Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23.03.1998

LSG NRW (kläger, sgg, vergleich, vollstreckung, beschwerde, ausweis, vollstreckungsverfahren, inhalt, kommentar, 1995)

Landessozialgericht NRW, L 10 SVs 15/97
Datum:
23.03.1998
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 10 SVs 15/97
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 13 Vs 41/97
Sachgebiet:
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts
Köln vom 17. November 1997 wird zurückgewiesen. Kosten sind für das
Vollstreckungs- und das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
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I.
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Der Kläger begehrt, dem Beklagten die Kosten für einen Vollstreckungsantrag
aufzuerlegen.
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Durch Bescheid vom 15.07.1992 hatte der Beklagte gegenüber dem Kläger gemäß den
Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) einen Grad der Behinderung
(GdB) von 60 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich
(NTA) "erhebliche Gehbehinderung" (Merkzeichen "G") festgestellt und diesen Ausweis
bis Juli 1997 befristet.
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Auf einen Neufeststellungsantrag hatte sich der Beklagte im Klageverfahren vor dem
Sozialgericht - SG - Köln (S 13 Vs 284/95) in einem gerichtlich protokollierten Vergleich
vom 25.11.1996 verpflichtet, bei dem Kläger einen Gesamt-GdB von 70 sowie
festzustellen, daß bei dem Kläger weiterhin die Voraussetzungen für "G" vorliegen.
Durch Ausführungsbescheid vom 19.12.1996 traf der Beklagte die vereinbarten
Feststellungen. Darüberhinaus entschied er über die Ausweisausstellung und befristete
den auszustellenden Ausweis bis September 1997. Dagegen wandte sich der Kläger
mit seinem Widerspruch vom 17.01.1997.
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Des weiteren hat er beim SG am 27.01.1997 beantragt, den Beklagten unter
Fristsetzung und Androhung eines Zwangsgeldes aufzufordern, die Gültigkeit des
Ausweises mindestens bis November 2000 festzustellen. Zusätzlich hat er im April 1997
die Erteilung einer Vollstreckungsklausel beantragt, was das SG zunächst in Hinblick
auf eine noch ausstehende Stellungnahme des Beklagten am 18.04.1997 abgelehnt
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hatte. Auf einen erneuten Antrag vom 20.06.1997 hat das SG am 14.07.1997 die
Vollstreckungsklausel zu dem im November 1996 geschlossenen Vergleich erteilt. Nach
seinen Angaben hat der Kläger die vollstreckbare Ausfertigung dem Beklagten im Juli
1997 zugestellt.
Nachdem der Beklagte mit Abhilfebescheid vom 30.07.1997 die Gültigkeit des
Ausweises auf fünf Jahre nach Ausstellung verlängert und diesen Ausweis dem Kläger
im September 1997 übersandt hatte, hat der Kläger das Vollstreckungsverfahren für
erledigt erklärt und beantragt,
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Der Kläger hält an seinem Begehren fest und beantragt,
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den angefochtenen Beschluss abzuändern und dem Kostenantrag stattzugeben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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II.
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Ein Kostenanspruch gem. §§ 193, 198 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung
mit (i.V.m.) § 788 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) steht dem Kläger nicht zu.
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Entsprechend den Grundsätzen des § 193 Abs. 1, 2. Halbsatz SGG wäre ein solcher
Anspruch nur begründet, wenn der Kläger - ungeachtet der Beendigung des Verfahrens
durch die wirksame Erledigungserklärung - bei summarischer Betrachtungsweise mit
seinem, im Januar 1997 gestellten Vollstreckungsantrag durchgedrungen wäre oder
aber der Beklagte dem Kläger Veranlassung gegeben hätte, die Vollstreckung eines
durchsetzbaren Titels - hier nach §§ 201, 131 Abs. 2 SGG analog (siehe auch LSG
Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.11.1994 - L 13 B 176/94 - in: Breithaupt 1995,
806 ff = Entscheidungssammlung der Landessozialgerichte - E-LSG - B-041 m.w.N.; vgl.
zur Anwendbarkeit von § 201 SGG auch: Bürck in: "Die Angestelltenversicherung"
1990, 445 ff.; streitig, vgl. Hennig-Ruppelt, Kommentar zum SGG, Loseblatt-Kommentar,
Stand 1997, Randnummer 11 zu § 198) - anzustreben.
