Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 17.12.2010

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Landessozialgericht NRW, L 19 AS 1323/10 B
Datum:
17.12.2010
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 19 AS 1323/10 B
Vorinstanz:
Sozialgericht Gelsenkirchen, S 22 AS 839/10
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts
Gelsenkirchen vom 07.07.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe:
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I. Der am 00.00.1961 geborene Kläger bezieht seit dem 01.01.2005 Leistungen nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
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Er ist Alleineigentümer einer Doppelhaushälfte, T-straße 00, I mit einer Wohnfläche von
130 (100) qm und einer Grundstücksfläche von 523 qm. Das Haus verfügt über 6,5
Wohnräume, eine Küche und zwei Bäder. Der Kaufpreis betrug 1983 93.530,00 DM.
Das Grundstück ist am 01.11.209 mit Darlehen in Höhe von ca. 10.000,00 EUR dinglich
belastet gewesen.
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Der Kläger bewohnte das Haus, T-straße 00, I mit seiner Ehefrau und seinen vier
Kindern. Zum 01.11.2007 zog die Ehefrau zusammen mit den Kindern aus. Die Ehe
wurde am 13.01.2009 geschieden. Seit dem 01.01.2008 ist die Mutter des Klägers unter
der Adresse T-straße 00, I gemeldet.
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Auf Anfrage der Beklagten schätzte die Stadt I, Fachbereich Vermessung und Kataster,
den Wert des Hausgrundstückes auf 150.000,00 EUR. Daraufhin zahlte die Beklagte
dem Kläger seit dem 01.09.2009 Leistungen nach dem SGB II als Darlehen. Mit
Schreiben vom 04.09.2009 übersandte die Beklagte dem Kläger einen
Darlehensvertrag und forderte ihn auf, zur Sicherung der Rückzahlung des Darlehens
eine Grundschuld zu ihren Gunsten auf sein Grundstück einzutragen. Mit Schreiben vom
17.11.2009 erklärte der Kläger, dass er zur Eintragung einer Grundschuld nicht bereit
sei und er die Gewährung der Leistungen als Darlehen nicht akzeptiere. Bei der
selbstgenutzten Doppelhaushälfte handele es sich um ein Schonvermögen. Daraufhin
stellte die Beklagte die Zahlung von Leistungen nach dem SGB II zum 01.11.2009 ein.
Sie wertete das Schreiben des Klägers als Antrag auf Gewährung von Leistungen nach
dem SGB II ab dem 01.11.2009. Durch Bescheid vom 23.12.2009 lehnte die Beklagte
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den Antrag des Klägers vom 17.11.2009 auf Gewährung der Leistungen nach dem SGB
II als Zuschuss ab. Durch die Verwertung des Hauses lasse sich ein Betrag erzielen, der
den Freibetrag von 7.950,00 EUR übersteige.
Hiergegen legt der Kläger Widerspruch ein. Die Wohnfläche betrage nicht 130 qm,
sondern ca. 110 qm. Eine Veräußerung des Hauses sei mit erheblichen Verlusten
verbunden. Des Weiteren sei nicht nachvollziehbar, wie der Wert des Hauses von
150.000,00 EUR ermittelt worden sei. Durch Widerspruchsbescheid vom 24.03.2010
wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
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Am 15.04.2010 hat der Kläger Klage erhoben.
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Er begehrt die ungekürzte Auszahlung des Arbeitslosengeldes II.
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Durch Beschluss vom 07.07.2010 hat das Sozialgericht die Gewährung von
Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
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Hiergegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt.
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II. Die Beschwerde ist unbegründet.
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Das SG hat die hinreichende Aussicht auf Erfolg vorliegend zutreffend verneint.
Hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von
der Klärung entscheidungserheblicher Tatsachen abhängt und keine konkreten
Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit
zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird. Prozesskostenhilfe kann verweigert
werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die
Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BSG Beschluss vom 17.02.1998 - B 13 RJ
83/97 R = SozR 3-1750 § 114 Nr.5; BVerfG Beschluss vom 14.04.2003 - 1 BvR 1998/02
= NJW 2003, 296). Streitgegenstand des Verfahrens ist die Ablehnung der Beklagten
der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss ab dem 01.11.2009.
Nach der im Prozesskostenhilfeverfahren möglichen summarischen Prüfung der Sach-
und Rechtslage ist die Ablehnung der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab
dem 01.11.2009 durch die Beklagte in Form eines Zuschusses nicht zu beanstanden.
