Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.02.2007

LSG NRW: eheähnliche lebensgemeinschaft, wohnrecht, fristlose kündigung, gemeinsamer haushalt, gesetzliche vermutung, eheähnliche gemeinschaft, wohnung, mietvertrag, bürgschaft, kaufvertrag

Landessozialgericht NRW, L 1 B 45/06 AS ER
Datum:
07.02.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 1 B 45/06 AS ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Duisburg, S 17 AS 107/06
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde des Antragsstellers gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Duisburg vom 24.10.2006 wird zurückgewiesen. Kosten
sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf
Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt
X wird abgelehnt.
Gründe:
1
I.
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Der Antragsteller nimmt den Antragsgegner auf Zahlung von Arbeitslosengeld II nach
dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) in Anspruch.
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Der 1965 geborene Antragsteller bezog bis zum 07.12.2005 Arbeitslosengeld.
Gemeinsam mit seiner Schwägerin S K (K) bewohnt er ein Haus in F, das K durch
notariellen Vertrag vom 08.02.2005 für einen Preis von 45.000,00 Euro erwarb. Der
Kaufpreis ist zahlbar in monatlichen Raten zu je 1.000,00 Euro ab dem 01.03.2005. Im
Hinblick auf die Zahlung des Kaufpreises übernahm der Antragsteller eine Bürgschaft.
Für die Übernahme der Bürgschaft sowie für die Durchführung von Sanierungsarbeiten
wurde ihm durch K in der notariellen Urkunde ein lebenslanges unentgeltliches
Wohnrecht sowie ein Vorkaufsrecht eingeräumt. Die Eintragung des Wohnrechts in das
Grundbuch soll gemeinsam mit der Eigentumsumschreibung nach vollständiger
Zahlung des Kaufpreises erfolgen. Das Objekt wurde später vom Antragsteller bei
immobilienscout24 zum Kauf angeboten. Zuvor waren der Antragsteller und K seit dem
01.10.2003 unter einer gemeinsamen Anschrift in F gemeldet. Vor dem Ausländeramt
der Stadt F gab K sowohl im Jahr 2003 als auch im Jahr 2005 an, dass ihr
Lebensunterhalt durch den Antragsteller sichergestellt werde.
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Im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld beantragte der Antragsteller am
08.12.2005 die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er legte
einen auf den 26.06.2005 datierten Mietvertrag mit K vor. Danach hat er in dem von K
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erworbenen Objekt für Wohnraum mit einer Fläche 48 m² eine Kaltmiete von 300,00
Euro, eine Betriebskostenvorauszahlung von 30,00 Euro sowie Kosten für Heizung und
Wasser in Höhe von 70,00 Euro zu bestreiten. Im weiteren Verlauf des
Verwaltungsverfahrens legte er einen auf den 22.12.2005 datierten Mietvertrag vor.
Danach belief sich der monatliche Mietzins auf 215,00 Euro. Als
Betriebskostenvorauszahlung waren 60,00 Euro und als Heizkosten 70,00 Euro
vereinbart. Nach den Angaben des Antragstellers habe K den Mietpreis gesenkt,
nachdem sich dieser als unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II dargestellt
habe. Den Leistungsantrag lehnte der Antragsgegner im Ergebnis wegen ungeklärter
Einkommens- und Vermögensverhältnisse ab (Bescheid vom 03.01.2006;
Widerspruchsbescheid vom 22.03.2006). Einen beim Sozialgericht Duisburg erhobenen
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nahm der Antragsteller am 18.04.2006
zurück.
Am 01.08. und 17.08.2006 stellte der Antragsteller einen weiteren Leistungsantrag. Er
legte zunächst einen auf den 01.08.2006 datierten "Änderungsmietvertrag" vor. Danach
ist ein monatlicher Mietzins von 215,00 Euro, eine Betriebskostenvorauszahlung von
50,00 Euro sowie eine Heizkostenvorauszahlung von 200,00 Euro vereinbart worden.
