Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 06.04.2004

LSG NRW: krankenversicherung, ärztliche behandlung, krankheit, universität, augenheilkunde, versorgung, leistungsanspruch, seltenheit, empfehlung, label

Landessozialgericht NRW, L 5 KR 136/02
Datum:
06.04.2004
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 5 KR 136/02
Vorinstanz:
Sozialgericht Gelsenkirchen, S 24 KR 162/01
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Gelsenkirchen vom 14.06.2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht
zu erstatten.
Tatbestand:
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Umstritten ist, ob die Beklagte dem Kläger die Kosten für die im Zeitraum vom
07.08.2001 bis zum 17.10.2002 durchgeführte Plasmapheresebehandlungen in Höhe
von 22.031,61 Euro zu erstatten hat.
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Der am 00.00.1959 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger leidet an
einem uvealen Effusionssyndrom, einer seltenen Augenerkrankung, die mit hoher
Wahrscheinlichkeit zur Erblindung, zumindest aber zu einer schwerwiegenden
Einschränkung der Sehkraft führt. Derzeit ist das Auge links erkrankt. Während
stationärer Aufenthalte in der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde der Universität zu
L wurden wegen der Erkrankung Hämapheresebehandlungen am 15.05. und 17.05.
sowie in der Zeit vom 11.06. bis zum 13.06.2001 durch Prof. Dr. L und Prof. Dr. C
durchgeführt. Die Behandlung erfolgte zunächst im Rahmen eines Forschungsprojektes
an der Universität zu L. Eine weitere Behandlung lehnte die Universitätsklinik aus
infrastrukturellen Gründen ab.
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Am 05.07.2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer
ambulanten Plasmaaustauschbehandlung, die im Deutschen Hämapherese-Zentrum in
L in Zusammenarbeit zwischen dem Augenarzt Prof. Dr. C und dem Internisten Prof. Dr.
Dr. C1 durchgeführt werden sollte. Die Kosten einer Behandlung wurden auf 2.503,80
DM beziffert. Nachdem die Beklagte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes
der Krankenversicherung (MDK) eingeholt hatte, lehnte sie die Kostenübernahme für
eine Plasmaaustauschbehandlung durch Bescheid vom 17.07.2001 ab. Zur
Begründung führte sie aus, es handele sich um eine unkonventionelle
Behandlungsmethode, die sich noch im experimentellen Stadium befinde. Auf Anfrage
der Beklagten teilte die Geschäftsführung des Arbeitsausschusses "Ärztliche
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Behandlung" im Auftrag des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen unter
dem 02.08.2001 mit: Die Plasmaaustauschbehandlung zur Behandlung von
Erkrankungen des Augenhintergrundes zählten bisher nicht zum vertragsärztlichen
Leistungskatalog; dem zuständigen Arbeitsausschuss liege bisher kein Beratungsantrag
der nach § 135 Abs. 1 Fünftes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) rechtlich
zugelassenen Antragsteller vor. Daraufhin ergänzte der Kläger seinen Widerspruch und
wies darauf hin, dass es seiner Ansicht nach aufgrund der geringen Anzahl der
Erkrankungen unmöglich sei, eine randomisierte Studie zu fertigen. Er schlug vor, die
Beklagte solle zunächst eine auf drei Hämapherese-Sitzungen beschränkte
Kostenzusage erteilen und sodann die Wirksamkeit der Methode im konkreten Einzelfall
überprüfen. Die Beklagte erteilte daraufhin den weiteren Bescheid vom 06.08.2001, mit
dem sie die Gewährung weiterer Hämapheresebehandlungen des Klägers
grundsätzlich ablehnte.
Sodann wies sie den Widerspruch durch den Widerspruchsbescheid vom 06.08.2001
zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die Plasmaaustauschbehandlung sei nicht von
der Leistungspflicht der Beklagten umfasst. Sie zähle nicht zu den
Behandlungsmethoden, die in der Anlage A der Richtlinien des Bundesausschusses
der Ärzte und Krankenkassen über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V (BUB-Richtlinien) erfasst würden.
