Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23.11.2007

LSG NRW: tagestherapiekosten, behandlung, who, daten, vorschlag, verordnung, gesamtumsatz, vergleichende darstellung, markt, kostenvergleich

Landessozialgericht NRW, L 10 B 11/07 KA ER
Datum:
23.11.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 10 B 11/07 KA ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 14 KA 87/07 ER
Sachgebiet:
Vertragsarztangelegenheiten
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.05.2007 wird zurückgewiesen. Die
Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin. Der Streitwert wird auf
700.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
1
I.
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Streitig ist, ob die Antragsgegnerin das von der Antragstellerin vertriebene Arzneimittel
Neupro® auf einer im Internet zugänglichen Me-Too-Liste führen und diese Liste den
Vertragsärzten ihres Bezirks zugänglich machen darf.
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Die Antragstellerin vertreibt seit dem Jahre 2006 das patentgeschützte Präparat
Neupro®, welches den Wirkstoff Rotigotin enthält und ein non-ergoliner
Dopaminagonist in der Applikationsform eines transdermalen Pflasters ist. Nachdem
das Medikament im Jahre 2006 zunächst nur die Zulassung als Monotherapie für
Patienten im frühen Stadium der Erkrankung hatte, ist die Zulassung zwischenzeitlich
auch für die Kombinationstherapie mit Levodopa zur symptomatischen Behandlung bei
Patienten mit fortgeschrittenem Morbus Parkinson erteilt worden.
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Der Begriff Me-Too-Präparat (Synonyme: Analogpräparat bzw. Scheininnovation) wird
seit ca. 1982 zur Bewertung von Arzneimitteln verwandt, die zwar einen neuen Wirkstoff
enthalten, dieser jedoch dem Wirkstoff bereits zugelassener Medikamente sehr ähnlich
ist.
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Zur Bewertung des Innovationsgrades von Arzneimitteln ist das folgende, seit 1982
unveränderte Klassifikationsschema entwickelt worden:
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A. Neuartige Wirkstoffe oder neuartige Wirkprinzipien mit therapeutischer Relevanz;
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B. Verbesserung pharmakodynamischer oder pharmakokinetischer Qualitäten bereits
bekannter Wirkprinzipien;
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C. Analogpräparate mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu bereits
eingeführten Präparaten;
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D. Eingeschränkter therapeutischer Wert bzw. nicht ausreichend gesicherte
Therapieprinzipien.
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Am 11.10.2006 schloss die Antragsgegnerin mit den Landesverbänden der
Krankenkassen eine "Vereinbarung über das Arznei- und
Verbandmittelausgabenvolumen für das Kalenderjahr 2007" (Rheinisches Ärzteblatt
1/2007, 73 ff). Hiermit wurde das Ausgabenvolumen für Arznei- und Verbandmittel auf
2,787 Mrd. EUR festgelegt (§ 2). Mittels einer Zielvereinbarung (§ 4) soll sichergestellt
werden, dass der durch den jeweiligen Vertragsarzt verursachte arztgruppenbezogene
Versorgungsanteil
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1. des Brutto-Generikaumsatzes am generikafähigen Markt erreicht oder überschritten
wird und
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2. des Bruttoumsatzes der Me-Too-Präparate ohne relevanten höheren therapeutischen
Nutzen, aber mit höheren Kosten, am Gesamtmarkt eingehalten oder unterschritten wird.
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Für die einzelne Arztgruppen bestimmt die Vereinbarung einen Zielwert von 69,6 1 %
(Chirurgen) bis zu 87,9 % (HNO-Ärzte) bei den Generika (§ 4 Abs. 2 Ziffer 1) und von 1,0
% (Kinderärzte) bis zu 13,8 % (Nervenärzte) bei den Me-Too-Präparaten (§ 4 Abs. 2
Ziffer 2 ). Neben Bonuszahlungen bei Unterschreitung des vereinbarten
Ausgabenvolumens (§ 7) regelt die Vereinbarung Maßnahmen für den Fall, dass das
Richtgrößenvolumen und/oder der Zielvereinbarung (§ 8) nicht eingehalten werden, wie
folgt:
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(1) Die individuelle Verantwortlichkeit des einzelnen Vertragsarztes für eine
Überschreitung des Ausgabenvolumens bzw. für eine Verringerung der Sonderzahlung
nach § 7 Abs. 1 tritt ein, wenn - der einzelne Vertragsarzt sein für das Kalenderjahr 2007
maßgebliches Richtgrößenvolumen überschritten hat und - der einzelne Vertragsarzt
mindestens einen der nach § 4 vereinbarten Zielwerte nicht erreicht hat. Eine
Saldierung zwischen den einzelnen Zielwerten findet nicht statt.
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(2) Im Falle des Absatzes 1 erhalten die nordrheinischen Landesverbände der
Krankenkassen/Verbände der Ersatzkassen von den einzelnen Vertragsärzten jeweils
einen Zielerreichungsbeitrag in Höhe von bis zu vier Prozent des für das Kalenderjahr
2007 für den jeweiligen Vertragsarzt anerkannten GKV-Gesamthonorars.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Vereinbarung verwiesen. Auf ihrer
Internet-Website veröffentlicht die Antragsgegnerin eine Liste sog. patentgeschützter
Analogpräparate ("Me-Too-Liste"), in der auch das Präparat Neupro® enthalten ist
(Stand 05.04.2007 und Stand 06.06.2007). Ferner hat sie zunächst eine Marktübersicht
verordnungsrelevanter pharmakologisch-therapeutisch vergleichbarer Wirkstoffe zur
Liste patentgeschützter Analogpräparate (Me-Too-Liste) eingestellt. Hierin werden der
Handelsname der Analogpräparate mit der verordnungshäufigsten Packung,
Packungspreis und DDD-Kosten sowie eine Marktübersicht pharmakologisch-
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therapeutisch vergleichbarer Arzneimittel für die Hauptindikation in geeigneter
Packungsgröße, Darreichungsform und Wirkstärke aufgeführt.
Pro Analogpräparat wird ein Wirkstoff - zum Teil zusätzlich eine Alternative - mit bis zu
drei preisgünstigeren Präparaten aufgelistet, die im Februar 2007 im Handel waren.
Sofern mehr als drei preisgünstige Präparate mit gleicher Packungsgröße und Preis auf
dem Markt waren, sind nur die drei verordnungshäufigsten Präparate des ersten
Halbjahres 2006 dargestellt.
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Die gelistete pharmakologisch-therapeutischen Alternativen beziehen sich auch auf
verfügbare Importe und Reimporte, soweit sie zu günstigeren Preisen angeboten
werden. Neupro® wird hierin wie folgt bestimmt:
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Neupro 2mg/24h, PFLA (DF), 7 (PG), ST (E), 55,56 EUR, 23,81 EUR (DDD)
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Die Antragsgegnerin hat diese Marktübersicht im März 2007 aus ihren Internetseiten mit
dem Hinweis entfernt, die Marktübersicht werde derzeit überarbeitet und in Kürze
aktualisiert.
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Am 27.04.2007 hat die Antragstellerin das Sozialgericht (SG) Düsseldorf um
einstweiligen Rechtsschutz angerufen. Das Hauptsacheverfahren hat sie mit Schriftsatz
vom 02.07.2007 anhängig gemacht. Sie hat vorgetragen, die von der Antragsgegnerin
aufgestellte Behauptung, mit der Verordnung von Neupro® seien höhere
durchschnittliche Tagestherapiekosten verbunden als bei der Verordnung des
Konkurrenzprodukts Requip®, sei objektiv unzutreffend. Vergleichende Studien
bezogen auf Neupro® und Requip® lägen nicht vor. Die Leitlinien der
Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)
gingen davon aus, dass die typische Erhaltungsdosis für das Mittel Requip® bei 9 bis
24 mg/tgl. liege. Für Neupro® gebe es zwar noch keine derartigen Dosisempfehlungen.
Anhand der Marktentwicklung und der Verordnungspraxis sei jedoch zu ersehen, dass
die durchschnittliche Tagesdosis 6 mg betrage, mithin seien die Tagestherapiekosten
des Mittels Neupro® günstiger. Die Antragsgegnerin habe ihre Berechnung auf die
Defined Daily Doses - Daten (DDD-Daten) der WHO gestützt. Deren
Dosierungseinheiten seien zu niedrig angesetzt. Im Übrigen finde das Mittel Requip®
auch Anwendung für das Indikationsgebiet "restless legs", für das deutlich geringere
Substanzmengen verordnet würden. Eine aussagekräftige Analyse der
Verordnungsdaten für Requip® sei somit nicht möglich. Soweit es Neupro® anlange,
habe die WHO noch keine DDD-Daten veröffentlicht. Ein Kostenvergleich zwischen den
beiden Arzneimitteln könne daher nicht auf das Referenzsystem der DDD-Daten der
WHO gestützt werden. Eine von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-
Württemberg vorgenommene Bewertung zeige, dass die durchschnittliche Dosierung für
Neupro® mit 8 mg und für Requip® mit 12 mg zu bemessen sei, mithin Neupro®
günstiger als Requip® sei. Die Antragsgegnerin habe bei ihrer Vergleichsberechnung
auf die kleinste Wirkstärke von Neupro® abgestellt, hierdurch werde sie - die
Antragstellerin - unzulässig benachteilige. Schließlich sei auch kein pharmakologisch-
therapeutisch vergleichbares Arzneimittel als Substitution für Neupro® verfügbar. Bei
Neupro® handele es sich um einen in Pflasterform zu applizierenden
Dopaminagonisten. Das bewirke eine kontinuierliche Abgabe des Wirkstoffes, das
Vermeiden von Interferenzen mit der Nahrungsaufnahme und des First-Pass-Effekts.
Ferner bestehe die Möglichkeit, das Mittel bei Patienten mit Schluckbeschwerden zu
verwenden. Die evident fehlerhafte Darstellung der Tagestherapiekosten und des
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pharmakologisch-therapeutischen Nutzens verstoße gegen Art. 12, 14 Grundgesetz
(GG). Der Verordnungsanteil von Neupro® habe sich im Versorgungsbezirk der
Antragsgegnerin seit Veröffentlichung der Me-Too-Liste mit zunehmend negativer
Tendenz signifikant schlechter als im übrigen Bundesgebiet entwickelt. Allein für das
Geschäftsjahr 2007 sei mit einem Umsatzverlust von 700.000,00 EUR zu rechnen.
Dabei zu berücksichtigen, dass Neupro® noch in der Markteinführungsphase sei und
letztlich dauerhafte und irreversible Nachteile über den gesamten Produktzyklus zu
erwarten seien.
