Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 18.06.2010

LSG NRW (kläger, elterliche sorge, elternteil, gesetzliche vertretung, gegenstand des verfahrens, kind, sgg, einvernehmliche regelung, eltern, fahrtkosten)

Landessozialgericht NRW, L 20 SO 19/10
Datum:
18.06.2010
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 20 SO 19/10
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 21 SO 86/07
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 8 SO 55/10 B
Sachgebiet:
Sozialhilfe
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom
18.03.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die
Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
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I.
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Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte dem Kläger im Rahmen seines Bezugs von
Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zusätzliche
Leistungen für Kosten zu erbringen hat, die im Rahmen der Wahrnehmung seines
Umgangsrechts mit seinen minderjährigen Kindern für Fahrt- und Unterhaltskosten
entstehen.
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Der 1967 geborene Kläger bezieht eine befristete Erwerbsminderungsrente. Seit dem
01.01.2005 erhält er zudem von der Beklagten ergänzend laufende Leistungen nach
dem Dritten Kapitel des SGB XII. Zuvor hatte er seit November 2003 laufende
Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bezogen.
Der Kläger ist Vater der beiden minderjährigen Söhne M und H. Die Söhne leben bei
der Kindesmutter im Ort N-B. Die elterliche Sorge wird vom Kläger und der Kindesmutter
gemeinsam ausgeübt. Aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung darf der Kläger die
Söhne an jedem Wochenende zu sich nehmen, und zwar jeweils abwechselnd von
Freitag auf Samstag bzw. von Samstag auf Sonntag. Über diese vereinbarten
Umgangszeiten hinaus kommt es auch, etwa in Ferienzeiten, zu gelegentlichen
weiteren Aufenthalten der Kinder beim Kläger.
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Mit Schreiben vom 01.12.2006 beantragte der Kläger (erneut) bei der Beklagten
Leistungen für die "Unterbringung" seiner Kinder. Ferner beantragte er Leistungen für
Fahrtkosten. An Wochenenden, an denen die Kinder samstags bis sonntags bei ihm
seien, übernehme die Kindesmutter das Bringen und Abholen der Söhne. An den
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Wochenenden, an denen die Kinder von freitags bis samstags bei ihm seien, hole er die
Kinder freitags von Schule bzw. Kindergarten in F (Heimatort des Klägers) ab; er müsse
sie dann samstags um 18:00 Uhr nach B bringen. Da zu dieser Zeit keine öffentlichen
Verkehrsmittel dorthin und wieder zurück führen, bleibe ihm nur die Möglichkeit, die
Kinder per Taxi nach Hause zu bringen, wofür er Leistungen beantrage.
Mit Bescheid vom 27.03.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2007
teilte die Beklagte dem Kläger mit, seine eigenen Fahrtkosten im Rahmen der
Ausübung des Umgangsrechts könnten als zusätzlicher Bedarf anerkannt werden,
soweit sie tatsächlich entstünden und nachweislich über den bereits mit den
Regelsätzen abgegoltenen Kosten lägen. Hierzu ergehe ein eigener Bescheid. Kosten
im Zusammenhang mit der Ausübung des Umgangsrechts, die den Kindern selbst
entstünden, könnten hingegen nicht als Leistungen an den Kläger übernommen werden.
Der Kläger sei darauf zu verweisen, diesbezüglich mit dem anderen Elternteil eine
Regelung zu finden. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Bescheide Bezug
genommen.
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Hiergegen hat der Kläger am 16.07.2007 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe
Anspruch auf die Gewährung zusätzlicher Regelsatzanteile für die Kosten, die ihm
durch die Ausübung des Umgangsrechts mit seinen Kindern entstünden. Die in § 1684
Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelten Rechte und Pflichten des Umgangs
von Eltern mit dem Kind stünden unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz
(GG). Die Aufrechterhaltung der Eltern-Kind-Beziehung durch Ausübung des
Umgangsrechts dürfe auch nicht faktisch vereitelt werden. Nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs zum Unterhaltsrecht habe der Elternteil, der das Umgangsrecht
ausübe, die mit dessen Wahrnehmung verbundenen Aufwendungen grundsätzlich
selbst zu tragen und könne sie regelmäßig weder auf das unterhaltsberechtigte Kind
noch auf den anderen Elternteil abwälzen. Zu den Umgangskosten zählten
unterhaltsrechtlich nicht nur Fahrtkosten, sondern auch sonstige aus den Kontakten
resultierende angemessene Aufwendungen wie Übernachtungs- und
Verpflegungskosten. Dementsprechend hätten die Verwaltungsgerichte zur Zeit der
Geltung des BSHG die in Ausübung des Umgangsrechts entstehenden Kosten nicht
dem Bedarf des Kindes, sondern dem Bedarf des Umgangsberechtigten zugeordnet.
