich auch nicht aus
arbeitsmarktbedingten Gründen. Dem Kläger war der Arbeitsmarkt bis zu seiner Abkehr
aus dem Bergbau auf Grund der arbeitgeberseitigen Kündigung zum 31.12.2001 nicht
verschlossen. Solange das Beschäftigungsverhältnis bei der DSK noch bestand, hatte
er durchaus eine reale, wenn auch möglicherweise schlechte Chance auf eine
entsprechende Beschäftigung (Auskunft der Ruhrkohle Bergbau AG (RAG) vom
25.07.1994), zumal Stellen wie die des Lampenwärters wegen des seit 1983 im
Steinkohlebergbau bestehenden Einstellungsstops den Bewerbern vorbehalten sind,
die noch dem Bergbau angehören. Da betriebsübergreifende Umsetzungen von einem
Bergwerk zum anderen grundsätzlich möglich sind (Auskunft der RAG vom 14.10.1994),
war der Kläger auf Grund des von ihm bis Dezember 2001 innegehabten Arbeitsplatzes
so nah an einem zumutbaren Arbeitplatz, dass er durchaus auch noch eine gute Chance
auf eine entsprechende Beschäftigung gehabt hat. Nach der Rechtsprechung des BSG
reicht diese tatsächliche Chance für das Unterkommen im Verweisungsberuf aus, das
Vorliegen von Berufsunfähigkeit zu verneinen (vgl. etwa BSG SozR 2200, § 1246 Nr.
110). Selbst wenn alle für die Verweisung in Betracht kommenden Stellen besetzt sind,
ergibt das noch nicht, dass darauf im Rahmen der Prüfung der Berufsunfähigkeit nicht
verwiesen werden könnte. Ganz grundsätzlich ist rechtlich unerheblich, ob die
Arbeitsplätze, an denen qualitativ gleichwertige Vergleichsberufe
(sog.Verweisungsberufe) ausgeübt werden, frei oder besetzt sind (BSG vom
29.04.1997, Am. 8 RKn 19/96 m.w.N, SGb 1997, 520). Daran würde auch der Umstand
nichts ändern, dass es sich um den einzigen, dem Versicherten (zB. wegen seiner
Betriebszugehörigkeit) denkbarerweise zugänglichen Arbeitsplatz handelt. Selbst dann
bestünde eine - wenn auch vielleicht schlechte - Chance, in diesem Vergleichsberuf
erwerbswirtschaftlich tätig zu sein (so BSG vom 29.04.1997 a.a.O).
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Nach alledem hat ein Anspruch auf die Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente
jedenfalls am 31.12.2000 nicht bestanden, weil die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2
SGB VI a.F. nicht erfüllt sind.
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Über das Vorliegen einer Erwerbsminderung im Sinne des ab 01.01.2001 geltenden
Rechts liegt weder ein anfechtbarer Verwaltungsakt der Beklagten vor, noch hat der
Kläger die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente im Sinne des § 43 SGB VI n.F.
beantragt. Abgesehen davon war der Kläger auch zu dem letzten
Begutachtungszeitpunkt im August 2003 noch vollschichtig leistungsfähig; dies
schlösse eine Erwerbsminderungsrente aus.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 Nr.1 oder 2 SGG)
sind nicht erfüllt.
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