Dabei kann offen bleiben, ob die Hilfebedürftigkeit des Klägers nach § 7 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 SGB II durch die Erzielung eines Erwerbseinkommens ab dem 01.10.2009 oder
den Erhalt von Leistungen seitens seiner Mutter nach § 9 Abs. 5 SGB II ganz oder
teilweise entfallen ist. Jedenfalls verfügt der Kläger über ein zu berücksichtigendes
Vermögen nach § 12 SGB II, das seinen Hilfebedarf ab dem Zeitraum vom 01.11.2009
hat entfallen lassen. Bei dem selbstgenutzten Hausgrundstück, dessen
Alleineigentümer der Kläger ist, handelt es sich nicht um ein angemessenes
Hausgrundstück i.S.v. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II. Dabei kann offen bleiben, ob die
Wohnfläche des Hauses 130 qm, 110 qm oder 100 qm beträgt. Auch wenn als wahr
unterstellt wird, dass die Wohnfläche des Hauses bei 6,5 Räumen, einer Küche und
zwei Bädern nur 100 qm beträgt, ist das Hausgrundstück unangemessen. Die
angemessene Wohnfläche beträgt bei einem Zwei-Personen-Haushalt (vgl. zur
Berücksichtigung von Hausbewohnern, die nicht Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft
sind, bei der Bestimmung der Angemessenheitsgrenze: BSG Urteil vom 29.03.2007 - B
7b AS 12/06 R - Rn 23) 90 qm (siehe BSG Urteil vom 15.04.2008 - B 14/11b AS 34/06 R
- Rn 27). Die Wohnfläche von 100qm übersteigt damit die angemessene Wohnfläche
von 90 qm, auch wenn eine bis zu 10% Überschreitung der angemessenen Wohnfläche
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berücksichtigt wird (vgl. BSG Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - Rn 23 und vom
19.05.2010 - B 8 SO 7/08 R - Rn 19). Unter Berücksichtigung der Stellungnahme der
Stadt I zum Verkehrswert des Hausgrundstückes überschreitet dieser erheblich den
Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB II von 7.950,00 EUR, auch wenn die
dinglich gesicherten Schulden des Klägers (vgl. hierzu BSG Urteil vom 15.04.2008 - B
14/ 7b AS 52/06 R - Rn 39) von ca. 10.000,00 EUR vom Verkehrswert des
Hausgrundstückes abgezogen werden und unterstellt wird, dass der Verkehrswert
geringer als 150.000,00 EUR ist. Zwar besteht insoweit ein weiterer Aufklärungsbedarf,
als die von der Stadt I angenommene Wertsteigerung des Hausgrundstückes von mehr
als 200% (Kaufpreis 93.000,00 DM 1983/ geschätzter Verkehrswert 2009 150.000,00
EUR) einer nachvollziehbaren Begründung bedarf. Auch wenn als Verkehrswert des
Hausgrundstückes der Kaufpreis von ca. 46.000,00 EUR zugrunde gelegt wird,
übersteigt dieser nach Abzug der Schulden bei Weitem den Freibetrag des § 12 Abs. 2
Satz 2 Nr. 1 SGB II. Damit handelt es sich bei dem selbst genutzten Hausgrundstück um
kein Schonvermögen, sondern um verwertbares Vermögen.
Gesichtpunkte, die für eine tatsächliche oder rechtliche Unverwertbarkeit des
Hausgrundstückes sprechen, sind nach Aktenlage nicht erkennbar und werden vom
Kläger auch nicht konkret vorgetragen. Ebenfalls ist nicht erkennbar, dass die
Verwertung des Hausgrundstückes durch Verkauf, Beleihung oder Vermietung
einzelner Wohnräume (siehe zu Verwertungsmöglichkeiten eines Hausgrundstückes:
BSG Urteil vom 16.05.2007 - B 11b As 37/06 R - Rn 31) für den Kläger offensichtlich
unwirtschaftlich (vgl. zum Begriff der Unwirtschaftlichkeit: BSG Urteil vom 06.05.2010 - B
14 AS 2/09 R - Rn 22 m.w.N.) oder unzumutbar i.S.v. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II
(vgl. zum Begriff der besonderen Härte: BSG Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 2/09 R -
Rn 25f m.w.N.) ist. Offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung liegt erst dann
vor, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum
wirklichen Wert des zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht. Umgekehrt ist
eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung nicht gegeben, wenn
das Ergebnis der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet ( § 73a SGG i.V.m. § 127
Abs. 4 ZPO).
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Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
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