Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 02.04.2009

LSG NRW: aufschiebende wirkung, öffentliches interesse, vollziehung, ermächtigung, kreis, überwiegendes interesse, versorgung, papier, ausstattung, offenkundig

Landessozialgericht NRW, L 11 KA 2/09 ER
Datum:
02.04.2009
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 11 KA 2/09 ER
Vorinstanz:
Sozialgericht Duisburg, S 19 KA 26/07
Sachgebiet:
Vertragsarztangelegenheiten
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 9) gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Duisburg vom 05.08.2008 wird zurückgewiesen. Die
Beigeladene zu 9) trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
1
I.
2
Streitig ist, ob der Beschluss des Beklagten vom 05.09.2007 für sofort vollziehbar zu
erklären ist. Das Hauptsacheverfahren ist zum Az. S 19 KA 26/07 bei dem Sozialgericht
(SG) Duisburg anhängig.
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Dem liegt zu Grunde: Mit Schreiben vom 29.09.2005 beantragte die Beigeladene zu 8)
die "Zulassung einer Außenstelle des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) der Klinik für
Kinder- und Jugendmedizin am N-Hospital auf dem Gelände St. X-Spital in Emmerich".
Hierzu führte sie aus, auf der Grundlage des Beschlusses des Beklagten vom
13.01.2005 verfüge sie über eine Ermächtigung für ein SPZ in Wesel, dessen Klientel
seit Jahren zunehmend mit 50 % aus dem Kreis Kleve komme. Mit dem St. X-Spital in
Emmerich bestehe seit dem 01.04.2002 im Rahmen der Holding "pro homine" ein
Verbund. Das SPZ in Wesel verfüge über sehr gute Verbindungen zum
Kooperationspartner im Kreis Kleve, so dass eine Außenstelle direkt im Kreisgebiet eine
Optimierung der ortsnahen Versorgung und Vernetzung gewährleiste. Mit der Eröffnung
einer Außenstelle werde ein Engpass in der sozialpädiatrischen Versorgung behoben,
da im SPZ in Wesel Wartezeiten von mehr als sechs Monaten bestünden.
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Unter dem 30.11.2005 beantragte die Beigeladenen zu 10), zwei Fachärztinnen für
Kinder- und Jugendmedizin und ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, die
Ermächtigung für ein SPZ in L. Mit am 10.07.2006 beim Zulassungsausschuss für Ärzte
Düsseldorf eingegangenen Schreiben vom 07.07.2006 beantragte ferner die
Beigeladene zu 9) die Ermächtigung zur Errichtung eines SPZ in Kleve. Mit Schreiben
vom 14.07.2006 stellte die Klägerin einen Antrag auf Zulassung eines SPZ am St. D-
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Hospital Geldern. Mit Schreiben vom 16.11.2006 teilte die Beigeladene zu 6) mit, dass
sie die Anträge der Klägerin und der Beigeladenen zu 9) nicht befürworte, vielmehr sei
die Beigeladene zu 10) zu ermächtigen.
Mit Beschluss vom 29.11.2006 erteilte der Zulassungsausschuss für Ärzte Düsseldorf
der Klägerin für das St. D-Hospital Geldern - Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ), D-str. 0
in H, mit Wirkung vom 01.01.2007 eine bis zum 31.12.2009 befristete Ermächtigung in
folgendem Umfang:
6
Sozialpädiatrische Behandlung von Kindern bei folgenden Erkrankungen:
7
1. Perinatologischer Problemkreis, vor allem ehemaliger Risikoneugeborene und
Frühgeborene mit Folgekrankheiten,
8
2.Störungen des zentralen und peripheren Nervensystems sowie Störungen der
psychomotorischen/mentalen Entwicklung,
9
3.Erkrankungen des neuromuskulären Apparates,
10
4.Metabolische Erkrankungen, Chromosomenanomalien und Syndrom-Patienten mit
Mehrfachbehinderungen,
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5.Störungen der Sinnesorgane, insbesondere peripherer und zentraler Hörstörungen
sowie Stimm- und Sprachstörungen,
12
6.Psychische- und Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit psychosozialen
Risikofaktoren, Interaktionsstörungen, Milieuschäden, Deprivation und Missbrauch von
Personen,
13
7.Psychische- und Verhaltensstörungen bei chronischer Erkrankungen und
Behinderungen mit psychosozialer Begleitsymptomatik,
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auf Überweisung von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin und Ärzten für Neurologie
und Psychiatrie sowie für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
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Weiterhin bestimmt der Zulassungsausschuss die Auflagen, dass das SPZ Diagnosen
und einzelne ärztliche Leistungen dokumentiere, sich hinsichtlich der ärztlichen
Tätigkeit und der Abrechnung der erbrachten Leistungen den für Vertragsärzte
geltenden Vorschriften unterwerfe, nur solche Ärzte bzw. nichtärztliche Therapeuten mit
der Durchführung der Therapie beauftrage, die die entsprechenden ärztlichen
Voraussetzungen erfüllten und sichergestellt werde, dass in einem Behandlungsfall
immer der gleiche Arzt bzw. Therapeut tätig werde. Die übrigen Anträge lehnte der
Zulassungsausschuss ab. Zur Begründung führt er aus: Maßgebend für die
Auswahlentscheidung seien die Vorgaben des "Altöttinger Papiers". Entscheidend
seien die Personalausstattung und die medizinischen Einrichtungen. Als weiteres
Auswahlkriterium sei zusätzlich die Anbindung an eine bestehende Kinderklinik
hinzugezogen worden, weil durch die Möglichkeit der Nutzung von bestehenden
Einrichtungen und die Anbindung an vorhandene Strukturen eine leistungsstarke und
wirtschaftliche sozialpädiatrische Behandlung am ehesten sichergestellt werde. Das St.
D-Hospital Geldern habe einen sehr detaillierten, den Ausschuss überzeugenden Plan
für das geplante SPZ vorgelegt. Die Anbindung des SPZ an eine vorhandene
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Kinderabteilung am Hause sei gewährleistet. Die mögliche Kooperation mit der in
gleicher Trägerschaft stehenden Gelderland-Klinik sorge für eine optimale Versorgung
der Kinder auf dem Gebiet der Kinderpsychiatrie und Kinderpsychologie. Der Antrag der
Beigeladenen zu 9) habe abgelehnt werden müssen. Zwar würden die Anforderungen
des Altöttinger Papiers erfüllt, es liege auch eine Anbindung an eine vorhandene
Kinderklinik am Haus vor, jedoch hätten die im Antrag und in der Anhörung dargelegten
Pläne den Ausschuss nicht überzeugen können. Der Antrag der Beigeladenen zu 10)
sei gleichermaßen abzulehnen. Zwar würden die Anforderungen des Altöttinger Papiers
erfüllt, jedoch fehle die Anbindung an bestehende Krankenhauseinrichtungen. Auch der
Antrag der Beigeladenen zu 8) habe abgelehnt werden müssen, denn die gesetzlichen
Regelungen sähen keine "Außenstelle" eines SPZ vor. Die Anbindung an eine
bestehende Kinderklinik sei am St. X-Spital in Emmerich nicht gegeben.
Gegen dieses Beschluss hat die Beigeladene zu 8) Widerspruch eingelegt und
vorgetragen: Zu Recht berufe sich der Zulassungsausschuss auf das "Altöttinger
Papier". In den Kreisen Wesel und Kleve erfülle lediglich das SPZ Wesel diese
Qualitätsanforderungen. Eine Anbindung an besondere medizinische Einrichtungen sei
nicht erforderlich. Sie verfüge - was im Einzelnen dargestellt wird - über
hochqualifiziertes Personal. Die Errichtung von Außen- oder Zweigstellen sei zulässig.
