Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23.03.2000

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Landessozialgericht NRW, L 16 P 132/98
Datum:
23.03.2000
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 16 P 132/98
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 19 P 144/96
Sachgebiet:
Pflegeversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom
09. September 1998 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu
erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung.
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Der 1934 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten am 14.03.1995 die Bewilligung
von Pflegegeld. Er gab ergänzend an, er benötige Hilfe im Bereich der
hauswirtschaftlichen Versorgung, nämlich zweimal wöchentlich beim Einkaufen sowie
dem Reinigen der Wohnung und der Wäsche. Vom Sozialamt erhalte er monatlich DM
104,-- und zusätzlich wöchentlich DM 45,-- für eine Haushaltshilfe.
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Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes ein. Die Ärztin Frau Dr. B.
stellte nach Untersuchung am 27.03.1996 fest, Hilfe sei zwar notwendig im Bereich der
hauswirtschaftlichen Versorgung, nicht aber im Bereich der Hygiene, Ernährung und
Mobilität. Den Zeitaufwand für Hilfe in der hauswirtschaftlichen Versorgung bezifferte sie
mit wöchentlich 420 Minuten. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag des Klägers auf
Leistungen aus der Gesetzlichen Pflegeversicherung mit dem angefochtenen Bescheid
vom 23.05.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.10.1996 - auf den
Widerspruch des Klägers vom 28.05.1996 - ab. Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14
des Sozialgesetzbuchs Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) sei nicht
festzustellen.
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Hiergegen hat der Kläger am 13.09.1996 Klage erhoben und geltend gemacht, er sei in
den akuten Phasen seiner chronisch obstruktiven Bronchitis bei Lungenemphysem
pflegebedürftig. Er bedürfe in die sen Fällen sowohl der häuslichen Krankenpflege als
auch einer Haushaltshilfe.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Bescheide der Beklagten vom 23.05.1996 und 17.10.1996 aufzuheben und
festzustellen, dass er in den akuten Phasen seiner Atemwegserkrankung
pflegebedürftig ist, sowie als sachverständige Zeugen - nach Belehrung des
Vorsitzenden, nicht nach § 109 SGG - Dr. Sch, Gesundheitsamt der Beigeladenen, Dr.
F, Köln, Prof. H., Chefarzt der Medizinischen Klinik Porz am Rhein, Köln und die
Lungenärztin K., Köln, vor der Entscheidung anzuhören.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten, beim Kläger seien die Voraussetzungen für
eine hauswirtschaftliche Versorgung nach den Vorschriften des SGB XI nicht gegeben,
da kein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege bestehe.
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Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
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Das Sozialgericht hat auf Antrag des Klägers den Facharzt für Innere Krankheiten Dr. G
aus Köln nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum gerichtlichen Sachverständigen
ernannt. Wegen des Inhalts seiner Ausführungen wird auf die Sitzungsniederschrift vom
09.09.1998 verwiesen.
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Mit Urteil vom 09.09.1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Bescheide
der Beklagten seien aus den darin angeführten Gründen zutreffend. Auch die vom
Kläger im Klageverfahren vorgelegte Beurteilung des von ihm als weiteren Zeugen
benannten Dr. Sch bestätige die Einschätzung von Frau Dr. B, dass nur eine
hauswirtschaftliche Betreuung zwingend erforderlich sei. Die Kammer habe keinen
Anlaß, dem Beweisanerbieten des Klägers zu folgen. Der Kläger sei der Kammer durch
seine Angaben und wieder holten Akteneinsichten bekannt. Zu keiner Zeit habe er
dabei den Eindruck hinterlassen, in irgendeinem Bereich der Pflege auf fremde Hilfe
angewiesen zu sein. Auch in der mündlichen Verhandlung habe er sich in einem
körperlich und geistigen Zustand gezeigt, der keinen Rückschluß auf eine
Hilfebedürftigkeit im Bereich der Grundpflege zulasse. Auch der gerichtliche
Sachverständige habe bekundet, der Kläger sei in Zeiten akuter Entzündungszustände
seiner Atemwegserkrankung ans Bett gefesselt. Selbst zu diesen Zeiten könne er sich
aber kleinere Mahlzeiten bereiten. Darüberhinaus sei der Kläger allenfalls
zwischenzeitlich über zwei bis drei Monate in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt.
Damit werde aber die Mindestzeit des § 14 Abs. 1 SGB XI nicht erfüllt.
