Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20.10.2008

LSG NRW: berufliche eingliederung, beratung, ausbildung, erzieher, gespräch, unternehmen, arbeitsmarkt, anfang, sprachkurs, ermessensfehler

Landessozialgericht NRW, L 20 AS 19/07
Datum:
20.10.2008
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 20 AS 19/07
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 11 AS 59/06
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Köln vom 14.02.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind
nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Förderung einer Fortbildung zur
Sicherheitsfachkraft als Leistung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
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Der am 00.00.1978 in U/Ukraine geborene und seit 1999 in Deutschland lebende
Kläger teilte ausweislich von Ausdrucken über EDV-Einträge in der Verwaltungsakte
der Beklagten am 25.06.2004 mit, er werde am 06.09.2004 eine Ausbildung zum
Erzieher beginnen. Am 08.11.2004 fragte er bei einer Vorsprache nach Möglichkeiten
der Förderung der beruflichen Weiterbildung; er wolle die Maßnahme der Ausbildung
zum Erzieher abbrechen, da er sich nicht mehr sicher sei, ob der Beruf für ihn der
richtige sei. Er bat um einen Bildungsgutschein für eine Qualifizierungsmaßnahme zur
Sicherheitsfachkraft (Beginn: 03.01.2005); ihm wurde erläutert, dass er darauf keinen
Anspruch habe. Bei einer Vorsprache am 12.11.2004 fragte er nach "Adressen für
Sicherheitsfachkraft"; er wolle dies ggf. selbst finanzieren. Bei einer Vorsprache am
19.11.2004 teilte er mit, die Ausbildung abgebrochen zu haben; ein Antrag auf
Arbeitslosengeld II wurde ihm ausgehändigt. Am 04.01.2005 sprach er bei der ARGE O
L vor und fragte nach einem Bildungsgutschein für eine Ausbildung zur Wach- und
Sicherheitsfachkraft (Beginn: 17.01.2005); die Berechtigung für einen solchen Gutschein
müsse geklärt werden. Am 11.01.2005 fragte er bei einer persönlichen Vorsprache
erneut nach einem Bildungsgutschein für eine Maßnahme bei der E
(Sicherheitsfachkraft). Er habe bereits zwei schulische Ausbildungen abgebrochen. Am
Kolleg in X habe er festgestellt, dass er nicht mit Kindern umgehen könne. Er habe sich
allerdings auch nicht mit dem Beruf der Sicherheitsfachkraft auseinander gesetzt. Ein
Gutachten des psychologischen Dienstes solle die Eignung und Berufsneigung
abklären; für das laufende Quartal sei keine Aushändigung eines Bildungsgutscheins
betreffend die Ausbildung zur Sicherheitsfachkraft möglich.
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Mit Bescheid vom 29.11.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.
bis 31.05.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
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In der Verwaltungsakte der Beklagten findet sich eine Abschrift eines nicht näher
datierten Schreibens von "Februar 2005" an den Kläger, das im Briefkopf die
Bundesagentur für Arbeit als Absender benennt, allerdings die Anschrift der jetzigen
Beklagten aufführt. Darin wird eine Weiterbildung zur Sicherheitsfachkraft als Förderung
der beruflichen Bildung aus arbeitsmarktpolitischen Gründen abgelehnt. Der Kläger, der
bisher keine Absagen auf Bewerbungen für zumutbare Tätigkeiten nachgewiesen habe,
habe zwei begonnene Ausbildungen nach kurzer Zeit wieder abgebrochen, da er
festgestellt habe, dass die jeweiligen Berufe nicht seinen Vorstellungen entsprochen
hätten. Angaben zum Aufgabengebiet bzw. Tätigkeitsfeld einer Sicherheitsfachkraft, die
auf eine Auseinandersetzung mit diesem Beruf schließen ließen, habe er "beim
Gespräch am 11.01.2005" nicht machen können. Bei Leistungen zur Eingliederung in
Arbeit sei nach § 3 SGB III jedoch auch die Eignung des Arbeitslosen zu
berücksichtigen. Im Falle des Klägers sei daher zunächst eine Maßnahme zur
Eignungsfeststellung und Berufsfindung sinnvoller. Das Schreiben enthält keine
Rechtsbehelfsbelehrung.
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Der Kläger nahm ausweislich einer Teilnahmebescheinigung vom 20.05.2005 der E
Akademie GmbH (E in der Zeit vom 17.01. bis 20.05.2005 an dem Lehrgang
"Qualifizierung zur Sicherheitsfachkraft" teil. Nach einer Bescheinigung des
Ausbildungszentrums der E erbrachte er am 14.04.2005 den Sachkundenachweis nach
§ 7 Waffengesetz 2002. Am 30.05.2005 legte er ausweislich einer Bescheinigung der
Industrie- und Handelskammer zu L vom gleichen Tage die Sachkundeprüfung im
Bewachungsgewerbe für die Ausübung des Wach- und Sicherheitsgewerbes nach §
34a Abs. 1 Satz 5 Gewerbeordnung erfolgreich ab.