Die Antragstellerin hat beantragt,
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1. der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen,
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a) Dritten gegenüber zu behaupten, dass es sich bei dem Präparat Neupro® (Wirkstoff:
Rotigotin) um ein sog. Me-Too-Präparat handele, für das ein pharmakologisch-
therapeutisch vergleichbares Arzneimittel in der Hauptindikation mit günstigeren
Tagestherapiekosten verfügbar sei, insbesondere wenn dies wie in der in Anlage Ast 1
beigefügten Auflistung patentgeschützter Analogpräparate (Me-Too-Liste, Stand:
05.04.2007) geschieht;
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b) im Rahmen einer vergleichenden Darstellung die durchschnittlichen
Tagestherapiekosten für Neupro® 2 mg mit Euro 23,81 und für Requip® 1 mg mit Euro
10,56 anzugeben, insbesondere wenn dies wie in der Anlage Ast 2 geschieht;
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c) Dritten gegenüber die Behauptung aufzustellen, dass das zugelassene
Anwendungsgebiet von Neupro® auf die Behandlung von Morbus Parkinson im
Frühstadium begrenzt sei, insbesondere wenn dies wie in Anlage Ast 3 geschieht;
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2. hilfsweise zunächst im Wege der Zwischenregelung bis zu einer Entscheidung über
den Antrag zu Ziffer 1 es der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, die in Anlagen
Ast 1, Ast 2 und Ast 3 vorgelegten Dokumente mit dem Präparat Neupro® zu
veröffentlichen und/oder im Internet abrufbar zu halten.
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Die Antragsgegnerin hat beantragt,
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den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 27.04.2007 zurückzuweisen.
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Sie hat geltend gemacht: Es bestehe weder ein Anordnungsanspruch noch ein
Anordnungsgrund. Sie habe zu Recht auf der Grundlage der sog. Me-Too-Liste eine
Marktübersicht nach objektiven Kriterien gefertigt. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz
habe der Gesetzgeber der Selbstverwaltung ein weiteres Instrument zur Information der
Vertragsärzte über eine wirtschaftliche Verordnungsweise an die Hand gegeben.
Kosten für Arzneimittel seien auf der Basis der definierten Tagesdosen nach dem
anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikationssystem (ATC-System) anzugeben.
Soweit in der DDD-Liste keine Angaben enthalten seien, würden für Mono- und
Kombinationspräparate die Dosierungsempfehlungen der Hersteller zu Grunde gelegt.
Rotigotin sei in der neuen aktualisierten nationalen Fassung des ATC-lndex mit DDD-
Angaben des DIMDI von 2007 in die Gruppe der Dopaminagonisten unter dem ATC-
Code N04BC09 aufgenommen worden. Ein DDD-Wert sei noch nicht angegeben.
Daher sei der DDD-Vorschlag der WHO-Arbeitsgruppe in ihrer vorläufigen Liste mit
einer transdermalen Tagesdosis von 6 mg verwendet worden. Für den Kostenvergleich
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habe sie - die Antragsgegnerin - jeweils die verordnungshäufigste Packungsgröße des
zu prüfenden Analogpräparats herangezogen. Soweit es Ropinirol angebe, bestehe der
von der WHO definierte DDD-Wert in Höhe von 6 mg/tgl. schon seit vielen Jahren und
sei erstmals 2005 ohne Beanstandungen in die vom DIMDI erstellte amtliche Fassung
des ATC-lndex mit DDD-Angaben für Deutschland übernommen worden. Der Vergleich
der Therapiekosten in der beanstandeten Marktübersicht beziehe sich aus
methodischen Gründen auf die bisherige Hauptindikation, nachdem Neupro® im Jahr
2006 lediglich die Zulassung als Monotherapie zur symptomatischen Behandlung bei
idiopathischer Parkinsonerkrankung im Frühstadium gehabt und die erweiterte
Zulassung erst im Januar 2007 erhalten habe. Auch die indikationsbezogene
Berechnung der Tagestherapiekosten belege, dass Neupro® sowohl bei der
Behandlung der Parkinsonerkrankung im Frühstadium als auch in
Kombinationstherapie mit Levodopa im fortgeschrittenen Stadium teurer als Requip®
sei.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 31.05.2007 zurückgewiesen. Es hat
ausgeführt: Es fehle an einem Anordnungsgrund. Die Antragstellerin prognostiziere für
den Bezirk der KV Nordrhein einen Umsatzverlust für das Jahr 2007 in Höhe von
700.000,00 EUR. Der Umsatzverlust könne nicht isoliert betrachtet werden, sondern sei
notwendigerweise in eine Relation zum Gesamtumsatz zu bringen. Im Geschäftsjahr
2006 habe die Antragstellerin einen Umsatz von 1 Mrd. EUR erzielt. Für das im März
2006 eingeführte Arzneimittel Neupro® habe der Umsatz in 2006 bei 7,2 Mio. EUR
gelegen. Bezogen auf den Gesamtumsatz errechne sich somit ein prognostizierter
Umsatzverlust von 0,07%. Selbst wenn hierin eine wirtschaftliche Härte gesehen werde,
führe die Interessenabwägung dazu, dass dem Interesse der Antragsgegnerin an der
Umsetzung der Arzneimittelvereinbarung und dem Erreichen der Wirtschaftlichkeitsziele
der Vorrang zu geben sei. Die Erhaltung der finanziellen Stabilität der GKV sei ein
Gemeinwohlbelang von hohem Rang. Ggf. eintretende finanzielle Nachteile der
Antragstellerin könnten im Übrigen durch Sekundäransprüche (Amtshaftungsansprüche)
kompensiert werden. Aber auch ein Anordnungsanspruch sei nach summarischer
Prüfung nicht gegeben. Ein Anordnungsanspruch könne sich hier allein aus einem
grundrechtlichen Abwehranspruch aus Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG ergeben. Nach
summarischer Prüfung sei die Information der Antragsgegnerin, die sie den
Vertragsärzten in Bezug auf Neupro® mittels der Me-Too-Liste gebe, nicht offensichtlich
unzutreffend. Der Antragsgegnerin sei es unbenommen, Kosten der Arzneimittel auf der
Grundlage der aktuellen anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikation mit
Tagesdosen (ATC-lndex mit DDD-Angaben) und der aktuellen Arzneimittelpreise
anzugeben. Die KVen seien verpflichtet, Ärzte auch vergleichend über preisgünstige
verordnungsfähige Leistungen zu informieren. Das Gesetz erlaube jedenfalls seit dem
01.01.2004 die Verwendung der ATC-Klassifikation mit definierten Tagesdosen zur
Angabe von Tagestherapiekosten. Dementsprechend sei es zunächst nicht zu
beanstanden, wenn die Antragsgegnerin für die Vergleichsberechnung die definierte
Tagesdosis für Requip® (Wirkstoff Ropinirol) mit 6 mg nach dem geltenden ATC-lndex
mit DDD-Angaben annehme. Soweit der DDD-Wert von Ropinirol nicht mit den
Empfehlungen der AWMF in den von diesen erstellten Leitlinien (Leitlinien der
Deutschen Gesellschaft für Neurologie - Extrapyramidal-motrische Erkrankungen -
Parkinson-Syndrome, Nr. 030/010 von 2005) übereinstimme, sei das unbeachtlich. Die
Antragsgegnerin sei berechtigt, für die vergleichende Betrachtung auf den ATC-lndex
abzustellen. Für diesen gelte, dass die DDD ein technisches Maß zur Erfassung des
Arzneimittelverbrauchs darstellen und nicht notwendig therapeutisch äquivalente
Dosierungen reflektiere. Darüber hinaus existiere für den Wirkstoff Rotigotin derzeit
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lediglich ein DDD-Vorschlag der WHO-Arbeitsgruppe für eine definierte Tagesdosis von
6 mg. Soweit die Antragsgegnerin diesen ihrer Vergleichsberechnung zu Grunde lege,
sei auch das vordergründig nicht zu beanstanden. Die Antraggegnerin werde
Veränderungen, welche sich durch die erweiterte Zulassung ergeben und die
endgültige Klassifizierung künftig zu beachten haben, sofern sich dadurch eine
geänderte Bewertung in der Tagesdosis bzw. den Verordnungskosten ergebe.
Ausgehend von den derzeitigen Werten seien die DDD-Kosten des Arzneimittels
Neupro® höher als diejenigen des Arzneimittels Requip®. Das gelte unabhängig
davon, ob für Neupro® auf die teuerste Verordnungsgröße in der Einheit von 2 mg/24 h
pro Pflaster oder auf die Einheit von 6 mg/24 h pro Pflaster abgestellt werde. Denn auch
die Packungsgröße von 7 transdermalen Pflastern mit 6 mg/24 h (N1) habe DDD-Kosten
von 11,17 EUR, wohingegen die DDD-Kosten der entsprechenden Requip®
Verordnungsgröße bei 10,56 EUR lägen (21 Filmtabletten 1 mg N1). Sofern die
Antragstellerin einen Vergleichswert von 9,34 EUR für Neupro® bei dem 6 mg-Pflaster
errechne, beziehe sich dies auf die Packungsgröße N3. Es sei fraglich, ob Vergleiche
zwischen N1- und N3-Verpackungsgrößen möglich seien. Letztlich werde die
vorgenannte Fragestellung ebenso wie die Frage nach dem therapeutischen (Mehr-
)Wert des Arzneimittels Neupro® gegenüber den anderen Dopaminagonisten durch
entsprechende Sachaufklärung ggf. unter Einbeziehung externen Sachverstandes im
Hauptsacheverfahren zu klären sein. Ob hierbei allein auf die Applikationsform mittels
transdermalen Pflaster abgestellt werden könne, sei fraglich. Hierzu müsse zunächst
ermittelt werden, welchen Raum Schluckbeschwerden im Zusammenhang mit den hier
verordneten Arzneimitteln einnähmen. Insofern sei auch zu beachten, dass Neupro®
seinerseits Nebenwirkungen in Form von Hautirritationen als Lokalreaktionen auslöse.
