Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20.03.2001

LSG NRW: stationäre behandlung, treu und glauben, innere medizin, psychiatrische behandlung, psychiatrische klinik, verordnung, alkoholismus, depression, diagnose, intoxikation

Landessozialgericht NRW, L 5 KR 54/00
Datum:
20.03.2001
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 5 KR 54/00
Vorinstanz:
Sozialgericht Dortmund, S 8 KR 180/97
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund
vom 25.01.2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Die Parteien streiten über die Bezahlung der am 21.02.1996 begonnenen
Krankenhausbehandlung des Beigeladenen über den 05.03.1996 hinaus bis zum
16.04.1996 in Höhe von 11.622,66 DM nebst Zinsen.
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Der Kläger ist Inhaber der Klinik W ... in M ... Zwischen den Landesverbänden der
Krankenkasse und den Verbänden der Ersatzkassen in Nordrhein-Westfalen einerseits
und dem Kläger andererseits besteht ein Versorgungsvertrag nach § 109 i.V.m. § 108
Nr. 3 SGB V, wonach die Klinik W ... zur Erbringung stationärer
Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V zugelassen ist. Die Zulassung erstreckt sich
auf 45 Krankenhausbetten für die Behandlung psychosomatisch/psychovegetativer
Erkrankungen.
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Der bei der Beklagten versicherte Beigeladene wurde am 21.02.1996 in die Klinik W ...
aufgenommen. Der Vertragsarzt für innere Medizin F ... hatte unter dem 21.02.1996
Krankenhausbehandlung verordnet. In der Verordnung sind die Diagnosen "schwere
Depression, Alkoholabhängigkeit" und die Klinik W ... als nächsterreichbares,
geeignetes Krankenhaus angegeben.
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Nach Eingang des Kostenübernahmeantrages am 26.02.1996 holte die Beklagte eine
Stellungnahme von Frau Dr. P ... (MDK Westfalen- Lippe/Psychiatriereferat) ein. Dr. P ...
führte aus, eine Kostenübernahme könne nicht befürwortet werden: Bei einer
Alkoholabhängigkeit sei eine Entwöhnungsbehandlung zu Lasten des
Rentenversicherungsträgers indiziert. Bei einer psychischen Symptomatik müsse neben
der Ausschöpfung ambulanter Behandlungsmöglichkeiten und fachärztlicher
Beurteilung die eindeutige Indikation für eine primär psychische Erkrankung - nicht wie
hier für eine Suchterkrankung - gegeben sein. Gestützt auf diese Stellungnahme lehnte
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die Beklagte mit Schreiben vom 14.03.1996 eine Kostenübernahme ab.
Der Kläger erwiderte, es werde keine Entwöhnungsbehandlung zu Lasten des
Rentenversicherungsträgers durchgeführt, sondern eine ärztlich notwendige
Krankenhausbehandlung aufgrund Verordnung. Die Beklagte holte eine weitere
Stellungnahme von Dr. P ... ein. Diese führte unter dem 18.03.1996 aus, im
Krankenhaus sei die Diagnose eines primären Alkoholismus gestellt worden. Der
primäre Alkoholismus sei nicht zu verwechseln mit einer anderen psychischen
Erkrankung, in deren Folge es zu einem sekundären Alkoholabusus komme. Bei
primärem Alkoholismus sei eine Entwöhnungsbehandlung zu Lasten des
Rentenversicherungsträgers indiziert; bei psychisch Kranken eine ambulante
fachärztliche psychotherapeutisch- psychiatrische Behandlung. Erweise sich diese als
nicht ausreichend, entscheide der Facharzt, welche Klinik mit welchem Verfahren
indiziert sei. Bei unmittelbarer Indikation für eine Krankenhausbehandlung sei die
nächste Psychiatrische Klinik, nicht eine Psychosomatische Klinik, zu wählen.
