Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16.05.2002

LSG NRW (bvg, pauschale, verlust des sehvermögens, heimpflege, kläger, höhe, anrechnung, auszahlung, begriff, bundesrepublik deutschland)

Landessozialgericht NRW, L 7 V 27/01
Datum:
16.05.2002
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 7 V 27/01
Vorinstanz:
Sozialgericht Detmold, S 15 BL 73/99
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 9 V 4/02 R
Sachgebiet:
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts
Detmold vom 07.05.2001 abgeändert. Die Klage wird insoweit
abgewiesen, als der Kläger die Auszahlung der Kleiderverschleißzulage
begehrt. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte
trägt die Hälfte der Kosten des Klägers. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Der Kläger begehrt die Auszahlung der Führzulage nach § 14
Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der Kleiderverschleißpauschale nach § 15 BVG
im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch
(SGB X).
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Beim 1920 geborenen Kläger stellte der Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 05.08.1977
als Schädigungsfolgen "Erblindung beider Augen, Verlust des linken Armes, Verlust der
Zähne 1 rechts, 1 bis 2 links im Oberkiefer, 1 rechts und 1 links im Unterkiefer,
vegetative Störungen" fest.
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Der Beklagte bewilligte dem Kläger u. a. eine Versorgungsgrundrente nach einer
Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H., eine Schwerstbeschädigtenzulage,
eine Ausgleichsrente, eine Pflegezulage nach Stufe IV, eine Beihilfe für fremde Führung
nach § 14 BVG und einen Pauschbetrag für Kleider- und Wäschemehrverschleiß nach §
15 BVG (Bewertungszahl 29).
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Seit dem 01.08.1996 ist der Kläger dauernd in einem Pflegeheim untergebracht.
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Seit November 1996 zahlt der Beklagte dem Kläger die Versorgungsbezüge in Höhe
der Grundrente aus.
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Mit bestandskräftigem Bescheid vom 05.11.1996 verfügte der Beklagte 1) die
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Übernahme der Heimpflegekosten, soweit sie die Unterkunft, Verpflegung und
Betreuung einschließlich notwendiger Pflege umfassen, unter Anrechnung auf die
Versorgungsbezüge mit Wirkung vom 01.08.1996 und 2) die Auszahlung eines
Betrages in Höhe der Grundrente eines erwerbsunfähigen Beschädigten an den Kläger
mit Wirkung zum 01.08.1996.
Mit Bescheid vom 18.12.1996 stellte der Beklagte die Höhe der Versorgungsbezüge für
die Zeit vom 01.08. bis 30.10.1996 fest. Mit Bescheid vom 30.04.1997 wurden die vom
Kläger vorgeleisteten Heimunterbringungskosten für die Zeit vom 01.11. bis 31.12.1996
erstattet.
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Durch Bescheid vom 17.6.1997 wurden die Versorgungsbezüge nach § 56 BVG auf
5.882,- DM ohne Berücksichtigung der Heimpflegekosten erhöht. Mit Bescheid vom
07.08.1997 wurden die Versorgungsbezüge (Grundrente, Ausgleichsrente,
Kleiderverschleißzulage, Schwerstbeschädigtenzulage Stufe VI, Führzulage,
Pflegezulage Stufe IV) ab 01.07.1997 unter Aufhebung des Bescheides vom 17.6.1997
und Berufung auf § 48 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) auf einen Betrag von 4.973,-
DM neu festgestellt. In dem Bescheid heißt es u. a.: da die Heimunterbringungskosten
vom Beklagten getragen würden, stehe nur die Grundrente zu.
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Durch Bescheid vom 18.6.1998 erfolgt die Anpassung der Versorgungsbezüge ohne
Berücksichtigung der Heimpflegekosten. Mit Bescheid vom 24.07.1998 wurden die
Versorgungsbezüge ab 01.07.1998 unter Aufhbung des Bescheides vom 18.6.1998 und
Berufung auf §48 SGB X neu feststellt.