Letztlich könne das aber dahinstehen, denn über den Austausch des Wirkstoffs
entscheide der Vertragsarzt im jeweiligen Behandlungsfall.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie trägt vor: Ein
Anordnungsgrund sei gegeben. Bei Zugrundelegung korrekter Dosierungen seien die
durch die Verordnung von Neupro® entstehenden Kosten für die GKV geringer als
diejenigen für das gelistete Referenzpräparat Requip®. Die KV Baden-Württemberg
habe ausdrücklich festgestellt, dass Neupro® günstiger als Requip® sei. Gerade weil es
ein besonderes Interesse des Gesetzgebers sei, Überschreitungen des vereinbarten
Ausgabenvolumens zu verhindern und die finanzielle Stabilität der GKV zu sichern, sei
der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung geboten. Bei einer Umstellung von
6 mg Neupro® auf 9 mg Requip® würden sich die Tagestherapiekosten von 9,60 EUR
(für Neupro®) auf 11,54 EUR (für Requip®) erhöhen. Es greife zu kurz, lediglich einen
angenommenen Umsatzverlust in Höhe von 700.000,00 EUR für das Jahr 2007 in
Ansatz zu bringen. Die streitgegenständliche Me-Too-Liste habe Präzedenzcharakter,
denn sie werde von anderen Kassenärztlichen Vereinigungen im Bundesgebiet
eingesetzt. Hieraus folge, dass letztlich der jährliche Gesamtumsatz von Neupro® in
Höhe von zurzeit ca. 7 Mio. EUR akut bedroht sei. Angesichts einer
Hauptsacheverfahrensdauer von drei bis fünf Jahren würde sich der Schaden zwischen
21 Mio. EUR bis 35 Mio. EUR bewegen. Tatsächlich sei diese Zahl noch zu niedrig, da
als Bezugsgröße nicht auf den Jahresumsatz unmittelbar nach der Markteinführung
abgestellt werden dürfe. Vielmehr sei in den ersten Jahren nach der Einführung eines
innovativen Präparats sukzessiv mit weiteren Umsatzsteigerungen zu rechnen. Dem
entspreche auch die betriebswirtschaftliche Planung der Antragstellerin, zumal es ohne
entsprechende Umsatzsteigerungen in den ersten Jahren von vornherein nicht möglich
sei, die Forschungs- und Entwicklungskosten von über 200 Mio. EUR zu erwirtschaften.
Im Übrigen sei es nicht sachgerecht, den der Antragstellerin entstehenden Schaden
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pauschal in Relation zu ihrem Gesamtumsatz zu setzen. Eine erhebliche
Rechtsverletzung liege auch dann vor, wenn die Marktstellung eines
Pharmaunternehmens in einem bestimmten Produktbereich oder Therapiegebiet durch
eine (rechtswidrige) Maßnahme nachhaltig bedroht werde. Bei einer dies verkennenden
"parzellierenden und atomisierenden" Betrachtungsweise würden die von
produktbezogenen Maßnahmen betroffenen Pharmaunternehmen in eilrechtlichen
Verfahren stets schutzlos gestellt, solange nicht die Schwelle einer existenziellen
Unternehmensgefährdung erreicht sei. Unzutreffend habe das SG das Vorliegen eines
Anordnungsgrundes unter Hinweis darauf verneint, dass ggf. eintretende finanzielle
Nachteile der Antragstellerin durch Sekundäransprüche kompensiert werden könnten.
Dieser Ansatz müsse stets zur Abweisung einstweiliger Anordnungsanträge führen,
soweit diese "nur" auf die Abwehr "materieller Schäden" gerichtet seien. Da die
materiellen Ansprüche der Antragstellerin auf gleichberechtigten Zugang zum Markt der
in der GKV eingesetzten Arzneimittel grundrechtlichen Schutz genieße, sei es
widersprüchlich, den effektiven Primärschutz dieser rechtlich geschützten Position allein
mit Blick auf die grundsätzliche Möglichkeit der Geltendmachung kompensatorischer
Sekundäransprüche aufzugeben. Der verfassungsrechtlich gebotene "effektive"
Rechtsschutz werde nur dann tatsächlich gewährt, wenn durch den etwaigen Verweis
auf die Geltendmachung sekundärer Schadensersatz- und Amtshaftungsansprüche ein
adäquater Ausgleich geschaffen werde. Zum Anordnungsanspruch trägt die
Antragstellerin vor: Die Antragsgegnerin handele rechtswidrig. Sie wolle das Präparat
Neupro® aus der vertragsärztlichen Versorgung verdrängen. Dies ergebe sich daraus,
dass sie die durch die Verordnung von Neupro® entstehenden durchschnittlichen
Tagestherapiekosten im Vergleich zu anderen Referenzpräparaten unrichtig berechne,
das zugelassene Anwendungsgebiet von Neupro® unzutreffend wiedergebe und die
pharmakologisch-therapeutische relevanten Vorteile von Neupro® gegenüber diesen
Referenzsubstanzen nicht berücksichtige. § 73 Abs. 8 Satz 4 und 5 SGB V legitimiere
zur Angabe der Kosten der Arzneimittel je Tagesdosis auf der Grundlage der DDD-
Daten nur nach Maßgabe der vom DIMDI im Auftrag des Bundesministeriums für
Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen Klassifikation in der jeweils
gültigen Fassung. Vorliegend sei in den Leitlinien des DIMDI ein DDD-Wert für Rotigotin
unstreitig noch nicht festgelegt. Der Hinweis des SG, dass es immerhin einen DDD-
Vorschlag der WHO-Arbeitsgruppe für eine definierte Tagesdosis von 6 mg Rotigotin
gebe, sei unbeachtlich. Der Vorschlag einer Arbeitsgruppe könne einem
entsprechenden Beschluss nicht gleichgesetzt werden. Zudem kommt es im Rahmen
von § 73 Abs. 8 SGB V nicht auf die Beschlüsse der WHO, sondern auf die Festsetzung
durch das DIMDI an. Ein Kostenvergleich bewege sich nur dann innerhalb des durch §
73 Abs. 8 SGB V vorgegebenen Systems, wenn bei beiden Wirkstoffen auf die vom
DIMDI veröffentlichten Daten zurückgegriffen werde. Sofern dieses System bei einem
der Vergleichsparameter verlassen werde, finde § 73 Abs. 8 SGB V keine Anwendung.
Soweit der Antragsgegnerin überhaupt die Befugnis zukomme, außerhalb des § 73 Abs.
8 SGB V einen Kostenvergleich vorzunehmen, müsse dieser zumindest in sich
konsistent sein. Es sei systemwidrig, wenn die Antragsgegnerin einen Preisvergleich
vornehme, bei dem sie einerseits auf einen - die Verordnungspraxis nicht
reflektierenden - theoretischen Wert (für Requip®) und zum anderen auf den der
Verordnungspraxis tatsächlich entsprechenden Wert (für Neupro®) abstelle. Ferner
setze § 73 Abs. 8 Satz 3 SGB V voraus, dass die Informationen zu Preisen in einer
Weise angegeben werden, die unmittelbar einen Vergleich ermöglichen. Den
angesprochenen Ärzten sei jedoch nur dann ein sinnvoller Vergleich der Preise zweier
Arzneimittel möglich, wenn die Kosten auf Grund wirkäquivalenter Dosierungen
berechnet würden. Sofern ein Arzt sich an der Me-Too-Liste und der Marktübersicht
orientiere und eine Substitutionsentscheidung vornehme, indem er ein (vermeintlich)
preisgünstigeres Arzneimittel auswähle, welches in der zu Grunde gelegten Dosierung
mit dem ersetzten Arzneimittel nicht wirkäquivalent sei, würde er zwar (vordergründig)
eine Kostenersparnis erzielen, zugleich aber die ihm seinem Patienten gegenüber
obliegenden Behandlungspflichten gröblichst verletzen. Die dann entstehende
Unterversorgung würde weitere (kostensteigende) Folgebehandlungen und
Komplikationen auslösen. So verhalte es sich, wenn die Vertragsärzte die Leitlinien der
Fachgesellschaften ignorieren und zur Erzielung (vermeintlicher) Kostenvorteile einen
Patienten, der auf 6 mg/tgl. Rotigotin eingestellt sei, auf eine den Empfehlungen der
Fachgesellschaften widersprechende Dosierung von 6 mg/tgl. Ropinirol umstellten.
Würden die Vertragsärzte hingegen die Leitlinien der Fachgesellschaften beachten und
eine Umstellung im Verhältnis 6 mg/tgl. Rotigotin auf 9 mg/tgl. Ropinirol bzw. von 8
mg/tgl. Rotigotin auf 12 mg/tgl. Ropinirol vornehmen, würde es statt einer Reduzierung
zu einer Erhöhung der Arzneimittelkosten für die GKV kommen. Des Weiteren setze ein
Preisvergleich nach § 73 Abs. 8 Satz 4, 2. Halbsatz SGB V voraus, dass Arzneimittel
ausgewählt würden, die einen "maßgeblichen Anteil an der Versorgung der
Versicherten im Indikationsgebiet" hätten. Insoweit erschließe sich nicht, weshalb die
Antragsgegnerin das bislang marktführende Präparat Sifrol® nicht in den Preisvergleich
einbezogen habe. Schließlich sei nicht nachvollziehbar, was das SG davon abgehalten
habe, die besonderen Vorteile der Applikationsform mittels eines transdermalen
Pflasters in dem vorliegenden Anordnungsverfahren zu berücksichtigen. Das Argument
des SG, dass der Arzt letztlich über den Austausch des Wirkstoffs zu entscheiden habe,
wozu ihm auf Grund der Quote auch die Möglichkeit verbleibe, sei unbeachtlich. Denn
die Aufnahme eines Präparats in die Me-Too-Liste setze nach der von der
Antragsgegnerin selbst vorgegebenen Definition voraus, dass ein pharmakologisch-
therapeutisch vergleichbares Arzneimittel für die Hauptindikation als Substitution
verfügbar sei. Ebendies sei für das Präparat Neupro® nicht der Fall. Pharmakologisch-
therapeutisch nicht vergleichbare Arzneimittel müssten nach den eigenen Kriterien der
Antragsgegnerin verordnungsfähig sein, und zwar nicht innerhalb, sondern außerhalb
der mit der Me-Too-Liste verbundenen Quoten. Die quotenmäßige Begrenzung dürfe
nach den eigenen Vorgaben der Antragsgegnerin nur für diejenigen Arzneimittel
eingreifen, für die stets eine pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel
zur Verfügung stehe. Die fehlende Vergleichbarkeit von Neupro® zu den oralen
Parkinson-Arzneimitteln dürfe daher nicht mit dem Hinweis überspielt werden, dass der
Arzt immer noch die Möglichkeit habe, dieses Arzneimittel innerhalb der ihm
zugewiesenen Quoten zu verordnen. Hinzu komme, dass die Festlegung der Quoten
völlig schematisch erfolgt und sich nicht an der Größe des betroffenen
Patientenkollektivs und schon gar nicht an der Zusammensetzung des
Patientenstammes des individuell behandelnden Arztes orientiere. Der Arzt werde
hierdurch vor die Alternative gestellt, entweder die betroffenen Parkinson-Patienten
einer Unterversorgung auszusetzen oder aber - bei einer Überschreitung der
festgelegten "Me-Too-Quoten" - das Risiko einer Abführung eines sog.