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Gestützt auf diese Stellungnahme lehnte die Beklagte weiterhin eine Kostenübernahme
ab und teilte am 25.03.1996 ergänzend mit, bei der stationären Behandlung sei ein
primärer Alkoholismus diagnostiziert und eine Entgiftungsmaßnahme durchgeführt
worden. Nach der 14 Tage dauernden Entgiftungsphase sei ein primärer Alkoholismus
im Rahmen einer Entwöhnungsbehandlung zu Lasten des Rentenversicherungsträgers
zu behandeln.
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Mit Schreiben vom 22.03.1996, eingegangen am 27.03.1996, stellte der Kläger den
Antrag, die Kosten der stationären Behandlung bis zum 21.04.1996 zu übernehmen.
Gleichzeitig teilte er als Diagnosen mit: 1. neurotische Depression mit Angstzuständen
und latenter Suizidalität; 2. Alkoholkrankheit; 3. Zustand nach schwerem Polytrauma mit
großflächigen Verbrennungen.
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Die Aufnahme des Beigeladenen sei wegen der Dekompensation einer langjährig
bekannten neurotischen Depression mit ausgeprägten autoaggressiven Anteilen erfolgt.
Hinzugekommen sei ein Alkoholmißbrauch i.S. einer chronisch-latenten Suizidalität. Die
zum Aufnahmezeitpunkt geklagten Beschwerden (Angst, Depressionen, soziale
Isolation) seien teilweise abgeklungen. Es bedürfe weiterer tiefenpsychologischer
Bearbeitung, bei der mit krisenhaften Zuspitzungen zu rechnen sei.
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Am 16.04.1996 wurde der Beigeladene entlassen. Der Kläger verlangte weiterhin die
Kostenübernahme unter Beifügung einer ärztlichen Stellungnahme vom 22.04.1996. Zu
dieser führte Dr. P ... unter dem 30.04.1996 aus, die ärztliche Bescheinigung lege nicht
dar, dass nur ein sekundärer Alkoholabusus gegeben sei. Die Beurteilung einer
primären Alkoholerkrankung werde gestützt durch einen Bericht des
Marienkrankenhauses, in dem nach Aufnahme des Beigeladenen im Rahmen eines
Prädelirs die Diagnose einer Alkoholerkrankung gestellt worden sei.
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Nach Übersendung des Entlassungsberichtes vom 08.05.1996 teilte der Kläger unter
dem 15.05.1996 ergänzend mit, in dem Kostenübernahmeantrag sei die Abgabe einer
Übernahmeerklärung innerhalb von fünf Tagen erbeten worden. Erst nach mehr als drei
Wochen sei die Antwort eingegangen, was gegen den Grundsatz von Treu und Glauben
verstoße. Dies könne ihm nicht zum Nachteil gereichen, da er aufgrund der Verordnung
der Krankenhausbehandlung von einer Zusage oder kurzfristigen Ablehnung habe
ausgehen können. Die Beklagte blieb mit Schreiben vom 04.06.1996 bei ihrer
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Ablehnung. Der Versorgungsvertrag enthalte keine Regelung zur Abgabefrist von
Kostenübernahmeerklärungen. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege nicht vor.
Vielmehr habe der Kläger bei der Aufnahme im Rahmen seiner eigenen Prüfungspflicht
feststellen müssen, dass die Einrichtung aufgrund der personellen Besetzung für eine
stationäre Behandlung nicht geeignet sei. Dies sei dem Kläger anläßlich mehr facher
Begehungen durch den MDK auch bekannt gewesen.
Unter dem 12.07.1996 bot der Kläger an, den Vorgang als erledigt anzusehen, falls die
Kosten der bis zum 15.03.1996 durchgeführten stationären Behandlung übernommen
würden. Wenn es sich primär um die Behandlung des Alkoholismus gehandelt habe, sei
die bis zum 15.03.1996 erfolgte Behandlung als Entgiftungsmaßnahme anzusehen und
aus diesem Grund zu übernehmen. Gestützt auf eine erneute Stellungnahme von Dr. P
... erklärte sich die Beklagte bereit, zur endgültigen Abwicklung des Leistungsfalles die
Kosten der Entgiftungsmaßnahme für die Dauer von 14 Tagen bis zum 05.03.1996 zu
tragen. Von den sodann vom Kläger bis zum 15.03.1996 in Rechnung gestellten Kosten
übernahm die Beklagte die Kosten bis zum 05.03.1996 in Höhe von 3.593,59 DM. Eine
weitere Kostenübernahme lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 19.09.1996 endgültig
ab.