Er gab weiterhin an, nicht kranken- oder rentenversichert zu sein; das lebenslange freie
Wohnrecht entstehe erst dann, wenn das Haus in das Eigentum der K übergehe.
Außerdem legte er ein von K unterzeichnetes Schreiben vom 31.07.2006 vor, mit dem
diese die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses erklärte, ein Angebot zum
Abschluss eines neuen Mietvertrages bei veränderten Konditionen unterbreitete und
dem Antragsteller ferner mitteilte, dass er zunächst weiterhin in der Wohnung verbleiben
könne. Der Antragsteller legte darüber hinaus einen weiteren auf den 01.08.2006
datierten Mietvertrag vor. Dieser enthält zusätzlich die Vereinbarung einer Mietsicherheit
von 600,00 Euro zu Gunsten der K. Der Antragsgegner lehnte daraufhin die
Leistungsanträge abermals ab (Bescheide vom 30.08.2006 und vom 07.09.2006).
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Im Rahmen einer Vorsprache am 07.09.2006 gab der Antragsteller an, bisher von
geliehenen Geld und dem Verkauf einiger Sachen gelebt zu haben. Bis Mai 2005 habe
er eine gewerbliche Zimmervermietung geleitet und danach Arbeitslosengeld bezogen.
Über Einkommen und Vermögen verfüge er jetzt nicht mehr. Gleichzeitig erhob er
Widerspruch gegen die Leistungsablehnung.
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Mit dem am 15.09.2006 erhobenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat
der Antragsteller geltend gemacht, über keinerlei Mittel zur Sicherung des
Lebensunterhalts mehr zu verfügen. Auch von K, mit der er zwar ein Haus bewohne
ohne eine eheähnliche Gemeinschaft zu führen, könne er keinerlei
Unterstützungsleistungen mehr erhalten. Darüber hinaus sei er verpflichtet, Miete an K
zu zahlen. Denn das im Kaufvertrag vorgesehene lebenslange Wohnrecht entstehe erst
nach vollständiger Tilgung der Kaufpreisschuld.
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Der Antragsteller hat schriftsätzlich beantragt,
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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, in Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 01.08.2006 zu gewähren.
10
Der Antragsgegner hat schriftsätzlich beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Er hat im Wesentlichen Bezug genommen auf den Inhalt der angefochtenen
Ablehnungbescheide und seine Auffassung bekräftigt, dass eine eheähnliche
Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und K vorliege. Vor dem Hintergrund,
dass der Antragsteller und K eine Bedarfsgemeinschaft bildeten, sei er verpflichtet,
nähere Angaben zu Einkommen und/oder Vermögen der K zu machen. Derartige
Angaben habe er jedoch bislang verweigert, so dass ein Anordnungsanspruch nicht
glaubhaft gemacht sei.
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Mit Beschluss vom 24.10.2006 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt und im
Wesentlichen ausgeführt, dass zwischen dem Antragsteller und K eine eheähnliche
Lebensgemeinschaft bestehe. Das ergebe sich zum einen daraus, das K gegenüber der
Ausländerbehörde angegeben habe, der Antragsteller sichere ihren Lebensunterhalt.
Zum anderen habe sich der Antragsteller für den Kaufpreis der erworbenen Immobilie
verbürgt. Zudem habe er sich verpflichtet, erhebliche Renovierungs- und
Instandsetzungsarbeiten vorzunehmen und diese auch durchgeführt, wie sich aus der
Objektbeschreibung der zur Veräußerung stehenden Immobilie unter immobilienscout24
ergebe. Selbst wenn man nicht von einer Bedarfsgemeinschaft zwischen K und dem
Antragsteller ausginge, ergäben sich erhebliche Zweifel an der Bedürftigkeit des
Antragstellers. Denn es sei ihm offensichtlich gelungen, seinen Lebensunterhalt nach
dem Bezug von Arbeitslosengeld sicher zu stellen. Dies deute darauf hin, dass er über
ausreichende legale oder illegale Einnahmequellen verfüge.