Der umgangsberechtigte Elternteil könne auch nicht darauf verwiesen werden, sich mit
dem anderen Elternteil auf einen Kostenausgleich einigen zu müssen; das Zivilrecht
sehe einen entsprechenden Anspruch nicht vor. Zwischen ihm und der Kindesmutter
bestehe keine Bedarfsgemeinschaft, und es sei auch lebensfern, dass zwischen
geschiedenen Eheleuten notwendige finanzielle Mittel nach Bedarf zur Verfügung
gestellt würden. Wenn die Beklagte die Kosten des Umgangs dem Bedarf der Kinder
selbst zuordnen wolle, sei dies rechtsirrig. Er habe keine rechtliche Möglichkeit, diese
Kosten von den Kindern selbst oder von der Kindesmutter zu verlangen. Zugleich seien
die Umgangskosten nicht vom Regelsatz abgedeckt.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Bescheid vom 27.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreises
F vom 18.06.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag
vom 01.12.2006 hin die Übernahme im Rahmen des Umgangsrechts mit seinen Kindern
entstehenden Kosten zu gewähren.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgetragen, nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
((BSG) Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R) sei zwischen Ansprüchen des Klägers
und denen seiner Kinder zu unterscheiden. Es komme nicht darauf an, wem die Kosten
unterhaltsrechtlich zuzuordnen seien. Anspruchsinhaber sei nicht generell der
Unterhaltsverpflichtete, sondern der jeweils Bedürftige für die ihm selbst entstehenden
Kosten. Regelungen des SGB XII müssten - ebensowenig wie solche des Zweiten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) - nicht notwendigerweise den Kriterien des
Unterhaltsrechts folgen. Es könne nicht Aufgabe des SGB XII sein, bis in jede Einzelheit
für eine Verteilung der notwendigen Gelder zwischen allen Beteiligten zu sorgen.
Vielmehr sei davon auszugehen, dass Zuordnungsprobleme innerhalb familiärer
Beziehungen von den betroffenen Personen im Rahmen bestehender
Bedarfsgemeinschaften gemeistert würden. Die Kinder des Klägers lebten mit der
Kindesmutter in Bedarfsgemeinschaft. Es sei davon auszugehen, dass die Mutter für die
Kinder Einkünfte beziehe, die deren Lebensunterhalt ausreichend sicherstellten. Sofern
die Kinder selbst nicht bedürftig seien, bestehe jedoch keine existenzielle
Notwendigkeit für ihre staatliche Unterstützung. Der Kläger sei deshalb darauf zu
verweisen, sich ggf. mit der Kindesmutter dahingehend zu verständigen, dass diese ihm
anteilige Leistungen aus dem für die Kinder bestimmten Einkommen überlasse. Es sei
davon auszugehen, dass die Kinder des Klägers zumindest teilweise Leistungen
bezögen (Kindergeld, Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, Sozialgeld,
etc.), oder dass ihr Lebensunterhalt aus dem Erwerbseinkommen der Mutter sicher
gestellt werde. Wenn der Kläger jetzt im Rahmen des Umgangsrechts keinen eigenen,
sondern einen Bedarf für seine Kinder geltend mache, würde dies im Ergebnis zu einer
doppelten Unterstützung der Kinder durch die Sozialleistungsträger führen, welche im
Gesetz keine Grundlage finde. Leistungen nach dem SGB XII unterlägen dem
Subsidiaritätsprinzip; es sei den Kindern zuzumuten, ihr Einkommen einzusetzen,
sofern sie über solches verfügten.
