Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19.10.2007

LSG NRW: geldinstitut, geldleistung, tod, verrechnung, öffentlich, europäisches gemeinschaftsrecht, teleologische auslegung, juristische person, historische auslegung, altersrente

Landessozialgericht NRW, L 4 R 99/07
Datum:
19.10.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 4 R 99/07
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 11 R 42/06
Nachinstanz:
Bundessozialgericht, B 13 R 127/07 R
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln
vom 20.04.2007 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die
Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin einen Betrag von
322,31 EUR nach § 118 Abs. 3 S. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zu
erstatten hat. Die Versicherte L M (Versicherte) bezog von der Klägerin eine
Witwenrente in Höhe von zuletzt 606,99 EUR (Versicherungsnummer 000) und eine
Altersrente in Höhe von zuletzt 738,30 EUR (Versicherungsnummer 000). Bei der
Beklagten unterhielt die Versicherte ein Girokonto, Kontonummer 000. Die Beklagte
hatte der Versicherten einen Dispositionskredit in Höhe von 1.600,00 EUR eingeräumt.
Die Versicherte verstarb am 00.01.2004. Der Kontostand belief sich am 30.01.2004 vor
der Gutschrift der Witwenrente und Altersrente für Februar 2004 auf 1.711,50 EUR Soll.
Die Kontenbewegungen stellen in der Zeit vom 31.01. bis zum 04.02.2004 sich wie folgt
dar:
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Datum/Wertstellung Belastung Gutschrift Kontostand 1.711,50 - 30.01. Gehalt/Rente
ARV-Rente 000 Renten Service BLN 000 606,99 1.104,51 - 30.01. Gehalt/Rente ARV-
Rente 000 Renten Service BLN 000 738,30 366,21 - 02.02. Lastschrift O
Versicherungen 30,68 396,89 - 02.02. Lastschrift Von F KG Bankgesellschaft 272,52
669,41 - 03.02. Lastschrift H AG 371,50 1.040,91
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Wegen der Einzelheiten wird auf die zu der Gerichtsakte gereichten Kontoauszügen
Bezug genommnen. Das Konto der Versicherten wurde am 21.03.2005 aufgelöst. Am
04.02.2004 ging bei der Beklagten ein Schreiben des Renten Service der Deutschen
Post als überweisende Stelle ein, in dem die Beklagte zur Zurücküberweisung eines
Betrages von 584,89 EUR (Witwenrente) und von 711,41 EUR (Altersrente) aufgefordert
wurde. Die Beklagte überwies am 04.02.2004 der Beklagten einen Betrag von 584,89
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EUR und von 85,90 EUR. Im übrigen berief sie sich auf den Entreicherungseinwand des
§ 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI. Am 06.02.2006 überwies die Beklagte einen weiteren Betrag
von 30,68 EUR an die Klägerin, nachdem dem Konto der Versicherten am 15.03.2004
ein Betrag von 30,68 EUR von der O Versicherung gutgeschrieben worden war. Nach
Geltungmachung eines Erstattungsanspruches nach § 118 Abs. 4 SGB VI durch die
Beklagte überwies die Von F Bankgesellschaft F der Beklagten am 13.04.2004 einen
Betrag von 272,53 EUR. Mit Schreiben vom 29.03.2004 machte die Klägerin gegenüber
der H Wohnbau Q einen Erstattungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI in Höhe von
371,50 EUR geltend. Die H Wohnbau Q verweigerte die Zahlung mit der Begründung,
dass § 118 Abs. 4 S. 1 und S. 2 SGB VI keine ausreichende Rechtsgrundlage für die
Rückforderung darstelle. Am 10.03.2006 hat die Klägerin eine Leistungsklage in Höhe
von 322,31 EUR erhoben. Sie hat vorgetragen, dass die Beklagte nach § 118 Abs. 3 S.
4 SGB VI erstattungspflichtig sei. Denn nach der Rechtsprechung des 4. Senats des
Bundessozialgerichts (BSG) sei die Beklagte zur Rücküberweisung des mit der Klage
geltend gemachten Betrages verpflichtet, weil sie die Rentenzahlungen entgegen § 118
Abs. 3 S. 4 SGB VI mit eigenen Forderungen aus dem Kontovertrag mit der
verstorbenen Versicherten aufgerechnet habe. Die Beklagte hat sich auf den
Entreicherungseinwand des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI berufen. Der Kontostand habe
sich unmittelbar vor Eingang der Rentengutschriften auf 1.711,50 EUR Soll und vor
Eingang des Rückforderungsverlangens auf 1.040,71 EUR Soll belaufen. Der
Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI mindere sich nach §
118 Abs. 3 S. 3 SGB VI um den Betrag der in der Zeit zwischen Renteneingang und
Zugang des Rückforderungsverlangens zugunsten Dritter ausgeführten anderweitigen
Verfügungen. Den Erstattungsanspruch der Klägerin hinsichtlich der überwiesenen
Witwenrente von 584,89 EUR nach § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI habe sie erfüllt. Der
Rückerstattungsanspruch der Klägerin hinsichtlich der überwiesenen Altersrente von
711,41 EUR nach § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI mindere sich um den Betrag der beiden
Abbuchungen am 2.02/3.02.2004 zu Gunsten der Von F KG Bankgesellschaft F und H
Wohnbau Q in Höhe von insgesamt 644,02 EUR. Denn diese Abbuchungen stellten
anderweitige Verfügungen im Sinne des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI dar. Durch Urteil vom
20.04.2007 hat das Sozialgericht (SG) Köln die Beklagte verurteilt, an die Kägerin einen
Betrag von 322,31 EUR zu zahlen. Die Berufung wurde zugelassen. Auf die
Entscheidungsgründe wird Bezug genommen. Gegen das am 26.04.2007 zugestellte
Urteil hat die Beklagte am 22.05.2007 Berufung eingelegt. Die Beklagte wiederholt ihr
erstinstanzliches Vorbringen. Die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG schaffe eine
wirtschaftlich nicht begründete und auch in keiner Weise nachvollziehbare
Begünstigung der Versichertengemeinschaft zu Lasten der Kreditinstitute, die zu völlig
unbilligen Ergebnissen führe. Im Ergebnis führe diese Rechtsprechung dazu, dass es
bei der Überweisung der Rente auf ein debitorisch geführtes Konto im Zusammenhang