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Das Sozialgericht hat ferner einen von K gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung abgelehnt (Beschluss vom 24.10.2006). Die hiergegen erhobene
Beschwerde wird unter dem Aktenzeichen L 9 B 141/06 AS ER geführt. Ein an K
gerichteter Ablehnungsbescheid erging unter dem 17.11.2006.
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Gegen den ihn am 02.11.2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am
07.11.2006 Beschwerde erhoben und bekräftigt, dass er ausweislich der bereits
übersandten Kontoauszüge über kein Einkommen und/oder Vermögen verfüge, aus
dem er seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Er habe sich durch kleine Verkäufe
über Wasser gehalten und überlebt. Allerdings sei es ihm keineswegs gelungen, auf
diese Weise seinen zum Lebensunterhalt notwendigen Bedarf zu decken. Auch wenn
man eine eheähnliche Lebensgemeinschaft mit K unterstelle, sei er bedürftig. Denn K
sei ungeachtet etwaiger Verpflichtungen nicht in der Lage, ihn zu unterstützen. Im
Hinblick auf die Unterkunft sei zu berücksichtigen, dass ihm zwar nicht
Wohnungslosigkeit drohe. Allerdings könne er die aus der Unterkunft resultierenden
Kosten nicht selber aufbringen. Denn er habe sich zumindest an den Heizkosten zu
beteiligen, wozu er jedoch nicht in der Lage sei. Der Antragsteller ist ferner der
Auffassung, dass ihm für die Zeit ab Dezember 2005 ein Nachzahlungsanspruch
zustehe. Hierzu hat er in dem Verfahren L 9 B 141/06 AS ER entsprechende
Berechnungen vorgelegt.
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Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
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den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 24.10.2006 zu ändern und dem
Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung aufzugeben, ihm für die Zeit ab
01.08.2006 Arbeitslosengeld II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu
gewähren sowie Arbeitslosengeld II für die Zeit ab 08.12.2005 nachzuzahlen.
18
Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie nimmt im Wesentlichen Bezug auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und des
angefochtenen Beschlusses.
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Der Senat hat vom Antragsteller Kontoauszüge und Einkommensnachwiese angefordert
sowie Schriftsätze des Antragstellers und eine Sitzungsniederschrift aus dem Verfahren
L 9 B 141/06 AS ER beigezogen. Auf den Inhalt wird Bezug genommen.
22
Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die den
Antragsteller betreffenden Leistungsakte des Antragsgegners sowie auf die den
Antragsteller betreffende Leistungsakte der Bundesagentur für Arbeit.
23
II.
24
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, hat in der Sache
keinen Erfolg. Denn das Sozialgericht hat den Antrag sowohl im Ergebnis als auch in
der Begründung zu Recht abgelehnt. Der Antragsteller hat gegen den Antragsgegner
nämlich keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld II im Wege einstweiliger
Anordnung.
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Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen
zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines
Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Ein
Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller das Bestehen eines
Rechtsverhältnisses glaubhaft macht, aus dem er eigene Ansprüche ableitet. Ein
Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass
ihm unter Berücksichtigung der widerFeitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis
zur Entscheidung der Hauptsache nicht zuzumuten ist (vgl. Berlit, info also 2005, 3 [7]).
Erforderlich ist mithin das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die
eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht.
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Gemäß § 19 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen
Kosten für Unterkunft und Heizung. Hilfebedürftig im Sinne dieser Bestimmung ist, wer
seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln,
insbesondere aus dem zu berücksichtigenden Einkommen, sichern kann (§ 9 Abs. 1
SGB II). Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ist auch das Einkommen
des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft
gehören dabei nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c) SGB II auch solche Personen, die mit
dem Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenleben, dass nach
verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung
füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser Wille wird unter anderem
dann vermutet, wenn die Partner länger als ein Jahr zusammenleben (§ 7 Abs. 3a Nr. 1
SGB II).