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Mit Urteil vom 18.03.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein eigener
sozialhilferechtlicher Anspruch des Klägers bzgl. der im Zusammenhang mit der
Ausübung des Umgangsrechts entstehenden Kosten bestehe nicht. Zwischen den
Ansprüchen des Klägers und denjenigen seiner Kinder müsse streng unterschieden
werden. Wem die Kosten der Ausübung des Umgangsrechts unterhaltsrechtlich
zuzuordnen seien, sei dabei nicht ausschlaggebend. Leistungsrechtlich sei
Anspruchsinhaber nicht generell der Unterhaltsverpflichtete, sondern der jeweils
Bedürftige für seine Kosten. Bereits unterhaltsrechtlich sei davon auszugehen, dass der
Umgangsberechtigte die Kosten der Kinder nicht zu tragen habe, wenn und soweit er
selbst kein Einkommen besitze, welches sein eigenes Existenzminimum decke.
Darüber hinaus müssten Regelungen des SGB XII ebensowenig wie solche des SGB II
notwendigerweise den Kriterien des Unterhaltsrechts folgen. Sie substituierten gerade
keine Unterhaltsverpflichtung durch Leistungen an den Verpflichteten, sondern fehlende
Unterhaltszahlungen durch Leistungen an den Unterhaltsberechtigten. Für den Kläger
kämen deshalb Leistungen nach § 73 SGB XII allenfalls für die für ihn selbst
anfallenden Fahrtkosten bei der Ausübung seines Besuchsrechts in Frage, was
allerdings nicht Streitgegenstand sei und von der Beklagten dem Grunde nach auch
nicht in Zweifel gezogen werde. Die Fahrt- und Unterhaltskosten, die für die beiden
Kinder des Klägers anlässlich ihrer Besuchsaufenthalte bei ihm entstünden, seien
dagegen ein allein in ihrer Person auftretender Bedarf. Denkbar sei insoweit allein ein
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eigener Sozialhilfeanspruch der Kinder nach § 73 SGB XII für deren Fahrtkosten und
nach §§ 27, 28 SGB XII für ihren Lebensunterhalt während ihres Aufenthalts beim
Kläger. Entgegen der Ansicht des Klägers drohe ihm auch keine Vereitelung des mit
Verfassungsrang ausgestatteten Umgangsrechts. Denn die Elternteile seien zunächst
auf eine einvernehmliche Regelung untereinander zu verweisen. Hierfür spreche
insbesondere die sog. Wohlverhaltensklausel des § 1684 Abs. 2 BGB. Diesbezüglich
habe der Kläger schon nicht substantiiert vorgetragen, dass die Kindesmutter sein
Umgangsrecht faktisch etwa dergestalt ins Leere laufen lasse, dass bei ihr keinerlei
Bereitschaft bestehe, die notwendigen finanziellen Mittel zu Verfügung zu stellen. Doch
selbst, wenn dies der Fall sein sollte, bliebe dem Kläger die Möglichkeit, gegen die
Kindesmutter zivilrechtlich vorzugehen; damit würde im Übrigen der vorliegende Streit
um die Gewährung sozialhilferechtlicher Leistungen auf den eigentlichen
familienrechtlichen Kern zurückgeführt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das
Urteil Bezug genommen.