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Im Oktober 1998 beantragte der Kläger beim Beklagten die Auszahlung der Führzulage
nach § 14 BVG und des Pauschbetrages nach § 15 BVG nach § 44 SGB X. Er trug vor,
in dem rechtskräftigen Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom
23.06.1998, L 6 V 61/97, sei der Anspruch auf Auszahlung der Führzulage bei
Heimunterbringung anerkannt worden. Dem Urteil komme grundsätzliche Bedeutung zu,
da die Bundesrepublik beigeladen gewesen und die Revision nicht zugelassen worden
sei. In analoger Anwendung bestehe auch ein Anspruch auf Auszahlung der
Kleiderverschleißzulage. Der Pflegesatz der Pflegeeinrichtung beinhalte nicht den
durch die Schädigung verursachten außergewöhnlichen Verschleiß an Kleidung und
Wäsche. Mit Bescheid vom 12.10.1998 lehnte der Beklagte unter Berufung auf § 44
SGB X den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Führzulage und eines
Pauschbetrages für außergewöhnlichen Verschleiß an Kleidung und Wäsche ab. Die
Führzulage und Kleiderverschleißpauschale gehörten nicht zum Leistungskatalog des §
35 Abs. 6 BVG.
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Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er legte dar, die aufgrund des
Heimpflegevertrages zu erbringenden Leistungen beinhalteten nicht die ausschließlich
wegen den Schädigungsfolgen zustehenden Zulagen nach §§ 14, 15 BVG. Die
Pflegeeinrichtung stelle nicht die dem Kriegsblinden zustehende fremde Führung sicher,
der schädigungsbedingte Kleider- und Wäschemehrverschleiß bestehe unverändert.
Am 25.05.1999 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
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Mit der am 14.06.1999 vor dem Sozialgericht (SG) Detmold erhobenen Klage hat der
Kläger sein Begehren weiterverfolgt.
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Er hat im wesentlichen sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und
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Widerspruchsverfahren wiederholt.
Mit Urteil vom 07.05.2001 hat das SG Detmold den Beklagten unter Aufhebung des
Bescheides vom 12.10.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
28.05.1999 verurteilt, unter Abänderungen der Bescheide vom 05.11. und 18.12.1996,
30.04. und 07.08.1997 sowie 24.07.1998 die Führzulage nach § 14 BVG und die
Kleiderverschleißpauschale nach § 15 BVG auch nach Übernahme der
Heimpflegekosten an den Kläger zu zahlen.
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Bei Erlass der Bescheide, in denen die Anrechnung der Führzulage und
Kleiderverschleißpauschale auf die Heimpflegekosten erfolgt sei, habe der Beklagte
das Recht unrichtig angewandt und deshalb die Führzulage und die
Kleiderverschleißpauschale zu Unrecht nicht an den Kläger bezahlt. Es schließe sich
der Rechtsprechung des 6. und 10. Senates des Landessozialgerichts Nordrhein-
Westfalen (Urteil vom 23.06.1998, L 6 V 61/97 und Urteil vom 21.06.1995, L 10 V 53/94)
an, wonach einem Blinden die Beihilfe für fremde Führung auch nach Übernahme der
Heimunterbringungskosten nach § 35 Abs. 6 BVG n.F. zustehe. Die Anrechnung der
Führzulage nach § 14 BVG auf die Kosten der nicht nur vorübergehenden Heimpflege
sei mit dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen
Regelung nicht in Einklang zu bringen. Ebenfalls gehöre die
Kleiderverschleißpauschale nicht zu den Versorgungsbezügen, auf die die
Heimpflegekosten gemäß § 35 Abs. 6 S. 1 BVG angerechnet würden. Hiergegen
spräche wie bei der Frage der Anrechnung der Führzulage die Systematik sowie Sinn
und Zweck der gesetzlichen Regelung. Die Kleiderverschleißpauschale sei nicht
anders zu behandeln als die Führzulage. Sie gehöre nach der Systematik des § 9 BVG
weder zur Beschädigtenrente noch zur Pflegezulage, sondern zur Heil- und
Krankenbehandlung. Sie diene wie die Beihilfe für fremde Führung anderen Zwecken
als die Pflegezulage nach § 35 BVG. Bei der Kleiderverschleißpauschale handele es
sich ebenfalls um eine pauschale Abgeltung eines Sonderaufwandes für Blinde. Ein
außergewöhnlicher Verschleiß an Kleidung und Wäsche durch die anerkannten Folgen
der Schädigung falle während der Heimpflege wie bei der häuslichen Pflege an. Die auf
durch das Heim laut Heimvertrag gewährten Regelleistungen deckten den
außergewöhnlichen Verschleiß an Kleidung und Wäsche nicht ab.