mit dem Rückforderungsverlangen des Rentenversicherungsträgers auf
zwischenzeitliche anderweitige Verfügungen Dritter nicht mehr ankomme. Ein
Kreditinstitut könne sich gegenüber dem Rentenversicherungsträger nur dann auf eine
Entreicherung berufen, wenn das Konto im Haben oder bei Null gewesen sei. Die
Regelung § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI liefe im Fall des Eingangs auf ein debitorisch
geführtes Konto vollständig leer. Der von § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI intendierte Schutz zu
Gunsten des kontoführenden Kreditinstituts, welches vom Tod einer Rentenbezieherin
keine Kenntnis gehabt und deshalb Verfügungen zugelassen habe, sei nicht
gewährleistet. Die Kreditinstitute seien einem untragbaren Haftungsrisiko ausgesetzt. Es
seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber den
Rentenversicherungsträgern mit der Vorschrift des § 118 Abs. 3 SGB VI die Geldinstitute
als kompensationslose, selbstschuldnerische und auf erstes Anfordern haftende Bürgen
für Verbindlichkeiten aus Massengeschäften oder als "gesetzliche Mitschuldner" habe
beiseite stellen wollen. Die vom 4. Senat des BSG vertretene Auffassung, wonach der
Rücküberweisungsanspruch aus § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI von anderweitigen
Verfügungen zugunsten Dritter unberührt bleibe, soweit sich ein Konto bei
Renteneingang im Soll befinde, finde weder im Wortlaut des § 118 Abs. 3 SGB VI eine
Stütze noch sei diese Auslegung mit dem Willen des Gesetzgebers (historische
Auslegung) und dem Sinn und Zweck der Vorschrift (teleologische Auslegung)
vereinbar. Die Gutschrift einer Geldleistung auf ein Debetkonto stelle weder eine
"Verwendung zur Befriedigung einer eigenen Forderung" im Sinne des § 118 Abs. 3 S.
4 SGB VI dar noch werde im Fall einer "anderweitigen Verfügung" der Einwand des §
118 Abs. 3 S. 3 SGB VI durch die Bestimmung des § 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI
ausgeschlossen.
Sie sei aufgrund des öffentlich-rechtlichen Pfändungsverbots des § 55
Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) und dem daraus resultierenden
Aufrechnungsverbot nach § 394 BGB gehindert, innerhalb einer Frist von sieben Tagen
nach Eingang der Rentengutschrift die Verrechnung der Gutschrift mit dem Sollstand
vorzunehmen. Vielmehr sei sie verpflichtet, die anderweitigen Verfügungen aus der
Rentengutschrift zu bedienen und somit den Schutzbetrag zu mindern. Der Wert der
Rentenleistung scheide aufgrund der Vorschriften der §§ 55 SGB I, 394 BGB in Höhe
der anderweitigen Verfügungen innerhalb der siebentägigen Schutzfrist aus ihrer
Sphäre aus, bevor eine bankvertraglich oder wie sonst begründete
Verwertungsbefugnis oder Verfügungsmacht überhaupt entstehen und sie den Betrag
zur Auf- und Verrechnung nutzen könne. In Höhe des pfändungs- und damit
aufrechnungsfreien Rentenbetrags stehe dem Berechtigten ein einwendungsfreier
Anspruch ihr gegenüber zu, den sie nach Weisung des Berechtigen zu erfüllen habe.
Das öffentlich-rechtliche Pfändungsverbot des § 55 SGB I und das daraus resultierende
Aufrechnungsverbot nach § 394 BGB stehe neben § 118 Abs. 3 und Abs. 4 SGB VI der
Annahme entgegen, dass die Rentengutschrift mit dem Sollstand verrechnet werde,
sondern schließe aus, dass nachfolgende Verfügungen aus einer Dispositionslinie
bedient würden. Der 4. Senat des BSG habe sich bislang mit den Konsequenzen des
öffentlich-rechtlichen Pfändungsverbots aus § 55 SGB I und dem daraus resultierenden
Aufrechnungsverbot nach § 394 BGB nicht befasst. Die Auslegung des § 118 Abs. 3
SGB VI durch den 4. Senat des BSG sei mit Art. 12 und Art. 3 Grundgesetz (GG) nicht
vereinbar. Die unbeschränkte Ausfallhaftung der Geldinstitute sei unverhältnismäßig. Es
sei kein sachlicher Grund ersichtlich, warum ein Geldinstitut von seiner Verpflichtung zur
Rücküberweisung nicht frei werde, wenn die Rente nach dem Tod des Berechtigten auf
ein im Soll stehendes Konto überwiesen werde, wohingegen Verfügungen Dritter über
einen Rentenbetrag, der auf ein im Haben stehendes Konto überwiesen worden sei, die
Verpflichtung des Geldinstituts nach § 118 Abs. 3 SGB VI entfallen lassen. Inländische
Geldinstitute würden gegenüber ausländischen Geldinstituten, denen gegenüber die
Bestimmung des Art. 118 Abs. 3 SGB VI nicht gelte, benachteiligt. Dies verstoße auch
gegen Art. 81,10,4,98 EG-Vertrag, da ausländische Geldinstitute dadurch erhebliche
Wettbewerbsvorteile erhielten. Wegen der Einzelheiten der Argumentation wird auf den
Inhalt des Schriftsatzes der Beklagten vom 21.11.2006 verwiesen. Die Beklagte
beantragt schriftsätzlich, das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.04.2007 zu ändern
und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt schriftsätzlich, die Berufung
zurückzuweisen. Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die
Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Klägerin
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Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
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Der Senat konnte durch Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da
sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§§ 155 Abs. 3, 4, 124
Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat
der Klage zu Recht stattgegeben. Die von der Klägerin erhobene allgemeine
Leistungsklage ist nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.
Streitgegenstand des Verfahrens ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der
Klägerin aus § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI. Die Klägerin als Rentenversicherungsträger und
die Beklagte als Geldinstitut stehen sich in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüber.