Gegen das am 18.06.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.07.2008 Berufung
eingelegt. Er trägt vor, die Entscheidung des Sozialgerichts beruhe auf der falschen
Auffassung, die Kosten der Ausübung des Umgangsrechts seien nicht seine Kosten,
sondern solche seiner Kinder. Das Gericht übersehe, dass die Kindesmutter weder
bereit noch in der Lage sei, sich finanziell an diesen Kosten zu beteiligen. Tatsächlich
stünden ihm deshalb keine Mittel zur Verfügung, was zu einer Vereitelung des
Umgangsrechts führe. Zwar verlange § 1684 Abs. 2 BGB von den Eltern, alles zu
unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil
beeinträchtige oder die Erziehung erschwere. Die Vorschrift sei jedoch keine
Anspruchsgrundlage, aufgrund derer er einen Zahlungsanspruch gegen die
Kindesmutter habe.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 18.03.2008 sowie den Bescheid der Beklagten
vom 27.03.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreises F vom 18.06.2007
aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 01.12.2006 die
im Rahmen der Ausübung seines Umgangsrechts mit seinen Kindern entstehenden
Kosten als Sozialhilfeleistung zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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Sie trägt vor, das Umgangsrecht werde keineswegs dadurch faktisch vereitelt, dass
entsprechende Bedarfe den Kindern und nicht dem Kläger zugeordnet würden. Zwar
liefere § 1684 Abs. 2 BGB für den Kläger keine Anspruchsgrundlage gegen die
Kindesmutter. Die Vorschrift regele jedoch die Verpflichtung des anderen Elternteils,
alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil
beeinträchtige. Soweit die Kindesmutter nicht bedürftig sei und über ausreichende Mittel
zur Bestreitung des Lebensunterhalts der Kinder verfüge, bestehe für den Kläger die
zivilrechtliche Möglichkeit, die Kindesmutter zu verpflichten, für den Lebensunterhalt der
Kinder auch während der Zeit ihres Aufenthalts beim Kläger zu sorgen, um auf diese
Weise nicht mutwillig das Umgangsrecht zu vereiteln und gegen § 1684 Abs. 2 BGB zu
verstoßen. Anderenfalls würde diese zivilrechtliche Bestimmung keinen Sinn ergeben.
Entsprechende Anstrengungen habe der Kläger jedoch nicht unternommen. Der
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Umstand, dass ein solcher Weg rechtlich und in tatsächlicher Hinsicht schwieriger sei,
könne keinesfalls dazu führen, dass gleichsam präventiv vorrangig eine Gewährung von
Leistungen nach dem SGB XII zu erfolgen habe.
Aufgrund eines Beschlusses des Senats vom 25.08.2008 hat das Verfahren
zwischenzeitlich geruht, um die Entscheidung des BSG im Revisionsverfahren B 14 AS
54/08 R abzuwarten. Nachdem jenes Verfahren durch Urteil vom 02.07.2009 beendet
wurde, wurde das vorliegende Verfahren fortgeführt.
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In einem Erörterungstermin vom 28.04.2010 hat der Kläger auf Befragen u.a.
angegeben, seine geschiedene Ehefrau sei als Physiotherapeutin berufstätig, seines
Wissens nicht selbständig; über den Umfang ihrer Berufstätigkeit könne er nichts sagen.
Die beiden gemeinsamen Kinder seien derzeit sieben bzw. dreizehn Jahre alt. Sie
wohnten in N-B etwa acht Kilometer von seiner eigenen Wohnung entfernt.
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Nachdem mit den Beteiligen im Erörterungstermin die Urteile des BSG vom 07.11.2006
- B 7 AS 14/06 R sowie vom 02.07.2009 - B 14 AS 54/08 R erörtert worden waren, hat
der Bevollmächtigte des Klägers erklärt, er erwäge wegen der mit Rücksicht auf Art. 6
GG unbefriedigenden Rechtsprechung des BSG eine Weiterführung des Verfahrens mit
dem Ziel der Durchführung einer Verfassungsbeschwerde. Es sei insofern von
Bedeutung, dass es wahrscheinlich zu familiären Verwerfungen führen würde, würde er
durch Anrufung des Familiengerichts erreichen wollen, dass die Kinder etwaige
Ansprüche nach dem SGB XII einklagten. Eine Kostentragung durch die Kindesmutter
selbst sei nicht zu erwarten. Eine gedeihliche Ausübung des Umgangsrechts wäre
durch ein Vorgehen vor dem Familiengericht sehr gefährdet. Aus seiner Sicht habe die
Kindesmutter familienrechtlich auch nichts mit den Kosten des Umgangs zu tun.
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Die Beteiligen haben sich in dem Erörterungstermin nach entsprechendem Hinweis mit
einer Entscheidung gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden
erklärt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte, der beigezogenen Akte SG Köln S 21 SO 131/07 (gleiches Rubrum)
sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
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II.
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1. Der Senat kann nach § 153 Abs. 4 SGG die Berufung ohne Beteiligung
ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen, weil er sie einstimmig für
unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligen
sind auf diese Möglichkeit im Erörterungstermin vom 28.04.2010 hingewiesen worden;
sie haben im Übrigen erklärt, hiergegen keine Einwände zu haben.
