Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 15.11.2010

LSG NRW (vorläufiger rechtsschutz, heizöl, firma, sgg, beschwerde, heizungsanlage, hauptsache, spedition, verbrauch, menge)

Landessozialgericht NRW, L 7 AS 1911/10 B ER
Datum:
15.11.2010
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 7 AS 1911/10 B ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Aachen, S 21 AS 1055/10 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des
Sozialgerichts Aachen vom 27.10.2010 geändert. Die Antragsgegnerin
wird verpflichtet, vorläufig 759,22 EUR für die Beschaffung von Heizöl zu
zahlen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der
Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren.
Gründe:
1
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
2
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen
auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen
Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen
Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines
Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen
Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht
abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht
mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur
summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung
der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der
Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu
entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 =
NVwZ 2005, Seite 927).
3
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf vorläufige Übernahme der Kosten für die
Beschaffung von 1100 l Heizöl glaubhaft gemacht. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen
im Beschwerdeverfahren liegt ein Anordnungsgrund vor. Nach den Feststellungen der
Firma E, Heizung und Sanitär, ergab die Messung am 02.11.2010 einen Ölstand von je
4
230 l der miteinander verbundenen zwei Werit Tanks mit einem Fassungsvermögen von
je 2000 l. Nach Abzug der hälftigen, wegen Schlamm- und Ölrückständen nicht für den
Verbrauch nutzbaren Menge steht nach der Auskunft von Herrn X, Inhaber der Firma E,
zum einen nur noch für wenige Tage Öl für den Betrieb der Heizungsanlage zur
Verfügung. Zum anderen wird nach Verbrauch der Restmenge die Heizungsanlage
wegen des Ansaugens von Schlamm Schaden nehmen.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach § 22 Abs. 1
Satz 1 SGB II werden vom Leistungsträger die KdU in Höhe der tatsächlichen
Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die Antragstellerin hat zu
Beginn der Heizperiode einen aktuellen tatsächlichen Bedarf für Heizöl glaubhaft
gemacht. Denn nach den Feststellungen der Firma E verfügt die Antragstellerin über
keinen Vorrat an Heizöl mehr.
5
Die Antragsgegnerin wird vorläufig 759,22 EUR zur Beschaffung von 1100 l Heizöl nach
Vorlage der Rechnung der Firma H Spedition GmbH direkt an die Spedition
überweisen. Zum einen sicherte Herr T von der Firma H am 11.11.2010 einen Preis für
100 l Heizöl incl. MwSt. und Anlieferung von 69,02 EUR für die 46. Kalenderwoche zu.
Zum anderen bejaht der Senat einen Bedarf in der oben angegebenen Menge, da nach
Auskunft der Firma E unter Berücksichtigung vieler individueller Faktoren bei einer
Einzelperson 1000 bis 1500 l Heizöl jährlich benötigt werden.
6
Den Ermittlungen im Hauptsacheverfahren bleibt die Klärung der Frage vorbehalten, ob
und in welchem Umfang die Antragsgegnerin die Kosten für die Beschaffung des
Heizöls als Darlehen oder Zuschuss zu tragen hat. Zu berücksichtigen wird hierbei u.a.
sein, dass auch die Warmwasserbereitung über die Heizungsanlage erfolgt. Bei der
Prüfung, ob die Antragsgegnerin die tatsächlichen Heizkosten der Antragstellerin zu
tragen hat, wird das SG die hierzu entwickelten Grundsätze des BSG (Urteil vom
19.09.2008 - B 14 AS 54/07 R; Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R; Urteil vom
02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R; Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R) berücksichtigen
und auch die Frage klären, ob bei der Feststellung der benötigten Heizölmenge von
einem Kalenderjahresbedarf auszugehen ist ( LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom
18.09.2009 - L 5 B 593/08 AS ER).
7
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog. Dabei hat der Senat
berücksichtigt, dass die Antragstellerin den Anordnungsgrund erst im
Beschwerdeverfahren glaubhaft gemacht hat.
8
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
9