Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 11.03.2010

LSG NRW: krankenkasse, versicherungspflicht, wahlrecht, krankheitsfall, krankenversicherung, techniker, vertagung, versicherungsverhältnis, versicherter, darlehen

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil vom 11.03.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Duisburg S 11 KR 126/08
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 16 KR 41/09
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 19.02.2009 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Mitgliedschaft bei der beklagten Techniker Krankenkasse.
Für den 1947 geborenen Kläger bestand zunächst bis zum 15.05.2005 eine Mitgliedschaft bei der KKH-Allianz
(Beigeladene zu 2). Die Mitgliedschaft wurde wegen Beitragsrückständen beendet. Im Jahre 2007 wandte sich der
Kläger wegen seines Krankenversicherungsschutzes an das Bundesversicherungsamt, welches den Kläger davon in
Kenntnis setzte, dass er seit dem 01.04.2007 der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch 5.
Buch (SGB V) bei der Beigeladenen zu 2) unterliege. Dort wurde zum 01.04.2007 eine Mitgliedschaft eingerichtet, die
aufgrund Verzugs des Klägers ins Ausland zum 23.11.2007 wieder beendet wurde. Angaben zur Dauer dieses
Auslandsaufenthalts verweigert der Kläger. Nach Auskunft des Bezirks Mittelfranken vom 24.03.2009 erhielt der
Kläger von dort vom 18.12.2007 bis 27.02.2008 stationäre Hilfe nach § 67 Sozialgesetzbuch 12. Buch (SGB XII).
Am 28.03.2008 beantragte der nun in H gemeldete Kläger bei der damaligen IKK-Direkt, in deren Rechte und Pflichten
mit Wirkung ab 01.01.2009 die Techniker Krankenkasse eingetreten ist, die Versicherung ab 01.04.2008 als "sonstige
freiwillig versicherte Person" und wies auf einen darlehensweisen Arbeitlosengeld II (ALG II) - Bezug hin. Die IKK-
Direkt lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 04.04.2008 ab, weil aufgrund der Versicherungspflicht des
Klägers nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V die Mitgliedschaft von der Krankenkasse durchzuführen sei, bei der der Kläger
zuletzt krankenversichert gewesen sei. Den Widerspruch des Klägers, der sich auf ein Wahlrecht nach § 174 SGB V
berief, wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2008 als unbegründet zurück.
Mit der bereits am 17.06.2008 beim Sozialgericht Duisburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren
weiterverfolgt. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.02.2009 abgewiesen. Der Kläger habe keinen
Anspruch auf Mitgliedschaft bei der IKK-Direkt, weil er gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 iVm § 174 Abs. 4 SGB V
Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 2 ) geworden sei.
Dagegen richtet sich die am 25.02.2009 eingelegte Berufung. Der Kläger macht geltend, dass das SG nicht durch
Gerichtsbescheid habe entscheiden dürfen. Er betont ferner die Bedeutung eines Krankenversicherungsschutzes
wegen seiner zahlreichen behandlungsbedürftigen und schwerwiegenden Erkrankungen, will aber wegen seiner
Erfahrungen mit der Beigeladenen zu 2) nicht bei dieser versichert sein. Diese habe bereits 1991 ihre Pflichten extrem
verletzt. Lieber sei er ohne Krankenversicherungsschutz als bei der Beigeladenen zu 2) versichert. Der Kläger macht
weiterhin geltend, er sei nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (bei der Beigeladenen zu 2) versichert, sondern könne
sich freiwillig bei der von ihm gewählten Kasse versichern. Weil ihm ALG II nur als Darlehen gewährt werde, sei er
nach § 5 Abs. 2a SGB V nicht versicherungspflichtig, dann sei aber ein Versicherungsschutz nach § 5 Abs. 1 Nr. 13
SGB V ausgeschlossen. Denn wer von der Pflicht ausgenommen sei, könne nicht gleichzeitig verpflichtet sein.
Außerdem bestehe ein Wahlrecht nach § 174 SGB V, von dem er zugunsten der Beklagten Gebrauch gemacht habe.