Der Widerspruch erstrecke sich auch auf die durch den Zulassungsausschuss erteilte
Ermächtigung eines SPZ am St. D-Hospital in Geldern. Die Auffassung des
Zulassungsausschusses, dass im Planungsbereich Kleve lediglich Bedarf für nur ein
SPZ bestehe, sei ohne ordnungsgemäße Bedarfsermittlung bedenklich. Wenn die
Besonderheiten im Kreisgebiet Kleve berücksichtigt werden sollten, dass Eltern mit
behinderten Kindern kürzeren Wegen und folgerichtig geringeren Belastungen
ausgesetzt werden sollten, so sei darauf hinzuweisen, dass die Entfernung von Geldern
nach Emmerich nahezu 50 km und die Fahrzeiten mit dem PKW länger als 45 Minuten
betrügen. Für den Bereich Emmerich und den nördlichen Teil des Niederrheingebietes
liege kein SPZ im nahegelegenen Einzugsbereich. An der Eignung des SPZ Wesel
bestünden keine Zweifel, während das St. D-Hospital Geldern lediglich die Absicht
habe, die Anforderungen des Altöttinger Papiers zu erfüllen. Von allen Mitbewerbern
habe lediglich das SPZ Wesel schon jetzt die personellen, strukturellen und apparativen
Anforderungen aufzuweisen, die im Altöttinger Papier gefordert würden. Eine Bindung
an den Vertragsarztsitz bestehe nicht. Das Gesetz bringe an keiner Stelle zum
Ausdruck, dass sich der räumliche Bezug ausschließlich nach dem Standort richte, an
dem die ermächtigte Einrichtung ihren Sitz habe. Der Gesetzgeber habe für
Medizinische Versorgungszentren die Auslagerung von Leistungen und Tätigkeiten an
weiteren Orten zugelassen. Es bedürfe daher lediglich einer Entscheidung des
Berufungsausschusses darüber, dass sich die Ermächtigung in räumlicher Beziehung
nicht nur auf den Standort Wesel, sondern auch auf die Tätigkeit des SPZ am Standort
Emmerich beziehe. Einer solchen die Versorgungsinteressen der sozialpädiatrisch
behandlungsbedürftigen Kinder berücksichtigenden Betrachtung stehe weder der
Begriff "räumlich" noch Sinn und Zweck der Ermächtigung entgegen.
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Die Beigeladene zu 9) hat mit Schreiben vom 15.01.2007 gegen den ablehnenden
Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte Düsseldorf ebenfalls Widerspruch
eingelegt und u.a. ausgeführt: Sie verfüge über eine qualitativ hochwertige personelle
und sächliche Ausstattung. Im Verbund mit den Katholischen Kliniken des Kreises
Kleve habe allein sie eine den Anforderungen des Altöttinger Papiers genügende
apparative Ausstattung. In einem Radius von 10 Km zum Bezugspunkt (St. B-Hospital)
lebten 135.000 Einwohner. Dem seien weitere 60.000 Einwohner im Bereich des
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Krankenhausverbundes zuzurechnen, so dass sie mit ihrem Standort in Kleve den
größten Anteil der Kreisbevölkerung versorgen könne. Eine Konkurrenzsituation zu
Einrichtungen in Wesel, Krefeld und Duisburg sei ausgeschlossen.
Die Beigeladenen zu 10 ) haben gleichermaßen Widerspruch gegen den ablehnenden
Beschluss des Zulassungsausschusses eingelegt. Zur Begründung haben sie im
wesentlichen ausgeführt: Das geplante SPZ in L befinde sich in der Mitte des Kreises
Kleve und sei daher zeitlich schnell zu erreichen. Der essentielle Personalbedarf eines
SPZ-Teams: Kinderarzt/-ärztin mit spezieller Qualifikation, Dipl.-Psychologe/-in mit
spezieller Qualifikation, Therapeuten, Heilpädagogen in 2 Teams mit "Vollzeittätigkeit",
eines Facharztes für Kinderheilkunde und Jugendmedizin lägen im ärztlichen
Leitungsteam vor. Eine Anbindung an eine bestehende Kinderklinik sei nicht
erforderlich. Eine leistungsstarke und wirtschaftliche sozialpädiatrische Behandlung sei
auch im ambulanten Betrieb möglich. Zu berücksichtigen seien auch die besonderen
sozialpädiatrischen Bedingungen des ländlichen Kreises Kleve mit großen Lücken und
Wartezeiten.
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Dem ist die Klägerin entgegengetreten. Bei der Auswahl mehrerer SPZ-Bewerber habe
der Zulassungsausschuss einen Ermessensspielraum. Zwar seien SPZ nach der
gesetzlichen Konzeption nicht gezwungenermaßen durch zugelassene Krankenhäuser
zu betreiben, ihr Leistungsstandard müsse jedoch dem eines Krankenhauses
entsprechen. Dies schließe es aus, ein SPZ als Zweigstelle zu betreiben. So sei z. B. in
den aufgezeigten Räumlichkeiten des St. X-Spitals Emmerich eine vollständige
Krankengymnastik und ergotherapeutische Diagnostik nicht möglich. Auch verfüge das
geplante SPZ weder über einen eigenen ärztlichen Leiter, der die Voraussetzungen des
Altöttinger Papiers erfülle, noch über eine eigene Abteilung für Kinder- und
Jugendmedizin. Offen sei auch, wo somatische Diagnostik, EEG, Sonographien, Labor-
und Röntgenuntersuchungen durchgeführt werden sollten. Auch wenn eine Anbindung
an ein Krankenhaus gesetzlich nicht gefordert wäre, stelle eine solche Anbindung einen
unbestreitbaren Vorteil dar. Dass am St. D-Hospital Geldern ggf. noch
Nachbesserungsbedarf bestehe, stehe dem nicht entgegen. Keine neu zu schaffende
Einrichtung könne schon vor der Erteilung einer Ermächtigung Personal und apparative
Ausstattung komplett vorhalten.
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Mit Beschluss vom 05.09.2007 hat der Beklagte entschieden:
21
Tenor:
22
"Auf die Widersprüche der St. B-Hospital Kleve gGmbH, der N-Hospital gGmbH Wesel
und der Dres. M, M1 und E, L, werden die Beschlüsse des Zulassungsausschusse für
Ärzte Düsseldorf vom 29.11.2006 abgeändert. Aufgrund des am 07.07.2006 gestellten
Antrages der St. B-Hospital gGmbH, B-allee 0 in L auf Errichtung eines
Sozialpädiatrischen Zentrums in Kleve wird diesem die Ermächtigung gem. § 119 SGB
V mit Wirkung vom 05.09.2007 in folgendem Umfang ausgesprochen:
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Sozialpädiatrische Behandlung von Kindern bei folgenden Erkrankungen:
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1.Perinatologischer Problemkreis, vor allem ehemalige Risikoneugeborene und
Frühgeborene mit Folgekrankheiten,
25
2.Störungen des zentralen und peripheren Nervensystems sowie Störungen der
26
psychomotorischen/mentalen Entwicklung,
3.Erkrankungen des neuromuskulären Apparates,
27
4.Metabolische Erkrankungen, Chromosomenanomalien und Syndrom-Patienten mit
Mehrfachbehinderungen,
28
5.Störungen der Sinnesorgane, insbesondere peripherer und zentraler Hörstörungen
sowie Stimm- und Sprachstörungen,
29
6.Psychische Störungen und Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit
psychosozialen Risikofaktoren, Interaktionsstörungen, Milieuschäden, Deprivation und
Missbrauch von Personen,
30
7.Psychische Störungen und Verhaltensstörungen bei chronischen Erkrankungen und
Behinderungen mit psychosozialer Begleitsymptomatik,
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auf Überweisung von Fachärzten für Kinderheilkunde und Fachärzten für Neurologie
und Psychiatrie sowie Fachärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
32
Die Ermächtigung endet am 31.12.2009, sofern sie nicht auf Antrag des ermächtigten
Sozialpädiatrischen Zentrums erneuert wird. Die Ermächtigung wird mit Bestandskraft
dieses Beschlusses wirksam. Das SPZ des St. B-Hospital Kleve verpflichtet sich, über
die betreuten Patienten eine Dokumentation über die Diagnose und die einzelnen
ärztlichen Leistungen zu führen. Es unterwirft sich hinsichtlich der ärztlichen Tätigkeit
und der Abrechnung der erbrachten Leistungen den für Vertragsärzte geltenden
Vorschriften, insbesondere den Vorschriften über die wirtschaftliche Behandlungs- und
Verordnungsweise sowie den Bestimmungen über die Durchführung des
Prüfverfahrens. Das Sozialpädiatrische Zentrum des St. B-Hospitals Kleve verpflichtet
sich, dass nur solche Ärzte bzw. nichtärztliche Therapeuten mit der Durchführung der
Therapie beauftragt werden, die die entsprechenden vertraglichen Voraussetzungen
erfüllen. Des weiteren muß sichergestellt sein, dass in einem Behandlungsfall immer
derselbe Arzt bzw. Therapeut tätig wird. Die Vergütung der Leistungen im Rahmen der
vorstehenden Ermächtigung regelt sich gem. § 120 Abs. 2 und 3 SGB V. Dem Antrag
des Caritas Trägergesellschaft Trier e.V. vom 14.07.2006 auf Zulassung eines SPZ am
St. D-Hospital Geldern gem. § 119 SGB V wird nicht stattgegeben. Im Übrigen werden
die Widersprüche zurückgewiesen."
