Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19.05.2004

LSG NRW: befreiung von der versicherungspflicht, private vorsorge, persönliche dienstleistung, lehrer, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, doppelbelastung, wissentlich, medien, datum, vergleich

Landessozialgericht NRW, L 8 RA 66/03
Datum:
19.05.2004
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 8 RA 66/03
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 6 RA 38/02
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 12 RA 10/04 R
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom
12.09.2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die
Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten, ob der Kläger nach § 231 Abs. 6 Sechstes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB VI) von der Versicherungspflicht für Selbständige zu befreien
ist.
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Der am 00.00.1963 geborene Kläger ist seit dem 01.01.1997 als selbständiger
Tanzlehrer, Tanzsporttrainer und Tanzlehrer-Ausbilder selbständig tätig und entrichtet
seither aufgrund seines Antrags aus dem gleichen Jahr Pflichtbeiträge nach § 2 Satz 1
Nr. 1 SGB VI.
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Am 06.09.2001 beantragte er bei der Beklagten die Befreiung für Selbständige, die
aufgrund ihrer selbständigen Tätigkeit am 31.12.1998 der Versicherungspflicht
unterlagen und vor dem 10.12.1998 eine anderweitige Altersfürsorge getroffen haben.
Er gab an, er habe vor dem 01.01.1999 Kenntnis von seiner Versicherungspflicht
aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit gehabt. Er gehe davon aus, dass der Antrag
wegen seiner seit 1997 bestehenden Pflichtversicherung abgelehnt werde.
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Mit Bescheid vom 07.11.2001 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger habe
aufgrund seiner Antragstellung Pflichtbeiträge gezahlt und seit April 1997 Kenntnis von
seiner Versicherungspflicht gehabt.
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Der Kläger legte Widerspruch ein mit der Begründung, obwohl er sich an das geltende
Recht gehalten und Pflichtbeiträge gezahlt habe, werde ihm jetzt das Recht zur
Befreiung von der Versicherungspflicht abgesprochen. Andere, die sich nicht an das
geltende Recht gehalten hätten, könnten sich befreien lassen. Obwohl er eine
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ausreichende Altersvorsorge aufgebaut habe, werde er nun doppelt - durch
Pflichtbeiträge und private Vorsorge - belastet. Eigentlich sei rechtliche Unwissenheit
kein Grund, sich nicht an das Recht halten zu müssen; gleichwohl werde dies jetzt
anderen ermöglicht. Solle mal wieder der Ehrliche der Dumme sein? Es handele sich
um reine Willkür und verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
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Hiergegen hat der Kläger am 13.02.2002 Klage erhoben und zur Begründung auf
seinen Widerspruch Bezug genommen. Vor 1999 habe es seitens der
Rentenversicherungsträger keine funktionierenden Kontrollen der
versicherungspflichtigen Selbständigen gegeben. Die Versicherungsträger treffe
deshalb zumindest eine Mitschuld an der fehlenden Umsetzung der Regelung über die
Rentenversicherungspflicht. Deshalb habe der Gesetzgeber die Befreiungsregelung
geschaffen, die allerdings allein eine Amnestie für Gesetzesuntreue geschaffen habe.
Im Übrigen sei auch die gesetzliche Fristsetzung zum 31.12.1998 willkürlich. Personen,
die sich vor bzw. nach diesem Tag selbständig gemacht hätten, könne man nicht
vergleichen, da das Thema Scheinselbständigengesetz nach dem Regierungswechsel
1998 durch alle Medien gegangen sei; kein selbständiger Lehrer habe sich danach auf
Unwissenheit berufen können. Er selbst habe durch zwei Immobilien und eine
ausreichende private Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitsversicherung, die bis
zu seinem Rentenalter laufe und regelmäßig dynamisiert werde, ausreichende Vorsorge
geschaffen. Zudem habe er ein Wertpapierdepot angelegt. Er habe zusätzlich Beiträge
zur Beklagten gezahlt und sei deshalb nur zu vergleichen mit solchen Selbständigen,
die ebenfalls ausreichende private Vorsorge betrieben, jedoch unwissentlich oder - in
nicht zugegebener Weise - wissentlich keine Beiträge zur gesetzlichen
Rentenversicherung gezahlt hätten; er werde insoweit ungleich behandelt. Alle, die
ohnehin nicht ausreichend privat vorgesorgt hätten, müssten sich ohnehin
pflichtversichern. Der Kläger hat angeregt, die Sache dem Bundesverfassungsgericht
zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung vorzulegen.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.11.2001 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 29.01.2002 zu verurteilen, ihn von der
Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI zu befreien.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat auf ihren Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Die gesetzliche Regelung
verstoße nicht gegen Art. 3 Grundgesetz (GG). Einer anderen Ansicht in der Literatur
(Eicher/Haase/Rauschenbach Anm. 21 zu § 231 SGB VI) sei nicht zu folgen. Mit der
Befreiungsregelung des § 231 Abs. 6 SGB VI habe der Gesetzgeber keineswegs die
Einbeziehung bestimmter selbständig Erwerbstätiger in die gesetzliche
Rentenversicherung in Frage stellen und solche Selbständigen aus ihr entlassen
wollen. Nur diejenigen versicherungspflichtigen Selbständigen, die erst im
Zusammenhang mit den seit 1999 erfolgten Neuregelungen (z.B. für
Scheinselbständige oder solche mit nur einem Auftraggeber) erstmals an den
Rentenversicherer herangetreten seien und hierbei erstmals von ihrer
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Versicherungspflicht Kenntnis erlangt hätten, hätten eine befristete
Befreiungsmöglichkeit erhalten sollen. Sofern sie in der Annahme, nicht
versicherungspflichtig zu sein, eine anderweitige Absicherung getroffen hätten, habe so
eine - evtl. existenzbedrohende - Doppelbelastung ausgeschlossen werden sollen.