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Der Kläger hat am 28.08.1997 Klage auf Zahlung der Behandlungskosten für die Zeit
vom 06.03. bis 16.04.1996 in Höhe von 11.622,66 DM nebst Zinsen und Ersatz eines
Verzugsschadens erhoben. Er hat sein Vorbringen aus dem vorprozessualen
Schriftverkehr wiederholt und ergänzend vorgetragen, die Beklagte sei nicht befugt
gewesen, den Vorgang dem MDK vorzulegen und habe die angeforderte Übersendung
der Stellungnahmen des MDK zu Unrecht verweigert. Im übrigen habe eine
psychosomatisch/psychovegetative und keine psychiatrische Indikation vorgelegen. An
der Qualifikation der behandelnden Therapeuten bestehe kein Zweifel.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Untersuchung und Behandlung des
Beigeladenen gegenüber dem Kläger für den Zeitraum 06.03.1996 bis 16.04.1996 nebst
9,5 % Zinsen seit dem 17.04.1996 zu übernehmen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat ausgeführt, schon nach dem nach eigener Aussage des Klägers beim
Beigeladenen vorliegenden Krankheitsbild sei der Kläger verpflichtet gewesen, die
Einweisung des Beigeladenen in eines der nächst erreichbaren geeigneten
Krankenhäuser zu veranlassen.
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Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen
Gutachtens des Dr. A ... Dieser ist in seinem Gutachten vom 25.04.1999 zu dem
Ergebnis gelangt, bei dem Beigeladenen habe im Behandlungszeitraum eine
Alkoholkrankheit vorgelegen. Nach Abklingen der Entzugssymptomatik sei eine
stationäre Behandlung über den 06.03.1996 hinaus nicht erforderlich, aber
wünschenswert gewesen. Es sei wohl ein psychotherapeutisches Programm
durchgeführt worden, dessen Einzelheiten der Aktenlage nicht zu entnehmen sei. Bei
Alkoholkranken empfehle sich eine stationäre Behandlung, wie sie in für
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Langzeittherapie eingerichteten Institutionen durchgeführt werde. Eine auf
psychosomatische und psychovegetative Störungen ausgerichtete Klinik reiche hierzu
nicht aus. Der Beurteilung des MDK stimme er zu.
Mit Urteil vom 25.01.2000 hat das Sozialgericht die Klage gestützt auf das Gutachten
von Dr. A ... abgewiesen. Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus der Verordnung des
Internisten F ..., weil der Kläger selbst habe überprüfen müssen, ob er den
Beigeladenen überhaupt nach dem Versorgungsvertrag zu Lasten der Beklagten habe
aufnehmen dürfen und die Verordnung im übrigen keine Aussage über die notwendige
Behandlungsdauer für den streitigen Zeitraum treffe. Selbst wenn man dem Vortrag des
Klägers einer verspäteten Ablehnung durch die Beklagte folge, ergäbe sich weder eine
gesetzliche noch vertragliche Anspruchsgrundlage.