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Die Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II greift nur ein, wenn zwischen den Mitbewohnern
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ein "gemeinsamer Haushalt" im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c) SGB II besteht.
Denn sie betrifft nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift lediglich das Merkmal des
wechselseitigen Willens zur Verantwortung und zum Einstehen füreinander. Da in § 7
Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c) SGB II nicht nur von "einem", sondern von "einem gemeinsamen"
Haushalt die Rede ist, muss daher das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne
von § 9 Abs. 5 SGB II zwischen den Mitbewohnern feststehen. Die hierzu erforderlichen
Feststellungen hat die Behörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 20 des Zehnten
Buchs des Sozialgesetzbuches [SGB X]) zu treffen. Im Rahmen dieser Amtsermittlung
sind die Behörden und im Falle eines Rechtsstreits auch die Gerichte allerdings bei der
Feststellung, ob eine Haushaltsgemeinschaft vorliegt, in besonderer Weise auf die
gesetzlich vorgeschriebene Mitwirkung der Beteiligten (§§ 21 Abs. 2 Satz 1 SGB X, 103
Satz 1 SGG) angewiesen. Denn die Verhältnisse unter Menschen, die in einer Wohnung
zusammenleben, lassen sich von Dritten naturgemäß nur eingeschränkt beurteilen.
Unklarheiten, die sich aus widersprüchlichen oder unwahren Angaben der Beteiligten
ergeben, können sich daher im Einzelfall zu deren Lasten auswirken. Insbesondere sind
die Gerichte nicht gehalten, einem in wesentlichen Punkten widersprüchlichen und
unglaubhaften Vorbringen nachzugehen (Senat, Beschluss vom 06.01.2006 - Az.: L 1 B
13/05 AS ER, sozialgerichtsbarkeit de m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist anzunehmen, dass eine Haushaltsgemeinschaft
zwischen dem Antragsteller und K besteht.
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K und der Antragsteller bewohnen gemeinsam das Objekt X 00 in F, das K mit
Kaufvertrag vom 08.02.2005 erworben hat. Der Senat geht nicht davon aus, dass der
Antragsteller in dem erworbenen Objekt eine abgegrenzte Wohnung mit einer
Wohnfläche von 48 m² bewohnt. Hiergegen sprechen insbesondere die Angaben und
Fotos auf der Internetseite www.immobilienscout24.de, auf der das gemeinsam vom
Antragsteller und K bewohnte Objekt zum Kauf angeboten wird bzw. wurde. Auf den dort
eingestellten Fotos sind unter anderem ein Schlafzimmer mit einem Doppelbett, ein
Badezimmer und eine Küche zu sehen. In dem Exposé findet bzw. fand sich kein
Hinweis darauf, dass sich in dem Objekt eine bezugsfertige separate Wohnung befindet.
Es wurde allein darauf hingewiesen, dass im Erdgeschoss ein Ladenlokal eingerichtet
werden könne.
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Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Antragsteller und K vor dem Bezug der
erworbenen Immobilie bereits seit Oktober 2003 unter einer gemeinsamen Anschrift (D-
straße 0 in F) gemeldet waren. K hat in diesem Zusammenhang zwar einerseits
geäußert, dass sie mit dem Antragsteller unter dieser Anschrift gewohnt habe. Auf der
anderen Seite hat sie behauptet, sich ausschließlich in einer Wohnung im X 00
aufgehalten zu haben, eine ordnungsbehördliche Meldung jedoch nicht möglich
gewesen sei, weil der Antragsteller dort eine Zimmervermietung betrieben habe.