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Gegen das am 18.06.2001 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 12.07.2001 Berufung
beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt.
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Er vertritt die Auffassung, dass der in § 35 Abs. 6 BVG verwandte Begriff
"Versorgungsbezüge" identisch mit dem in der Überschrift zu § 56 BVG verwandten
Begriff "Anpassung der Versorgungsbezüge" ist, wobei die Zulagen nach §§ 14 und 15
BVG von § 56 BVG erfasst seien. Eine Differenzierung des Inhaltes des vom
Gesetzgeber in § 35 Abs. 6 BVG und § 56 BVG verwandten Begriffes
"Versorgungsbezüge", wie vom SG vorgenommen, sei nicht gerechtfertigt. Die
Leistungen nach §§ 14, 15 BVG hätten mit anderen "Versorgungsbezügen" gemeinsam,
dass sie in Monatsbeiträgen als Geldleistung erbracht würden. In der
Gesetzessystematik seien sie zwar den Vorschriften über die "Heilbehandlung,
Versehrtenleibesübungen und Krankenbehandlung" zu geordnet. Es handele sich bei
diesen monatlich gezahlten Geldleistungen aber nicht um Leistungen der
Heilbehandlung, sondern um "rentenähnliche Leistungen" eigener Art. Allerdings stehe
die Führzulage der Heilbehandlung im Sinne der orthopädischen Versorgung insofern
nahe, als die Versorgung mit einem Blindenführhund zur Versorgung mit Hilfsmitteln
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und damit zur Heilbehandlung zu rechnen sei. Auch bei der in § 15 BVG getroffenen
Regelung bestehe insofern ein Zusammenhang mit den Regelungen über die
Heilbehandlung, als bei einer Vielzahl der mit dieser Vorschrift berücksichtigten
Verschleißtatbestände davon ausgegangen werden müsse, dass die Benutzung
bestimmter im Rahmen der orthopädischen Versorgung zur Verfügung gestellten
Hilfsmittel regelmäßig zu einem erhöhten Kleider- oder Wäscheverschleiß führe.
Andererseits bestehe die Zielrichtung der in §§ 14 und 15 BVG getroffenen Regelungen
darin, den schädigungsbedingten Mehraufwand abzugelten, der einem
Versorgungsberechtigten in den von diesen erfassten Lebensbereichen entstehe. Die
Zielrichtung dieser Leistungen weise damit Parallelen mit der Zielrichtung der
Grundrente auf, die nach allgemeiner Auffassung u.a. die Funktion habe, die
Mehraufwendungen auszugleichen, die der Versorgungsberechtigung infolge der
Schädigung im Vergleich zu einem gesunden Menschen habe. § 35 Abs. 6 Satz 2 BVG
ordne an, dass dem Beschädigten im Falle der nicht nur vorübergehenden Heimpflege
von" seinen Versorgungsbezügen zur Bestreitung seiner sonstigen Bedürfnisse ein
Betrag in Höhe der Grundrente eines erwerbsunfähigen Beschädigten ... zu belassen"
sei. Nach dem klaren Wortlaut sei damit für "die sonstigen Bedürfnisse" des
Beschädigten, die nicht Gegenstand der Heimpflege seien, als Geldleistung ein "Betrag
in Höhe der Grundrente eines Erwerbsunfähigen Beschädigten" (nicht: "die
Grundrente") vorgesehen. Die Regelung sei nicht auf einen Teil der sonstigen
Bedürfnisse beschränkt. Die Annahme, dass wegen bestimmter persönlicher
Bedürfnisse daneben noch weitere Geldleistungen wie die Führzulage nach § 14 BVG
oder der Pauschbetrag nach § 15 BVG zustehen solle, lasse sich nicht mit dieser
Gesetzesformulierung vereinbaren.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 07.05.2001 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält die erstintanzliche Entscheidung für zutreffend.
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Der Senat hat die Bundesrepublik Deutschland beigeladen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichts- und B- Akten des Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist teilweise begründet.
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Das SG hat den Beklagten zu Unrecht verurteilt, an den Kläger nach Übernahme der
Heimunterbringungskosten die Kleiderverschleißpauschale nach § 15 BVG weiter
auszuzahlen. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.