"Zielerreichungsbeitrags" in Höhe von 4 % seines GKV-Gesamthonorars einzugehen.
Ein verhaltenslenkendes und kostenregulierendes Modell, bei dem der Arzt vor die
Alternative einer Verletzung seiner ärztlichen Sorgfaltspflicht oder aber die Inkaufnahme
eines Regressrisikos gestellt werde, stehe jedoch nicht mit dem geltenden Recht in
Einklang. Das SG habe zu den Anträgen zu Ziff. 1 b und c keine Stellung genommen.
Dies sei umso weniger nachzuvollziehen, als sich hinsichtlich dieser Ansprüche die
Rechtswidrigkeit bei nur summarischer Prüfung sogar in besonders deutlicher und
evidenter Weise ergebe. Auch die Antragsgegnerin bestreite nicht, dass die Wirkstärke
2 mg bei Neupro® nur in der Initial-, nicht aber in der Erhaltungsphase verordnet werde.
Die DDD-Daten sollten jedoch gerade die durchschnittlichen Tagesdosierungen in der
Erhaltungstherapie reflektieren. Kein Patient, der die von der Antragsgegnerin zu
Grunde gelegte Wirkstärke 6 mg Rotigotin pro Tag benötige, werde hierfür auf die
dreimalige Applikation eines Pflasters mit der Wirkstärke 2 mg zurückgreifen. Vielmehr
werde er das hierfür speziell vorgesehene Pflaster in der Wirkstärke 6 mg verwenden.
Denn anders als bei Requip®, bei dem auf Grund der kurzen Halbwertzeit eine dreimal
tägliche Gabe vorgeschrieben sei, müsse Neupro® einmal täglich angewendet werden.
Das für den Preisvergleich in der Marktübersicht herangezogene Dosierungsschema
widerspreche dem Zulassungsstatus von Neupro®. Bei Rückgriff auf das Pflaster in der
Wirkstärke 6 mg würden sich die durchschnittlichen Tagestherapiekosten von Neupro®
deutlich unterhalb der in der Marktübersicht usgewiesenen Kosten in Höhe von 23,81
EUR bewegen. Stelle man auf die Packungsgröße N3 ab, lägen die
Tagestherapiekosten bei 9,60 EUR. Unter Zugrundelegung der Packungsgröße N1
würden sich Kosten in Höhe von 11,17 EUR ergeben. Schließlich enthalte der
Beschluss auch keine Ausführungen dazu, weshalb es der Antragsgegnerin gestattet
sein solle, das zugelassene Indikationsgebiet von Neupro® falsch, da unvollständig
(nämlich beschränkt auf die Früherkrankung von Morbus Parkinson) wiederzugeben.
Zwar habe die Antragsgegnerin die Marktübersicht aus ihren Internetseiten entfernt, es
bestehe jedoch Wiederholungsgefahr. Diese sei bereits dann gegeben, wenn
tatsächlich vermutet werden müsse, dass eine einmal vorgenommene Handlung
wiederholt werde. Dabei reiche es aus, wenn sich die Vermutung auf im Kern gleiche
Verletzungshandlungen beziehe. Die Wiederholungsgefahr realisiere sich hier darin,
dass die Antragsgegnerin an ihrem grundsätzlichen Berechnungsmodell für einen
Kostenvergleich auf der Basis von definierten Tagesdosierungen festhalte.
Die Antragstellerin beantragt,
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1.unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31. Mai 2007
es der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen
35
a) Dritten gegenüber zu behaupten, dass es sich bei dem Präparat Neupro® (Wirkstoff:
Rotigotin) um ein sog. Me-Too-Präparat handele, für das ein pharmakologisch-
therapeutisch vergleichbares Arzneimittel in der Hauptindikation mit günstigeren
Tagestherapiekosten verfügbar sei, insbesondere, wenn dies wie in der als Anlage Ast
28 beigefügten Auflistung patentgeschützter Analogpräparate (Me-Too-Liste, Stand:
06.06.2007) geschieht;
36
b) im Rahmen einer vergleichenden Darstellung die durchschnittlichen
Tagestherapiekosten für Neupro® 2 mg mit 23,81 EUR und für Requip® 1 mg mit 10,56
EUR anzugeben, insbesondere wenn dies wie in Anlage Ast 29 geschieht;
37
c) Dritten gegenüber die Behauptung aufzustellen, dass das zugelassene
Anwendungsgebiet von Neupro® auf die Behandlung von Morbus Parkinson im
Frühstadium begrenzt sei, insbesondere wenn dies wie in Anlage Ast 30 geschieht;
38
2.hilfsweise zunächst im Wege der Zwischenregelung bis zu einer Entscheidung über
den Antrag zu Ziff. 1 es der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, die in Anlagen Ast
28, Ast 29 und Ast 30 vorgelegten Dokumente mit dem Präparat Neupro® zu
veröffentlichen und/oder im Internet abrufbar zu halten;
39
3.der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
40
Die Antragsgegnerin beantragt,
41
die Beschwerde zurückzuweisen.
42
Sie macht geltend: Die Anträge zu Nr. 1 b) und c) seien mangels Beschwer unzulässig.
Sie habe die so genannte Marktübersicht von ihrer Homepage unter Hinweis darauf
entfernt, dass diese überarbeitet werde, da häufig und kurzfristig Preisänderungen für
Arzneimittel stattfänden und die Liste aktualisiert werden müsse. Die mit dem konkreten
Antrag genannten Tagestherapiekosten würden dann ggf. nicht mehr fortgeschrieben.
Möglicherweise werde dann auch ein Vergleich zwischen Neupro® und Requip® nicht
mehr vorgenommen. Sie habe nie behauptet, das zugelassene Anwendungsgebiet von
Neupro® sei auf die Behandlung von Morbus Parkinson im Frühstadium begrenzt. Die
Marktübersicht stelle auf die Hauptindikation der zu vergleichenden Präparate ab.
Falsch sei die Behauptung, sie - die Antragsgegnerin - wolle das Präparat Neupro® aus
der vertragsärztlichen Versorgung verdrängen. Rechtsgrundlage für die Information der
ihrer Mitglieder sei § 84 Abs. 1 SGB V i. V. m. § 73 Abs. 8 SGB V. Die
Arzneimittelvereinbarung 2007 sehe für die verschiedenen Fachgruppen
unterschiedliche Quoten vor, innerhalb derer so genannte Me-Too-Präparate verordnet
werden könnten. Die Me-Too-Liste ergänze die Arzneimittelvereinbarung und die
Marktübersicht gebe in einem weiteren Schritt Verordnungsempfehlungen. Die
Verordnungsfähigkeit einzelner Präparate werde nicht in Frage gestellt. Vielmehr weise
sie - die Antragsgegnerin - ihre Mitglieder darauf hin, dass jene die letzte Entscheidung
über die Verordnung träfen. Die Me-Too-Liste stelle keine Negativliste dar. Die
Marktübersicht gebe keine konkreten Substitutionsaufforderungen. Es handele sich um
eine informative Hilfestellung für die Vertragsärzte dergestalt, dass verschiedene
pharmakologisch-therapeutisch gleichwertige Präparate genannt würden. Die
Tagestherapiekosten würden nach der gesetzlich vorgeschriebenen Methode ermittelt.
Soweit die Antragstellerin auf eine Stellungnahme der KV Baden-Württemberg
verweise, könne sie hieraus nichts herleiten, denn die KV Baden-Württemberg habe
zwangsläufig dazu kommen müssen, dass Neupro® günstiger als Requip® sei, da sie
nicht die mittlerweile amtlichen DDD-Werte für Ropinirol von 6 mg herangezogen habe.
Zwar erscheine es nicht aufklärungsbedürftig, dass bei Patienten mit
Schluckbeschwerden die Applikationsform mittels eines Pflasters vorteilhaft sei.
Hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils sei jedoch eine Gesamtbetrachtung
durchzuführen. Substanzbedingte Nebenwirkungen an der Applikationsstelle des
transdermalen Pflasters bei Anwendung von Neupro® würden wesentlich häufiger als
unter Placebopflaster auftreten. Auch sei transdermal verabreichtes Neupro® im
direkten Vergleich weniger wirksam als der orale nicht ergolinische
Dopaminrezeptoragonist Ropinirol. Die Me-Too-Quoten würden unter Heranziehung
feststellbarer Verordnungsdaten ermittelt. Nicht nachvollziehbar seien die Ausführungen
der Antragstellerin, der behandelnde Arzt werde vor die Wahl gestellt, Parkinson-
Patienten einer "Unterversorgung auszusetzen". Innerhalb der Quoten sei die
Verordnung von Originalpräparaten möglich. Ungeachtet dessen könne des Präparates
Neupro® substituiert werden.
43
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Streitakte
Bezug genommen.
44
II.
45
Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
46
Der angefochtene Beschluss des SG ist nicht zu beanstanden.
47
Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache,
soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung
nach Maßgabe der in Absatz 1 bzw. Absatz 2 genannten Voraussetzungen treffen.
Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-ÄndG (BGBI. l S. 2144 ff.) ist der
einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80,
80 a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu
übertragen (Senatsbeschlüsse vom 18.09.2002 - L 10 B 9/02 KA ER - und vom
23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -). Danach ist zwischen Sicherungs- (§ 86 b Abs. 2
Satz 1 SGG) und Regelungsanordnung (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG) zu unterscheiden.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der
Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen
gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs
(Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung
(Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920
Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Droht dem Antragsteller bei Versagung des
einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende
Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht
mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher
und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs -
einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -;
Senatsbeschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -), es sei denn, dass
ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen
(BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze
der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre
Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können
(BVerfG NJW 1997, 479, 480; Senatsbeschlüsse vom 15.11.2006 - L 10 B 14/06 KA ER
- und 12.02.2007 - L 10 B 35/06 KA ER - ).