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Zur Begründung hat der Beklagte ausgeführt: Er habe zunächst geprüft, ob im
Planungsbereich Kreis Kleve überhaupt Bedarf für ein SPZ bestehe. Das
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) gehe davon aus, dass eine dem
Leistungsanspruch des Versicherten aus § 43a Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V)
entsprechende Behandlung von Kindern etwa mit angeborenen Entwicklungsstörungen
und Behinderungen, mit Verhaltensstörungen, ausgeprägtem Hyperaktivitätssyndrom,
mit Mehrfachbehinderungen, mit schweren Komplikationen nach Hirnblutungen sowie
mit aus chronischen Erkrankungen entstandenen Sekundärproblemen oder mit infantiler
Zerebralparese (Spastik) in der Regel nur in einem SPZ möglich sein dürfte (vgl. LSG
NRW, Urteil vom 17.01.2001 - L 11 KA 75/00 -). Das LSG habe ausgeführt, dass für den
Sonderfall einer Ermächtigung gem. § 119 SGB V eventuell nicht auf den
Planungsbereich bezüglich der Frage der Deckung des Versorgungsbedarfs abgestellt
werden dürfe, um weder wirtschaftlich arbeitende Minizentren noch Sozialpädiatrische
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Zentren entstehen zu lassen, für die eine Finanzierung nur möglich ist, wenn die
gesetzlichen Krankenkassen die entsprechenden Leistungen des SPZ mit einer ggf.
extrem überhöhten Vergütung abgelten müssten. Der Planungsbereich Kreis Kleve
habe ca. 292.000 Einwohner. In ihm seien 17 Kinderärzte niedergelassen. Der
Planungsbereich sei für Kinderärzte mit 130 v.H. gesperrt. Dennoch sei in diesem
Planungsbereich aufgrund seiner Größe, seiner Wohn- und Bevölkerungsstruktur und
insbesondere seiner schlechten Infrastruktur jedenfalls ein SPZ notwendig. Die
Beigeladene zu 8) habe darauf hingewiesen, dass ihre Klientel seit Jahren zunehme,
inzwischen mit 50 % aus dem Kreis Kleve komme und bei ihr Wartezeiten von über 6
Monaten bestünden. Die niedergelassenen Pädiater und die Beigeladene zu 6) hätten
gleichermaßen klargestellt, dass ein SPZ im Kreis Kleve dringend erforderlich sei. Die
Entfernung von Kleve, Emmerich und Kevelaer zum nächstentfernten SPZ in Wesel
betrage zum Teil bis zu 60 km und sei sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch
mit dem PKW lediglich über Bundes- und Landstraßen zeitlich zumutbar nicht zu
erreichen. Andererseits bestehe kein Bedarf für zwei SPZ s im Planungsbereich, da
jedenfalls dann die vom LSG NRW im Urteil vom 17.01.2001 aufgezeigten erheblichen
Bedenken gerechtfertigt wären. Allen vier Antragstellern könne konzediert werden, dass
sie die personellen und apparativen Voraussetzungen eines SPZ nach ihrer
dargelegten Planung erfüllten. Bedenken bestünden allenfalls hinsichtlich des
geplanten SPZ in L. Dieses genüge nicht den im "Altöttinger Papier" formulierten
Anforderungen. Selbst wenn die Anbindung an ein Krankenhaus nicht zwingend sei,
setze das "Altöttinger Papier" voraus, dass besonders aufwendige
medizinischtechnische Untersuchungen, die nur von speziell ausgebildetem Personal
durchgeführt werden könnten, in Kooperation mit Kliniken oder anderen Instituten
erfolgen sollen. Die unmittelbare Anbindung an ein Krankenhaus stelle somit einen
relevanten Vorteil für die Patienten dar. Auf die Reihenfolge des zeitlichen Eingangs der
Anträge komme es nicht an. Letztlich ausschlaggebend sei die örtliche Lage eines SPZ
in Kleve. Von den ca. 292.000 Einwohnern im Planungsbereich lebten ca. 135.000 in
Kleve und in einem Radius von ca. 10 km um die verkehrsmäßig zentral gelegene und
mit öffentlichen Verkehrsmitteln sowie im Individualverkehr gut zu erreichende
Kreisstadt Kleve.
Diese Entscheidung greift die Klägerin an (S 19 KA 26/07 - SG Duisburg). Sie trägt im
Wesentlichen vor: Die Auswahlentscheidung des Beklagten zugunsten der
Beigeladenen zu 9) sei fehlerhaft. Das von ihr - der Klägerin - geplante Zentrum sei bei
einem qualitativ vergleichbaren Leistungsangebot in der Lage, die Leistungen
wirtschaftlicher zu erbringen. Die Stadt Geldern verfüge als Mittelzentrum des
Südkreises über der Stadt Kleve vergleichbare Einrichtungen. Der Versorgungsbedarf
könne nicht nur im Planungsbereich ermittelt werden, vielmehr müssten angrenzende
Planungsbereiche einbezogen werden. Ausgehend von den von der Beklagten in den
Vordergrund gestellten Kriterien ergebe sich, dass das von ihr - der Klägerin - geplante
Zentrum einen fast doppelt so großen Bevölkerungsanteil versorgen könne wie jenes
der Beigeladenen zu 9). Diese könne die notwendige apparative Ausstattung überdies
nur im Verbund mit den Katholischen Kliniken des Kreises Kleve sicherstellen. Der
Beklagte sei überdies insofern von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, als
er die Fahrtzeiten falsch ermittelt habe. Das Errichten einer Außenstelle sei unzulässig.
Der Begriff "Zentrum" setze eine enge organisatorische und räumliche Anbindung an
eine Klinik voraus. Der Leistungsstandard eines SPZ müsse dem eines Krankenhauses
entsprechen. Damit sei der Antrag der Beigeladenen zu 8) nachrangig. Die Beigeladene
zu 10) erfülle die Voraussetzungen des "Altöttinger Papiers" nicht.
35
Die Beigeladene zu 9) hat beantragt,
36
den Beschluss des Berufungsausschusses für Ärzte für den Bezirk der KV Nordrhein
vom 05.09.2007 für sofort vollziehbar zu erklären.