Beim Kläger sei die Versicherungspflicht jedoch am Beginn seiner Tätigkeit festgestellt
worden. Er habe sich deshalb auf die Beitragsleistungen einstellen und seine daneben
getroffene Vorsorge entsprechend ausrichten können. Zu vergleichen sei er deshalb
unter dem Aspekt der Gleichbehandlung mit denjenigen Selbständigen, die erst nach
dem 31.12.1998 ihre versicherungspflichtige Tätigkeit aufgenommen hätten und
ebenfalls nicht der Befreiungsregelung in § 231 Abs. 6 SGB VI unterfielen. Im Übrigen
sei es nicht Aufgabe der Beklagten, die Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift zu
prüfen; sie sei an die gesetzliche Regelung gebunden.
Mit Urteil vom 12.09.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die
Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
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Gegen das am 01.10.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.10.2003 Berufung
eingelegt. Er trägt vor, ein selbständiger Lehrer werde nicht gleichbehandelt mit anderen
Selbständigen, die in der Wahl ihrer Altersabsicherung frei seien. Die Regelung sei
heute nicht mehr zeitgemäß und diskriminiere ihn. Im Übrigen wiederholt er im
Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12.09.2003 aufzuheben und die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheides vom 07.11.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29.01.2002 zu verurteilen, ihn nach § 231 Abs. 6 SGB VI von der
Versicherungspflicht zu befreien.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verweist auf ihr bisheriges Vorbringen und auf das angefochtene Urteil.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug
genommen. Der Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
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Der angefochtene Bescheid verletzt den Kläger nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seinen Rechten. Das Sozialgericht hat zu Recht die
Klage abgewiesen; die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Kläger von der
Versicherungspflicht zu befreien.
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Mit der Berufung wendet sich der Kläger zunächst grundsätzlich gegen die
Versicherungspflicht von selbständigen Lehrern, da er darin eine Ungleichbehandlung
mit anderen Selbständigen sieht (I.). Daneben wendet er sich gegen die auch schon
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erstinstanzlich vorgebrachte Beschränkung der Befreiungsmöglichkeit auf solche
Selbständige, die bisher keine Kenntnis von ihrer Versicherungspflicht hatten (II.). Dabei
ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Beklagte das einfach-gesetzliche Recht
richtig angewandt hat; auch dem Senat sind insoweit Rechtsanwendungsfehler nicht
ersichtlich. Der Kläger hält allerdings die Versicherungspflicht für selbständige Lehrer
nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, jedenfalls aber die fehlende Befreiungsmöglichkeit in
Fällen wie dem vorliegenden für verfassungswidrig.
Dem kann sich der Senat jedoch nicht anschließen.
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I. Zur Versicherungspflicht selbständiger Lehrer nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI hat das
Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 12.10.2000 - B 12 RA 2/99R (SozR 3-2600 § 2
Nr. 5) ausgeführt, die Anordnung dieser Versicherungspflicht verletze weder das Recht
auf freie Entfaltung der Persönlichkeit noch verstoße sie gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz oder das europarechtliche Verbot wettbewerbsbeschränkender
Vereinbarungen und Verhaltensweisen. Zur - vom jetzigen Kläger ausdrücklich
gerügten - Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes führt das BSG (SozR a.a.O.