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Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 12.10.1998 i.d.F. des
Widerspruchsbescheides vom 28.05.1999, in dem der Beklagte die Auszahlung der
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Kleiderverschließpauschale nach § 15 BVG und der Führzulage nach § 14 BVG nach
Übernahme der Heimunterbringungskosten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens
nach § 44 SGB X abgelehnt hat.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar
geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im
Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem
Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und insoweit
Sozialleistungen zu Unrecht erbracht worden sind.
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Mit Bescheid vom 05.11.1996 hat der Beklagte die Übernahme der Heimpflegekosten
nach § 35 Abs. 6 BVG unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge mit Wirkung vom
01.08.1996 und die Auszahlung eines Betrages in Höhe der Grundrente eines
erwerbsunfähigen Beschädigten an den Kläger mit Wirkung zum 01.08.1996 verfügt. Bei
diesem Bescheid handelt es sich um einen Grundlagen bescheid hinsichtlich der
Gewährung der Leistung nach § 35 Abs. 6 BVG.
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Der Bescheid vom 05.11.1996 ist insoweit materiell rechtmäßig, als der Beklagte die
bewilligte Kleiderverschleißpauschale nach § 15 BVG auf die Kosten der
Heimunterbringung nach § 35 Abs. 6 Satz 1 BVG n.V. angerechnet hat. Die Anrechnung
der Führzulage nach § 14 BVG auf die Kosten der Heimunterbringung ist rechtswidrig.
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§ 35 Abs. 2 BVG i.d.F. bis zum 31.03.1990 (a.F.) sah vor, dass die Kosten der nicht nur
vorübergehenden Anstaltspflege eines Beschädigten vom Beklagten unter Anrechnung
auf die Versorgungsbezüge übernommen werden. Unter dem in § 35 Abs. 2 Satz 1 BVG
a.F. verwandten Begriff "Versorgungsbezüge" sind nach der Rechtsprechung des BSG
(Urteil vom 21.09.1983, 9a RV 28/92) alle Ansprüche, die ein Beschädigter ohne die
Anstaltspflege nach dem BVG realisieren kann, zu verstehen. Dazu gehören u.a. die
Grundrente, die Schwerstbeschädigtenzulage, die Pflegezulage, die Ausgleichsrente
und der Berufsschadensausgleich. Gemeinsames Merkmal der vom BSG aufgezählten
Leistungen ist, dass es sich um wiederkehrende Geldleistungen i.S.v. § 11
Sozialgesetzbuch 1. Buch (SGB I) handelt, die an der jährlichen Anpassung nach § 56
BVG teilnehmen, wobei sich die Zielsetzung der Leistungen zumindest teilweise
unterscheiden und mit der der Pflegezulage nach § 35 BVG nicht deckungsgleich sind.
Die Kleiderverschleißpauschale ist nach gefestigter Rechtsprechung des BSG (Urteil
vom 21.09.1983, 9a Rvi 2/82; Urteil vom 21.09.1983, 9 RV 28/92; Urteil vom 08.10.1987,
9a Rvi 5/85) als Teil der Versorgungsbezüge i.S.v. § 35 Abs. 2 BVG a.F. auf die Kosten
der Anstaltspflege anzurechnen. Dies hat das BSG u.a. mit dem Gesichtspunkt
"Ausschluss der Doppelversorgung" begründet, da der Zweck der
Kleiderverschleißpauschale - pauschale Abgeltung des durch die anerkannten
Schädigungsfolgen verursachten außergewöhnlichen Verschleiß an Kleidung und
Wäsche - und die Zielrichtung der Anstaltspflege - Sicherstellung aller menschlichen
Grundbedürfnisse, einschließlich der Stellung von Kleidung und Wäsche - eine
Deckungsgleichheit besteht. Mit der Änderung des § 35 BVG durch das KOV-Struktur G
1990 (BGBl. I S. 582) ist nach Auffassung des Senates keine Änderung der Rechtslage
hinsichtlich der Anrechenbarkeit der Kleiderverschleißpauschale eingetreten. Zwar ist
durch die Neuregelung der übernahmefähigen Kosten einer Heimpflege in § 35 Abs. 7
Satz 1 BVG i.d.F. vom 01.04.1990 (n.F.) bzw. § 35 Abs. 6 Satz 1 BVG n.F. der
Gesichtspunkt "Ausschluss der Doppelversorgung" entfallen. Denn in § 35 Abs. 6 Satz 1
BVG n.F. sind die übernahmefähigen Kosten einer Heimpflege auf die Aufwendungen
zur Unterkunft, Verpflegung und Betreuung, einschließlich der notwendigen Kosten für