37
Sie trägt vor: Der Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung sei begründet, weil
ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug bestehe und der Beschluss des
Beklagten offensichtlich rechtmäßig sei. Die gegen den Beschluss gerichteten Angriffe
der Klägerin und der Beigeladenen zu 8) hätten in der Hauptsache keine Aussicht auf
Erfolg, so dass hier ein überwiegendes Vollzugsinteresse bestehe. Im Kreis Kleve sei
ein SPZ dringend erforderlich. Zwar verfüge die Beigeladene zu 8) über ein SPZ, könne
jedoch eine ausreichende Versorgung nicht mehr gewährleisten. Ca. 50 % der dort
behandelten Patienten kämen aus dem Kreis Kleve, was zu unzumutbaren Wartezeiten
von mehreren Monaten führe. Wegen dieses akuten Bedarfs könne eine gerichtliche
Entscheidung der Hauptsache nicht abgewartet werden. Die sozialpädiatrische
Versorgung im Kreis Kleve sei unzureichend. Lange Wartezeiten und nicht zuletzt lange
Fahrzeiten vieler Patienten trügen dazu bei, dass ein vollausgestattetes und
leistungsfähiges SPZ benötigt werde. Diese Voraussetzungen erfülle sie. Hinsichtlich
der Personalausstattung sei die Anbindung an eine Kinderklinik hervorzuheben. Ferner
könnten die im Klinikverbund Kleve bestehenden Konsiliarmöglichkeiten und
Synergieeffekte genutzt werden. Unter den verschiedenen Antragstellern hebe sie sich
dadurch heraus, dass hier zwei MRT-Geräte zur Verfügung stünden. Soweit der
Beklagte auf die örtliche Lage eines SPZ in Kleve abgestellt habe, enthielten diese
Ausführungen weder sachfremde Erwägungen noch fehlerhafte Schlussfolgerungen. Im
Einzugsgebiet von Kleve lebten ca. 35 % mehr Kinder als im Bereich von Geldern.
Zudem liege ein Großteil der Förderschulen des Kreises Kleve innerhalb eines Radius
von 20 km um Kleve. Diese Kinder seien potentielle Patienten eines SPZ. Zudem seien
die Pkw-Fahrzeiten aus Kleve zu dem nächstgelegenen SPZ etwa doppelt so lang wie
die entsprechenden Fahrzeiten für Patienten aus Geldern. Für Letztere bestehe die
Möglichkeit, Einrichtungen in Wesel, Moers oder Duisburg zu nutzen. Folglich sei ein
Zentrum in Kleve nicht nur zur Deckung des bestehenden Bedarfs geeignet, sondern
werde zudem den gegenwärtigen Erfordernissen am besten gerecht.
38
Die übrigen Beteiligten haben hierzu keine Stellung genommen.
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Mit Beschluss vom 05.08.2008 hat das SG den Antrag abgelehnt. Ein besonderes
Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ermächtigungsentscheidung, die über das
Interesse an dem Erlass dieses Verwaltungsaktes hinausgehe, habe die Beigeladene
zu 9) nicht glaubhaft gemacht. Dahin stehen könne, ob der Beschluss des Beklagten
vom 05.09.2007 "offensichtlich" rechtmäßig sei, denn es sei weder ein öffentliches
Interesse noch ein Partikularinteresse der Beigeladenen zu 9) ersichtlich, dass das
jeweilige Interesse der Klägerin, der Beigeladenen zu 8) bzw. der Beigeladenen zu 10),
ihrerseits als Standort eines SPZ für den Kreis Kleve zugelassen zu werden, deutlich
überwiege. Dies ergebe sich bereits daraus, dass es um eine Standortentscheidung
gehe, bei der unter mehreren qualifizierten Bewerbern, die - wie die Beigeladenen zu 9)
selbst einräume - die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 119 SGB V und des
"Altöttinger Papiers" erfüllten, auszuwählen sei. Angesichts der Höhe der für die
Errichtung eines SPZ notwendigen Investitionen könne es nicht angehen, unter Hinweis
auf einen von Seiten der Beigeladenen zu 9) behaupteten akuten Bedarfs an den
entsprechenden Leistungen der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache faktisch
dadurch vorzugreifen und insbesondere kaum noch veränderbare Tatsachen dadurch
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zu schaffen, dass anstelle der Klägerin nunmehr die Beigeladene zu 9) durch
gerichtlichen Beschluss zunächst einmal bis zum 31.12.2009 als Standort des aus der
Sicht der Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen erforderlichen SPZ in dem
Kreis Kleve bestimmt werde. Soweit die Beigeladene zu 9) geltend mache, dass die
Beigeladene zu 8) zwar über ein SPZ verfüge, jedoch eine ausreichende Versorgung
nicht mehr gewährleisten könne, trage dieser Vortrag die begehrte Anordnung der
sofortigen Vollziehung deshalb nicht, weil die Beigeladene zu 9) selbst einräume, dass
sich das SPZ in Wesel gezielt auch an potentielle Patienten wende, die im Kreis Kleve
wohnten. Ferner habe die Beigeladene zu 9) auch nicht dargelegt, dass ihre
Bemühungen, ein SPZ in Kleve zu errichten, in tatsächlicher Hinsicht schon weiter
fortgeschritten seien als die entsprechenden Bemühungen der Beigeladenen zu 8), eine
Außenstelle des SPZ Wesel auf dem Gelände des St. X-Spitals in Emmerich zu
errichten. Gegen den von Seiten der Beigeladenen zu 9) behaupteten äußerst
dringlichen Bedarf spreche der Umstand, dass der Planungsbereich Kleve angesichts
einer Versorgungsquote von 130 v. H. für die Zulassung von Kinderärzten gesperrt sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen zu 9). Sie trägt vor: Der
Beschluss des SG sei aufzuheben. Das SG habe es versäumt, die Erfolgsaussichten in
der Hauptsache zu prüfen. Ein besonderes Vollziehungsinteresse ergebe sich daraus,
dass die sozialpädiatrische Versorgung im Kreis Kleve derzeit unzureichend sei. Der
Bedarf hinsichtlich zusätzlicher sozialpädiatrischer Leistungen sei wiederholt von
verschiedenen Beteiligten bestätigt worden. Die Zulassungsgremien hätte
übereinstimmend festgestellt, dass in dem Planungsbereich aufgrund seiner Größe,
seiner Wohn- und Bevölkerungsstruktur und insbesondere seiner schlechten
Infrastruktur jedenfalls ein SPZ notwendig sei. Damit handelt es sich nicht lediglich um
einen behaupteten "akuten Bedarf", sondern um ein anerkanntes Bedürfnis nach
zusätzlichen sozialpädiatrischen Leistungen. Das besondere Interesse ergebe sich
daraus, dass sie - die Beigeladene zu 9) - verglichen mit den übrigen Bewerbern am
Besten zur Deckung des bestehenden Bedarfs geeignet ist. Die Personalausstattung,
die medizinisch-technische Ausstattung und die geographische Lage sprächen
insgesamt für die Einrichtung eines SPZ in Kleve. Ihr Interesse überwiege deutlich die
jeweiligen Interessen der Mitbewerber. Der Hinweis des SG auf die Höhe der von den
Beteiligten für die Errichtung eines SPZ an den Standorten geplanten Investitionen sei
nicht nachvollziehbar. Lediglich zukünftig beabsichtigte Investitionen führten nicht zur
Schaffung kaum noch veränderbarer Tatsachen. Die Errichtung eines SPZ in Wesel und
nicht in Kleve würde zu unverhältnismäßig langen Fahrtzeiten führen, was sich aus der
besonderen Verteilung der Patienten auf das gesamte Plangebiet ergebe. Ein Großteil
der Patienten wohne in unmittelbarer Umgebung von Kleve. Soweit das SG sich darauf
bezogen habe, dass der Planungsbereich Kleve angesichts einer Versorgungsquote
von 130 v.H. für die Niederlassung von Kinderärzten gesperrt sei, spreche dies
keineswegs gegen einen äußerst dringlichen Bedarf an zusätzlichen
sozialpädiatrischen Leistungen. Die kinderärztliche Versorgungsquote in einem
Planungsgebiet sage nichts über die qualitative sozialpädiatrische Versorgung aus.