S. 33 f.) aus, bei selbständigen Lehrern handele es sich um Personen, die eine
persönliche Dienstleistung erbrächten. Wie selbständige Pflegepersonen und
Hebammen, für die in § 2 Nrn. 2 und 3 SGB VI ebenfalls Versicherungspflicht
angeordnet sei, erzielten sie ihre Einkünfte aus der Verwertung der eigenen Arbeitskraft
durch persönliche Dienstleistung. Ihre Stellung im Erwerbsleben sei damit derjenigen
von Arbeitnehmern vergleichbar. Es sei daher sachlich gerechtfertigt gewesen, wenn
der Gesetzgeber speziell für diese Selbständigen die Versicherungspflicht angeordnet
habe. Darüber hinaus sei mit § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI die bis dahin bestehende
Regelung einer nur gruppenspezifischen Einbeziehung Selbständiger in die
Pflichtversicherung erweitert worden. Nunmehr seien alle Selbständigen einbezogen,
die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen
versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigten und auf Dauer im wesentlichen nur
für einen Auftraggeber tätig seien. Diese neuere gesetzliche Entwicklung (und nur für
eine Zeit nach ihrem Eintreten streitet der jetzige Kläger für eine Befreiung) gehe dahin,
den Kreis der versicherungspflichtigen Selbständigen zu erweitern. Unter diesen
Umständen seien keine sachlichen Gründe dafür ersichtlich, gerade bei den von jeher in
die Rentenversicherung einbezogenen selbständigen Lehrern die Versicherungspflicht
zu beanstanden. Im Übrigen stehe einer Einbeziehung des einzelnen Lehrers in die
Versicherungspflicht auch nicht entgegen, dass von der Beklagten möglicherweise nicht
alle selbständigen Lehrer erfasst und zu Beiträgen herangezogen würden. Die Grenze
zur Verfassungswidrigkeit wäre (in Anlehnung zu Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zur Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen; vgl.
BSG a.a.O.) erst dann erreicht, wenn sich dem Gesetzgeber aufdrängen müsste, dass
das Ziel einer gleichmäßigen Erfassung aller Normadressaten (hier also aller
Versicherungspflichtigen) prinzipiell nicht zu erreichen sei, weil insoweit ein struktureller
Mangel des Gesetzes vorliege. Letzteres treffe jedoch nicht zu: Es gebe keine
Anhaltspunkte dafür, dass die Rentenversicherungsträger (nach der Neuregelung von
1999), sofern sie von den tatsächlichen Umständen Kenntnis erlangten, die
Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 1 SGB VI nicht durchsetzten oder gar durch
Rechtsvorschriften an der Durchsetzung des Rechts gehindert würden.
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Der Senat macht sich diese Ausführungen des BSG zu eigen; Anhaltspunkte für eine
verfassungswidrige Einbeziehung selbständiger Lehrer i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in
die Versicherungspflicht bestehen danach nicht.
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II. Auch die für den Kläger fehlende Möglichkeit, sich trotz seit langer Zeit getroffener
privater Vorsorge (die der Senat unterstellt) von der Versicherungspflicht befreien zu
lassen, führt nicht zu einer Verfassungswidrigkeit seiner Heranziehung zur gesetzlichen
Rentenversicherung. Insbesondere liegt - unbeschadet der Frage, ob für den Kläger
hieraus überhaupt von Verfassungs wegen ein Anspruch auf Befreiung von der
Versicherungspflicht resultieren könnte (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 26.11.2003 - L
8 RA 54/03) - schon die vom Kläger gesehene unzulässige Ungleichbehandlung (Art. 3
Abs. 1 GG) mit den durch § 231 Abs. 6 SGB VI Begünstigten nicht vor.
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Denn für die nach der Vorschrift Begünstigten liegt im Vergleich zum Kläger ein
sachlicher Differenzierungsgrund vor, der die nicht gleiche Behandlung mit dem Kläger,
dem diese Begünstigung in Form der befristeten Befreiungsmöglichkeit nicht zukommt,
auch im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigt. Begünstigt sind nur diejenigen an sich
versicherungspflichtigen selbständigen Lehrer, die früher nichts von ihrer
Versicherungspflicht gewusst haben. Aufgrund ihrer Unkenntnis konnten sie, anders als
der Kläger, ihr privates Vorsorgeverhalten nicht an der gesetzlichen
Versicherungspflicht ausrichten. Sie gleichwohl (auf befristeten Antrag hin) nicht von der
Versicherungspflicht zu befreien, hieße, sie möglicherweise mit auch in die
Vergangenheit zurückreichenden Beitragsforderungen zu belasten, welche ihre
wirtschaftliche Existenz und Lebensplanung zu Fall bringen könnten. Demgegenüber
hat der Kläger von Anfang an sein privates Vorsorgeverhalten auf die ihm bekannte
Versicherungspflicht einstellen können; eine Gefährdung durch eine unerwartete
Versicherungspflicht bei gleichzeitig eingegangen privaten Verpflichtungen für
Vorsorgemaßnahmen ist in seinem Falle nicht denkbar.