Deshalb darf die Klägerin, anders als in den Fällen des § 118 Abs. 4 S. 2 SGB VI,
gegenüber der Beklagten nicht hoheitlich handeln. Sie ist nicht befugt, ihren
Rückforderungsanspruch aus § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI durch Verwaltungsakt
festzusetzen (siehe BSG, Urteil vom 13.12.2005, - B 4 RA 28/05 - m.w.N.). Die Klage ist
begründet. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Erstattungsanspruch aus §
118 Abs. 3 S. 2 SGB VI in Höhe von 322,31 EUR zu. Die Beklagte kann sich nicht auf
den anspruchsvernichtenden Einwand der Entreicherung nach § 118 Abs. 3. S. 3 SGB
VI berufen. Nach § 118 Abs. 3 S. 1 und S. 2 SGB VI hat ein Geldinstitut Geldleistungen,
die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf das Konto bei einem Geldinstitut im
Inland überwiesen wurden und insoweit nach Satz 1 der Vorschrift als unter Vorbehalt
erbracht gelten, der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung
zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern. Bei den
beiden auf das Girokonto des Versicherten überwiesenen Renten für Februar 2004
handelt es sich um Geldleistungen im Sinne des § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI, da die
Versicherte am 19.01.2004 verstarb und damit der Anspruch der Versicherten auf
Witwenrente und Altersrente nach § 102 Abs. 5 SGB VI zum Ablauf des Monats Januar
2004 endete. Damit wurden die Witwenrente und Altersrente für Februar 2004 von der
Klägerin zu Unrecht erbracht. Die Klägerin forderte von der Beklagten wegen der beiden
zu Unrecht überwiesenen Renten insgesamt einen Betrag in Höhe von 1.296,30 EUR
nach § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI zurück. Das Rückforderungsverlangen des Renten
Service als überweisende Stelle (§ 119 SGB VI) ging bei der Beklagten am 04.02.2004
ein. Den Erstattungsanspruch aus § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI erfüllte die Beklagte
teilweise durch die Überweisung eines Betrages in Höhe von 701,47 EUR. Entgegen
der Auffassung der Beklagten ist der mit der Klage von der geltend gemachte Teilbetrag
des Erstattungsanspruches in Höhe von 322,31 EUR nicht wegen anderweitiger
Verfügungen im Sinne von § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI erloschen. Nach § 118 Abs. 3 S. 3
SGB VI besteht eine Verpflichtung zur Rücküberweisung nicht, soweit über den
entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt
wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann.
Nach § 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI darf das Geldinstitut den überwiesenen Betrag nicht zur
Befriedigung eigener Forderungen verwenden. Die Beklagte hat zwar im
Klageverfahren den anspruchsvernichtenden Einwand der Entreicherung durch
anderweitige Verfügungen in Höhe von 644,02 EUR nach § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI
erhoben. Vorliegend muss sich die Beklagte jedoch das relative Befriedigungsverbot
des § 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI entgegenhalten lassen und kann damit die beiden
Abbuchungen in der Zeit vom 02./03.02.2004 in Höhe von insgesamt 644,02 EUR
(Lastschriften zu Gunsten Von F KG Bankgesellschaft und H AG) nicht
anspruchsmindernd geltend machen.
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Zwar war bei Eingang des Rückforderungsverlangens (am 04.02.2004) ein Betrag in
Höhe von insgesamt 674,70 EUR vom Konto der verstorbenen Versicherten abgebucht.
Jedoch befriedigte die Beklagte vor Eingang des Rückforderungsverlangens am
04.02.2004 ihre eigene Forderung in Höhe von 1.345,29 EUR im Sinne von §118 Abs. 3
S. 4 SGB VI. Denn das Konto des Versicherten befand vor Eingang der Geldleistung
nach § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI (31.01.2006) und dem Eingang des
Rückforderungsverlangens (04.02.2004) durchgehend im Soll (vor Gutschrift der Rente
1.711,30 Soll, nach Gutschrift der Rente am 30.01.2004 366,21 EUR Soll, vor Eingang
des Rückforderungsverlangens am 04.02.2004 1040,91 EUR Soll). In einer solchen
Konstellation stellt die Gutschrift einer Rentenzahlung auf ein Girokonto eine
Verwendung zur Befriedigung im Sinne von § 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI dar. Der Senat
folgt der gefestigten Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (siehe zusammenfassend
Urteil vom 26.04.2007, - B 4 R 89/06 R - m.w.N; a. A. BSG, Urteil vom 09.12.1998, - B 9
V 48/97 R -; Terdenge in Hauck/Noftz, SGB VI, § 118 Rdz.), wonach die Befriedigung
eigener Forderungen zu Lasten des Rentenversicherungsträgers im Sinne des § 118
Abs. 3 S. 4 SGB VI vorliegt, soweit das Geldinstitut den ihm überwiesenen Geldwert
seinem Kunden auf dem angegebenen, im Soll befindlichen Girokonto nach §118 Abs.
1 S. 2 und 3 SGB VI rechtmäßig sowie nach Zivilrecht wirksam gutschreibt und dem
Kunden sodann - nicht notwendig mit dem Buchungsvorgang - erklärt, seine Schuld
gegenüber dem Institut habe sich, falls bis zum nächsten Abrechnungszeitpunkt keine
Reklamationen erfolgen, um den gutgeschriebenen ("Renten")-Betrag verringert, da das
Geldinstitut bei dieser Sachlage durch die Verrechnung (Skontration) - unabhängig von
der Rechtsform und der bankvertraglichen Natur der Verrechnung - eine
Vermögensübertragung vornimmt; das Geldinstitut befriedigt eine eigene
Darlehensforderung gegen den Kontoinhaber. Die Buchung der unter Vorbehalt
gezahlten Geldleistung des Rentenversicherungsträgers auf ein debitorisches Konto mit
gleichzeitiger Verringerung des dort befindlichen Debets stellt bei wirtschaftlicher
Betrachtungsweise eine Verminderung der Schulden des Kontoinhabers gegenüber
dem Geldinstituts dar. Es ist unerheblich, ob die endgültige schuldumschaffende
Wirkung der Saldierung erst zum Abschluss am Ende jeden Quartals erfolgt, da im
Bankkontokorrent die Verrechnung mit jedem Buchungsvorgang permanent erfolgt und
auch ohne Novationswirkung aufgrund der bestehenden Hemmungswirkungen bei
Verminderung eines auf dem Konto befindlichen Sollbetrages bei wirtschaftlicher
Betrachtung das Konto einen Vermögenszuwachs erfährt. Die tägliche Verrechnung der
Ein- und Auszahlungen auf einem Konto bewirkt bei Eingang einer Gutschrift auf ein
debitorisches Konto, mit welcher die Abrufpräsenz eintritt und das Geldinstitut keinen
direkten Zugriff auf den isolierten Wert der Geldleistung mehr hat, die Befriedigung einer
eigenen Forderung gegen den Kontoinhaber. Der Senat schließt sich nicht der vom 9.