Abgesehen davon, dass dieser Vortrag widersprüchlich ist (und weder K noch der
Antragsteller von sich aus etwas zur Klärung beigetragen haben), kommt es für die
Entscheidung dieses Verfahrens letztlich nicht entscheidend darauf an, ob bereits seit
Oktober 2003 zwischen K und dem Antragsteller eine Haushaltsgemeinschaft bestand.
Denn es ist davon auszugehen, dass beide seit Juli 2005 gemeinsam das Objekt X 00
bewohnen und bewirtschaften, so dass jedenfalls seit der Antragstellung im August
2006 die Voraussetzungen für das Eingreifen des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II erfüllt sind.
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Ist somit von einer Haushaltsgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und K
auszugehen, so ist die gesetzliche Vermutung des wechselseitigen Willens zur
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Verantwortung und zum Einstehen füreinander nicht widerlegt. Gegen eine Widerlegung
sprechen zunächst die in dem notariellen Kaufvertrag vom 08.02.2005 getroffenen
Abreden. Der Antragsteller hat dort nämlich im Hinblick auf die Zahlung des Kaufpreises
eine Bürgschaft übernommen und sich ferner verpflichtet, umfangreiche Renovierungen
an dem Kaufobjekt durchzuführen. Im Gegenzug hat ihm K ein unentgeltliches
lebenslanges Wohnrecht eingeräumt. Im Hinblick auf das Wohnrecht ist zu
berücksichtigen, dass es nicht entscheidend darauf ankommt, dass das Wohnrecht (§§
1090, 1093 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) (noch) nicht in das Grundbuch eingetragen
worden ist. Denn aus der Kaufvertragsurkunde lässt sich bereits eine schuldrechtliche
Bindung der K zugunsten des Antragstellers entnehmen. Darüber hinaus haben K und
der Antragsteller in der Vertragsurkunde Einigungserklärungen im Sinne des § 873 BGB
abgegeben. Anhaltspunkte dafür, dass das Wohnrecht aufschiebend bedingt durch die
Eigentumsumschreibung und - damit verbunden - durch die vollständige
Kaufpreiszahlung entstehen soll, finden sich in den Abreden demgegenüber nicht.
Insbesondere aus dem Umstand, das K anlässlich ihrer Vorsprachen vor der
Ausländerbehörde angegeben hat, ihr Lebensunterhalt werde durch den Antragsteller
sichergestellt, der Aussage, dass die finanziellen Angelegenheiten im Wesentlichen
durch den Antragsteller geregelt werden wie auch aus den Abreden anlässlich des
Erwerbs des Objekts (Übernahme einer Bürgschaft durch den Antragsteller mit der
Verpflichtung zur Durchführung von Renovierungsarbeiten) zieht der Senat die
Schlussfolgerung, dass bei dem Antragsteller und K der Wille besteht, Verantwortung
füreinander zu übernehmen und füreinander einzustehen. Diese Ausgestaltung der
tatsächlichen Verhältnisse führt im Übrigen dazu, dass der Senat unabhängig von der
Vermutungsregel des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II vom Vorliegen einer eheähnlichen
Gemeinschaft zwischen K und dem Antragsteller ausgeht.
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Ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht, weil der Senat zu der
Überzeugung gelangt ist, dass ein Hilfebedarf im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II
nicht gegeben ist. Vielmehr sprechen gewichtige Indizien dafür, dass der aus dem
Antragsteller und K bestehenden Bedarfsgemeinschaft hinreichend Einkommen zur
Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung steht.