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Dem lässt sich auch nicht - mit dem Kläger - entgegenhalten, eine Ungleichbehandlung
bestehe in seinem Falle gegenüber denjenigen selbständigen Lehrern, die sich wie er
eine ausreichende Altersvorsorge aufgebaut, aber ggf. wissentlich keine Beiträge zur
gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt hätten, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen
wären ("Der Ehrliche ist der Dumme"). Zwar ist grundsätzlich denkbar, dass es solche
versicherungspflichtigen Lehrer gegeben hat, welche nunmehr ihre frühere Kenntnis von
der Versicherungspflicht leugnen, um in den Genuss der Befreiungsregelung in § 231
Abs. 6 SGB VI zu gelangen. Gleichwohl durfte der Gesetzgeber nach Ansicht des
Senats typisierend davon ausgehen, dass derjenige, der private Vorsorge betrieben hat,
nichts von seiner gesetzlichen Versicherungspflicht gewusst hat. Denn sich trotz
Kenntnis einer gesetzlichen Versicherungs- und damit ständigen Beitragspflicht auf
erhebliche private Vorsorgeaufwendungen einzulassen, setzte eine
überdurchschnittliche eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit voraus, da jederzeit mit
einer Heranziehung durch den Rentenversicherungsträger gerechnet werden müsste.
Von einer solchen Bereitschaft und Fähigkeit zur vorsorgemäßigen Doppelbelastung
musste der Gesetzgeber nicht als Regelfall ausgehen.
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Dies gilt nach Ansicht des Senats auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass
die Übergangsregelung des § 231 Abs. 6 (Satz 1 Nr. 3) SGB VI nicht daran anknüpft,
dass bereits vor dem Stichtag 31.12.1998 eine private Vorsorge in ausreichendem
Umfang getroffen worden ist, sondern auch eine vorherige für eine Vollversorgung
unzureichende private Absicherung genügen lässt, die allerdings bis zum 30.09.2001
den Notwendigkeiten des § 231 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder 3 SGB VI angepasst werden
konnte.
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Dem Kläger ist insoweit zwar zuzugeben, dass eine solche - für eine Befreiung zu
geringe - private (ergänzende) Vorsorge auch von vielen gesetzlich
Versicherungspflichtigen getroffen worden sein wird. Gleichwohl erscheint es dem
Senat zulässig, wenn der Gesetzgeber bei typisierender Betrachtung davon
ausgegangen ist, dass ein Befreiungsantrag allein an zur privaten Vollvorsorge
jedenfalls als ausreichend gedachte frühere private Absicherungsbemühungen
anknüpft.
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Der Senat teilt im Übrigen auch nicht die Ansicht des Klägers, dass jedenfalls die
Stichtagsregelung in § 231 Abs. 6 SGB VI willkürlich sei. Denn dieser Stichtag
(31.12.1998) stellt auf das Inkrafttreten des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI am 01.01.1999 ab.
Potenzielle Betroffene konnten damals die Bedeutung dieses Datums den Medien
entnehmen. In diesem Zusammenhang hatten auch selbständige Lehrer, die bisher
nichts von ihrer Versicherungspflicht wussten, Grund, sich mit Blick auf dieses Datum
wegen einer möglichen gesetzlichen Versicherungspflicht mit einem
Rentenversicherungsträger in Verbindung zu setzen; dabei haben sie ggf. erstmals von
ihrer Versicherungspflicht bereits nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfahren. Ihren bis dahin
vorhandenen guten Glauben wollte der Gesetzgeber durch die befristete
Befreiungsregelung schützen; erst später versicherungspflichtig werdende Lehrern
können sich auf einen solchen guten Glauben von Vornherein nicht berufen (vgl. hierzu
auch LSG NRW, Urteil vom 05.09.2003 - L 14 RA 65/03).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung
zugelassen. Soweit erkennbar, hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung noch
nicht zu § 231 Abs. 6 SGG verhalten; gleichzeitig gibt es zumindest in der Literatur
Stimmen (Eicher/Haase/Rauschenbach a.a.O.), welche darin eine verfassungsrechtlich
problematische Regelung sehen.
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