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Gegen das ihm am 21.02.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.03.2000 Berufung
eingelegt. Er trägt vor, entgegen der Auffassung des Sachverständigen Dr. A ... sei eine
Krankenhausbehandlung in dem streitigen Zeitraum nicht nur wünschenwert, sondern
erforderlich gewesen. Durch die Einholung eines psychosomatischen Gutachtens könne
nachgewiesen werden, dass es um eine Erkrankung aus dem
psychosomatischen/psychovegetativen Formenkreis gegangen sei. Der Beigeladene
habe an vielfältigen, in dem Entlassungsbericht dokumentierten psychosomatischen
Erscheinungen gelitten und sei latent suizidal gewesen, weshalb ein jederzeit
rufbereiter Arzt erforderlich gewesen sei. Gerade die Alkoholerkrankung sei mit Mitteln
der psychosomatischen Medizin zu behandeln. Die Behandlung des Beigeladenen, der
bis heute "trocken" sei, sei erfolgreich gewesen. Schließlich habe das Sozialgericht die
von ihm gerügten formellen Mängel des Kostenübernahmeverfahrens nicht
berücksichtigt.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.01.2000 zu ändern und die Beklagte zu
verurteilen, die Kosten der stationären Behandlung des Beigeladenen für den Zeitraum
vom 06.03.1996 bis 16.04.1996 in Höhe von 11.662,66 DM nebst 9,5 % Zinsen seit dem
17.04.1996 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verweist auf ihr bisheriges Vorbringen und hält das erstinstanzliche Urteil für
zutreffend.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie die den Beigeladenen
betreffende Krankenakte der Klinik W ... verwiesen, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen sind.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend einen
Zahlungsanspruch des Klägers wegen der Behandlung des Beigeladenen vom 06.03.
bis 16.04.1996 verneint.
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Die Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
zulässig, da ein sog. Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis vorliegt, bei dem die
Rechtsbeziehungen auf vertraglicher Grundlage basieren (BSG SozR 3-2500 § 39 Nr.
4).
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Ob sich die Rechtsgrundlage des Zahlungsanspruchs aus dem Sicherstellungsvertrag
nach § 112 Abs. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) i.V.m. dem
Versorgungsvertrag nach § 108 SGB V (so BSG a.a.O.) oder bereits aus der
Einbeziehung des Krankenhauses in das Leistungssystem der GKV durch den
Versorgungsvertrag ergibt, kann dahinstehen. Ein Vergütungsanspruch des Klägers
kann sich nur ergeben, wenn eine i.S.d. § 39 SGB V erforderliche und im
Vertragsrahmen zugelassene stationäre Behandlung erfolgt ist. Beide Voraussetzungen
sind nicht erfüllt.
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Der Vergütungsanspruch des Klägers scheitert schon daran, dass beim Beigeladenen
kein Krankheitsbild vorlag, welches nach dem 06.03.1996 innerhalb der Grenzen des
Versorgungsauftrages noch in der Klinik hätte behandelt werden dürfen.
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Die Zulassung der Klinik W ... erstreckt sich gemäß § 1 des Versorgungsvertrages nach
§ 109 SGB V nur auf die Behandlung psychosomatisch/psychovegetativer
Erkrankungen. Eine solche liegt - entgegen der vom Kläger in der mündlichen
Verhandlung geäußerten Auffassung - nicht schon immer dann vor, wenn die zu
behandelnde Erkrankung auch psychosomatische oder psychovegetative
Begleiterscheinungen aufweist oder (auch) durch in der Psychosomatik angewandte
Behandlungsmethoden angegangen werden kann. Vielmehr ist für die Abgrenzung von
der Hauptdiagnose auszugehen, die die stationäre Behandlung erforderlich macht.
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Bei dem Beigeladenen lag kein psychosomatisch/psychovegetatives Krankheitsbild,
sondern eine primäre Alkoholerkrankung vor. Dies ergibt sich aus dem Gutachten von
Dr. A ... Der Sachverständige hat ausgeführt, bei dem Beigeladenen habe zum
Aufnahmezeitpunkt eine Alkoholerkrankung mit offensichtlicher Intoxikation bestanden,
wegen der bis zum 25.02.1996 überhaupt keine psychotherapeutische Intervention
möglich gewesen sei. Durchgeführt worden sei eine längerfristige Entzugsbehandlung.
Für eine primäre Alkoholerkrankung spreche auch der vorherige mehrfache Entzug und
die durchgeführten Langzeittherapien. Die Alkoholerkrankung sei keine Erkrankung aus
dem psychosomatisch/psychovegetativen Formenkreis, sondern eine Suchterkrankung.