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2. Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
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Das Sozialgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen. Denn die von ihm
angefochtenen Bescheide beschweren ihn nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG in seinen
Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen an sich selbst wegen der
Kosten, die - außerhalb der im vorliegenden Verfahren nicht streitigen, für ihn selbst
anfallenden Fahrtkosten - für seine Kinder im Zusammenhang mit der Ausübung seines
Umgangsrechts anfallen.
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a) Denn selbst, wenn - was der Senat offen lassen kann - ein entsprechender
Sozialleistungsbedarf mangels eigenen Einkommens oder Vermögens der Kinder oder
entsprechender Deckungsansprüche der Kinder gegen Dritte bestehen sollte, so würde
es sich dabei nicht um einen Bedarf des Klägers selbst handeln. Ansprüche auf
bedarfsdeckende Leistungen könnten vielmehr allein den Kindern selbst zustehen:
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In Anwendung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R)
ist zwischen den Ansprüchen des Klägers selbst und denen seiner Kinder zu
unterscheiden. Wie das Sozialgericht, die Rechtsprechung des BSG teilend, zutreffend
ausgeführt hat, ist insbesondere nicht ausschlaggebend, wem die Kosten der Ausübung
des Umgangsrechts unterhaltsrechtlich zuzuordnen sind. (Sozialhilferechtlicher)
Anspruchsinhaber ist nicht generell der (zivilrechtlich) Unterhaltsverpflichtete, sondern
der jeweils Bedürftige für seine ihm selbst (sozialhilferechtlich) zuzuordnenden Kosten.
Ist ohnehin schon unterhaltsrechtlich davon auszugehen, dass der Kläger die seinen
Kindern im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts entstehenden Kosten nicht zu
tragen hat, weil er über kein Einkommen bzw. Vermögen oberhalb des
sozialhilferechtlichen Existenzminimums verfügt, so müssen die Regelungen des SGB
XII (ebensowenig die des SGB II) auch nicht notwendigerweise den Kriterien des
Unterhaltsrechts folgen. Denn sie substituieren keine Unterhaltsverpflichtung durch
Leistungen an den Verpflichteten, sondern fehlende Unterhaltszahlungen durch
Leistungen an den Unterhaltsberechtigten. Daraus folgt, dass der Kläger außerhalb des
Bedarfs für in seiner Person selbst entstehende Fahrtkosten, welche vorliegend nicht
streitbefangen sind, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Umgangsrechts
keinen weiteren Anspruch auf ergänzende Leistungen (an ihn selbst) gegen die
Beklagte hat. Denkbar sind vielmehr, ohne das der Senat dies im vorliegenden, allein
vom Kläger geführten Verfahren zu entscheiden hätte, allein entsprechende eigene
Ansprüche der Kinder, wenn bei ihnen nämlich eine entsprechende Bedürftigkeit
bestehen sollte.
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Soweit es der Kläger für mit Verfassungsrecht unvereinbar hält, wenn die von ihm
geltend gemachten Bedarfe nicht ihm, sondern seinen Kindern zugeordnet werden, folgt
ihm der Senat nicht. Eine sozialrechtliche Zuordnung von Leistungsansprüchen im
Zusammenhang mit der Ausübung des Umgangsrechts zu den betroffenen Kindern
gewährleistet in gleicher Weise die sozialhilferechtliche Versorung während der
Ausübung des Umgangsrechts, wie es eine Zuordnung entsprechender Bedarfe zum
umgangsberechtigten Elternteil täte. Da Sozialhilfeleistungen nur nachrangig zu
erbringen sind (§ 2 Abs. 1 SGB XII), sprechen zudem sozialhilferechtsimmante Gründe
dagegen, entsprechende Bedarfe leistungsrechtlich allein dem umgangsberechtigten
Elternteil zuzuordnen und dabei zwangsläufig unberücksichtigt zu lassen, ob etwa das
betroffene Kind über eigenes Einkommen und Vermögen verfügt, welches ihm eine
Befriedigung der entsprechenden Bedarfe ohne weiteres sicherstellen könnte.
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b) Die Verfahrensführung des Klägers ist auch nicht etwa im Sinne der Anwendung
eines "Meistbegünstigungsprinzips" dahingehend zu verstehen, dass er gar nicht
eigene, sondern Ansprüche seiner Söhne geltend macht.