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eine Pflege, beschränkt worden. Die Definition der übernahmefähigen Heimkosten
entspricht dem Begriff der Unterbringung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Heimgesetz n.F., gültig
ab dem 01.08.1990, wonach eine Unterbringung in einem Heim neben der Überlassung
der Unterkunft die Gewährung oder Vorhaltung von Verpflegung und Betreuung umfasst
(BT-Drucksache 11/5831 S. 15). Der Umfang der Betreuung nach dem Heimgesetz,
welche die Pflege als gesteigerte Form der Betreuung mitumfasst, ergibt sich aus dem
vertraglichen Leistungsangebot wobei aus der besonderen Zielgruppe, die der
Heimträger mit der Einrichtung erreichen will. Aufwendungen für Bekleidung, Wäsche
und Schuhwerk gehören nicht mehr zu den Kosten der Heimpflege i.S.v. § 35 Abs. 6
Satz 1 BVG n.F ... Alle übrigen Bedürfnisse, die nicht zu den übernahmefähigen Kosten
i.S.v. § 35 Abs. 6 Satz 1 BVG n.F. zählen, sind "sonstige Bedürfnisse" i.S.v. § 35 Abs. 6
Satz 2 BVG n.F., zu deren Deckung einem Beschädigten als Selbstbehalt ein Betrag in
Höhe der Grundrente eines erwerbsunfähigen Beschädigten von den ihm zustehenden
Versorgungsbezügen belassen wird.
Die Kleiderverschleißpauschale unterfällt aber weiterhin dem in § 35 Abs. 6 Satz 1 BVG
n.F. verwandten Begriff der "Versorgungsbezüge". Der in § 35 Abs. 2 Satz 1 BVG a.F.
verwendete Begriff "Versorgungsbezüge", d.h. alle wiederkehrenden Geldleistungen
i.S.v. § 11 SGB I, die ein Beschädigter als Anspruch nach dem BVG realisieren kann, ist
inhaltlich in die Neuregelung des § 35 BVG betreffend die Heimpflege übernommen
worden. Weder aus der Gesetzesbegründung noch aus der Konzeption des § 35 Abs. 6
BVG n.F. ist ein Wille des Gesetzgebers zur inhaltlichen Änderung des Begriffes
erkennbar. Daher sind nach § 35 Abs. 6 Satz 1 BVG n.F. in der Regel alle nach dem
BVG an den Beschädigten auszuzahlenden wiederkehrenden Geldleistungen i.S.v. §
11 SGB I auf die als wiederkehrende generalisierte Sachleistung gewährte Heimpflege
anzurechnen. Leistungen der Heil- und Krankenbehandlung nach § 10 ff. BVG
einschließlich der Leistungen der orthopädischen Versorgung nach § 13 BVG, die
grundsätzlich als Sachleistung erbracht werden, bleiben im Falle der Heimpflege
anrechnungsfrei. Bei der Kleiderverschleißpauschale nach § 15 BVG handelt es sich
nicht um Leistungen einer Kranken- oder Heilbehandlung, sondern diese Leistung stellt
eine besondere Leistung dar, die denen der Heil- und Krankenbehandlung nahesteht
(BT-Drucksache V/1216 S. 3). Die Kleiderverschleißpauschale gilt pauschal einem
konkreten materiellen schädigungsbedingten Mehrbedarf ab, der insbesondere durch
die Folgen der orthopädischen Versorgung mit Hilfsmitteln entsteht. Sie bezweckt die
Abgeltung des durch die anerkannten Schädigungsfolgen verursachten
außergewöhnlichen Verschleiß an Kleidung und Wäsche. Sie soll eine Bedarfslage
abdecken, die sich nicht an dem gesamten Leidenszustand orientiert, sondern
funktionsbezogen den durch die Schädigungsfolgen bedingten Verschleiß umfasst,
insbesondere den durch das Tragen von orthopädischen Hilfsmitteln nach § 13 BVG
verursachten. Die Kleiderverschleißpauschale ist keine Sachleistung wie der
Leistungen der Kranken- und Heilbehandlung, sondern es handelt sich um eine
wiederkehrende Geldleistung, die "rentenähnlichen Charakter" hat und an den
jährlichen Anpassungen nach § 56 BVG teilnimmt. Die Inkongruenz der Leistungen der
Heimpflege nach § 35 Abs. 6 Satz 1 BVG n.F. und der Kleiderverschleißpauschale nach
§ 15 BVG spricht nicht gegen eine Zurechnung der Kleiderverschleißpauschale zu den
"Versorgungsbezügen". Die Art der Leistungen - Gewährung der Heimpflege als
generalisierte Sachleistung sowie der anrechenbaren Versorgungsbezüge als
Geldleistungen - ist nicht deckungsgleich. Ebenso ist die Zielsetzung anderer
Versorgungsbezüge i.S.v. § 35 Abs. 6 Satz 1 BVG n.F. wie z.B. die Grundrente und der
Berufsschadensausgleich, zumindest teilweise mit dem der Heimpflege nicht kongruent.