48
Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich:
49
1. Antrag zu 1 a)
50
a) Ein Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft gemacht. Den Anordnungsgrund definiert §
86 b Abs. 2 SGG für die Sicherungsanordnung einerseits und Regelungsanordnung
andererseits jeweils eigenständig. Die Sicherungsanordnung setzt die Gefahr voraus,
dass durch die Veränderung des bestehenden Zustand die Verwirklichung eines Rechts
des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG),
hingegen verlangt die Regelungsanordnung, dass die Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG). Hierunter fallen die
praktisch häufigen Fälle eines Verpflichtungs- oder Leistungsbegehrens (vgl. Düring in
Berliner Kommentare, SGG, 2. Auflage, 2006, § 86 b Rdn. 11). Die Abgrenzung der
Sicherungs- von der Regelungsanordnung ist unsicher. Sie ist letztlich unerheblich,
denn beide Fälle unterliegen derselben Behandlung (hierzu Hartmann in
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Auflage, 2007, § 940 Rdn. 1). Ein
striktes "Entweder/Oder" zwischen Regelungs- und Sicherungsanordnung besteht
demgemäss nicht (Senatsbeschluss vom 14.12.2006 - L 10 B 21/06 KA ER -, so im
51
Ergebnis wohl auch OVG Münster vom 02.05.1979 - XV B 578/79 -). Die Antragstellerin
befürchtet Eingriffe in ihre Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie eine
Verletzung des Eigentumsschutzes (Art. 14 Abs. 1 GG). Für die Prüfung, ob und
inwieweit die streitige Regelung wesentliche Nachteile zur Folge hat oder eine
Rechtsverwirklichung vereitelt bzw. wesentlich erschwert, ist grundsätzlich auf die
wirtschaftlichen Folgen der in geschützte Rechtsgüter (Art, 12, 14 GG) eingreifenden
Regelung abzustellen.
Der Umsatz der Antragstellerin beläuft sich nach den Ermittlungen des SG im
Geschäftsjahr 2006 auf ca. 1 Mrd. EUR. Den Umsatzverlust für 2007 prognostiziert die
Antragstellerin auf ca. 700.000,00 EUR. Bezogen auf den Gesamtumsatz entspricht dies
einer Quote von 0,07 %. Soweit die Antragstellerin diesen Ansatz angreift, führt das im
Ergebnis nicht weiter. Zutreffend verweist sie zwar darauf, dass die
streitgegenständliche Me-Too-Liste zwischenzeitlich auch von anderen KVen eingesetzt
wird und damit Präzedenzcharakter hat. Ob und inwieweit ihre Folgerung zutrifft, damit
sei letztlich der Gesamtumsatz von Neupro® in Höhe von derzeit ca. 7 Mio. EUR
bedroht, mag dahinstehen. Streitgegenstand ist allein die von der Antragsgegnerin
verwandte Me-Too-Liste. Andere KVen sind nicht verfahrensbeteiligt. Zwar mag es ggf.
angehen, auch mittelbare Auswirkungen in die Prüfung des Anordnungsgrundes
einzubeziehen. Das kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn diese Auswirkungen
eine zwangsläufige Folge der angegriffenen Regelung sind. Das ist nicht der Fall, wenn
und soweit andere KVen - wie hier - die Me-Too-Liste der Antragsgegnerin ganz oder
teilweise auf der Grundlage eines eigenen Entscheidungsprozesses übernehmen.
52
Der Antragstellerin ist zuzugeben, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen auch unter
Berücksichtigung der Dauer des anhängig gemachten Hauptsacheverfahrens zu
berücksichtigen sind. Bei einer perspektivischen Verfahrensdauer von drei bis fünf
Jahren und einem jährlichen Umsatzverlust von ca. 700.000,00 EUR ergäbe sich ein
Umsatzverlust von 2,1 Mio EUR bis 3,5 Mio EUR. In Relation zum Gesamtumsatz von
ca. 3 Mrd. EUR für drei Jahre bzw. 5 Mrd. EUR für fünf Jahre deutet sich indes auch
insoweit an, dass es am Anordnungsgrund fehlt. Zwar hat der Senat im Beschluss vom
09.07.2004 - L 10 B 6/04 KA ER - (GesR 2004, 418, 420) deutlich gemacht, dass er
angesichts des 6. SGG-ÄndG nicht mehr in vollem Umfang an den zuvor aufgestellten
hohen Anforderungen an den Anordnungsgrund festhält und es nunmehr ausreicht,
wenn wesentliche Nachteile glaubhaft gemacht werden. Ein Umsatzverlust von 0,07 %
genügt diesen Anforderungen jedoch grundsätzlich nicht (vgl. auch Senatsbeschluss
vom 14.12.2006 - L 10 B 21/06 KA ER -: Umsatzverlust von 5 % nicht ausreichend).
Auch soweit die Antragstellerin meint, es dürfe nicht auf den Jahresumsatz unmittelbar
nach der Markteinführung abgestellt werden, da sukzessiv nach der Einführung eines
Präparats mit Umsatzsteigerungen zu rechnen sei, ist der Anordnungsgrund nicht
glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin mag zwar ihre betriebswirtschaftliche Planung
auf perspektivische Umsatzsteigerungen eingerichtet haben. Ob sich die Erwartungen
der Antragstellerin hinsichtlich einer Amortisation des Präparats Neupro® letztlich
realisieren, hängt indessen von einer Vielzahl von Faktoren ab. Eine verlässliche
Prognose hierüber ist nicht möglich. Mithin fehlt an den nötigen Fakten, um den
Anordnungsrund insoweit glaubhaft machen zu können. Zutreffend verweist die
Antragstellerin darauf, dass die vormalige Judikatur der Sozialgerichte zu den
Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes ("Existengefährdung") infolge des
6. SGG-ÄndG überholt ist (vgl. Frehse in Schnapp/Wigge, Handbuch des
Vertragsarztrechts, 2. Auflage, 2006, § 23 Rdn. 126). Demzufolge kann ein
Anordnungsgrund auch dann vorliegen, wenn erhebliche und über Randbereiche
53
hinausgehende Verletzungen von Grundrechten zu besorgen sind (Frehse a.a.O.). Das
ist nach Auffassung der Antragstellerin der Fall, da ein einzelnes Produkt Teil des
eingerichteten und ausgeübten Gewerbetriebs sei und damit dem Schutz des Art. 12 GG
unterliege. Unterstellt der Senat, dass dieser Ansatz zutrifft, führt auch das nicht weiter.
Allein eine etwaige Rechtsverletzung begründet keinen Anordnungsgrund. Anderenfalls
würde jedes rechtswidrige Handeln einer Behörde einen Anordnungsgrund erfüllen,
mithin zu einer konturenlosen Ausuferung des einstweiligen Rechtsschutzes führen
(Frehse a.a.O. Rdn. 124 m.w.N.). Deswegen ist es in solchen Fällen geboten,
weitergehend danach zu fragen, ob die erhebliche Grundrechtsverletzung bei einer die
Klage stattgebenden Entscheidung irreparabel ist und ob dem einstweiligen
Rechtsschutzbegehren nicht ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige
Gründe entgegenstehen (Frehse a.a.O. Rdn. 120 m.w.N.). Letzteres ist der Fall. Die
Interessenabwägung führt dazu, dass dem Interesse der Antragsgegnerin an der
Umsetzung der Arzneimittelvereinbarung und dem Erreichen der Wirtschaftlichkeitsziele
der Vorrang zu geben ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat
insoweit in entsprechender Anwendung des § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die als
zutreffend erachteten Ausführungen des SG. Es hat dem Zweck der
Arzneimittelvereinbarung "Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen
Krankenversicherung" insoweit besonderes Gewicht beigemessen. Das ist im
Grundsatz nicht zu beanstanden. Allerdings liefe diese Erwägung leer, wenn die auf
Auffassung der Antragstellerin zutreffen würde, Neupro® sei im Ergebnis preisgünstiger
als das Konkurrenzprodukt Requip®. Dem ist die Antragsgegnerin entgegengetreten. Im
einstweiligen Rechtsschutzverfahren, dessen Resourcen notwendigerweise begrenzt
sind, lässt sich nicht klären, welche der entgegengesetzten Auffassungen zutrifft. Hierzu
bedarf es nötigenfalls umfangreicher Sachaufklärung. Diese bleibt dem
Hauptsacheverfahren vorbehalten. Soweit die Antragstellerin meint, dass ein Abwarten
der Hauptsacheentscheidung jedenfalls dann nicht zumutbar ist, wenn mit hoher
Wahrscheinlichkeit ein Anordnungsanspruch besteht, tritt der Senat dem rechtlichen
Ansatz grundsätzlich bei. Allerdings lässt sich derzeit nicht feststellen, dass die
Klassifizierung von Neupro® als Analogpräparat offensichtlich falsch ist (hierzu unten).
Auch der Hinweis der Antragstellerin darauf, ihr Produkt Neupro® werde faktisch vom
Markt verdrängt, rechtfertigt keinen Anordnungsgrund. Die Marktverdrängung als solche,
wenn sie denn einträte, stellt keinen wesentlichen Nachteil dar. Dieser Effekt muss
grundsätzlich mit wesentlichen finanziellen Nachteilen einhergehen. Anderenfalls
müsste ein Anordnungsgrund schon dann angenommen werden, wenn ein Produkt, das
für den Gesamtumsatz des Herstellers letztlich bedeutungslos ist und auch nur minimale
Marktanteile erzielt, einem wie auch immer gearteten Verdrängungsprozess ausgesetzt
wird. Dass eine solche Konstellation schwerlich einen "wesentlichen Nachteil" im Sinn
des § 86 b Abs. 2 SGG jedenfalls dann darstellt, wenn ein Obsiegen in der Hauptsache -
wie hier - nicht überwiegend wahrscheinlich ist, drängt sich auf (vgl. Senatsbeschluss
vom 12.02.2007 - L 10 B 35/06 KA ER -).
54
Soweit das SG darauf verweist, etwaige finanzielle Nachteile könnten ggf. durch
Sekundäransprüche kompensiert werden, ist hieran festzuhalten (hierzu
Senatsbeschluss vom 12.02.2007 - L 10 B 35/06 KA ER -). Die hiergegen gerichteten
Angriffe der Antragstellerin führen nicht weiter. Die Erwägungen des SG sind nicht
tragend, wie aus der Formulierung "im Übrigen" folgt. Entsprechendes gilt für die
Ausführungen des Senats im Beschluss vom 12.02.2007 - L 10 B 35/06 KA ER -. Damit
erübrigt sich insoweit eine vertiefende Auseinandersetzung mit den Argumenten des
Antragstellerin.
55
b) Vorsorglich: Der Anordnungsanspruch ist nicht überwiegend wahrscheinlich.
56
aa) Materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin ist ein
auf § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. GG
beruhender Abwehranspruch. Die Antragstellerin kann geltend machen, durch die
angegriffene Maßnahme in ihren Chancen auf gleichberechtigten Zugang zum Markt der
in der GKV eingesetzten Arzneimittel beeinträchtigt zu sein, sofern es für das Handeln
der Antragsgegnerin keine Rechtsgrundlage gibt bzw. ihre Qualifizierung von Neupro®
als "Me-Too-Präparat" im Sinne der Arzneimittelvereinbarung inhaltlich unzutreffend ist
(LSG NRW vom 27.06.2006 - L 11 B 31/06 KA ER -). Das lässt sich derzeit nicht mit der
für den vorläufigen Rechtsschutz gebotenen Wahrscheinlichkeit festzustellen.