Damit bleibe festzuhalten, dass nicht nur ein akuter Bedarf an zusätzlichen
sozialpädiatrischen Leistungen im Kreis Kleve bestehe, sondern auch, dass ein
besonderes Interesse des SPZ Kleve an der sofortigen Vollziehung der
Ermächtigungsentscheidung gegeben sei.
41
Die Beigeladene zu 9) beantragt,
42
den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 05.08.2008 abzuändern und den
43
Beschluss des Berufungsausschusses für Ärzte für den Bezirk der KV Nordrhein vom
05.09.2007 für sofort vollziehbar zu erklären.
Die Klägerin beantragt,
44
die Beschwerde zurückzuweisen.
45
Sie trägt vor: Es fehle am besonderen Vollzugsinteresse. Da eine Auswahl zwischen
mehreren hochqualifizierten Bewerbern zu treffen sei, könne das Interesse der
Beigeladenen zu 9) am Sofortvollzug nicht deutlich überwiegen. Der Beschluss des
Beklagten vom 05.09.2007 sei überdies nicht offensichtlich rechtmäßig. Aus ihrem
Vorbringen im Hauptsachverfahren ergebe sich, dass nicht die Beigeladene zu 9)
sondern sie - die Klägerin - hätte zugelassen werden müssen. Schließlich dürfte es
auch im Interesse der Beigeladenen zu 9) liegen, dass eine verlässliche und endgültige
Entscheidung im Hauptsacheverfahren getroffen werde. Immerhin wäre die Aufnahme
der Tätigkeit des SPZ für die Beigeladene zu 9) mit erheblichen Investitionen
verbunden, während sie - die Klägerin - bereits bestehende Strukturen einbinden könne.
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Der Beklagte beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er verweist darauf, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Anordnung der
sofortigen Vollziehung nicht erfüllt sind.
49
Die Beigeladene zu 1) trägt vor: Die Versorgungslage im Kreis Kleve sei als äußerst
kritisch zu bewerten. Die bisherige Versorgung der Kinder werde angesichts der
inzwischen bis zu zehn Monate dauernden Wartezeit auf Vorstellungstermine in den
umliegenden sozialpädiatrischen Zentren den Ansprüchen an eine sinnvolle Betreuung
der Versicherten nicht mehr gerecht. Angesichts der langen Fahrtzeiten und der oft
unzumutbaren Wartezeiten würden in der Praxis Therapien oder andere Maßnahmen
häufig noch vor einer differenzierten Diagnostik eingesetzt, was weder im Sinne der
Patienten noch im Sinn einer wirtschaftlich orientierten Versorgung sinnvoll sei.
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Die Beigeladene 6) bezieht sich auf die angefochtene Entscheidung des SG und sieht
diese als zutreffend an.
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Die Beigeladene zu 8) macht geltend: Der Antrag auf Anordnung der sofortigen
Vollziehung sei nicht begründet. Die Versorgung mit sozialpädiatrischen Leistungen
werde nach wie vor durch das SPZ Wesel in ausreichendem Maße sichergestellt.
Unabhängig davon könne nicht einfach darauf abgestellt werden, dass im Bereich der
Beigeladenen zu 9) die meisten Kinder wohnten würden. Für die
Behandlungsbedürftigkeit der Kinder spiele die Einwohnerzahl weniger eine Rolle als
das soziale Umfeld. Der von der Beigeladenen zu 9) behauptete "akute Bedarf" sei im
tatsächlichen Bereich in keiner Weise unterlegt, sondern werde lediglich mit
allgemeinen Ausführungen behauptet. Entscheidend sei, dass bei der vorzunehmenden
Interessenabwägung auch berücksichtigt werden müsse, dass der Sachverhalt von der
Drittbetroffenheit weiterer Beteiligter geprägt werde, wobei innerhalb der
Interessenabwägung das Interesse einer Partei gleichzeitig im Widerspruch zum
Interesse der anderen Partei liege, wenn man verhindern wolle, dass eine vorzeitige
Entscheidung zu Gunsten der Beigeladenen zu 9) Präjudizien schaffe, die sich im
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Nachhinein - auch unter den faktischen Verhältnissen der Patientenströme - nicht mehr
beseitigen ließen. Im Übrigen habe sie die nötigen organisatorischen Vorkehrungen
getroffen, dringende und von den Vertragsärzten als wichtig eingestufte Fälle innerhalb
von einer bis maximal vier Wochen zu einem Ersttermin kommen zu lassen. Die längste
Wartezeit betrage aktuell fünf Monate und liege damit deutlich unter dem
Bundesdurchschnitt. Dabei handele es sich allerdings um Fälle, die keiner dringlichen
oder kurzfristigen Behandlung bedürften.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die
beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
53
II.
54
Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
55
Rechtsgrundlage für die begehrte einstweilige Regelung ist § 86b Abs. 1 Nr. 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn nach § 96 Abs. 4 Satz 2 SGB V hat die Anrufung des
Berufungsausschusses aufschiebende Wirkung.
56
1. Grundvoraussetzung für den Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung ist ein
Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist die Zulässigkeit der Antragstellung nicht an ein
irgendwie geartetes Vorverfahren geknüpft. Indessen gilt auch hier, dass im Interesse
der Entlastung der Gerichte das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen ist, wenn der
Beteiligte sein Begehren erkennbar auch außergerichtlich durchsetzen kann oder der
Versuch, eine Aussetzung durch die Behörde zu erreichen, nicht von vornherein
aussichtslos erscheint (vgl. Düring in: Jansen, SGG. 3. Auflage, 2009, § 86b Rdn. 3).
Ausgehend hiervon könnte erwogen werden, ein etwaiges Rechtsschutzinteresse der
Beigeladenen zu 9) deswegen zu verneinen, weil sie keinen Antrag nach § 86a Abs. 3
Satz 1 SGG gestellt hat. Ein solcher Antrag wäre auch noch nach Klageerbebung
zulässig, denn ab diesem Zeitpunkt können sowohl die Verwaltung als auch das Gericht
die sofortige Vollziehung anordnen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG. 9.
Auflage, § 86a Rdn. 21). Dieser Ansatz wiederum ist dahin einzuschränken, dass zwar
beide Stellen zuständig sind, indessen die sofortige Vollziehung zunächst bei der
Verwaltung zu beantragen ist. Erst wenn ein solcher Antrag erkennbar aussichtslos ist,
besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung des Gerichts. Der von der
Beigeladenen zu 9) bezogenen und gegenteiligen Entscheidung des BSG vom
17.01.2007 - B 6 KA 4/07 R - folgt der Senat nicht. Zwar führt das BSG aus, dass § 86b
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG im Gegensatz zu § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO) gerade nicht voraussetze, dass sich der Antragsteller zunächst an die
Verwaltung wenden muss, um eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die
Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu erhalten. Das
trifft zwar zu, greift indessen zu kurz. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass § 80 Abs. 6
VwGO das allgemeine Rechtschutzbedürfnis lediglich normativ konkretisiert. Hieraus
lässt sich nicht schlussfolgern, dass für das SGG Abweichendes gilt. Das
Rechtsschutzbedürfnis ist Grundvoraussetzung dafür, dass ein Gericht sich in der Sache
mit dem angetragenen Rechtsstreit befasst, denn jede Rechtsverfolgung setzt ein
Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. Keller, a.a.O., vor § 51 Rdn. 16; vgl. auch Jung in:
Jansen, a.a.O., § 51 Rdn. 8 f.), mithin ist ein Antrag nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG
vorrangig.