Während die Leistungen nach § 35 Abs. 6 Satz 1 BVG n.F. die Sicherstellung des durch
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die anerkannten Schädigungsfolgen mitverursachten erhöhten Pflegeaufwandes in
Form der Heimpflege durch die Übernahme der Aufwendungen für Unterkunft,
Verpflegung und Betreuung bezweckt, dient die Grundrente nicht nur zur Deckung des
materiellen schädigunsbedingten Mehrbedarfes, sondern auch als immaterielle
Entschädigung; der Berufsschadensausgleich bezweckt den Ausgleich eines
beruflichen Schadens. Den Bestimmungen des BVG kann auch nicht der allgemeine
Grundgedanke entnommen werden, das geldwerte Ansprüche, die zur Befriedigung
eines konkreten schädigungsbedingten Mehrbedarfes eines Beschädigten dienen, von
der Anrechnung nach § 35 Abs. 6 Satz 1 BVG n.F. ausgenommen bleiben. Nach der
Konzeption des § 35 Abs. 6 BVG n.F. soll einem Beschädigten von den
Versorgungsbezügen, also den wiederkehrenden geldwerten Leistungen nach dem
BVG, ein Selbstbehalt in Höhe des Betrages einer Grundrente eines erwerbsunfähigen
Beschädigten, d.h. nach einer MdE um 100 v.H., zur Deckung seiner sonstigen
Bedürfnisse verbleiben, unabhängig davon, welche geldwerten Leistungen aus
welchem Grund ihm zustehen. Dabei unterfallen dem Begriff "sonstige Bedürfnisse"
i.S.v. § 35 Abs. 6 Satz 2 BVG n.F. nach dem Willen des Gesetzgebers alle Bedürfnisse
eines Beschädigten (BT-Drucksache XI/5831 S. 15), also auch der
schädigungsbedingte Mehrbedarf. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die
Kleiderverschleißpauschale wegen ihres Charakters als wiederkehrende Geldleistung
i.S.v. § 11 SGB I, einen Versorgungsbezug i.S.v. § 35 Abs. 6 Satz 1 BVG n.F. darstellt.
Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen ist die Führzulage nach
§ 14 BVG nicht auf die Kosten einer Heimpflege nach § 35 Abs. 6 Satz 1 BVG
anzurechnen. Zwar handelt es sich bei der Führzulage ebenso wie bei der
Kleiderverschleißpauschale um eine der Heil- und Krankenbehandlung nahestehende,
wiederkehrende Geldleistung i.S.v. § 11 SGB I, die einen konkreten materiellen
schädigungsbedingten Mehrbedarf abdeckt und an der jährlichen Anpassung nach § 56
BVG teilnimmt. Die Führzulage bezweckt pauschal die Abdeckung der Kosten des
Unterhalts eines Führhundes, der im Rahmen der orthopädischen Versorgung nach §
13 BVG einem Blinden gestellt wird. Sie dient alternativ auch der pauschalen Abgeltung
des im Einzelnen nicht feststellbaren Aufwandes für die Führung durch fremde
Personen. Der Blinde soll durch die fremde Führung die Möglichkeit erhalten, seinen
häuslichen Bereich selbstständig zu verlassen und sich außerhalb seines Hauses
verhältnismäßig frei zu bewegen, wobei der Führhund oder die Führungshilfe als
"quasi-orthopädisches Hilfsmittel" als teilweiser Ausgleich des verlorenen
Sehvermögens anzusehen ist. Die fremde Führung gleicht zeitweise und für bestimmte
Lebensvorgänge das verlorene Sehvermögen aus. Die Führung ergänzt die Pflege
insoweit, als die Pfegekraft nach § 35 BVG von der ständigen Notwendigkeit, einen
Blinden zu begleiten, entlastet wird. Die Führzulage ermöglicht erst das Bewegen
außerhalb des Pflegebereichs und sichert eine Selbstständigkeit des Blinden bei
solchen Verrichtungen des täglichen Lebens, zu denen fremde Hilfe, Pflege und
Wartung i.S.v. § 35 BVG nicht benötigt werden, wie z.B. Teilnahme an kulturellen
Veranstaltungen, Ferienaufenthalten, Teilnahme an Fortbildungen oder Kuren (vgl.