Eine Zwangsmitgliedschaft sei verfassungswidrig.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 19.02.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung
des Bescheides vom 04.04.2008 und des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2008 zu verurteilen, ihn ab 01.04.2008
als Mitglied aufzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für zutreffend.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Die Beigeladene zu 2) sieht sich als nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 iVm § 174 SGB V für den Kläger zuständige
Krankenversicherung an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten, der
Verwaltungsakten der Beklagten und der beigezogenen Akten L 6 B 16/09 AS ER, L 20 B 73/08 SO ER und L 16 B
55/09 KR ER, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil der Kläger mit der ordnungsgemäß
zugestellten Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist und Anlass zur Vertagung nicht
bestanden hat.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die
angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die IKK-Direkt hat mit ihnen vielmehr zutreffend abgelehnt, die vom
Kläger beantragte Mitgliedschaft durchzuführen und der Kläger hat gegenwärtig auch keinen Anspruch auf
Mitgliedschaft bei der Beklagten, die Rechtsnachfolgerin der IKK-Direkt ist.
Da der Kläger ALG II auf Darlehensbasis erhalten hat beziehungsweise erhält, ist er nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB
V versichert. Daraus folgt entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht, dass er versicherungsfrei oder von der
Versicherungspflicht befreit wäre (§§ 6 ff. SGB V) und sich beliebig freiwillig versichern könnte. Wie bereits zuvor ab
dem 01.04.2007 ist er vielmehr nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V auch jetzt wieder pflicht-versichert, und zwar bei der
Beigeladenen zu 2).
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V sind versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen
Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren. Nach § 5 Abs. 8a
Satz 1 SGB V ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Abs. 1 Nrn. 1 bis 12 versicherungspflichtig, freiwilliges
Mitglied oder nach § 10 versichert ist. Der Kläger hat, wie er nicht zu verkennen scheint, keinen ander-weitigen
Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall und war vor dem von ihm behaupteten Auslandsaufenthalt zuletzt
gesetzlich krankenversichert, so dass er nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtig ist.
Für die Durchführung der Krankenversicherung zuständig ist gegenwärtig wieder die Beigeladene zu 2).
Versicherungspflichtige (§ 5) und Versicherungsberechtigte (§ 9) sind gemäß § 173 Abs. 1 SGB V Mitglied der von
ihnen gewählten Krankenkasse, soweit in den dieser Regelung nachfolgenden Vorschriften (u.a.) nichts Abweichendes
bestimmt ist. Nach § 174 Abs. 5 SGB V werden abweichend von § 173 Versicherungspflichtige nach § 5 Abs. 1 Nr.
13 Mitglied der Krankenkasse oder des Rechtsnachfolgers der Krankenkasse, bei der sie zuletzt versichert waren,
anderenfalls werden sie Mitglied der von Ihnen nach § 173 Abs. 1 gewählten Krankenkasse; § 173 gilt.
Abweichend von § 173 SGB V wird danach ein nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Versicherter zwingend seiner früheren
Krankenkasse zugewiesen. Soweit nach § 174 Abs. 5 2. Halbsatz SGB V § 173 gilt, bezieht sich dies allein auf die
Gruppe der Versicherungs-pflichtigen, bei denen ein Versicherungsverhältnis nie bestand (so zutreffend Just in
Becker-Kingreen, SGB V § 174 Rz. 6; Peters in Kasseler-Kommentar, SGB V § 174 Rz. 7; Baier in Krauskopf, SGB
V § 174 Rz. 8; Hänlein in LPK-SGB V § 174 Rz. 4).
Der Kläger konnte somit zum 01.04.2008 sich weder freiwillig versichern noch die Kasse wählen, da er bereits bei der
von ihm weiterhin nicht datierten Rückkehr nach Deutschland und erneuten Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1
Nr.13 Sozialgesetzbuch SGB V gemäß § 174 Abs. 5 Satz 1. Halbsatz SGB V wieder Mitglied der Beigeladenen zu 2)
geworden ist, bei der er vor seinem Auslandsaufenthalt pflichtversichert gewesen ist. Das grundsätzlich nach § 173
Abs. 1 SGB bestehende Wahlrecht der Versicherten kann daher im Falle des Klägers nur im Sinne eines späteren
Kassenwechsels und unter den dafür aufgestellten gesetzlichen Voraussetzungen (s. § 175 SGB V) ausgeübt werden,
nicht schon mit dem Tag des Wiedereintritts der Versicherungspflicht, der ohnehin offenbar schon vor dem vom
Kläger gewünschten Eintrittsdatum liegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.