Die Voraussetzungen einer Kostenerstattung bei Vorliegen eines Systemmangels seien
ebenfalls nicht gegeben. Forschung und Erprobung der Plasmaaustauschbehandlung
bei der Diagnose uveales Effusionssyndrom seien bisher nicht abgeschlossen. Es
existiere lediglich eine Studie des den Kläger behandelnden Arztes, die sich zudem auf
eine andere Krankheit - nämlich die altersbedingte Makuladegeneration - beziehe.
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Mit seiner am 07.08.2001 erhobenen Klage hat der Kläger zunächst darauf
hingewiesen, dass nunmehr die Hämapheresebehandlungen im Deutschen
Hämapherese- Zentrum in L ab dem 07.08.2001 fortgesetzt würden. Zur Begründung
seines Klagebegehrens hat er vorgebracht: Die Plasmaaustauschbehandlung sei eine
grundsätzlich anerkannte Therapieform, wenn auch nicht aufgrund der bei ihm
vorliegenden Diagnose, sondern bei der Indikation der Makuladegeneration. Für die
Indikation des uvealen Effusionssyndroms lägen ablehnende Stellungnahmen zur
Wirksamkeit der Hämapherese nicht vor, was schon durch die Seltenheit der
Erkrankung bedingt sei. Die Beklagte sei jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des
Systemmangels i.S.d. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verpflichtet, die
Kosten der Hämapheresebehandlung zu erstatten. Seine Erkrankung sei derartig selten,
dass randomisierte, kontrollierte Studien gar nicht durchgeführt werden könnten. Die
einzig in Betracht kommende alternative Behandlung, nämlich die
Glaskörperentfernung, würde zu einem Restsehvermögen auf dem betroffenen linken
Auge von weniger als 10 % führen.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 17.07.2001 in der
Fassung des Bescheides vom 06.08.2001 jeweils in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 06.08.2001 die Kosten für eine
Plasmaaustauschbehandlung (Hämapherese) zu erstatten, soweit der Kläger sie
vorgestreckt hat, und für die zukünftige Behandlung zu übernehmen, jeweils
einschließlich der Fahrtkosten.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Ansicht vertreten, dass eine Leistungspflicht zur Gewährung der
Hämapherese bei uvealem Effusionssyndrom nicht bestehe. Diese
Behandlungsmethode entspreche nicht dem allgemein anerkannten Stand der
medizinischen Erkenntnisse, vielmehr befinde sie sich noch im Stadium der Forschung
und Erprobung.
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Das Sozialgericht hat Befundberichte von Prof. Dr. Dr. C1 und Prof. Dr. C eingeholt.
Prof. Dr. Dr. C1 hat in seinem Befundbericht vom 12.09.2001 mitgeteilt, die Erkrankung
des Klägers sei nach seiner Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit der Universitäts-
Augenklinik zu L durch extrakorporale Blutwaschverfahren (Hämapherese) erfolgreich
zu beeinflussen. Nach den Äußerungen des Klägers habe sich der Befund erheblich
verbessert. Alternative Behandlungsmöglichkeiten bestünden nach seiner Erkenntnis
nicht. Prof. Dr. C hat in seinem Befundbericht vom 23.10.2001 ausgeführt: Wegen des
hohen Risikoprofils sei bei dem Kläger von einer operativen Behandlung abgesehen
worden; weil bei dem Kläger nicht eine entzündliche Ursache vorliege, sei eine
Restitution mit alleiniger Cortisontherapie nicht zu erwarten. Die Durchführung mehrerer
extrakorporaler Behandlungen in kurzen Abständen sei zu empfehlen, um dem Risiko
der Erblindung entgegenzuwirken.
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Durch Urteil vom 14.06.2002 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen die Klage
abgewiesen. Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Behandlungskosten gemäß §
13 Abs. 3 SGB V sei nicht gegeben. Im Rahmen des Sachleistungssystems habe der
Kläger keinen Anspruch auf die umstrittene Leistung, weil die
Plasmaaustauschbehandlungen bei einem uvealen Effusionssyndrom nicht zum
Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre. § 135 Abs. 1 SGB V
bestimme, dass neue Behandlungsmethoden nur abgerechnet werden dürften, wenn
eine positive Empfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen u.a.
zum therapeutischen Nutzen der Methode vorläge. Dies sei nicht der Fall; der
Bundesausschuss habe sich mit der Plasmaaustauschbehandlung noch nicht befasst.
Für ein Systemversagen seien keine Anhaltspunkte ersichtlich.