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aa) Zum einen trägt der Kläger selbst vor, er begehre die Sozialhilfeleistungen gerade
als Leistungen an ihn selbst für in seiner eigenen Person anfallenden Bedarfe; denn
Kosten im Zusammenhang mit der Ausübung des Umgangsrechts seien dem
umgangsrechtsberechtigten Elternteil zuzuordnen, wie es schon in der
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verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum BSHG angenommen worden sei.
bb) Zum andern wäre - selbst wenn der Kläger Ansprüche seiner Söhne im
vorliegenden Verfahren geltend machen wollte - eine entsprechende Meistbegünstigung
schon deshalb nicht möglich, weil der Kläger gar nicht berechtigt wäre, seine beiden
Söhne im vorliegenden Verfahren zu vertreten.
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Denn die beiden Söhne sind derzeit nicht selbst prozessfähig i.S.d. § 71 Abs. 1 und 2
SGG i.V.m. §§ 104 ff. BGB. Ein Beteiligter ist nach § 71 Abs. 1 SGG prozessfähig, wenn
er sich durch Verträge verpflichten kann. Minderjährige sind gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1
SGG in eigenen Sachen prozessfähig, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen
oder des öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig
anerkannt sind. Die Söhne des Kläger sind in diesem Zusammenhang nicht etwa nach
den Vorschriften des öffentlichen Rechts handlungsfähig; denn die sozialrechtliche
Handlungsfähigkeit setzt nach § 36 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)
die Vollendung des 15. Lebensjahres voraus, was nach den glaubhaften Angaben des
Klägers im Erörterungstermin vom 28.04.2010 derzeit noch nicht der Fall ist. Nach der
bürgerlich-rechtlichen Vorschrift des § 107 BGB bedarf der Minderjährige zu einer
Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der
Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. Die Prozessführung für die Söhne des
Klägers wäre auch nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Denn die Geltendmachung von
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII ist bereits deshalb
nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, weil eine Leistungsgewährung zum Erlöschen der
Forderung führen würde (vgl. für den entsprechenden Fall von Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB II BSG, Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 54/08 R).
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Die gesetzliche Vertretung eines Kindes erfolgt nach § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB
gemeinschaftlich durch die Eltern. Ein Elternteil vertritt das Kind nur dann allein, wenn er
die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 BGB
übertragen worden ist (§ 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB). Keine dieser Voraussetzungen für
eine Alleinvertretungsbefugnis des Klägers wäre vorliegend erfüllt. Er übt die elterliche
Sorge mit der Kindesmutter gemeinsam aus, und für eine Bevollmächtigung durch die
Kindesmutter oder auch nur für eine nachträgliche Genehmigung liegen keine
Anhaltspunkte vor. Eine Sonderregelung zur Vertretungsbefugnis im Rahmen des SGB
XII oder des SGG besteht ebenfalls nicht.
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Schließlich ergäbe sich eine Alleinvertretungsbefugnis des Klägers auch nicht aus §
1687 Abs. 1 Satz 4 BGB. Solange sich das Kind mit Einwilligung des Elternteils, bei
dem es sich gewöhnlich aufhält, oder aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung bei
dem anderen Elternteil aufhält, hat dieser Elternteil danach die Befugnis zur alleinigen
Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung. Diese Befugnis
beschränkt sich jedoch auf tatsächliche Umstände wie etwa Ernährung, Bettruhe oder
Fernsehkonsum; ein Vertretungsrecht abweichend von der allgemeinen Regelung des §
1629 BGB wird dem jeweiligen Elternteil jedoch nicht eingeräumt. Bereits der Wortlaut
der Vorschrift "Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung" schließt eine
Entscheidung in in erster Linie rechtlich bedeutsamen Angelegenheiten - wie der
Einlegung von Rechtsmitteln - aus (BSG, a.a.O.).