57
Vorliegend ist das Rechtsschutzinteresse im Ergebnis (noch) zu bejahen. Zwar hat die
58
Beigeladene zu 9) keinen Antrag nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG gestellt. Indessen ist
den schriftsätzlichen Einlassungen des Beklagten im anhängigen Verfahren zu
entnehmen, dass er die Voraussetzungen für die Anordnung einer sofortigen
Vollziehung nach § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht als gegeben ansieht. Angesichts der
weitgehend identischen Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 86a Abs.3 Satz
1 SGG folgt hieraus hinreichend deutlich, dass ein solchermaßen gestellter Antrag keine
Aussicht auf Erfolg haben würde.
2. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen
Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige
Vollziehung ganz oder teilweise anordnen. Bei den Entscheidungen nach § 86b Abs. 1
SGG hat eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen stattzufinden. Dabei
steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten zunächst im Vordergrund. Auch wenn das
Gesetz keine materiellen Kriterien für die Entscheidung nennt, kann als Richtschnur für
die Entscheidung davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann die
aufschiebende Wirkung wiederherstellt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt
offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene durch ihn in subjektiven Rechten verletzt
wird. Umgekehrt besteht am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen
Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse (LSG NRW, Beschluss vom 23.08.2006 - L
10 B 11/06 KA ER -; Düring a.a.O Rdn. 11). Sind die Erfolgsaussichten nicht
offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden
Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die Regelung des § 86a
Abs. 3 Satz 2 SGG zu beachten, dass in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG die
Vollziehung ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Antragsteller
eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur
Folge hätte. Auch über diese ausdrückliche Regelung hinaus ist das aus den
Regelungen des § 86a SGG hervorgehende gesetzliche Regel-Ausnahmeverhältnis zu
beachten: In den Fallgruppen des § 86a Abs. 2 Nr. 2 bis 4 SGG ist maßgebend zu
beachten, dass der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des
Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf,
um eine davon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom
10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 - zu § 80 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO). In den Fällen des §
86a Abs. 2 Nr. 5 SGG haben Widerspruch und Klage hingegen grundsätzlich
aufschiebende Wirkung. Es ist ein öffentliches Vollzugsinteresse oder ein
überwiegendes Interesse eines Beteiligten erforderlich. Nur dann wird (ausnahmsweise)
die sofortige Vollziehung angeordnet. Das Gericht hat insbesondere zu berücksichtigen,
wie schwerwiegend die Beeinträchtigung durch die aufschiebende Wirkung gerade im
grundrechtsrelevanten Bereich ist. Bei Eingriffen in die Berufsfreiheit müssen die
Gründe für den Sofortvollzug in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des
Eingriffs stehen und ein Zuwarten bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Hauptverfahrens ausschließen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 28.08.2007 - 1 BvR
2157/07 - und vom 11.02.2005 - 1 BvR 276/05 -; BVerfG, NJW 2003 S. 3618, 3619; vgl.
auch Düring a.a.O.).
59
a) Ausgehend hiervon kann der Antrag der Beigeladenen zu 9), wie das SG zutreffend
entschieden hat, keinen Erfolg haben. Der Beschluss des Beklagten 05.09.2007 ist nicht
offenkundig rechtswidrig.
60
aa) Sozialpädiatrische Zentren, die fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher
Leitung stehen und die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche
61
sozialpädiatrische Behandlung bieten, können vom Zulassungsausschuß zur
ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern ermächtigt werden. Die
Ermächtigung ist zu erteilen, soweit und solange sie notwendig ist, um eine
ausreichende sozialpädiatrische Behandlung sicherzustellen (§ 119 Abs. 1 SGB V).
Die Ziffern 1 bis 7 dieses Ermächtigungskatalogs genügen nach summarischer Prüfung
den sich aus § 119 Abs. 2 Satz 1 SGB V ergebenden Anforderungen. Danach ist die
Behandlung durch Sozialpädiatrische Zentren auf diejenigen Kinder auszurichten, die
wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Krankheit oder einer drohenden Krankheit
nicht von geeigneten Ärzten oder in geeigneten Frühförderstellen behandelt werden
können. Ermächtigungen nach § 119 SGB V sind demnach zunächst im Hinblick auf die
betroffenen - schweren - Krankheitsbilder oder Behinderungen inhaltlich näher zu
bestimmen. Das entspricht der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 118 Nr. 1) zu
der wortgleichen Vorschrift des § 118 Abs. 2 Satz 2 SGB V. Danach müssen die
Zulassungsinstanzen im Einzelfall Gegenstand und Umfang der Ermächtigung
entsprechend den genannten gesetzlichen Vorgaben näher konkretisieren und im
Ermächtigungsbescheid festlegen (vgl. Urteil des Senats vom 12.01.2000 - L 11 KA
156/99 -). Hinsichtlich der Punkte 1 bis 7 des Ermächtigungskataloges findet sich eine
hinreichende inhaltliche Bestimmung der Ermächtigung. Die genannten
Krankheitsbilder erscheinen als so spezifisch, dass eine konkrete Abgrenzung
insbesondere nach Schwere und Dauer möglich ist.
62
bb) Mit dem Hinweis auf "geeignete Ärzte" in § 119 Abs. 2 SGB V und der
Beschränkung auf bestimmte Krankheitsbilder wird hervorgehoben, dass die
Behandlung primär durch Vertragsärzte erfolgen soll, die für die Beurteilung von Art,
Schwere und Dauer der Erkrankung eines Kindes kompetent sind. Gleichzeitig folgt
daraus, dass nur bei bestimmten besonderen pädiatrischen Erkrankungen die
Diagnostik und Therapie in einem Sozialpädiatrischen Zentrum erfolgen soll, dass die
Entscheidung über die Erforderlichkeit einer solchen Behandlung nur von denjenigen
Ärzten getroffen werden kann, die ansonsten selbst die sozialpädiatrische Versorgung
sicherstellen. Betont wird dies auch dadurch, dass in § 119 Abs. 2 Satz 2 SGB V eine
enge Zusammenarbeit der Zentren mit den Ärzten und Frühförderstellen vorgesehen ist.
Das ist nur dann sinnvoll, wenn die niedergelassenen Ärzte, die Kinder an ein
Sozialpädiatrisches Zentrum überweisen, über die für eine sozialpädiatrische
Behandlung erforderlichen Kenntnisse verfügen. Für die Beurteilung pädiatrischer
Krankheitsbilder und des damit verbundenen Behandlungsbedarfs, insbesondere der
Frage, ob die Inanspruchnahme der besonderen diagnostischen und therapeutischen
Möglichkeiten eines Sozialpädiatrischen Zentrums erforderlich ist, sind aber nicht alle
Vertragsärzte qualifiziert. Nur der fachkundige Gebietsarzt kann beurteilen, ob Art und
Schwere einer Störung eine Behandlung in einem Sozialpädiatrischen Zentrum
erforderlich machen. Nach der Weiterbildungsordnung ist insofern von einer besonderen
Kompetenz vor allem der Ärzte für Kinderheilkunde, bei psychiatrischen
Krankheitsbildern auch der Ärzte für Neurologie und Psychiatrie sowie der Ärzte für
Kinder- und Jugendpsychiatrie auszugehen (Senatsurteil a.a.O.). Auch diesen
Anforderungen genügt der angefochtene Beschluss, denn er beschränkt den
Überweiserkreis auf Fachärzte für Kinderheilkunde und Fachärzte für Neurologie und
Psychiatrie sowie Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
63
cc) Die Auswahlentscheidung zugunsten des SPZ in Kleve wäre ferner dann
offenkundig rechtswidrig, wenn auf Grund räumlichen Entfernungen zumutbare
Anfahrtszeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln ersichtlich nicht gewährleistet sind. Das
64
Kriterium der Zumutbarkeit ist unter Würdigung der Belange der betroffenen Patienten
und ihrer Familien zu bestimmen. Hierbei sind die gesetzlichen Vorgaben einer
teilhabefördernden Bereitstellung sozialer Dienste und Einrichtungen für behinderte
Menschen unter Vermeidung von Zugangsbarrieren zu berücksichtigen (vgl. §§ 1, 19
des Sozialgesetzbuchs - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX);
§ 17 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil - (SGB I)). Aus § 19 Abs. 1
SGB IX folgt die Verpflichtung der Rehabilitationsträger (Krankenkassen: § 6 Abs. 1 Nr.