BSG, Urteil vom 29.11.1973, 10 RV 69/73; Urteil vom 15.07.1992, 9a RV 9/91). Dabei ist
der Kreis der Anspruchsberechtigten nach § 14 BVG auf diejenigen Beschädigten
beschränkt, bei denen eine Blindheit als Folge einer Schädigung anerkannt ist, also der
Verlust des Sehvermögens in Gesamtheit durch Schädigungsfolgen verursacht worden
ist. Bei anderen Beschädigten, die für die Aufnahme von Beziehungen zur Umwelt und
die Teilnahme am kulturellen Leben ebenfalls wie Blinde i.S.v. § 14 BVG auf die
Führung durch fremde Personen im Einzelfall angewiesen sind, wie z.B. Blinde, deren
Blindheit durch den schädigungsunabhängigen Verlust des Sehvermögens auf einem
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Auge mitverursacht worden ist, geistig Behinderte, Hirnverletzte oder Amputierte, sind
die Aufwendungen für die Führung durch fremde Personen nach dem Willen des
Gesetzgebers durch die übrigen Leistungen nach dem BVG, insbesondere durch die
Grundrente, die Schwerstbeschädigtenzulage und die Pflegezulage nach § 35 BVG
abgedeckt, auch wenn das Erfordernis einer Begleitperson ebenso wie bei Blinden
nach § 14 BVG auf Schädigungsfolgen beruht. Im Fall der Heimpflege nach § 35 Abs. 6
Satz 1 BVG n.F.müssen Beschädigte, die nicht zum Kreis der Blinden i.S.v. § 14 BVG
gehören, die Aufwendungen für die Führung durch fremde Personen aus dem
Selbstbehalt nach § 35 Abs. 6 Satz 1 BVG n.F. bestreiten. Bei der Führzulage nach § 14
BVG handelt es sich um eine Privilegierung einer bestimmten Gruppe von
Beschädigten, die auf Grund einer gesetzgeberischen Entscheidung bessergestellt sind
als andere Beschädigte. Wegen des Charakters der Führzulage nach § 14 BVG als
gesetzgeberische gewollte Privilegierung einer bestimmten Gruppe von Beschädigten
unterfällt die Führungszulage nicht dem Begriff "Versorgungsbezüge" i.S.v. § 35 Abs. 6
Satz 1 BVG und bleibt damit auf die Kosten der Heimpflege anrechnungsfrei ( vgl. LSG
NW, Urteil vom 21.06.1995, L 10 V 53/94; BSG, Beschluss vom 06.03.1996, 9 BV
115/95; LSG NW, Urteil vom 23.06.1998, L 6 V 61/97).
Bei den Bescheiden vom 18.12.1996, 30.04.1997, 07.08.1997 und 24.07.1998 handelt
es sich um Folgebescheide zum Grundlagenbescheid vom 05.11.1996, soweit in ihnen
die Anrechnung der Versorgungsbezüge auf die Kosten der Heimpflege nach § 35 BVG
und die Beschränkung des an den Kläger auszuzahlenden Betrages auf den Betrag in
Höhe der Grundrente eines erwerbsunfähigen Beschädigten mitgeregelt ist. Insoweit
haben die Bescheide keinen eigenständigen Regelungsinhalt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wird die Revision nach § 160
Abs. 2 SGG zugelassen.
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