Senat des BSG vertretenen Auffassung an, dass die Gutschrift einer Sozialleistung auf
ein debitorisch geführtes Konto in Hinblick auf die Regelung in § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI
keine Verwendung der Forderung zur eigenen Befriedigung im Sinne von S. 4 darstellt,
weil ansonsten die Verbuchung der eingehenden Sozialleistung auf einem debitorisch
geführten Konto von vorneherein eine Minderung des Rücküberweisungsbetrags
ausschließt und damit die Regelung des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI unverständlich ist.
Denn auch bei der vom 4. Senat vertretenen Auslegung entfaltet die Bestimmung des §
118 Abs. 3 S. 3 SGB VI insoweit eine Schutzwirkung zu Gunsten eines Geldinstituts, als
der Entreicherungseinwand des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI erhoben werden kann, wenn
das Konto des Versicherten nach der Gutschrift der Rentenzahlung ein Haben sowie
beim Eingang der Rückforderung des Rentenversicherungsträger aufgrund
anderweitiger Verfügungen kein zur Erstattung ausreichendes Guthaben aufweist (siehe
BSG, Urteil vom 26.04.2007, - B 4 R 89/06 R -, Rz. 50). Das Geldinstitut haftet somit bei
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einem Habenkonto nach § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI insoweit, als die Erben des
Kontoinhabers oder sonstige Verfügungsberechtigte gegenüber dem Geldinstitut einen
Anspruch auf Auszahlung des Tagesguthabens haben. Beim Anspruch auf Auszahlung
eines Tagesguthabens handelt es sich um einen Zahlungsanspruch aus der mit dem
Girovertrag verbundenen unregelmäßigen Verwahrung, der nicht der
Kontokorrentabrede unterfällt.
Ungeachtet des Kontokorrents ist ein Geldinstitut kraft Girovertrag verpflichtet, den
Guthabenüberschuss sofort und nicht erst beim nächsten periodischen
Rechnungsabschluss oder bei der Beendigung des Kontokorrentverhältnisses
auszuzahlen (siehe BGH, Urteil vom 08.07.1982, - I ZR 148/80 -). Durch das Verbot der
Verwendung zur eigenen Befriedigung soll ein Geldinstitut nicht schlechter, aber auch
nicht besser gestellt werden, als wenn eine Rentenzahlung nicht stattgefunden habe.
Deshalb ist nicht entscheidend, ob zum Zeitpunkt des Eingangs der Rückforderung die
Tilgung einer Forderung des Geldinstituts im zivilrechtlichen Sinne schon tatsächlich
eingetreten ist, sondern es genügt die Vornahme von vorbereitenden Handlungen, die
zu einem späteren Zeitpunkt dazu führen, dass die Forderung des Geldinstituts gegen
den Versicherten durch Saldierung im zivilrechtlichen Sinne erfüllt wird (LSG NRW,
Urteil vom 18.10.2006, - L 8 R 47/06 -). Die Einstellung einer Geldleistung nach § 118
Abs. 3 S. 1 SGB VI in ein Kontokorrent, die durch die Gutschrift auf dem Kontoauszug
dokumentiert wird, stellt eine solche Vorbereitungshandlung dar. Denn im
Kontokorrentvertrag ist eine antizipierte Verrechnungsvereinbarung enthalten, die meist
dahin zu verstehen ist, dass es am Ende einer Rechnungsperiode keiner weiteren
Willenserklärung bedarf und sich die Verrechnung am Ende einer Rechnungsperiode
automatisch vollzieht (BGH, Urteil vom 18.04.1989, - XI ZR 133/88 -, Urteil vom
04.05.1979, - I ZR 127/77 -; Hadding/Häuser in Münchner Kommentar zum HGB, Band
5, ZahlungsV A 218). Zwar erlangen die in das Kontokorrent aufgenommenen
Leistungen erst am vereinbarten Verrechnungszeitpunkt eine schuldtilgende Wirkung
und erlöschen erst in diesem Zeitpunkt die bisher als Abrechnungsposten gebuchten
Forderungen, soweit sie sich der Höhe nach decken, jedoch sind nach Einstellung einer
Geldleistung nach § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI in das Kontokorrent keine weiteren
Handlungen des Geldinstituts oder des Kontoinhabers zum Vollzug der Verrechnung
zum vereinbarten Zeitpunkt und damit zur Befriedigung erforderlich. Zwischen der
Versicherten und der Beklagten bestand ein Girovertrag mit der Vereinbarung, dass das
Giroverhältnis als Kontokorrent geführt (Ziffer 7. 1 AGB-Postbank) und ein
vierteljährlicher Rechnungsabschluss erteilt wird (Ziffer 7.3 AGB Postbank). Des
weiteren gewährte die Beklagte der Versicherten einen Überziehungskredit, in dem sie
der Versicherten als Kontoinhaberin das Recht einräumte, ihr laufendes Girokonto in
bestimmter Höhe zu überziehen (vereinbartes Debet, siehe zur Rechtslage
Hadding/Häuser in Münchner Kommentar zum HGB, Band 5, ZahlungsV A 176ff). Daher
verwandte die Beklagte die Renten für Februar 2004 durch die Einstellung in das
Kontokorrent zur Befriedigung einer eigenen Forderung in Höhe von 1.345,29 EUR im
Sinne des § 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die
Vorschrift des § 55 Abs. 1 SGB I der Einstellung der beiden Renten für Februar 2004 in
das Kontokorrent nicht entgegen und schließt die Anwendung des Befriedigungsverbots
des § 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI nicht aus (so auch LSG NRW, Urteil vom 22.08.2005, - L 3
R 98/05 -; Urteil vom 09.05.2007, - L 8 R 291/06 -; Urteil vom 20.10.2006, - L 13 R 75/06
-). Nach § 55 SGB I ist eine Forderung, die bei Überweisung einer Sozialleistung auf
das Konto des Berechtigten bei einem Geldinstitut durch Gutschrift der Überweisung
entsteht, für die Dauer von sieben Tagen seit der Gutschrift unpfändbar. Dies hat zur
Folge, dass eine Aufrechnung gegen die Forderung in diesem Zeitraum nicht zulässig
9
(§ 394 BGB) und damit diese einer kontokorrentmäßigen Verrechnung entzogen ist
(siehe BGH, Urteil vom 22.03.2005, - XI ZR 286/04 - m.w.N.).