57
b) Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung der Me-Too-Liste ist § 84 Abs. 1 SGB V.
Danach hat die Antragsgegnerin mit den Landesverbänden der Krankenkassen eine
Arzneimittelvereinbarung zu treffen, die neben einem Ausgabenvolumen für Arzneimittel
auch Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsätze dieser
Ziele ausgerichtete Maßnahmen, insbesondere zur Information und Beratung enthalten
soll. In Erfüllung dieses gesetzlichen Auftrags haben die Vertragspartner zum einen
Wirtschaftlichkeits- und Versorgungsziele (§ 4 Abs. 2 der Vereinbarung) vereinbart und
sich zum anderen in § 5 Abs. 2 sowohl zu einer allgemeinen Unterrichtung der Ärzte
über die Vereinbarung und die Notwendigkeit einer Änderung des
Verordnungsverhaltens als auch einer gezielten Information über die therapeutischen
Bewertung einzelner Arzneimittel verpflichtet. Dem dienen die angegriffenen
Maßnahmen, insbesondere die Veröffentlichung der Me-Too-Liste. Das BSG hat die
Ermächtigung des Bundesausschusses zum Erlass von Richtlinien für eine
wirtschaftliche Verordnung (§ 92 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 6 SGB V) für
ausreichend gehalten, um zur Konkretisierung des den Vertragsarzt unmittelbar
bindenden Wirtschaftlichkeitsgebotes Therapiehinweise zu erlassen (BSG vom
31.08.2006 - B 6 KA 13/05 R -). Auch die Vorgaben des § 84 Abs. 1 SGB V dienen der
Einhaltung und Erfüllung des Wirtschaftlichkeitsgebots. Bei der Neufassung des § 84
Abs. 1 SGB V durch das Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz (ABAG) hat der
Gesetzgeber ausdrücklich gefordert, Wirtschaftlichkeitsziele hinsichtlich der
bevorzugten Verordnung von Generika und Analogpräparaten zu vereinbaren (BT-
Drucksache 14/6309, 7). Somit stellt § 84 Abs. 1 SGB V eine ausreichende
Rechtsgrundlage für die zur Umsetzung der hier getroffenen Arzneimittelvereinbarung
dienenden Maßnahmen der Antragsgegnerin dar (vgl. auch Beschluss des LSG NRW
vom 27.06.2006 - L 11 B 31/06 KA ER -; Senatsbeschlüsse vom 09.08.2006 - L 10 B
6/06 KA ER -, 15.11.2006 - L 10 B 14/06 KA ER - und 12.02.2007 - L 10 B 35/06 KA ER
-).
58
Die im Beschluss des 5. Senats des LSG NRW vom 31.08.2000 - L 5 B 32/99 KR -
vertretene Auffassung, dass grundsätzlich Zweifel an der Zulässigkeit eines
Preisvergleichs auf der Grundlage der DDD bestehen, ist durch die Regelung des § 73
Abs. 8 SGB V (eingefügt durch das Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz )ABAG) vom
19.12.2001, BGBl. I, 3773) und insbesondere durch dessen Ergänzung durch das GKV-
Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 (BGBl. I, 2190) überholt. Die Kassenärztlichen
Vereinigungen (KV) sind nach § 73 Abs. 8 Satz 1 SGB V verpflichtet, Ärzte auch
vergleichend über preisgünstige verordnungsfähige Leistungen zu informieren. Gemäß
Satz 4 sind die Kosten der Arzneimittel je Tagesdosis nach den Angaben der
anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikation, die nach Satz 5 vom Deutschen
59
Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegeben wird,
anzugeben. Das Gesetz erlaubt also jedenfalls seit dem 01.01.2004 die Verwendung
der ATC-Klassifikation mit definierten Tagesdosen zur Angabe von
Tagestherapiekosten. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass § 78 Abs. 8 Satz
4 und Satz 5 SGB V zur Angabe der Arzneimittelskosten/Tagesdosis auf der Grundlage
der DDD-Daten nur nach Maßgabe der vom Deutschen Institut für Medizinische
Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegebenen Klassifikation rechtfertigt,
trifft dies zwar zu, führt aber nicht weiter. Der Senat sieht in § 84 Abs. 1 SGB V eine
eigenständige und von § 73 Abs. 8 SGB V zu trennende Ermächtigungsgrundlage. Aus
der Gesetzesbegründung zu § 84 SGB V folgt, dass die auf Versorgungs- und
Wirtschaftlichkeitsziele ausgerichteten Maßnahmen auch Informationen der
Vertragsärzte umfassen (BT-Drs. 14/6309). Im Gesetzeswortlaut hat diese Vorstellung
ihren Niederschlag gefunden. Darin wird den Vertragspartnern ausdrücklich
vorgegeben, dass die Vereinbarung auch Maßnahmen zur Information enthalten muss.
Hierbei handelt es sich um ein Aliud zu den in § 73 Abs. 8 SGB V geregelten
Informationsmechanismen, da § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V sonst schlicht überflüssig
wäre. Das kann angesichts der Gesetzbegründung nicht angenommen werden. Im
Übrigen ist § 73 Abs. 8 SGB V dem Ersten Titel des Zweiten Abschnitts des Vierten
Kapitels des SGB V zugeordnet. Hierin finden sich die gesetzlichen Grundlagen für die
Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung (§§ 72-76 a SGB V). Demgegenüber
unterfällt § 84 SGB V dem Dritten Titel - Verträge auf Bundes- und Landesebene.
Gesetzgebungstechnisch folgerichtig stellt deshalb § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V nicht
nur eine Ermächtigungsgrundlage für arztbezogene Informationen dar. Der Gesetzgeber
hat den Vertragsparteien vielmehr bindend den Vertragsinhalt vorgegeben, nämlich
konkrete Maßnahmen zur Umsetzung von Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitszielen,
insbesondere zwecks Information, zu vereinbaren. Damit steht § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
SGB V in einem ganz anderen Zusammenhang als die nicht abschließende Regelung
des § 73 Abs. 8 SGB V und stellt eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für § 4
(Zielvereinbarung) und § 5 (Maßnahmen zur Zielerreichung) der
Arzneimittelvereinbarung dar. Dies wiederum bedeutet, dass die auf § 5 Abs. 2 dieses
Vertragswerks beruhende Informationspflicht der Antragsgegnerin auf § 84 Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 SGB V als hinreichende Ermächtigungsgrundlage zurückzuführen ist.
Selbst wenn man mit der Antragstellerin § 73 Abs. 8 SGB V als maßgebend ansehen
würde, ergäbe sich letztlich nichts anderes. Der Senat entnimmt dieser Regelung nicht,
dass die Angabe eines DDD-Wertes Zulässigkeitsvoraussetzung für den im
Zusammenhang mit der Me-Too-Liste erstellten Kostenvergleich ist. Der DDD-Wert stellt
lediglich ein technisches Maß zur Erfassung des Arzneimittelverbrauchs dar; er bildet
nicht die therapeutisch äquivalente Dosierung ab. Rotigotin ist im ATC-Index mit DDD-
Angaben des DIMDI von 2007 in die Gruppe der Dopaminagonisten unter dem ATC-
Code N04BC09 aufgenommen werden. Allerdings fehlt es bislang an einem DDD-Wert.
Deswegen ist für die Berechnung der DDD-Kosten von Neupro® mit dem Wirkstoff
Rotigotin der DDD-Vorschlag der WHO (Collaborating Centre for Drug Statistics
Methodology) verwendet worden. Diese Verfahrensweise entspricht - was der
Antragstellerin zuzugeben ist - nicht vollumfänglich den Vorgaben des § 73 Abs. 8 Satz
5 SGB V. Das führt indes nicht weiter. Die Erhaltung der finanziellen Stabilität der
gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Gemeinwohlbelang von hohem Rang
(BVerfGE 82, 201, 230). Das Bemühen darum, die Wirtschaftlichkeit und
Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung sicherzustellen, rechtfertigt es
angesichts des in § 73 Abs. 8 SGB V zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen
Willens, einen Therapiekostenvergleich schon dann durchzuführen, wenn hierfür eine
60
verlässliche Grundlage existiert. Das ist vorliegend der Fall. Der Senat sieht es
jedenfalls dann als unbedenklich an, den DDD-Vorschlag für Rotigotin zu Grunde zu
legen, wenn dieser im Anhörungsverfahren unbeanstandet worden ist und mit den
Dosierungsangaben von Neupro® in der Zulassung des European Medicines Agency
(EMEA) und der Fachinformation der Herstellerfirma im Wesentlichen übereinstimmt.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Einwände gegen den Vorschlag der WHO-
Arbeitsgruppe sind nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin nicht
erhoben worden. Der DDD-Vorschlag der WHO-Arbeitsgruppe stimmt ausweislich der
Zusammenfassung des Europäischen Öffentlichen Beurteilungsberichts (EPAR) vom
Februar 2006 mit den Dosierungsangaben von Neupro® in der EMEA-Zulassung
überein. Ferner folgt aus den Dosierungsempfehlungen der Antragstellerin ein nur
geringfügig über dem WHO-Vorschlag liegender Mittelwert von 7 mg/tgl. für Neupro®.