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Im Monat der Antragstellung (August 2006) lassen sich den überreichten
Kontoauszügen noch Zuflüsse in Höhe von 1.600,00 Euro entnehmen. Im September
2006 beliefen sich die Zuflüsse auf einen Betrag von 435,46 Euro, im November 2006
auf 500,00 Euro und im Dezember 2006 auf 694,47 Euro. Mit Ausnahme der Monate
August 2006 und Dezember 2006 handelt es sich hierbei zwar um Beträge, die den
Gesamtbedarf von 622,00 Euro (ohne Kosten der Unterkunft und Heizung) nicht zu
decken vermögen. Allerdings ist zu berücksichtigen, das K im Termin vom 25.01.2007 (L
9 B 141/06 AS ER) angegeben hat, dass ihr ein "guter Bekannter" aus Duisburg bei
Bedarf Beträge von bis zu 500,00 Euro zukommen lasse. Darüber hinaus erzielt sie seit
Januar 2007 monatliche Einkünfte von 150,00 Euro im Rahmen einer geringfügigen
Beschäftigung. Zu beachten ist ferner, dass K zwar gegenwärtig nicht die im Kaufvertrag
vom 08.02.2005 vereinbarten Tilgungsleistungen von monatlich 1.000,00 Euro erbringt.
Gleichwohl zahlt sie monatlich einen Betrag von 250,00 Euro an den Veräußerer. Ein
weiteres Indiz gegen das Vorhandensein von Hilfebedürftigkeit ist der Umstand, dass
der Antragsteller und K letztlich in der Lage sind, ihre Wohnung zu beheizen und
insoweit eine Versorgungslücke noch nicht entstanden ist. K hat im Termin vom
25.01.2007 schließlich angegeben, dass das Angebot zum Verkauf des Hauses "nicht
echt, sondern fiktiv" gewesen sei. Bei einem derartigen Vorgehen fragt es sich aber,
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warum der Antragsteller und K monatliche Gebühren an immobilienscout24 für ein "nicht
echtes" Angebot entrichtet haben. Der Umstand, dass sie einen derart untergeordneten
Bedarf decken bzw. gedeckt haben, spricht ebenfalls gegen Hilfebdürftigkeit.
Durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des geltend gemachten Hilfebedarfs
ergeben sich auch aus dem prozessualen Verhalten des Antragstellers und der K. Der
Antragsteller hat zur Überzeugung des Senats im Verwaltungsverfahren "angepasste"
Mietverträge überreicht. Wie der Antragsgegner bereits in dem Widerspruchsbescheid
vom 22.03.2006 ausgeführt hat, fällt auf, dass der Antragsteller nach Vorlage des
Mietvertrages vom 26.06.2005, auf dem sich bei einer vereinbarten Kaltmiete von
300,00 Euro deutliche Indizien für eine Unangemessenheit des Mietzinses ergeben
haben, einen weiteren - nunmehr preislich angepassten - Mietvertrag mit einer Kaltmiete
von 215,00 Euro, aber nunmehr Betriebskostenvorauszahlungspflicht von 60,00 Euro
eingereicht hat. Besonders auffällig ist ferner, dass der Antragsteller im Rahmen der
Anträge vom 01.08.2006 und vom 17.08.2006 so bezeichnete Änderungsmietverträge
vom 01.08.2006 vorgelegt hat, aus denen sich zum einen die Verpflichtung zur
Entrichtung von Heizkosten in Höhe von 200,00 Euro ergibt, zum anderen nunmehr
nach Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 31.07.2006 die Verpflichtung zur Zahlung
einer Mietsicherheit von 600,00 Euro an K. Abgesehen davon, dass der Senat keine
nachvollziehbaren Gründe dafür erkennen kann, während des heißen Sommers 2006
die Verpflichtung zur Entrichtung von Heizkosten der Höhe nach mehr als zu
verdreifachen, ist ebenso wenig nachvollziehbar, aus welchen Gründen
Mietverhältnisse mit der Verpflichtung zur Begleichung von Heizkosten vereinbart
werden, obwohl bereits ein unentgeltliches Wohnrecht entstanden ist. Die Abreden in
dem Mietvertrag vom 26.06.2005 sind auch unter dem Gesichtspunkt nicht schlüssig, als
unter § 3 Abs. 1 vereinbart worden ist, dass die Miete für einen Zeitraum von 15 Jahren
nicht erhöht wird. Selbst wenn man nämlich davon ausginge, dass das unentgeltliche
lebenslange Wohnrecht erst mit dem Übergang des Grundstücks in das Eigentum der K
entstünde, mussten K und der Antragsteller im Zeitpunkt des Abschlusses des
Mietvertrages bei einem Kaufpreis von 45.000,00 Euro und monatlichen Raten von
1.000,00 Euro damit rechnen, dass der Eigentumserwerb nach etwa vier Jahren eintritt.