1 SGB IX), zur Vermeidung von Zugangsbarrieren Einrichtungen für behinderte
Menschen in ausreichender Zahl wohnortnah bereitzustellen. Darüber hinaus sind nach
§ 4 Abs. 3 SGB IX Leistungen für behinderte Kinder so zu planen und zu gestalten, dass
nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt werden. Bei der
Planung der sozialpädiatrischen Versorgung sind deshalb Anfahrtszeiten einschließlich
Zeiten des Erreichens des Verkehrsmittels und des Ziels zu Fuß (Tür zu Tür- Zeiten)
von bis zu einer Stunde zu Grunde zu legen. Längere Fahrzeiten als insgesamt zwei
Stunden pro Behandlungstag stellen den Erfolg einer kontinuierlichen
sozialpädiatrischen Betreuung und Förderung in Frage. Es wäre dann nicht möglich,
das soziale Umfeld der behinderten Kinder einzubeziehen und die Behandlung in den
Alltag der Familie (z.B. Versorgung von Geschwistern, Erwerbstätigkeit der Eltern) zu
integrieren (zutreffend SG Dortmund, Urteil vom 07.03.2003 - S 26 KA 193/01 -).
Ausgehend hiervon ist die Auswahlentscheidung des Beklagten nicht offensichtlich
fehlerhaft. Zwar rügt die Klägerin, der Beklagte habe die Fahrtzeiten unzutreffend
ermittelt. Indessen ergeben sich auch nach Angaben der Klägerin keine Fahrzeiten von
mehr als 60 Minuten. Ob und inwieweit der Beschluss des Beklagten ggf. deswegen
fehlerhaft ist, wenn die Fahrzeiten nicht zutreffend ermittelt sein sollten, kann hier
dahinstehen. Das würde den Beschluss u.U. allenfalls rechtswidrig machen,
offenkundig rechtswidrig wäre er insoweit jedenfalls nicht.
dd) Auch soweit es die übrigen Auswahlkriterien anlangt, ist der angefochtene
Beschluss nicht offenkundig rechtswidrig. Hierzu rechnen (vgl. LSG Baden-
Württemberg, Urteil vom 12.07.1995 - L 5 Ka 644/94 -):
65
Die Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit und die Leistungsfähigkeit (§ 119 Abs. 1
SGB V) eines SPZ dürfen nicht zu hoch angesetzt werden. Die grundsätzliche
Entscheidung des Gesetzgebers, sozialpädiatrische Zentren (SPZ s) vorzusehen, darf
nicht unterlaufen werden.
66
Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit dürfen die Forderungen an den personellen und
den sächlichen Bestand nicht überspannt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn
als Träger des SPZ eine Stadt oder eine andere gemeinnützige Institution vorgesehen
ist, und dann, wenn das SPZ im Zusammenhang mit einem schon vorhandenen
Klinikverbund betrieben werden soll.
67
Bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit darf bei der erstmaligen Ermächtigungserteilung
nicht schon von vornherein die Gewähr für eine wirtschaftlich-ausreichende
Patientenzahl gefordert werden. Vielmehr ist zur Überprüfung, ob sich eine
ausreichende Zahl ergeben wird, bei der erstmaligen Erteilung der Ermächtigung die
Geltungsdauer auf ca drei oder vier Jahre zu befristen.
68
Der Bedarf ist zum einen im Verhältnis zu den niedergelassenen Kinderärzten und
Frühförderstellen und zum anderen im Verhältnis zu anderen SPZ s zu prüfen. Dabei ist
im Verhältnis zu den Kinderärzten und Frühförderstellen wegen der besonderen
69
Aufgabe und Funktion der SPZ S ein Bedarf grundsätzlich zu bejahen. Dagegen kommt
es im Verhältnis zu anderen SPZ s für den Bedarf darauf an, ob der Einzugsbereich
bereits durch ein anderes nahe gelegenes SPZ versorgt ist.
Ungeachtet dessen, dass der Planungsbereich Kleve für Kinderärzte gesperrt ist, hat der
Beklagte einen Bedarf für zumindest ein SPZ gesehen. Auch soweit der Beklagte auf
die im "Altöttinger Papier" formulierten Anforderungen (hierzu Kinderärztliche Praxis,
Bd. 73, 2002, S. 498 ff.) abstellt, ist dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Dieses
Papier ist 2002 als Beitrag zur Qualitätssicherung von der Bundesarbeitsgemeinschaft
sozialpädiatrischer Zentren entwickelt worden. Neben generellen Voraussetzungen an
die räumliche und apparative Ausstattung werden der Personalbedarf niedergelegt und
Anforderungsprofile für den Ärztlichen Leiter eines SPZ, sonstige Ärzte und Mitarbeiter
wie Psychologen, therapeutische Mitarbeiter und Sozialarbeiter geschaffen. Die hierin
festgehaltenen Anforderungen sind rechtlich zwar unverbindlich, indessen grundsätzlich
geeignet, im Rahmen der Auswahlentscheidung als ein Kriterium neben anderen
herangezogen zu werden. Der Beklagte hat auch beachtet, dass die Ermächtigung zu
befristen ist, was den zuvor aufgestellten Anforderungen genügt.
70
b) Zwar ist der angefochtene Beschluss des Beklagten sonach nicht offensichtlich
rechtswidrig, im übrigen sind die Erfolgsaussichten indessen eher schwer
abzuschätzen. Das Vorbringen der Klägerin in der Klageschrift vom 03.11.2008 wirft
eine Reihe von noch zu beantwortenden Rechtsfragen auf. Deren Klärung bleibt dem
Hauptsacheverfahren vorbehalten. Sind also die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich,
müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte
gegeneinander abgewogen werden. Ein öffentliches Vollzugsinteresse oder ein
überwiegendes Interesse der Beigeladenen zu 9) ist zu verneinen. Dabei ist streng
zwischen dem Interesse zu unterscheiden, das den Verwaltungsakt als solchen
rechtfertigt und dem darüber hinausgehenden Vollzugsinteresse.
71
aa) Das öffentliche Interesse an sofortiger Vollziehung ist mehr als das für den Erlass
des Verwaltungsaktes erforderliche Interesse, so dass die gesetzlichen
Voraussetzungen für den Erlass eines Verwaltungsaktes nicht zur Begründung der
sofortigen Vollziehung ausreichen (vgl. Frehse in: Schnapp/Wigge, Handbuch für das
Vertragsarztrecht. 2. Auflage, 2006, § 23 Rdn. 103 m.w.N.). Der 10. Senat des LSG
NRW hat hierzu ausgeführt (Beschluss vom 11.11.2003 - L 10 B 15/03 KA ER -):
72
Der Antragsgegner hat den Sofortvollzug allein damit begründet, dass die sofortige
Schließung der Versorgungslücke im öffentlichen Interesse liegt. Diese Begründung ist
nicht ausreichend. Sie beschränkt sich inhaltlich auf die Erwägungen, die ihn dazu
bewegen haben, die Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung der Nr. 741 EBM zu
erteilen. Es ist nicht erkennbar, welche darüber hinausgehenden Gesichtspunkte es
nach seiner Auffassung rechtfertigen, die sofortige Vollziehung anzuordnen. Zwar
bedarf es einer gesonderten Begründung dann nicht, wenn sich bereits aus dem Inhalt
des zu vollziehenden Verwaltungsaktes die besondere Dringlichkeit ergibt und die von
der Behörde getroffene Interessenabwägung klar und erkennbar ist (Senatsbeschluss
vom 14.04.2003 - L 10 B 8/03 KA ER -; Kopp aaO § 80 Rdn. 86 m.w.N.; Meyer-Ladewig
aaO § 86 a Rdn. 21 m.w.N.). Daran fehlt es jedoch. Eine Interessenabwägung hat der
Antragsgegner ausweislich der kursorischen Begründung für den Sofortvollzug nicht
vorgenommen. Er hat zwar dargelegt, dass ein nicht gedeckter Bedarf vorhanden ist, es
fehlen aber Ausführungen und Erwägungen dazu, ob und inwieweit das
Versorgungsdefizit zu schweren und unzumutbaren Beeinträchtigungen der
73
Versicherten führt. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass ohne Sofortvollzug eine
Notsituation dergestalt einzutreten droht, dass die Versicherten konkret gefährdet sind
(hierzu Beschluss des LSG NRW vom 13.01.1999 - L 11 B 3/99 KA -). Allein der
Hinweis auf längere Anfahrtswege reicht hierzu nicht aus. Auch Wartezeiten, die
dadurch entstehen, dass niedergelassene Ärzte ihr Leistungsangebot willkürlich infolge
Budgetierungen einschränken, genügen für sich nicht. Dies rechtfertigt es nur, dass
Versorgungsdefizit - wie hier - durch Leistungsgenehmigungen oder Ermächtigungen zu
kompensieren. Darüber hinausgehende Gründe, die es im öffentlichen Interesse
gebieten, die sofortige Vollziehung anzuordnen, sind derzeit nicht ersichtlich.