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Mit Schreiben vom 03.06.2005 teilte der Kläger im Rahmen einer "Beschwerde wegen
Diskriminierung" u.a. mit, er habe den Lehrgang bei der E selbst bezahlt (1.785,60 EUR;
Rechnung der E vom 18.01.2005), um so schnell wie möglich einen vernünftigen
Arbeitsplatz zu finden. Auf mehrere Anfragen bei Frau T (Mitarbeiterin der Beklagten)
habe er keinen Bildungsgutschein bekommen. Er habe sich deshalb bei einer
Bekannten 2.500,00 EUR geliehen.
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Am 18.07.2005 (Schriftsatz 14.07.2005) legte der seinerzeit anwaltlich vertretene Kläger
Widerspruch ein und führte aus, der Verwaltungsakte der Beklagten sei zu entnehmen,
dass die Erteilung eines Bildungsgutscheins zur Weiterbildung als Fachkraft für Schutz
und Sicherheit bei der E sowie die Gewährung der Kosten der Maßnahme verweigert
worden sei. Gegen den Versagungsbescheid "vom 11.01.2005", der ohne
Rechtsbehelfsbelehrung ergangen sei, richte sich der Widerspruch. Ein Anspruch auf
Erteilung des Bildungsgutscheins bestehe nach § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. §§ 77
ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Die Weiterbildung sei zu seiner beruflichen
Wiedereingliederung notwendig. Zum Antragszeitpunkt sei er arbeitslos gewesen und
habe Arbeitslosengeld II bezogen. Ohne die Bildungsmaßnahme habe zum Zeitpunkt
der Ablehnung am 11.01.2005 keine realistische Vermittlungschance in den
Arbeitsmarkt bestanden, weil der Kläger über einen nicht den bundes- oder
landesrechtlichen Vorschriften genügenden Berufsabschluss i.S.d. § 77 Abs. 2 SGB III
verfüge und seit Anfang seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland
ungelernte Tätigkeiten ausübe. Den in seinem Herkunftsland ausgeübten Beruf könne
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er aufgrund seiner langjährigen ungelernten Tätigkeit voraussichtlich nicht mehr
ausüben; weder Beklagte noch Bundesagentur für Arbeit hätten ihn in Arbeit vermitteln
können. Vor Beginn der Teilnahme an dem E-Lehrgang (17.01.2005) sei am 11.01.2005
eine Beratung durch die Beklagte erfolgt. Er habe einen Bildungsgutschein und die
Übernahme der Maßnahmekosten beantragt; zuvor habe er sich intensiv mit dem Inhalt
und den Berufsaussichten einer Sicherheitsfachkraft beschäftigt und sich darüber
informiert. Innerhalb eines Monats nach seinem erfolgreichen Weiterbildungsabschluss
habe er eigeninitiativ und ohne Unterstützung der Beklagten bzw. der Bundesagentur für
Arbeit bereits fünfzig einschlägige Bewerbungen gefertigt. Die E sei auch als
Maßnahmeträger für die konkrete Weiterbildung zugelassen. Die Maßnahme lasse eine
erfolgreiche berufliche Bildung erwarten und sei nach Lage und Entwicklung des
Arbeitsmarktes zweckmäßig. Die Versagung des Bildungsgutscheins sei
ermessensfehlerhaft. Die Beklagte habe ihr Ermessen überhaupt nicht erkannt; es seien
ermessensfremde Erwägungen angestellt worden. Zudem werde gegen den
Gleichheitssatz verstoßen, was das Ermessen auf Null reduziere. Er sei nicht bzw.
falsch beraten worden, wodurch ihm ein finanzieller Nachteil entstanden sei. Seine
Kosten beliefen sich auf die Lehrgangskosten von 1.785,60 EUR zzgl. seiner noch zu
beziffernden Fahrtkosten zwischen Wohnung und Bildungsstätte.
Laut einer Verdienstbescheinigung vom 24.02.2006 der W Wachdienst Rheinland-
Westfalen GmbH war der Kläger bei diesem Unternehmen in den Zeiträumen vom 10.
bis 18.09., vom 28.09. bis 16.10. sowie vom 22. bis 24.11.2005 tätig. Laut einem
Schreiben des Wachdienstes an den Kläger vom 28.11.2005 wurde das (ausweislich
des Arbeitsvertrages vom 10.09.2005 ursprünglich auf die Zeit vom 10. bis 19.09.2005
befristete) Arbeitsverhältnis nicht weiter verlängert. Aus vom Kläger vorgelegten
Lohnabrechnungen der T GmbH & Co. KG ergibt sich, dass der Kläger für dieses
Unternehmen im Mai und Juni 2006 tätig war. Mit Schreiben vom 14.07.2006 kündigte
das Unternehmen das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit mit zwei Tagen nach
Erhalt des Schreibens.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen
"den Bescheid vom 21.03.2005 (mündlich)" zurück. Aus der Begründung ist ersichtlich,
dass die Beklagte an einen mündlichen Ablehungsbescheid vom 11.01.2005 anknüpft
und ergänzend den Bescheid (Schreiben) aus Februar 2005 heranzieht. Die
Voraussetzungen für Leistungen nach § 16 SGB II i.V.m. §§ 77 ff. SGB III lägen nicht vor.