Unter diesem Gesichtspunkt ergibt die vereinbarte langfristige Mietpreisbindung jedoch
keinen Sinn. Unschlüssigkeiten haben sich schließlich bei der Höhe des Mietzinses
sowohl im Hinblick auf den ursprünglich vereinbarten Betrag von 300,00 Euro als auch
hinsichtlich der abgesenkten Miete in Höhe von 215,00 Euro ergeben. Denn K und der
Antragsteller haben den Jahreswert des Wohnrechts in der Kaufvertragsurkunde mit
lediglich 1.800,00 Euro beziffert.
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Ungeachtet dessen waren die Angaben des Antragstellers durchgängig unpräzise. Im
Hinblick auf die von ihm durchgeführten Transaktionen im Internetauktionshaus ebay ist
zu berücksichtigen, dass es zwar durchaus als nachvollziehbar erscheint, dass nicht
mehr sämtliche Protokolle über sämtliche Transaktionen vorliegen. Gleichwohl hätte
sich der Antragsteller ohne weiteres von sich aus gedrängt sehen müssen, nähere
Erläuterungen zu den nicht dokumentierten Geschäften und insbesondere zu den
daraus erzielten Erlösen abzugeben. Ebenso verhält es sich mit der Behauptung, der
Antragsteller habe "unter der Hand" eine Uhr zu einem Preis von 300,00 Euro veräußert,
um Gegenstände für weitere Verkäufe zu erwerben. Wenn schon keine schriftlichen
Belege über dieses Veräußerungsgeschäft vorliegen, hätte es nahegelegen, zumindest
die genauen Umstände des Geschäfts zu beschreiben und den Erwerber namentlich zu
benennen. Dies gilt um so mehr vor dem Hintergrund, dass das Gericht mit seinem
"Fragenkatalog" vom 21.12.2006 deutlich zu erkennen gegeben hat, dass es nunmehr
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präzise Auskünfte erwartet.
Der Senat ist der Überzeugung, dass es sich im vorliegenden Fall um ein atypisches
Vorbringen handelt und sowohl der Antragsteller als auch K über ein umfassendes
Sonderwissen verfügen. Die Anforderungen an die Mitwirkungspflichten sind umso
größer, je umfassenderes Sonderwissen über die zugrunde liegenden wirtschaftlichen
Aktivitäten aus der Sphäre des Antragstellers stammen (vgl. Beschluss des Senates
vom 14.06.2005 - L 1 B 2/05 AS ER sowie Beschluss vom 07.09.2006 - Az.: L 9 B 72/06
AS ER). Wie sich bereits aus den oben skizzierten Ausführungen ergibt, ist der
Antragsteller diesen Mitwirkungspflichten bislang nicht hinreichend nachgekommen.
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Im Hinblick auf den vom Antragsteller für die Zeit ab 08.12.2005 bis zur erneuten
Antragstellung im August 2006 geltend gemachten Nachzahlungsanspruch fehlt es an
einem Anordnungsgrund, da insoweit ein gegenwärtiger Bedarf nicht glaubhaft gemacht
werden kann. Hier muss sich der Antragsteller auf das Hauptsacheverfahren verweisen
lassen.
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Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des
Beschwerdeverfahrens war abzulehnen, nachdem die Rechtsverfolgung des
Antragstellers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 73a Abs. 1 Satz 1
SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) hatte.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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