Der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 55 SGB I erfasst aber keine
Geldleistungen der Rentenversicherungsträger, die nach § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI als
unter Vorbehalt erbracht gelten (siehe auch Hauck/Noftz, SGB I, § 55 SGB I Rdz. 1,
wonach die Regelung des § 55 SGB I durch § 118 Abs. 3 und Abs. 4 SGB VI ergänzt
wird). Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung des § 55 SGB I, wonach
überwiesene Sozialleistungen einen gleichwertigen pfändungsrechtlichen Schutz wie
bar ausgezahlte Leistungen haben sollen. Der als schutzwürdig angesehene
Empfänger einer Sozialleistung soll einen überwiesenen Betrag wie einen bar
ausgezahlten Betrag tatsächlich erlangen und diesen nicht sofort an seine Gläubiger
verlieren, die Sozialleistung soll ihm vielmehr innerhalb des siebentägigen
Schutzzeitraums zur freien Verfügung stehen (BGH, Urteil vom 30.05.1988, - II ZR
373/87 - ). Der Zweck von Sozialleistungen - im Fall einer Rente die Sicherung des
monatlichen Lebensunterhalts des Versicherten - wird aber bei der Überweisung für
eine Zeit nach dem Tod des Berechtigten nicht erreicht, da diese Geldleistung nicht
mehr dem Berechtigten, sondern allenfalls seinen Rechtsnachfolgern zu Gute kommt.
Rechtsnachfolger eines Berechtigten sind von der Schutzvorschrift des § 55 SGB I nicht
erfasst. Des weiteren handelt es sich bei der Vorschrift des § 118 Abs. 3 SGB VI, die
zeitlich später erlassen wurde, im Verhältnis zu § 55 SGB I um die spezielle Regelung.
Die Befriedigung einer eigenen Forderung in Höhe von 1.345,29 EUR durch die
Verwendung einer Geldleistung im Sinne von § 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI schließt den
von der Beklagten erhobenen Einwand der Entreicherung nach § 118 Abs. 3 S. 3 SGB
VI in gleicher Höhe aus (siehe BSG, Urteil vom 13.12.2005, - B 4 RA 28/05 R -, Urteil
vom 09.04.2002, - B 4 RA 64/01 R -; a. A. BSG, Urteil vom 01.09.1998, - B 9 V6/99 R -).
Entgegen der Auffassung des 9. Senats des BSG stellt die Vorschrift des § 118 Abs. 3
S. 4 SGB VI keinen Ausnahmetatbestand zu § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI dar. Auf den
anspruchsvernichtenden Einwand der Entreicherung nach § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI
kann sich ein Geldinstitut nur dann berufen, wenn bei Eingang des
Rückforderungsverlangens des Rentenversicherungsträgers das in der Überweisung
genannte Konto kein zur Erstattung ausreichendes Guthaben aufweist und das
Geldinstitut den Wert der Gutschrift nicht zur Befriedigung eigener Forderungen
gemindert hat. Der Senat folgt nach eigener Prüfung insoweit der Rechtsprechung des
4. Senats des BSG, wonach der Erstattungsanspruch aus § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI
gegenüber einem Geldinstitut rechtlich und zeitlich vorrangig gegenüber dem
Erstattungsanspruch aus § 118 Abs. 4 S.1 SGB VI ist, der sich gegen die Empfänger
oder die Verfügenden richtet. Die Inanspruchnahme des in § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI
genannten Personenkreises, der weder am Sozialrechtsverhältnis des Versicherten
noch an seiner bankvertraglichen Beziehung zum kontoführenden Geldinstitut Anteil
hat, und auch nicht erkennen kann, dass der zugewandte Geldwert aus einer
Geldleistung im Sinne von § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI stammt, durch eine öffentlich-
rechtliche Erstattungspflicht ( §118 Abs. 4 S. 1 SGB VI) ist zum Schutz der aktuellen
Beitragszahler nur dann gerechtfertigt, wenn bei Eingang des
Rückforderungsverlangens des Rentenversicherungsträgers das in der Überweisung
genannte Konto kein zur Erstattung ausreichendes Guthaben aufweist und das
Geldinstitut den Wert der Gutschrift nicht zur Befriedigung eigener Forderungen
gemindert hat (siehe BSG, Urteil vom 09.04.2002, - B 4 RA 64/01 R -). Die Vorschrift des
§ 118 Abs. 3 SGB VI ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (siehe auch LSG
NRW, Urteil vom 22.08.2005, - L 3 R 98/05 -; Urteil vom 09.05.2007, - L 8 R 291/06 -).
Sie verstößt nicht gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete
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Berufsausübungsfreiheit der Beklagten, die sich als inländische juristische Person (Art.
19 Abs. 3 GG) auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen kann. Die in § 118 Abs. 3 SGB VI statuierte
öffentlich-rechtliche Erstattungspflicht eines Geldinstituts hinsichtlich laufender
Geldleistungen, die für einen Zeitraum nach dem Tod einer Berechtigten auf ein Konto
des Geldinstituts gutgeschrieben wurden (§ 118 Abs. 3 S. 1 und 2 SGB VI) sowie die
Beschränkung der Befreiung von der Erstattungspflicht auf die Fallgestaltung, dass nach
Gutschrift der Rentenleistung auf ein Habenkonto das Guthaben durch anderweitige
Verfügungen unter den Wert der Gutschrift gesenkt wurde (§ 118 Abs. 3 S. 3 und 4 SGB
VI) greift zwar in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein.