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Gegen dieses Urteil hat der Kläger fristgerecht Berufung eingelegt. Zur Begründung
wiederholt er sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist zudem der Ansicht, dass der
Leistungsanspruch sich insbesondere aus der Übertragung der von dem BSG in seiner
Entscheidung vom 19.03.2002 zum "Off-Label-Use" von Arzneimitteln aufgestellten
Grundsätze ergebe. Darüber hinaus hat er darauf hingewiesen, dass Prof. Dr. Dr. C1 die
Technik der Apherese des LDL- Cholesterins entwickelt habe und dass insoweit
inzwischen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht würden. Ferner
hat er eine Stellungnahme des Prof. Dr. C vom 12.11.2003 vorgelegt und sich dessen
Ansicht angeschlossen. In diesem Schreiben wird ausgeführt: Prof. Dr. C habe einen
Vortrag über den Verlauf der Krankheit des Klägers bei der Jahrestagung der Deutschen
Ophthalmologischen Gesellschaft in Berlin gehalten. Der Beitrag sei vorher von einer
Gutachterkommission aus leitenden Ophthalmologen begutachtet und als Präsentation
akzeptiert worden. Daher könne man von einer grundsätzlichen Bedeutsamkeit dieses
Krankheitsverlaufes und des Ansprechens auf die therapeutische Apherese ausgehen.
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Nach der Beendigung des Rechtsstreits durch den Abschluss eines Teilvergleichs
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zwischen den Beteiligten in Bezug auf die Kosten der Fahrten des Klägers zu den
stationären und ambulanten Behandlungen beantragt der Kläger,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.06.2002 zu ändern und die
Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 17.07.2001 und 06.08.2001 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2001 zu verurteilen, ihm die im Zeitraum vom
07.08.2001 bis 17.10.2002 angefallenen Behandlungskosten für durchgeführte
Plasmapheresebehandlungen in Höhe von 22.031,61 Euro zu erstatten.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie weist darauf hin, dass der
Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen mit Beschluss vom 24.03.2003 in die
Anlage A der BUB-Richtlinien eine Regelung zur ambulanten Durchführung der
Apheresen als extrakorporale Hämotherapieverfahren für einzelne Indikationen
aufgenommen habe. Zwar sei auch die Krankheit des Klägers bei den Beratungen
Gegenstand gewesen, jedoch sei sie in der Anlage A nicht als Indikation enthalten. Eine
Leistungspflicht der Beklagten sei demnach ausgeschlossen.
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Der Senat hat Befundberichte des Dr. B, Zentrum für Augenheilkunde der Universität zu
L, und von Prof. Dr. X, Arzt für Augenheilkunde, I, eingeholt, die diese unter dem
24.07.2003 bzw. 25.07.2003 erstattet haben. Prof. Dr. X hat u.a. mitgeteilt, dass seit
Dezember 2002 eine leichte linksseitige Verbesserung der Netzhautsituation sowie der
Sehschärfe habe festgestellt werden können.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die
vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung des Klägers ist zurückzuweisen. Das Sozialgericht Gelsenkirchen hat zu
Recht entschieden, dass die Klage unbegründet ist. Die Bescheide der Beklagten sind
rechtmäßig, denn der Kläger wird durch sie nicht beschwert (§ 54 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der
Kosten für die im Zeitraum vom 07.08.2001 bis zum 17.10.2002 durchgeführten
Plasmapheresebehandlungen.
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Die Voraussetzungen des hier allein in Betracht kommenden Anspruchs aus § 13 Abs. 3
SGB V sind nicht gegeben. Hiernach sind dem Versicherten Kosten zu erstatten, die
dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht
rechtzeitig erbringen kann, oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt worden ist und dem
Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Da der
Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder
Dienstleistung tritt, ist er grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Kläger keinen
Anspruch auf die entsprechende Sachleistung hätte. Da die Beklagte aber nicht
verpflichtet ist, die streitigen Plasmapheresebehandlungen im Falle eines uvealen
Effusionssyndroms zur Verfügung zu stellen, gehören die Leistungen, für die der Kläger
Kostenerstattung verlangt, nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen
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Krankenversicherung.