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Jedoch fehlt es schon an den Voraussetzungen für eine zulässige Vollstreckung.
Vollstreckt wird gemäß § 199 SGG u.a. aus Anerkenntnissen und gerichtlichen
Vergleichen, sofern und soweit diese einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben. An
letzterem mangelt es dem Prozeßvergleich vom 25.11.1996, der dem
Vollstreckungsersuchen zugrundeliegt. Vollstreckungsfähig waren nämlich nur die dort
getroffenen Regelungen zur materiellen Feststellung des GdB und zu "G".
Streitgegenstand des damaligen Verfahrens war nämlich allein die Feststellung eines
höheren GdB. Daran anschließend haben die Beteiligten lediglich vollstreckbare
Vereinbarungen über die Höhe des GdB und - über den eigentlichen Streitstoff hinaus -
zur Fortgeltung des Nachteilsausgleichs "G" getroffen. Vereinbarungen über weitere in
den damals angefochtenen Bescheiden vom 15.12.1994 und 06.04.1995 geregelten
Streitgegenstände - insbesondere über die Modalitäten einer Ausweisausstellung -
haben die Beteiligten ersichtlich nicht getroffen. Diese Regelungen sind mithin
offengeblieben und konnten nur durch Ergänzungen im Ausführungsbescheid bzw.
einen eigenständigen erneuten Rechtsbehelf abschließend geklärt werden, wie dies im
übrigen der Kläger selbst mit der sachlich gebotenen Einlegung eines Widerspruchs zu
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erkennen gegeben hat. Dem entspricht auch die zutreffende Auffassung des
Sozialgerichts, das den Vollstreckungsantrag des Klägers zunächst in seinem
wohlverstandenen Interesse als weitergehende Klage gegen isoliert anfechtbare Teile
des Ausführungsbescheides vom 19.12.1996 angesehen hat (hier: Feststellungen zur
Ausweisausstellung nach den Vorschriften der Ausweisverordnung zum SchwbG -
SchwbAwV - ).
Nicht überzeugend ist die Auffassung des Klägers, aus der Formulierung des
Vergleichs, ihm stehe der erwähnte Nachteilsausgleich "weiterhin" zu, müsse
geschlossen werden, man habe sich auch über die Fortgeltung oder Verlängerung einer
Befristung vollstreckbar geeinigt. Dem steht schon entgegen, daß sich die genannte
Aussage nur auf einen Teil der getroffenen Vereinbarung bezieht und sie im übrigen
auch keinen klaren, vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Zudem ist zu bedenken, daß
bereits der vom Beklagten durch den gerichtlichen Vergleich wirksam abgeänderte
frühere Bescheid vom 15.07.1992 eine Ausweisbefristung nur bis Juli 1997 (fünf Jahre
nach Ausweiserteilung im September 1992) vorsah und der Beklagte frei war, nach
seiner pflichtgemäßen Beurteilung eine neue Befristung (bis zu fünf bzw. fünfzehn
Jahren, vgl. § 6 Abs. 2 SchwbAwV) vorzusehen.
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Ungeachtet der zunächst fehlenden und vom SG erst im Juli 1997 erteilten
Vollstreckungsklausel, ohne die keine Vollstreckung nach § 201 SGG möglich ist, bleibt
daher festzuhalten, daß der Kläger sein Anliegen nicht im Wege einer Vollstreckung aus
dem Vergleich hätte durchsetzen können. Neben der Einlegung eines Rechtsbehelfs
hätte ihm dazu - sofern erforderlich - nur ein Verfahren im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes zur Verfügung gestanden. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger indes
keinen Gebrauch gemacht.
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Unter diesem Gesichtspunkt hat der Beklagte dem Kläger auch sonst keinen Anlaß
gegeben, ein Vollstreckungsverfahren einzuleiten.
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Die vom Senat für erforderlich gehaltene Kostenentscheidung folgt aus einer
entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, § 177 SGG.
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