Die Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit ist aber aus Gründen des
Gemeinwohls gerechtfertigt. § 118 Abs. 3 SGB VI berührt die durch Art. 12 Abs. 1 GG
geschützte Berufsausübungsfreiheit der Klägerin als Geldinstitut, da sie objektiv eine
berufsregelnde Tendenz hat. Eingriffe in die Berufsausübung sind gemäß Art. 12 Abs. 1
S. 2 GG nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung zulässig, die den
Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Dies ist
der Fall, wenn die eingreifende Norm kompetenzgemäß erlassen worden ist, durch
hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen
Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Dabei ist die weite Gestaltungsfreiheit
des Gesetzgebers auf dem Gebiet der Sozialordnung zu beachten. § 118 Abs. 3 SGB VI
ist kompetenzmäßig erlassen worden. Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes
folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ("Sozialversicherung einschließlich der
Arbeitslosenversicherung"), die die Regelung der Finanzierung der Sozialversicherung
mitumfasst. Die in § 118 Abs. 3 SGB VI begründete öffentlich-rechtliche
Erstattungspflicht ist aus Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Denn sie dient dem
Interesse der Solidargemeinschaft an einem schnellen Rückfluss von fehlgeschlagenen,
ohne Rechtsgrund (auch gegenüber dem Versicherten) erfolgten Überweisungen sowie
der Verwaltungsvereinfachung und damit der Effizienz der Arbeit der
Rentenversicherungsträger (siehe BSG, Urteil vom 04.08.1998, - B 4 RA 72/97 R -;
Urteil vom 20.12.2001, - B 4 RA 126/00 R -). Zur Erreichung der vom Gesetzgeber
verfolgten Ziele - Sicherung des schnellen Rückflusses von fehlgeschlagenen
Geldleistungen der Rentenversicherungsträger und der Verwaltungsvereinfachung bei
der Bearbeitung fehlgeschlagener Überweisungen - ist die Bestimmung des § 118 Abs.
3 SGB VI geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne. Sie ist geeignet
und erforderlich, da ein gleich wirksames, weniger belastendes Mittel für die
Rentenversicherungsträger zur Durchsetzung ihres Anspruchs auf Rückfluss von
fehlgeschlagenen Überweisungen nicht erkennbar ist. Ohne den öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruchs aus § 118 SGB VI steht den Rentenversicherungsträgern in ihrer
Funktion als treuhänderischer Sachverwalter der Mittel, die ihnen die Beitragszahler zur
Finanzierung der rentenversicherungsrechtlichen Geldleistungen zur Verfügung gestellt
haben, gegenüber einem Geldinstitut weder ein vertraglicher noch gesetzlicher
Anspruch auf Rücküberweisung eines Betrages, der für die Zeit nach dem Tod des
bisherigen Versicherten auf dessen Konto bei einem Geldinstitut überwiesen wurde, zu.
Vielmehr sind die Rentenversicherungsträger als Leistungsträger nur berechtigt, die
Rückforderung im Verhältnis zwischen ihnen und den Rechtnachfolgern des
Versicherten nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff BGB)
abzuwickeln. Dies führt häufig dazu, dass die Rentenversicherungsträger eine nur unter
Schwierigkeiten oder gar nicht realisierbare Forderung gegen die Erben des
verstorbenen Versicherten, das Geldinstitut hingegen eine Erhöhung des Habensaldos
auf dem Konto des verstorbenen Versicherten oder bei einem debitorisch geführtem
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Konto eine Minderung des Sollsaldos erlangt (siehe zur Rechtslage BSG, Urteil vom
01.09.1999, - B 9 V 6/99 R -).
Ebenso ist die Durchsetzung der Erstattungsansprüche gegenüber Empfängern oder
Verfügenden im Sinne des § 118 Abs. 4 SGB VI allein in Hinblick auf die größere
Anzahl der Anspruchsgegner erschwert und damit die Vorrangigkeit des
Erstattungsanspruches aus § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI gegenüber den
Erstattungsansprüchen aus § 118 Abs. 4 SGB VI in Hinblick auf das verfolgte Ziel -
unkomplizierte Erfüllung der Pflicht des Rentenversicherungsträgers, zu Unrecht
bewirkte Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen - sachlich gerechtfertigt.
Die Belastung der betroffenen Geldinstitute mit der Erstattung fehlgeschlagener, also
rechtsgrundlos erlangter Geldzahlungen ist weder unangemessen noch unzumutbar.
Denn in § 118 Abs. 3 SGB VI ist der Interessenausgleich zwischen den
Rentenversicherungsträgern und den Geldinstituten typisiert worden. Die Geldinstitute
sollen aus einer ungerechtfertigten Geldüberweisung nach dem Tod des Berechtigten
keine offensichtlichen wirtschaftlichen Vorteile ziehen, aber auch keine wirtschaftlichen
Nachteile erleiden, wenn sie bis zum Eingang der Rückforderung noch die Verfügungen
berechtigter Personen bis zur Höhe der eingegangenen Geldleistungen ausführen. Da
die Minderung eines Sollsaldos durch die Gutschrift auf ein Debetkonto einen
wirtschaftlichen Vorteil für das Geldinstitut - die Minderung des Kreditvolumens -
darstellt, ist es sachgerecht, dass sich der Erstattungsanspruch aus § 118 Abs. 3 S. 2
SGB VI sowohl auf kreditorisch wie auch auf debitorisch geführte Konten erstreckt. Das
sich aus § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI ergebende Haftungsrisiko ist für das Geldinstitut
dabei insoweit beschränkt, als der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch aus § 118
Abs. 3 S. 2 SGB VI nur das Überweisungskonto des verstorbenen Berechtigten erfasst
(BSG, Urteil vom 01.09.1999, - B 9 V 6/99 R -). Von dem Erstattungsanspruch werden
weder andere Konten des Versicherten bei demselben Geldinstitut noch
Überweisungen von Rentenleistungen im Sinne von § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI auf
Konten von Dritten erfasst. Die Beschränkung der Befreiung eines Geldinstituts von der
Erstattungspflicht auf die Fallgestaltung, dass nach der Gutschrift einer Rentenleistung
auf ein kreditorisch geführtes Girokonto das Guthaben durch anderweitige Verfügungen
unter den Wert der Gutschrift gesenkt wurde (§ 118 Abs. 3 S. 3 und 4 SGB VI), ist
sachgerecht, da ein Geldinstitut nur bei dieser Fallgestaltung keinen offensichtlichen
wirtschaftlichen Vorteil, wie z. B. Minderung des Sollstandes oder Freiwerden von einer
Erstattungspflicht durch das Handeln Dritter (Abbuchungen) hat, sondern einen
wirtschaftlichen Nachteil erleidet, indem sich bei vollständiger Erfüllung des
Erstattungsanspruchs ein Habenkonto in ein Debetkonto umwandelt. Durch die
Bestimmungen des § 118 Abs. 3 SGB VI wird der Zustand hergestellt, der bestünde,
wenn keine Geldleistung für die Zeit nach dem Tod des Versicherten vom
Rentenversicherungsträger auf das Überweisungskonto geleistet worden wäre. Ein
Geldinstitut behält auch bei einem debitorisch geführten Konto seinen Anspruch auf
Ausgleich des gewährten Kredits gegenüber den Erben des Versicherten. Die
Realisierbarkeit dieses Anspruches fällt in den Risikobereich der Geldinstitute, da eine
Kreditgewährung mit dem Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder seines
Rechtsnachfolgers zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Darlehensforderung verbunden ist.