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Der Senat hat keine Bedenken der Beurteilung von Dr. A ... zu folgen. Der Beigeladene
war zum Aufnahmezeitpunkt massiv intoxikiert. Dies ergibt sich aus dem
Entlassungsbericht vom 08.05.1996 und dem Aufnahmebefund in der Krankenakte, die
dem Sachverständigen bei Erstattung des Gutachtens vorgelegen hat. Danach bestand
bei dem Beigeladenen zum Aufnahmezeitpunkt eine lallende Sprache. Eine sichere
Koordination konnte erst nach Abklingen der Intoxikation erreicht werden. Die
durchgeführte Entgiftungsbehandlung mit Gabe des Medikamentes Distraneurin spricht
ebenso für eine primäre Alkoholerkrankung wie die im handschriftlichen
Aufnahmebefund dargestellte Suchtanamnese zur Alkoholabhängigkeit des
Beigeladenen ab dem 17. Lebensjahr bis hin zum Delir mit zahlreichen
Entzugskrämpfen, Entgiftungen und Langzeittherapien.
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Bei einer primären Alkoholerkrankung ist nach Durchführung der Entgiftungsphase in
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der Regel keine Krankenhausbehandlung, sondern eine Rehabilitationsmaßnahme
erforderlich, die in die Zuständig keit des Rehabilitationsträgers fällt. Der zwischen dem
Kläger und der Beklagten geschlossene Versorgungsvertrag umfasst jedenfalls nicht die
Zulassung für die Behandlung von Suchterkrankungen zu Lasten der
Krankenversicherung.
Steht damit das Vorliegen einer primären Alkoholerkrankung mit der Folge der
Überschreitung des Versorgungsauftrages fest, wird diese nicht dadurch in Frage
gestellt, dass sich eine solche Diagnose in dem Entlassungsbericht vom 08.05.1996
nicht mehr findet. Als Diagnosen werden in dem Bericht eine neurotische Depression
mit massiven Angstzuständen und latenter Suizidalität, eine Persönlichkeitsstörung mit
schizoiden und zwanghaften Anteilen sowie körperliche Funktionsstörungen
psychischen Ursprungs genannt. Das Fehlen der Diagnose einer Alkoholerkrankung
trotz massiver Intoxikation und Entgiftungsbehandlung des Beigeladenen ist nicht nach
vollziehbar. Zudem läge bei den vom Kläger beschriebenen Diagnosen (akute
Dekompensation einer langjährig bekannten neurotischen Depression mit ausgeprägter
Angstsymptomatik und autoaggressiven Anteilen sowie latenter Suizidalität) ebenfalls
eine Überschreitung des Versorgungsauftrages vor. Denn die Zulassung erstreckt sich
nicht auf neurotische oder psychiatrische Krankheitsbilder.
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Im übrigen scheitert der Vergütungsanspruch des Klägers auch daran, dass jedenfalls
für den streitigen Zeitraum ab dem 06.03.1996 eine stationäre Behandlung nicht mehr
notwendig war.
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Der für den Versorgungsvertrag geltende Sicherstellungsvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1
SGB V sieht nach §§ 1 bis 3 vor, dass die Krankenhausbehandlung notwendig,
ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein muss. Zur Verweildauer bestimmt § 9
des Sicherstellungsvertrages, dass die Krankenhausbehandlung zu beenden ist, wenn
sie aus medizinischen Gründen nicht mehr notwendig ist oder andere Maßnahmen
zweckmäßig sind. Nach Abklingen der Entzugssymptomatik war nach den
Ausführungen des Sachverständigen Dr. A ... eine stationäre Behandlung über den
06.03.1996 hinaus nicht mehr erforderlich. Weder war ein jederzeit rufbarer Arzt
notwendig noch war mit häufigen Zustandsänderungen zu rechnen. Der
Entgiftungszeitraum bis zum 15.03.1996 überschreitet bei weitem die übliche
Entgiftungsbehandlung von 14 Tagen und ist nach den Ausführungen des
Sachverständigen nicht nachvollziehbar lang. Zur Notwendigkeit einer derart langen
Behandlung stellt der Sachverständige fest, dass jegliche Aufzeichnungen des
Klinikpersonals hierzu fehlen.