Hiervon losgelöst geht die Antragstellerin ohnehin von einer durchschnittlichen
Tagesdosis von 6 mg aus. Insgesamt ergibt sich hieraus - nach summarischer Prüfung -
eine hinreichend verlässliche Grundlage für die Vergleichsberechung.
c) Die in der Qualifizierung als Me-Too-Präparat im Sinne der Arzneimittelvereinbarung
enthaltene Bewertung des therapeutischen Nutzens wird nicht durch § 35 b SGB V
ausgeschlossen. Diese Vorschrift regelt Einzelheiten zu den Aufgaben des nach § 139
a Abs. 1 SGB V errichteten Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im
Gesundheitswesen (IQWiG) bzgl. der Nutzenbewertung von Arzneimitteln. Der
Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 15/1525, 88) lässt sich nicht entnehmen, dass
damit dem IQWiG die ausschließliche Nutzenbewertung von Arzneimitteln übertragen
ist. Zutreffend weist das Sozialgericht München im Beschluss vom 18.05.2006 (S 47 KR
444/06 ER) darauf hin, dass in diesem Fall jede Darstellung der Antragsgegnerin bzw.
der Krankenkassen mit Hinweisen auf wissenschaftliche Erkenntnisse zu Arzneimitteln
gesetzwidrig wäre und auch die Beschränkung des IQWiG auf Fragen grundsätzlicher
Bedeutung und das beschränkte Antragsrecht für ein Tätigwerden des Instituts gegen
eine "Sperrwirkung" des § 35 b SGB V spreche. Die Einführung eines Verfahrens mit
transparenten Bewertungskriterien und Beteiligungs- und Mitwirkungsrechten beruht
darauf, dass die Empfehlungen des IQWiG die fachliche Grundlage für Beschlüsse des
GBA nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V bilden. Die vom GBA in den Arzneimittel-
Richtlinien vorgenommenen Bewertungen entfalten im Verhältnis zu Krankenkassen,
Ärzten und Versicherten gleichermaßen rechtliche Wirkung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 27
Nr. 9). Deswegen ist es konsequent, dass der Gesetzgeber eine besondere Regelung
für das Verfahren in § 35 b SGB V getroffen hat. Die rechtliche Systematik des SGB V
steht dem nicht entgegen. Einzuräumen ist, dass der Gesetzgeber eine Nutzbewertung
von Arzneimitteln durch den GBA nur insoweit vorsieht, als integraler Bestandteil des
Bewertungsvorgangs ein transparenter Entscheidungsprozess unter Einbeziehung der
hiervon betroffenen Fachkreise ist (vgl. §§ 92 Abs. 2, 139 a ff. SGB V). Das betrifft
indessen nur die von diesem Gremium zu beachtenden Verfahrensmodalitäten. Hieraus
kann nicht hergeleitet werden, dass es der Antragsgegnerin zu 1) verwehrt wäre, die
Me-Too-Liste zu erstellen und zu veröffentlichen. Rechtsgrundlage hierfür ist - wie
dargestellt - § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V. Den bindenden Vorgaben des
Gesetzgebers müssen die in § 84 Abs. 1 Satz 1 genannten Vertragspartner
nachkommen. Dass es sich bei den unter Nr. 2 genannten Maßnahmen, insbesondere
um ein Aliud zu den in § 73 Abs. 3 SGB V geregelten Mechanismen handelt, hat der
Senat bereits ausgeführt. Für das Verhältnis zu den Regelungen, denen der GBA
unterliegt, gilt nichts anderes. Eine ausschließliche Zuständigkeit zur Nutzenbewertung
von Arzneimitteln vermag der Senat dem Normengeflecht der §§ 84 Abs. 1, 92 Abs. 2,
139 a ff. SGB V nicht zu entnehmen. Dies gilt insbesondere auch deswegen, weil die
61
mittels der Me-Too-Liste implizierte Bewertung nicht verbindlich ist. Angesichts der unter
§ 4 Abs. 2 Nr. 2 der Vereinbarung definierten Quoten für die dort genannten Arztgruppen
verbleibt den jeweiligen Vertragsärzten die Möglichkeit, in den ihnen geboten
erscheinenden Fällen ohne für sie negative Folgen auch Analogpräparate zu verordnen.
Im Beschluss vom 09.08.2006 - L 10 B 6/06 KA ER - hat sich der Senat ausführlich mit
der Frage beschäftigt, ob und inwieweit die Me-Too-Liste bzw. das damit
zusammenhängende Regelwerk in die Therapieverantwortung des Arztes eingreift. Der
Senat hat dies verneint.
d) Die Einordnung von Medikamenten als Me-Too-Präparate ist ausreichend bestimmt.
Zwar wird der Begriff des Me-Too-Präparates in der Vereinbarung nicht selbst definiert.
Es handelt sich aber um einen seit Anfang der achtziger Jahre eingeführten Begriff, der
nicht nur dem seit Jahren erscheinenden Arzneiverordnungsreport, sondern auch den
nach § 84 Abs. 5 Satz 4 erstellten GKV-Arzneimittelschnellinformationen (GAmSi) zu
Grunde liegt. Für die interessierten Kreise ist die Einstufung ausreichend transparent (so
auch LSG NRW vom 27.06.2006 - L 11 B 31/06 KA ER -; Senatsbeschluss vom
15.11.2006 - L 10 B 14/06 KA ER -). Soweit sich die Einstufungen wiederholt ändern,
kann die Antragstellerin hieraus nichts zu Ihren Gunsten herleiten. Ob und inwieweit die
Me-Too-Liste bzw. die Me-Too-Quote eine steuernde Funktion entfalten können, wenn
und soweit die von ihr erfassten Präparate auch im Verlauf eines Jahres ausgetauscht
werden, mag problematisch erscheinen, ist indessen nicht zu beanstanden. Präparate
werden gestrichen, wenn sie außer Handel waren oder keine pharmakologisch-
therapeutisch vergleichbaren preisgünstigeren Alternativen mehr existieren (KVNO-
Ticker 16/2006 Seite 1). Im Übrigen ist der Umsatzanteil der Me-Too-Präparate im
Bezirk der Antragsgegnerin zu 1) in 2006 auf 13,5 % gesunken
(www.kvno.de/presse/meld2007/meld2006/metoo generika07.html).
62
e) Die Arzneimittelvereinbarung ist auch nicht deswegen rechtswidrig, weil die
Rahmenvorgaben nach § 84 Abs. 7 SGB V nicht beachtet worden wären. Die
Rahmenvorgaben für das Jahr 2006 haben die Spitzenverbände der Krankenkassen
und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) am 06.10.2005 vereinbart (DÄBl. Nr.
48 vom 02.12.2005, S. A 3366). Hiervon dürfen die Vertragsparteien des § 84 Abs. 1
SGB V nur abweichen, soweit dies durch die regionalen Versorgungsbedingungen
begründet ist (§ 84 Abs. 7 Satz 3 SGB V). Soweit es um die Erhöhung der Generika-
Quote bzw. Reduzierung der Verordnung von Me-Too-Präparaten sowie um die Frage
geht, wie zu verfahren ist, wenn die Zielvereinbarungen verfehlt werden, finden sich in
der Rahmenvorgabe vom 06.10.2005 keinerlei Regelungen. Dies führt indes weder zur
Rechtswidrigkeit der Arzneimittelvereinbarung noch der darin geregelten
Zielvereinbarungen noch der Me-Too-Liste. Die Rahmenvorgabe des § 84 Abs. 7 SGB
V bindet die Vertragsparteien des § 84 Abs. 1 SGB V nur relativ, nämlich insoweit als
eine Regelung getroffen wird. Fehlt es hieran, tritt keine Bindung ein. Die ergibt sich
daraus, dass die Vertragsparteien des § 84 Abs. 1 SGB V nur unter den in Abs. 3
genannten Voraussetzungen von den Rahmenvorgaben abweichen dürfen. M.a.W:
Bindend sind Vorgaben; fehlt es an Vorgaben, sind die Vertragsparteien des § 84 Abs. 1
SGB V frei. Das wiederum bedeutet, dass die Vertragspartner nicht durch
Rahmenvorgaben gehindert sind, Zielvereinbarungen hinsichtlich der Erhöhung der
Generika-Quote zu treffen. Im Übrigen enthält Nr. 3 der Rahmenvorgabe ausdrücklich
nur Empfehlungen für Zielvereinbarungen mit Beispielen und Berechnungsmustern. f)
Soweit die Antragstellerin vorträgt, die Antragsgegnerin sei aufgrund falscher Auswahl
des Tatsachenmaterials und falscher Berechnung zu dem fehlerhaften Ergebnis
gelangt, dass Neupro® teurer als das konkurrierende Präparat Requip® sei, würde dies
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einen Unterlassungsanspruch begründen, wenn diese Behauptung zuträfe.
Hoheitsträger sind zu vergleichenden Äußerungen nur befugt, wenn diese zutreffen
(BVerfGE 40, 287, 293; BSG vom 24.11.2004 - B 3 KR 23/04 R -, Senatsbeschluss vom
12.02.2007 - L 10 B 35/06 KA ER -). Nach summarischer Prüfung ist derzeit nicht
ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die Tagestherapiekosten unzutreffend ermittelt hat.
Die Antragsgegnerin hat diese in Anlehnung an § 73 Abs. 8 Satz 4 und 5 SGB V
bestimmt. Der von der WHO definierte DDD-Wert für den Wirkstoff Ropinirol in Höhe von
6 mg wurde erstmals 2005 in die vom DIMDI erstellte amtliche Fassung des ATC-Index
übernommen und damit verbindlich für Informationen nach § 73 Abs. 8 SGB V. Die
Antragstellerin tritt dem entgegen, indem sie darauf verweist, dass die
Dosierungsleitlinien der AWMF für Requip® 9-24 mg/tgl. vorsehen. Ausgehend hiervon
ergäben sich Tagestherapiekosten von 9,60 EUR für Neupro® und von 11,54 EUR für
Requip®. Der Senat lässt offen, ob und inwieweit dies zutrifft. Ungeachtet des
Umstandes, dass die derzeitige Leitlinie nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag
der Antragsgegnerin lediglich das vorläufige Ergebnis von Konsensuskonferenzen ist
und nicht auf evidenzbasierten Grundlagen beruht, entfaltet sie keinerlei rechtliche
Verbindlichkeit. Im übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Auffassungen beider
Beteiligter zur Frage, nach welchen Kriterien und auf der Grundlage welcher Tatsachen
ein Therapiekostenvergleich durchzuführen ist, diametral voneinander abweichen. Auf
die hierzu schriftsätzlich jeweils eingehend dargelegten Argumente wird Bezug
genommen. Die letztendliche Klärung bleibt, soweit entscheidungserheblich, dem
Hauptsacheverfahren vorbehalten.
g) Die Listung von Neupro® als Me-Too-Präparat ist nicht offensichtlich rechtswidrig. In
§ 4 Abs. 2 Nr. 2 der Arzneimittelvereinbarung werden Me-Too-Präparate als "ohne
relevanten höheren therapeutischen Nutzen, aber mit höheren Kosten" charakterisiert,
währenddessen es in den Vorbemerkungen der Me-Too-Liste heißt: "Als
patentgeschützte Analogpräparate werden alle patentgeschützten Arzneimittel mit
neuen Wirkstoffen bezeichnet, die basierend auf der Methode von Fricke und Klaus
(Arzneiverordnungsreport 1986-2005) als Analogpräparate mit keinem der marginalen
Unterschieden zu bereits eingeführten Wirkstoffen klassifiziert wurden". Die
Vorbemerkungen erläutern den in § 4 Abs. 2 Nr. 2 der Vereinbarung benutzten, dort aber
nicht näher definierten Begriff des Me-Too- Präparats. Der Zusatz "aber mit höheren
Kosten" ist kein notwendiger Bestandteil des Begriffs "Me-Too". Analogpräparate sind
keineswegs immer teuerer als bereits am Markt vorhandene Arzneimittel; sie können
sogar dazu beitragen, Wirtschaftlichkeitsreserven bei den Arzneiausgaben zu
mobilisieren. Demgemäß lautet die Überschrift der Me-Too-Liste richtigerweise auch nur
"Patentgeschützte Analogpräparate". Soweit es § 4 Abs. 2 Nr. 2
Arzneimittelvereinbarung anlangt, wird der Me-Too-Begriff um den Zusatz "aber mit
höheren Kosten" angereichert. Dies ist folgerichtig, weil auf das Verordnungsverhalten
der Vertragsärzte auch nur hinsichtlich der "Me-Too-Präparate mit höheren Kosten"
eingewirkt werden soll, um insoweit eine Kostenreduktion zu erreichen.