Den Geldinstituten steht es frei zu entscheiden, ob und in welcher Höhe sie einem
Kunden einen Dispositionskredit oder sonstigen Überziehungskredit im Zusammenhang
mit einem Girokonto gewähren.
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Denn der Abschluss eines Girovertrages schließt nicht automatisch die Gewährung
eines Kredits ein. Bei einem Girovertrag handelt es sich um einen
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Geschäftsbesorgungsvertrag, der darauf gerichtet wird, bargeldlose Zahlungen, z. B.
durch Überweisung von Buchgeld, durchzuführen. Allein aus dem Girovertrag hat ein
Kunde noch keinen Anspruch auf Überziehung des Girokontos, da die bankmäßige
Besorgung bargeldloser Zahlungen grundsätzlich erfordert, dass der Kontoinhaber ein
Guthaben auf seinem Girokonto unterhält (vgl. Hadding/Häuser in Münchner Kommentar
zum HGB, Band 5, ZahlungsV A 74, A 176). Eine Kreditierung ist mit einem Girovertrag
grundsätzlich nur dann verbunden, wenn das Geldinstitut dem Kunden die Möglichkeit
einräumt, das Konto zu "überziehen". Dieser sog. Dispositionskredit ist ein vereinbarter
Überziehungskredit im Sinne von § 5 Abs.1 VerbrKrG oder ein geduldeter
Überziehungskredit nach § 5 Abs. 2 VerbrKrG (vgl. Hadding/Häuser in Münchner
Kommentar zum HGB, Band 5, ZahlungsV A 55ff, A 74). Die Geldinstitute sind
gesetzlich nicht verpflichtet, einem Kunden, dessen Einkommen auch von Leistungen
der Rentenversicherungsträger bestritten wird, einen Dispositionskredit oder sonstigen
Überziehungskredit, also eine Kreditierung im Zusammenhang mit einem Girokonto -
vorliegend ein vereinbartes Debet in Höhe 1.600,00 EUR - zu gewähren. Es steht im
Ermessen der Geldinstitute, welchen Kunden sie im Zusammenhang mit der Führung
eines Girokontos einen Überziehungskredit gewähren und wie sie die Gewährung von
Überziehungskrediten, z. B. durch Vereinbarungen über die Höhe des vereinbarten
Debets oder der Zinsen, oder der Stellung von Sicherheiten, ausgestalten. Dabei
müssen die Geldinstitute bei der Gewährung von Überziehungskrediten an Bezieher
von Sozialleistungen das sich aus § 55 SGB I ergebende Risiko der eingeschränkten
Befriedigungsmöglichkeit durch Verrechnung grundsätzlich mitberücksichtigen. Durch
die Höhe der Zinsen können die Geldinstitute das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des
Schuldners im Fall der Gewährung eines Dispositionskredits absichern. Es steht den
Geldinstituten auch frei, sich durch die Stellung anderer Sicherheiten seitens des
Bankkunden weiter abzusichern. In den Fällen, in denen sich das Ausfallrisiko, nämlich
der Tod eines Bankkunden mit einem debitorisch geführten Girokonto, realisiert, ist es
nicht Aufgabe der Versichertengemeinschaft, für dieses Risiko, welches ein Geldinstitut
aus wirtschaftlichem Interesse eingegangen ist, teilweise einzustehen (siehe BSG,
Urteil vom 26.04.2007, - B 4 R 89/06 R-). Gegen die Tragung des
Rückabwicklungsrisikos durch die Geldinstitute spricht auch nicht, dass der
Gesetzgeber durch die Einführung der Pflicht der Rentenversicherungsträger zur
bargeldlosen Auszahlung der Rente (§§ 47 SGB I, 119, 120 SGB VI, 9 Abs. 1 S. 1
Postdienstverordnung) im Voraus (§ 118 Abs. 1 S. 1 SGB VI i. d. F. bis zum 28.02.2004)
das Rückabwicklungsrisiko wegen des Todes eines Versicherten fehlgeschlagener
Rentenzahlungen erhöht hat (so LSG Hamburg, Urteil vom 03.05.2005, - L 3 RA 48/04 -
). Denn zum einen haben die Geldinstitute Kenntnis davon, dass sich es bei dem Bezug
von laufenden Leistungen nach dem SGB VI um Vorauszahlungen handelt. Zum
anderen hat der Gesetzgeber das Rückabwicklungsrisiko bei laufenden Leistungen, die
erst ab dem 01.04.2004 oder später zu laufen beginnen, insoweit verringert, als nach
den §§ 118 Abs. 1 S. 1, 272a SGB VI in der ab 01.03.2004 geltenden Fassung laufende
Geldleistungen, wie z. B. Renten, am Ende des Monats, zu dessen Beginn die
Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, fällig und am letzten Bankarbeitstag dieses
Monats ausgezahlt werden.