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Der Senat hat keine Bedenken, wie das Sozialgericht der Beurteilung des Dr. A ... auch
insoweit zu folgen. Für die Entgiftungsphase kann nur die nach den
Suchtvereinbarungen übliche Zeit von 14 Tagen (insoweit ist dem Vortrag der Beklagten
vom Kläger nicht widersprochen worden) vergütet werden. Aus den Aufzeichnungen in
der Krankenakte lässt sich nicht nachvollziehen, weshalb die Klinik eine weitere
stationäre Behandlung für erforderlich gehalten hat. Nur in dem Entlassungsbericht vom
08.05.1996 wird in einem Absatz ausgeführt, dass der Beigeladene im Rahmen eines
differenzierten Therapieprogrammes auf verschiedenen Ebenen behandelt worden sei.
Zum Einsatz seien dabei tiefenpsychologisch fundierte Psychodramatherapie in der
Gruppe, tiefenpsychologisch fundierte Krisenintervention im Einzelkontakt, Bioenergetik
und andere begleitende Therapien gekommen. Abgesehen von der vor allem zu Beginn
dokumentierten Medikamentengabe, Flüssigkeitszufuhr, Puls- und Blutdruckwerte
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finden sich nach dem Aufnahmebefund keinerlei ärztliche oder therapeutische
Verlaufsdokumentationen. Zur Therapieplanung einschließlich Behandlungsziele und
Behandlungsformen finden sich ebensowenig irgendwelche Aufzeichnungen wie zum
Gegenstand und der Häufigkeit der geführten Einzelgespräche oder sonstigen
Therapien oder der Zusammenarbeit der tätig gewordenen Ärzte und Therapeuten. Bei
dieser Sachlage ist die vom Kläger behauptete Notwendigkeit einer stationären
Behandlung über den 06.03.1996 hinaus nicht feststellbar. Unerheblich ist, dass der
Sachverständige eine weitere stationäre Behandlung für wünschenswert gehalten hat,
denn der Vergütungsanspruch ist auf eine erforderliche stationäre Behandlung
beschränkt.
Der Zahlungsanspruch ergibt sich auch nicht aus der vertrags- ärztlichen Verordnung,
denn für die Krankenkassen besteht bei stationärer Behandlung ein
Genehmigungsvorbehalt. Aus dem gleichen Grund kann der Krankenhausarzt auch für
die Krankenkasse keine verbindliche Therapieentscheidung treffen (vgl. BSG SozR 3-
2500 § 39 Nr. 5).
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Entgegen der Auffassung des Klägers war die Beklagte nicht verflichtet, ihre unter dem
14.03.1996 abgegebene Kostenablehnung früher zu erteilen. Der Sicherstellungsvertrag
in der hier ab 01.01.1992 geltenden Fassung sieht keine Frist vor, innerhalb derer eine
Kostenzusage zu erteilen ist. Zwar dokumentiert die Kostenzusage nach § 7 Abs. 1 des
Sicherstellungsvertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V die vertraglichen Beziehungen
im Einzelfall. Der Vergütungsanspruch hängt jedoch grundsätzlich nicht von dieser
Zusage, sondern nur von der medizinischen Notwendigkeit einer zugelassenen
stationären Behandlung ab.
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Unerheblich ist der Vortrag des Klägers, die Beklagte habe zur Prüfung der
Notwendigkeit der stationären Behandlung nicht den MDK einschalten dürfen oder ihm
die Stellungnahmen des MDK zukommen lassen müssen. Eine Anspruchsgrundlage
lässt sich daraus nicht herleiten. Zudem ist die Beklagte gemäß § 2 Abs. 1 des nach §
112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V geschlossenen Sicherstellungsvertrages befugt, Notwendigkeit
und Dauer der Krankenhausbehandlung durch Ärzte des MDK überprüfen zu lassen.
Die jeweilige Auffassung des MDK ist dem Kläger im übrigen in den
Ablehnungsschreiben inhaltlich mitgeteilt worden.
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Mangels Vergütungsanspruch kann auch kein Anspruch auf Zinsen bestehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
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