Der in § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V normierte Anspruch auf Krankenbehandlung, der u.a.
auch die ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V) einschließt, unterliegt
den Einschränkungen aus § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V. Er besteht nur für
solche Behandlungsmethoden, die sich bei dem vorhandenen Krankheitsbild als
zweckmäßig und wirtschaftlich erwiesen haben und deren Qualität und Wirksamkeit
dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Nach §
135 Abs. 1 SGB V dürfen neue Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen
Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame
Bundesausschuss (bis zum 31.12.2003 der Bundesausschuss der Ärzte und
Krankenkassen) in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen
u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen
Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben
hat. Diese Vorschrift legt nämlich nach gefestigter Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (u.a. Urteile vom 16.09.1997 SozR 3-2500 § 135 Nr. 4;
28.03.2000 - B 1 KR 11/98 R -), der sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung
angeschlossen hat (u.a. Urteile vom 29.03.2001 - L 5 KR 137/00 -; 29.05.2001 - L 5 KR
187/00 -), für ihren Anwendungsbereich zugleich den Umfang der Leistungspflicht der
Krankenkassen gegenüber dem Versicherten fest. Bei den BUB-Richtlinien handelt es
sich um untergesetzliche Normen, die für Ärzte, Krankenkassen und Versicherte
verbindlich regeln, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zum
Leistungsumfang der Krankenversicherung zählen.
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§ 135 Abs. 1 SGB V ist - anders als § 137c SGB V für die Krankenhausbehandlung - als
Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gefasst und schließt neue Behandlungsmethoden so
lange von der Abrechnung zu Lasten der Krankenkassen aus, wie der
Bundesausschuss sie nicht als zweckmäßig anerkannt hat (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr.
4). Die Prüfung und Feststellung, ob eine neue Behandlungsweise dem allgemein
anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse genügt, obliegt damit nach der
gesetzlichen Regelung grundsätzlich dem Gemeinsamen Bundesausschuss (BSG vom
28.03.2000 - B 1 KR 18/98 R -).
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In dem Zeitraum ihrer Durchführung waren die umstrittenen Behandlungen nicht Teil der
in Anlage A der BUB-Richtlinien enthaltenen Behandlungsmethoden und damit von der
positiven Empfehlung des Bundesausschusses umfasst. Auch gegenwärtig - nach dem
Beschluss des Bundesausschusses vom 24.03.2003 zur Aufnahme von
Hämotherapieverfahren bei einzelnen Diagnosen in die Anlage A - ist die
Plasmaaustauschbehandlung bei der Indikation eines uvealen Effusionssyndroms nicht
unter den empfohlenen Therapien. An diese Entscheidung sind die Krankenkassen und
auch die Gerichte grundsätzlich gebunden.
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Die fehlende Anerkennung der streitigen Methode ist auch nicht darauf zurückzuführen,
dass der Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen
formalen und inhaltlichen Voraussetzungen das Verfahren nicht oder nicht zeitgerecht
durchgeführt hat. In einem solchen Fall des "Systemversagens" würde die
Nichtberücksichtigung der Methode in den BUB-Richtlinien höherrangigem Recht,
nämlich der Garantie eines den Anforderungen des § 2 Abs. 1 SGB V entsprechenden
Krankenbehandlungsanspruchs in § 27 Abs. 1 SGB V widersprechen (vgl. u.a. Urteile
vom 28.03.2000 - B 1 KR 11/98 R, B 1 KR 18/98 R -). Offen bleiben kann hier, ab wann
und unter welchen Umständen trotz des Fehlens einer positiven Entscheidung des
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Bundesausschusses ein Leistungsanspruch in Betracht kommen könnte, denn im Falle
der umstrittenen Behandlung belegt spätestens der Beschluss des Bundesausschusses
vom 24.03.2003 zur ambulanten Durchführung der Apheresen als extrakorporales
Hämotherapieverfahren (Bundesanzeiger 2003, S. 14486), dass eine Systemlücke nicht
vorliegt. In dem zusammenfassenden Bericht des Arbeitsausschusses "Ärztliche
Behandlung" des Bundesausschusses vom 25.07.2003 zu den "therapeutischen
Hämapheresen" findet sich unter Ziff. 11 eine Stellungnahme zum uvealen
Effusionssyndrom. Ausgeführt wird hier, dass in einer systematischen Literaturrecherche
keinerlei klinische Studien gefunden werden konnten, die eine valide Aussage zum
Nachweis des Nutzens, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Hämapherese
im Falle des uvealen Effusionssyndroms ermöglichen. Dieser Anwendungsbereich
könne demnach nicht als Leistung der vertragsärztlichen Versorgung anerkannt werden.