Damit werden Geldleistungen der Rentenversicherungsträger, die erst ab dem
01.04.2004 oder später zu laufen beginnen, nicht mehr im Voraus erbracht. Es sind
keine sachlichen Gründe dafür erkennbar, dass die Versichertengemeinschaft das
Risiko dafür tragen soll, dass die Erben des Kontoinhabers oder sonstige
Verfügungsberechtigte eine sofortige Unterrichtung des Rentenversicherungsträgers
und des kontoführenden Geldinstituts über den Tod des Berechtigten unterlassen. Auch
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ist es nicht Aufgabe des Gesetzgebers bzw. der Rentenversicherungsträger, die
Vergabe von Überziehungskrediten zu fördern bzw. das Risiko der Geldinstitute zu
verringern (so anscheinend LSG Hamburg, Urteil vom 03.05.2005, - L 3 RA 48/04 -),
zumal Rentner oftmals neben einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung
noch über andere Einkünfte verfügen. Die Beurteilung der Bonität und der
Kreditwürdigkeit eines Kunden bei der Gewährung von Überziehungskrediten obliegt
den Kreditinstituten. Der Schutzbereich des Art. 14 GG ist nicht berührt, da das
Vermögen eines Gewerbebetriebs - vorliegend eines Geldinstituts - durch Art. 14 GG
nicht geschützt ist. Ein Eingriff in die Substanz des Gewerbebetriebes der Beklagten
durch die Statuierung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs bei
fehlgeschlagenen Überweisungen des Rentenversicherungsträgers im Fall des Todes
eines Berechtigten ist nicht erkennbar. Ein Verstoß gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht ersichtlich. Der allgemeine Gleichheitssatz
gebietet, dass wesentlich Gleiches nicht ohne sachlichen Grund ungleich und
wesentlich Ungleiches nicht ohne sachlichen Grund gleich behandelt wird. Bei der
Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz ist nicht zu
untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden
hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit
eingehalten hat. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz kommt dabei vor
allem in Betracht, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im
Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obgleich zwischen den
beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen,
dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Da sich die Haftung aus § 118
Abs. 3 SGB VI auf sämtliche Kreditinstitute - inländische Kreditinstitute und inländische
Zweigstellen von ausländischen Kreditinstituten -, die im Inland Bankgeschäfte
betreiben und damit nach §§ 32, 53 Kreditwesengesetz (KWG) erlaubnispflichtig sind,
erstreckt, erfasst die Bestimmung des § 118 Abs. 3 SGB VI alle Institute, die der
deutschen Bankenaufsicht unterliegen. Ausländische Geldinstitute, die im Inland keine
Zweigstelle betreiben und inländischen Kunden die Führung eines Girokontos im
Ausland ermöglichen, unterliegen nicht der deutschen Gesetzgebungskompetenz.
Daher ist es sachlich begründet, solche Institute von der Erstattungspflicht
auszunehmen (siehe Terpitz, Rücküberweisung überzahlter Sozialleistungen im
Todesfall, WM 1992, 2041 (2043)). Entgegen der Auffassung der Beklagten verstößt §
118 Abs. 3 SGB VI auch nicht gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht, insbesondere
nicht gegen die wettwerbsrechtlichen Vorschriften (vgl. LSG NRW, Urteil v. 09.05.2007, -
L 8 R 291/06 -; offengelassen von Polster in Kasseler Kommentar, § 118 SGB VI Rdz.
11; Terpitz, Rücküberweisung überzahlter Sozialleistungen im Todesfall, WM 1992,
2041 (2043)). Der Anwendungsbereich der Art. 81, 82 EG-Vertrag wird durch die
Regelung des § 118 Abs. 3 SGB VI nicht berührt. Denn die Wettbewerbsregeln der Art.
81 ff EG-Vertrag sollen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und
Verhaltsweisen der im Gemeinsamen Markt tätigen Wirtschaftsunternehmen sowie eine
missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung eines solchen
Unternehmens verhindern und einen ungehinderten Handel zwischen den
Mitgliedsstaaten ermöglichen. Adressaten der Wettbewerbsregeln der Art. 81 ff EG-
Vertrag sind deshalb Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, die
wettbewerbswidrige Verhaltensweisen aus eigener Initiative an den Tag legen (BSG,
Urteil vom 11.11.2003, - B 2 U 16/03 R -).
Die Vorschriften sind nicht anwendbar, wenn den Unternehmen ein
wettbewerbswidriges Verhalten durch nationale Rechtsvorschriften vorgeschrieben wird
(siehe EUGH , Urteil vom 11.09.20043, - C-207/01 -). Der von der Beklagte erhobene
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Einwand, dass ausländischen Geldinstitute ohne inländische Zweigstellen, die ihren
inländischen Kunden die Führung eines Girokontos im Ausland ermöglichen, in Hinblick
auf die Haftungsregelung des § 118 SGB VI ein Wettbewerbsvorteil gegenüber
Geldinstituten, die der deutschen Bankenaufsicht unterliegen, eingeräumt wird, bezieht
sich nicht auf das Handeln von Unternehmen, sondern auf die Benachteiligung der
Geldinstitute, die der deutschen Bankenaufsicht unterliegen, im Wettbewerb durch eine
nationale Vorschrift. Die von der Beklagten gerügte Inländerdiskriminierung von
Geldinstituten, die der deutschen Bankenaufsicht unterfallen, im Verhältnis zu
ausländischen Geldinstituten, die der deutschen Bankenaufsicht nicht unterfallen, durch
eine nationale Vorschrift - vorliegend § 118 Abs. 3 SGB VI - ist europarechtlich
irrelevant. Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages garantieren nicht die gleichen
Bedingungen in allen Mitgliedsstaaten, sondern schützen lediglich vor
Diskriminierungen beim grenzüberschreitenden Verkehr (BVerfG, Beschluss vom
01.10.2004, - 1 BvR 2221/03 -; Streinz in Streinz, EUV/EGV, Art. 12 EGV Rdnr. 58). Der
Erstattungsanspruch aus § 118 Abs. 3 SGB VI knüpft nicht an grenzüberschreitende
Sachverhalte an, sondern beschränkt sich auf die Regelung eines inländischen
Sachverhaltes, der fehlgeschlagenen Überweisung einer Geldleistung auf das Konto
eines Geldinstituts, das der deutschen Bankenaufsicht unterfällt. Die
Kostenentscheidung beruht §§ 197a SGG, 155 Abs. 1 VwGO. Die Revision wird nach §
160 Abs. 2 SGG zugelassen, weil der Senat der Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung beimisst.