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Die Antragstellerin macht hierzu geltend, a) ein pharmakologisch-therapeutisch
vergleichbares Arzneimittel mit günstigeren Tagestherapiekosten in der Hauptindikation
sei nicht verfügbar, namentlich das Konkurrenzprodukt Requip® scheide als
Substitutionspräparat aus und b) Neupro® sei kein Me-Too-Präparat. Soweit die
Antragstellerin hierzu auf einen Vergleich der Therapiekosten verweist, führt das schon
deswegen nicht weiter, weil der Kostenvergleich - wie dargelegt - ggf. einer
umfänglichen Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten ist. Soweit die
Antragstellerin vorträgt, die Listung von Neupro® sei fehlerhaft, weil es sich hierbei um
65
den einzigen in Pflasterform verfügbaren, nicht ergolinen Dopaminagonisten handele,
trägt auch dies ihr Begehren nicht. Zwar mag es sein, dass bei Patienten mit
Schluckbeschwerden die Applikationsform mittels Pflasters evident vorteilhaft und
insoweit keine Sachaufklärung im Hauptsacheverfahren geboten ist. Indessen kommt es
für die Frage, ob ein Medikament als Me-Too-Präparat gelistet wird, nicht auf die
Darreichungsmodalitäten an. Maßgebend ist, ob Generika mit gleichartigen Wirkstoffen
zur Verfügung stehen (vgl. die Vorbemerkungen zur Me-Too-Liste). Hierzu werden im
Hauptsacheverfahren nötigenfalls umfangreiche Ermittlungen durchzuführen sein.
h) Bei dieser Sachlage lässt sich auch im Rahmen der Folgenabwägung die beantragte
einstweilige Anordnung nicht rechtfertigen. Die Antragstellerin beklagt
Umsatzrückgänge. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass es ein besonderes
Anliegen des Gesetzgebers ist, die Arzneimittelausgaben zu steuern. Im Jahre 2005
sind die Arzneimittelausgaben - bereinigt um die Rückführung des Herstellerrabatts - um
rund 2,5 Milliarden EUR gestiegen (s. die Begründung zum Gesetz zur Verbesserung
der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung BT-Drucksache 16/194, 6). Der
Gesetzgeber wertet dies als Verstoß sowohl gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip in der
gesetzlichen Krankenversicherung als auch gegen den Grundsatz der
Beitragssatzstabilität (a.a.O.). Durch § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V wird deutlich, dass
der Gesetzgeber ein sofortiges Reagieren der KV en auf sich abzeichnende
Überschreitungen des vereinbarten Ausgabenvolumens erwartet. Hiermit ist nicht zu
vereinbaren, wenn Steuerungsinstrumenten schon vorläufig ihre Wirkung genommen
wird. Im Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung
vom 26.04.2006 (BGBl. I, 984) hat der Gesetzgeber nunmehr in § 84 Abs. 7 a SGB V
den Spitzenverbänden und der KBV aufgegeben, Durchschnittskosten je definierter
Dosiereinheit auf Bundesebene zu vereinbaren, die Bestandteil der Vereinbarung nach
§ 84 Abs. 1 SGB V sind, wenn nicht die regionalen Vertragspartner eine abweichende
adäquate Regelung zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung
treffen (§ 84 Abs. 4 a SGB V i.d.F. des Gesetzes vom 26.04.2006). Der Gesetzgeber
geht bei dieser Regelung von erheblichen Wirtschaftlichkeitsreserven insbesondere bei
der therapiegerechten Auswahl von Wirkstoffen und Wirkstoffklassen aus (a.a.O., S. 10).
Dies zeigt die Bedeutung der Einhaltung der in der Arzneimittelvereinbarung getroffenen
Wirtschaftlichkeitsziele. Die finanzielle Stabilität der GKV ist ein Gemeinwohlbelang von
hohem Rang (BVerfGE 68, 193, 218; 82, 201, 230). Demzufolge wiegt das Interesse der
Antragsgegnerin daran, dass die Arzneimittelvereinbarungen umgesetzt und
Wirtschaftlichkeitsreserven realisiert werden, schwer.
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2. Antrag zu 1 b)
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Der Antrag ist unzulässig. Es fehlt am Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragsgegnerin hat
die Marktübersicht, in der die durchschnittlichen Tagestherapiekosten für Neupro® 2 mg
mit 23,81 EUR und Requip® 1 mg mit 10,56 EUR angegeben worden sind, aus ihren
Internetseiten entfernt. Die Marktübersicht wird nach ihren Angaben überarbeitet. Ob
und inwieweit diese Tagestherapiekosten fortgeschrieben werden bzw. eine
vergleichende Darstellung beider Präparate nicht mehr vorgenommen wird, ist derzeit
offen. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass dies geschieht, so dass
Wiederholungsgefahr bestehen könnte. Indessen hat die Antragstellerin erklärt, sie
wende sich nicht dagegen, dass in der Marktübersicht unzutreffende Abgabepreise für
Neupro® zu Grunde gelegt worden sind. Sie wende sich vielmehr dagegen, dass die
Preisvergleiche auf der Basis nicht sachgerechter Dosierungen vorgenommen worden
seien. Dieser Ansatz wiederum steht im Zusammenhang mit dem Antrag zu 1a). Der
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Senat erachtet - wie dargelegt - den Antrag zu 1a) als unbegründet, so dass auch der
Antrag zu 1 b) nicht weiterführt.
3. Antrag zu 1 c)
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Der Antrag ist unbegründet. Nach summarischer Prüfung ist das Indikationsgebiet nicht
fehlerhaft bezeichnet. Die Antragstellerin bezieht sich darauf, dass die Antragsgegnerin
insbesondere in der Marktübersicht (KVNO-Extra,Seite 2) behauptet habe, das
zugelassene Anwendungsgebiet von Neupro® sei auf die Behandlung von Morbus
Parkinson im Frühstadium begrenzt. Darin heißt es indessen lediglich:
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"In wenigen Fällen wurden andere Darreichungsformen vorgeschlagen, zum Beispiel
bei dem transdermalen Dopaminagonisten Neupro® (Wirkstoff Rotigotin), der zu
Behandlung des Morbus Parkinson im Frühstadium eingesetzt wird und bei direktem
Vergleich weniger wirksam als ein oraler nicht ergolinischer Dopaminagonist war
(European Medicines Agency 2006)."
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Zutreffend verweist die Antragstellerin darauf, dass es für die Frage, inwieweit eine
Angabe irreführend ist, nicht auf eine rein begriffliche Betrachtung ankommt,
maßgebend vielmehr die im Adressatenkreis erweckte Bedeutungsvorstellung ist.
Adressatenkreis sind die Mitglieder der Antragsgegnerin. Der Senat hat keine Zweifel,
dass diese in der Lage sind, den Fließtext der Marktübersicht (Seite 2) aufzunehmen
und zu verstehen. Hierin heißt es u.a.:
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"Die Klassifizierung der Analogpräparate basiert auf der Methode von Fricke und Klaus
(1982). In der hier vorgestellten Marktübersicht sind pharmakologisch-therapeutisch
vergleichbare Arzneimittel zu der veröffentlichten Analogliste mit der gleichen
Hauptindikation dargestellt, die nach Möglichkeit aus der gleichen pharmakologischen
Arzneimittelgruppe ausgewählt wurden."
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Der den Adressaten unschwer mögliche Abgleich beider Absätze bedeutet, dass a)
Neupro® zur Behandlung des Morbus Parkinson im Frühstadium eingesetzt wird und es
sich hierbei b) um die Hauptindikation dieses Präparats handelt. Eine Behauptung, dass
Neupro® auf die Behandlung des Morbus Parkinson im Frühstadium begrenzt ist, hat
die Antragsgegnerin demnach nicht aufgestellt. Zu beachten ist ferner, dass ausweislich
der Vorbemerkungen zur Me-Too-Liste 2007 Analogpräparate nur dann gelistet worden
sind, wenn im Zeitraum Januar bis Juni 2006 bundesweit mindestens 500
Verordnungen nach den Daten der GKV-Arzneimittel-Schnellinformation (GAmSI)
erreicht wurden und ein pharmakologisch-theraputisch vergleichbares Arzneimittel für
die Hauptindikation mit günstigeren Tagestherapiekosten für die verordnungshäufigste
Packungsgröße als Substitution verfügbar war. Im Referenzzeitraum Januar bis Juni
2006 war Neupro® lediglich als Monotherapie, um den Einsatz von Levodopa
hinauszuzögern (so die Herstellerinformation), zur symptomatischen Behandlung bei
idiopathischer Parkinsonerkrankung im Frühstadium zugelassen (hierzu die
Empfehlungen der EPAR von Februar 2006). Auf die weitergehenden Ausführungen der
Antragstellerin dahin, dass die Zulassung für Neupro® im Januar 2007 erweitert worden
ist und insbesondere die Hauptindikation für die auf dem Markt befindlichen Parkinson-
Präparate gerade nicht in der Behandlung des Frühstadiums sondern (auch) in der
Behandlung der Folgestadien liegt, kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Allerdings
wird die Antragsgegnerin bei einer Fortschreibung der Me-Too-Liste bzw. der
Marktübersicht die Indikationserweiterung ggf. berücksichtigen müssen.
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3. Antrag zu 2
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Der Hilfsantrag ist schon deswegen unbegründet, weil die Veröffentlichung der Anlagen
Ast 1 (Me-Too-Liste Stand 05.04.2007) und Ast 2 (Marktübersicht verordnungsrelevanter
pharmakologisch-therapeutisch vergleichbarer Wirtstoffe zur Liste patentgeschützter
Analogpräparate (Me-Too-Liste)) aufgrund der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
nur möglichen kursorischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu beanstanden
ist. Soweit es die Anlage Ast 3 anlangt, gilt grundsätzlich nichts anderes. Auch insoweit
ist auf das Hauptsachverfahren zu verweisen.
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Die Beschwerde konnte nach alldem keinen Erfolg haben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsordnung.
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Der Streitwert ergibt sich aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1, 4 Gerichtskostengesetz
(GKG). Maßgebend hierfür ist die von der Antragstellerin mit ca. 700.000,00 EUR -
bezogen auf ein Jahr - bezifferte Umsatzeinbuße.
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Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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