Auch aus einer Mitteilung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zum Beschluss des
Bundesausschusses vom 24.03.2003 geht hervor, dass die Hämapherese bei der
Indikation des uvealen Effusionssyndroms Bestandteil der Beratungen gewesen ist
(Deutsches Ärzteblatt 2003, B 1689). Die streitige Behandlungsmethode ist demnach
von dem gesetzlich dafür vorgesehenen Gremium geprüft und beraten und bewusst
nicht in die Anlage A der BUB-Richtlinien aufgenommen worden. Es lagen demnach
sogar nach dem Abschluss der hier streitigen Behandlung im Jahre 2003 keine
wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür vor, dass die Methode bei der Art der Erkrankung
des Klägers wirksam sein könnte. Erst recht lagen solche Erkenntnisse also nicht
während des Zeitraums der streitigen Behandlung vor.
Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich nichts anderes aus den Stellungnahmen
von Prof. Dr. Dr. C1 und Prof. Dr. C. Prof. Dr. Dr. C1 führt selbst aus, dass für das bei
dem Kläger vorliegende Krankheitsbild keine wissenschaftlichen Studien durchgeführt
worden seien, schon weil dies aufgrund der geringen Anzahl der Erkrankten nicht
möglich sei. Prof. Dr. C spricht in seiner Stellungnahme vom 12.11.2003 lediglich von
einem Vortrag im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Ophthalmologischen
Gesellschaft. Aus dem Umstand, dass die Präsentation von einer Gutachterkommission
aus leitenden Ophthalmologen akzeptiert worden sei, lässt sich jedoch nicht der
wissenschaftliche Beleg für die Wirksamkeit der Methode ableiten. Welche
Anforderungen an den wissenschaftlichen Nachweis von Qualität und Wirksamkeit einer
Behandlungsmethode gestellt werden müssen, wenn aufgrund der Seltenheit der
Erkrankung randomisierte Studien nicht möglich sind, braucht hier angesichts dessen,
dass der Bundesausschuss noch im Jahre 2003 keinerlei Anhaltspunkte für einen
wissenschaftlichen Beleg gefunden hat, nicht entschieden zu werden.
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Entgegen der Ansicht des Klägers führt auch die Anwendung der Grundsätze der
Entscheidung des BSG zum "Off-Label-Use" vom 19.03.2002 nicht zu einem anderen
Ergebnis. Dahingestellt bleiben kann, ob die den Arzneimittelbereich betreffenden
Grundsätze auch auf die ambulante ärztliche Versorgung angewandt werden können.
Denn auch wenn man die Grundsätze dieser Entscheidung überträgt, scheidet ein
Leistungsanspruch des Klägers aus. Voraussetzung einer Leistungspflicht ist nämlich,
dass aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem
betreffenden Präparat bzw. der streitigen Behandlungsmethode ein Behandlungserfolg
möglich ist. Insoweit müssen Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen,
dass ein solcher Behandlungserfolg eintreten kann (BSG a.a.O.). Zu bejahen ist, wenn
zumindest gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht worden sind, die über Qualität und
Wirksamkeit der Methode in dem streitigen Anwendungsgebiet zuverlässige,
wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund deren in den
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einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem
vorgenannten Sinne besteht (BSG a.a.O.). Solche Erkenntnisse können jedenfalls nicht
durch Erfahrungen in einem Einzelfall gewonnen werden (vgl. Urteil des erkennenden
Senats vom 12.02.2004 - L 5 KR 84/03 -).
Auch aus Art. 2 Grundgesetz (GG) kann ein Anspruch auf Gewährung bestimmter
Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht hergeleitet werden (vgl. BSG,
Urteil vom 28.03.2000, SozR 3-2500 Nr. 14 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts). Zwar besteht die objektiv- rechtliche Pflicht des Staates,
Leben und Gesundheit zu schützen. Diese Pflicht wird jedoch durch Bereitstellung von
Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung, die dem allgemein
anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen, erfüllt (BSG a.a.O.).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
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