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Dass es sich bei den Befugnissen nach § 1687 Abs. 1 Satz 4 BGB nur um solche in
tatsächlichen Angelegenheiten von geringer (auch wirtschaftlicher) Bedeutung handeln
soll, verdeutlicht auch die Systematik der Norm: Während (im Falle gemeinsamer
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elterlicher Sorge) bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind
von erheblicher Bedeutung ist, das gegenseitige Einvernehmen der Eltern erforderlich
ist (§ 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB), ist bereits der Elternteil, bei dem sich das Kind
gewöhnlich aufhält, zur alleinigen Entscheidung nur insoweit befugt, als es um
Angelegenheiten des täglichen Lebens geht (§ 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das sind nach
§ 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB in der Regel solche Angelegenheiten, die häufig vorkommen
und die keine schwer abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes
haben. Hinter diesen Angelegenheiten des täglichen Lebens haben bei systematischer
Betrachtung die Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung, über die während der
Ausübung des Umgangsrechts zu entscheiden ist, hinsichtlich ihrer Bedeutung eher
noch zurückzubleiben. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift dient die
Entscheidungsbefugnis nach § 1687 Abs. 1 Satz 4 BGB der rechtlichen Absicherung
der Erziehungsmaßnahmen des umgangsberechtigten Elternteils während der
Ausübung des Umgangsrechts. Um eine solche Angelegenheit handelt es sich bei der
Vertretung eines Kindes im sozialgerichtlichen Verfahren aber gerade nicht. Es ist
vielmehr in aller Regel eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung i.S.d. § 1687
Abs. 1 Satz 1 BGB anzunehmen (BSG, a.a.O.).
Eine Alleinvertretungsbefugnis des Klägers ergäbe sich auch nicht etwa aus einer
verfassungskonformen, erweiternden Auslegung des § 1687 Abs. 1 Satz 4 BGB im
Lichte von Art. 6 GG. Denn für eine Durchsetzung des verfassungsrechtlich geschützten
elterlichen Umgangsrechts stehen familienrechtliche Instrumentarien zur Verfügung,
welche einerseits eine Berücksichtigung der Belange aller familienrechtlich Beteiligen
gewährleisten, andererseits ggf. aber auch eine Durchsetzung der sozialhilferechtlichen
Ansprüche der Kinder des Klägers gegen den Willen der Kindesmutter zulassen
würden. Dementsprechend scheidet auch eine Verletzung des Anspruchs auf effektiven
Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 4 GG aus. Denn der Kläger hat die Möglichkeit,
eine gerichtliche Entscheidung nach § 1628 Satz 1 BGB herbeizuführen. Nach dieser
Vorschrift kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem
Elternteil übertragen, wenn sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in
einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für
das Kind von besonderer Bedeutung ist, nicht einigen können. Der Elternteil, dem die
Entscheidung nach § 1628 BGB übertragen ist, vertritt gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB
das Kind allein. Auf diese Weise kann auch im laufenden sozialgerichtlichen Verfahren
die mangels Einvernehmens der sorgeberechtigten Eltern fehlende gesetzliche
Vertretung nur durch einen Elternteil hergestellt werden. In diesem gerichtlichen
Verfahren ist die Durchsetzung der materiellen Grundrechtsposition der Beteiligen
sicherzustellen. Dass eine zeitnahe Entscheidung ergeht, kann ggf. im Wege des
einstweiligen Rechtsschutzes sicher gestellt werden (so BSG, a.a.O.).
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Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass bei einem entsprechenden familienrechtlichen
Vorgehen Friktionen mit der Kindesmutter und damit auch faktisch nachteilige
Auswirkungen im familiären Verhältnis auch zu seinen Kindern erwartbar erscheinen.
Rechtspolitisch mag man sich deshalb in Fällen wie dem vorliegenden eine gerichtliche
Alleinvertretung durch den umgangsberechtigten Elternteil vorstellen können
(Entsprechendes könnte im Übrigen bereits für die Frage der Zuordnung der vom Kläger
als eigene geltend gemachten Leistungsansprüche zum umgangsberechtigten Elternteil
statt zum Kind ins Feld geführt werden). Da die Rechtsordnung allerdings mit § 1628
Satz 1 BGB de lege lata eine Verfahrensweise ausdrücklich vorsieht, bei der
entsprechende faktische Problemlagen gerichtlich lösbar sind, ist der Kläger auf diese
von der Rechtsordnung vorgesehene Möglichkeit zu verweisen, sofern sich eine
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entsprechende Verständigung mit der Kindesmutter nicht erreichen lassen sollte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
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