Diese für § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG maßgebenden Grundsätze sind auf die
vergleichbare Regelung des § 86a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zu übertragen. Ausgehend
hiervon ist ein besonderes (öffentliches) Vollzugsinteresse nicht ersichtlich. Die
Beigeladene zu 9) verweist insoweit (nur) darauf, dass die sozialpädiatrische
Versorgung im Kreis Kleve unzureichend ist (Schriftsatz vom 05.11.2008, S. 4). Ein
etwaiger weiterer Bedarf nach zusätzlichen sozialpädiatrischen Leistungen rechtfertigt
indessen nur die Ermächtigung als solche, nicht hingegen zusätzlich die Anordnung der
sofortigen Vollziehung. Auch soweit die Beigeladene zu 9) zum Teil mehrmonatige
Wartezeiten behauptet, dokumentiert dies - als zutreffend unterstellt - nur den Bedarf für
ein SPZ. Die Voraussetzungen für einen Sofortvollzug sind hiermit indes nicht dargetan.
Dies gilt umso mehr, als die Beigeladene zu 8) dem entgegentritt und darauf hinweist,
mittels ihres SPZ in Wesel nach wie vor in der Lage zu sein, den Bedarf an
sozialpädiatrischen Leitungen auch für den Kreis Kleve sicherzustellen. Soweit die
Beigeladene zu 9) sich auf von ihr vorgelegte Presseartikel bezieht, ist dies gänzlich
ungeeignet, ein besonderes öffentliches Interesse zu begründen. Abgesehen davon,
dass der Inhalt des mit Schriftsatz vom 13.02.2009 vorgelegten Artikels (NRZ vom
26.01.2009) allenfalls belegt, dass dem Autor das System des Leistungs- und
Leistungserbringerrechts der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) offenkundig
fremd ist, findet sich hierin ein einziger Bezug zum Streitgegenstand, nämlich der
knappe Hinweis, dass die Wartezeiten im SPZ Wesel sich auf ein dreiviertel Jahr
belaufen. Das deutet auf einen Bedarf hin, nicht jedoch auf ein darüber hinausgehendes
besonderes Interesse am Sofortvollzug.
74
bb) Soweit die Beigeladene zu 9) auf ihr subjektives Interesse an der sofortigen
Vollziehung abstellt, führt auch dies nicht weiter. Interessengesichtspunkte für die
Abwägungsentscheidung sind insoweit die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten,
insbesondere ein unbillige Härte, Grundrechtsrelevanz und Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit (z.B. Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz). Die
Abwägungskriterien des §86b Abs. 2 SGG können herangezogen werden (Keller,
a.a.O., § 86b Rdn. 12g; Düring, a.a.O., § 86b Rdn. 11 ff.). Nicht zu den subjektiven
Interessen rechnet die Bedarfssituation. Der Sicherstellungsauftrag ist der
Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und nicht dem einzelnen Vertragsarzt übertragen.
Hieraus ist herzuleiten, dass der einzelne Vertragsarzt (hier: der Träger eines SPZ) sich
im Rahmen der Prüfung des Anordnungsgrundes nicht darauf berufen kann, es liege ein
im Interesse der Patienten dringend zu schließendes Versorgungsdefizit vor. Insoweit
können im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eigene Rechte geltend gemacht
werden (LSG NRW, Beschlüsse vom 09.08.2006 - L 10 B 6/06 KA ER -). Eine etwaige
Beeinträchtigung der Sicherstellung rechnet hierzu nicht (vgl. LSG Niedersachsen-
Bremen, Beschlüsse vom 05.08.2004 - L 3 KA 85/04 ER - und vom 23.12.2005 - L 3 KA
301/05 ER -).
75
Ob und inwieweit das SPZ Kleve unter Berücksichtigung der entscheidungserheblichen
Auswahlkriterien am besten zur Deckung des bestehenden Bedarfs geeignet ist
(Schriftsatz vom 03.11.2008, S. 4, 5), besagt für die Frage, ob ein besonderes
Vollzugsinteresse vorliegt, gleichermaßen nichts. Wiederum ist nur die
Auswahlentscheidung als solche betroffen. Dass die wirtschaftliche Existenz der
Beigeladenen zu 9) davon abhängt, die vom Beklagten zu ihren Gunsten getroffenen
Auswahlentscheidung für sofort vollziehbar zu erklären, ist weder dargetan noch
ersichtlich. Ein Grundrechtsbezug ist zwar insoweit vorhanden, als die infolge von
Widerspruch bzw. Klage eingetretene aufschiebende Wirkung das Recht der
Beigeladenen zu 9) aus Art. 12 Grundgesetz (GG) berührt. Das führt indessen nicht
weiter, denn hierauf können sich auch die Beigeladenen zu 10) und 8) sowie die
Klägerin berufen. Ohnehin gilt in einer Konkurrenzsituation mit Drittbetroffenheit anderer
Beteiligter, dass ein Sofortvollzug zu Gunsten von Partikularinteressen der
Beigeladenen zu 9) gleichzeitig und unmittelbar im Widerstreit zum Interesse anderer
Beteiligter steht. Sofortvollzug kann dann - insoweit - nur angeordnet werden, wenn a)
hieran ein subjektives Interesse besteht und b) dieses das gegenläufige Interesse des
Dritten überwiegt. Das ist nicht der Fall. Die gegenläufigen Interessen der Beigeladenen
zu 8) und 10) sowie die Klägerin sind jeweils und letztlich gleichermaßen durch
(legitime) eigennützig-wirtschaftliche Zielsetzungen bestimmt wie jene der
Beigeladenen zu 9). Diese hat bislang nicht dargelegt, warum ihre mit dem Betrieb
eines SPZ verbundenen pekuniären Interessen gewichtiger sein könnten als jene der
Konkurrenten.
76
Zusammengefasst: Erweist sich der angefochtene Beschluss des Beklagten - wie hier -
nicht als offensichtlich rechtswidrig und lassen sich die Erfolgsaussichten im übrigen nur
schwer abschätzen, kann der Sofortvollzug nur angeordnet werden, wenn insoweit ein
besonderes öffentliches Interesse besteht. Das ist hier bislang nicht dargetan. Auf ihr
Partikularinteresse kann die Beigeladene zu 9) den Antrag auf Sofortvollzug nicht
stützen, denn es ist nicht ersichtlich, dass ihre Interessen den gegenläufigen Interessen
der konkurrierende Verfahrensbeteiligten vorgehen.
77
Nach alledem konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben.
78
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsordnung.
79
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
80