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Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 11.09.1998 Berufung eingelegt. Er wiederholt
sein bisheriges Vorbringen und rügt, die Kammer sei seinem Antrag auf Anhörung von
Dr. Schoenemann vom Gesundheitsamt Köln nicht gefolgt sei. Er wiederholt, er könne
seinen Haushalt nicht allein führen. Zwischenzeitlich seien auch alte Blutungen
(gemeint ist wohl des Magens) wieder aufgetreten. Der Kläger hat zudem einen
Entlassungsbericht des Kamillianer Krankenhauses, Mönchengladbach, vorgelegt, wo
er vom 19. bis 24.10.1998 stationär behandelt worden ist. Ferner hat er einen Aufsatz
über chronische Bronchitis zur Akte gereicht, worin u.a. ausgeführt ist, die Dauer der
Erkrankung erstrecke sich bei unkompliziertem Verlauf über zwei bis drei Wochen, unter
ungünstigen äußeren Bedingungen könne sich eine Bronchitis über sechs bis acht
Wochen hinziehen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägers
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Bezug genommen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
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das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 09. September 1998 zu ändern und nach dem
Klageantrag zu erkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte hält demgegenüber das angefochtene Urteil für zutreffend.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Die Verwaltungsakte der Beklagten hat neben der Prozessakte vorgelegen.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten,
der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Der Senat konnte aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden, da der
Kläger in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit
hingewiesen worden war.
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung. Das
Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass er nicht pflegebedürftig i.S. des § 14 SGB
XI ist.
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Pflegebedürftig i.S. dieser Norm sind Personen, die wegen einer körperlich, geistigen
oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig
wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer,
voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maß Hilfe
bedürfen.
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Der Kläger leidet nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen an chronisch
obstruktiver Bronchitis, Lungenemphysem und chronischer Pankreatitis. Der
behandelnde Internist Dr. G hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem
Sozialgericht am 09.09.1998 anschaulich dargelegt, dass der Kläger trotz dieser
Erkrankung in der Lage ist, hauswirtschaftliche Verrichtungen, wie Geschirrspülen,
kleinere Mahlzeiten kochen oder Fenster putzen, selbst durchzuführen. Nur in Zeiten
akuter Entzündungszustände sei seine körperliche Leistungsfähigkeit herabgesetzt. In
welchem Maße die Beeinträchtigungen bestehen, könne allerdings jeweils nur von Fall
zu Fall festgestellt werden. Derartige akute Krankheitsschübekönnten über zwei bis drei
Monate andauern. Diese Angaben decken sich mit den Feststellungen der Frau Dr. B
bei ihrer Untersuchung des Klägers am 27.03.1996. Sie hat im Bereich der
Körperpflege, Ernährung und Mobilität keinen Hilfebedarf festgestellt und lediglich im
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Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung Hilfe als notwendig erachtet.
Damit ist der Kläger auch zur Überzeugung des Senats nicht auf Dauer, voraussichtlich
für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürftig.
Dem Kläger ist zuzugeben, dass wegen der Art der Atemwegserkrankung immer wieder
mit stärkeren Beeinträchtigungen infolge akuter Entzündungsschübe zu rechnen ist.
Wann diese eintreten, wie lange sie jeweils dauern, und welches Ausmaß die jeweilige
Beeinträchtigung für ihn bedeutet, läßt sich jedoch nicht genau prognostizieren. Nach
dem bisherigen Verlauf und den Einschätzungen des behandelnden Internisten können
solche akuten Phasen bis zu drei Monate dauern. Damit ist aber, wie das Sozialgericht
zutreffend entschieden hat, die Mindestzeit des § 14 Abs. 1 SGB XI nicht erfüllt.
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Das Sachverhalt ist ausreichend aufgeklärt. Sämtliche vom Kläger angeführte Leiden
sind in die Beurteilung miteinbezogen worden. Ein Anhalt für die Notwendigkeit weiterer
Aufklärungen besteht auch zur Überzeugung des Senats nicht.
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Insbesondere ist eine Anhörung weiterer Ärzte nicht erforderlich. Es ist deshalb nicht zu
beanstanden, dass das Sozialgericht den Antrag des Klägers, die im Antrag genannten
Ärzte vor der Entscheidung anzuhören, nicht gefolgt ist.
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Der Kläger hat auch keinen Anspruch, dass weitere Ärzte nach § 109
Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Berufungsverfahren gehört werden. Denn im
erstinstanzlichen Verfahren ist bereits auf seinen Antrag hin ein Gutachten des
Facharztes für Innere Krankheiten Dr. G aus Köln nach § 109 SGG eingeholt worden.
Besondere Umstände, die eine erneute Anhörung eines bestimmten vom Kläger
genannten Arztes rechtfertigen würde, liegen nach Auffassung des Senats nicht vor.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des
§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht erfüllt sind.
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