Die ablehnende Entscheidung lasse klar erkennen, dass Ermessen ausgeübt und auf
richtige, nachvollziehbare Überlegungen gestützt worden sei. Zwar sei der Beruf der
Sicherheitsfachkraft von der Bundesagentur für Arbeit prinzipiell als förderungsfähig
eingestuft worden. Es sei jedoch insbesondere auch die individuelle Eignung des
Arbeitslosen für das Bildungsziel sowie sein bisheriger Berufsverlauf angemessen zu
berücksichtigen; dabei komme es auch auf seine Motivation an. Bei der Vorsprache am
11.01.2005 habe der Kläger die Frage, welche Bereiche die Tätigkeit einer
Sicherheitsfachkraft genau umfasse, lediglich mit der Feststellung beantworten können,
er habe sich damit noch nicht weiter auseinander-gesetzt. Im Übrigen habe er seit 2001
bereits einen von der Bundesagentur für Arbeit geförderten Sprachkurs sowie zwei
schulische Ausbildungen (zum Elektrotechniker und zum Erzieher) abgebrochen, da
diese Weiterbildungen letztlich nicht seinen Vorstellungen entsprochen hätten. Deshalb
sei in seinem Falle zunächst die Vermittlung in eine Eignungsfeststellungs- bzw.
Berufsfindungsmaßnahme sinnvoller. Der Kläger habe zudem nicht belegen können,
dass er sich bis Anfang 2005 erfolglos um eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit
bemüht habe. Vielmehr seien für diese Zeit eigene Bemühungen um Arbeit nicht
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erkennbar. Auch habe er eine potentielle verbindliche Einstellungszusage eines
Arbeitsgebers für die Zeit nach Abschluss der Maßnahme nicht nachgewiesen. Ihm sei
am 11.01.2005 und auch im Bescheid aus Februar 2005 dargelegt worden, dass es bei
ihm an den persönlichen Voraussetzungen fehle. Im Hinblick auf sein bisheriges
Verhalten und seine Informationsdefizite sowie unter Berücksichtigung knapper
öffentlicher Mittel sei es zur Vermeidung eines potentiellen erneuten und mit Kosten
verbundenen Maßnahmeabbruchs geboten, vorab die beruflichen Neigungen und
Eignungen des Klägers herauszufinden. Es habe nicht mit Sicherheit davon
ausgegangen werden können, dass die angestrebte Weiterbildung tatsächlich geeignet
gewesen sei, seine Eingliederungschancen auf dem Arbeitsmarkt deutlich zu
verbessern. Vielmehr sei es wahrscheinlich erschienen, dass eine solche Maßnahme
wiederum vorzeitig beendet worden wäre. Dass die Maßnahme letzten Endes selbst
finanziert und auch abgeschlossen worden sei, sei zum Zeitpunkt der Antragstellung
bzw. der getroffenen Entscheidung nicht absehbar gewesen. Trotz offenbar
umfangreicher Bemühungen sei es dem Kläger im Übrigen erst im September 2005
gelungen, eine - zudem lediglich befristete - Beschäftigung zu finden; inzwischen sei er
wieder arbeitslos. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid
Bezug genommen.
Hiergegen hat der Kläger am 29.09.2006 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, die
Beklagte sei zu Unrecht davon ausgegangen, er werde auch die
Qualifizierungsmaßnahme zur Wach- und Sicherheitsfachkraft abbrechen. Er habe
jedoch die Qualifizierung gerade mit Erfolg abgeschlossen und vom 10.09. bis
24.11.2005 auch in der L-Messe als Sicherheitsfachkraft gearbeitet. Er sei darüber
hinaus auch weiter um Arbeit bemüht.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des mündlich erteilten Bescheides vom 11.01.2005 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2006 zu verurteilen, ihm Leistungen für
die von ihm finanzierte Qualifizierung zur Wach- und Sicherheitsfachkraft zu gewähren.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgetragen, zum Zeitpunkt der Antragstellung sei ein erfolgreicher Abschluss
der Qualifizierung zur Sicherheitsfachkraft nicht absehbar gewesen. Eine nachträgliche
Finanzierung der Maßnahme bzw. eine Übernahme möglicher Schulden komme nicht in
Betracht. Eine dauerhafte Beschäftigung sei aus der Qualifizierung auch nicht
hervorgegangen. Ob hieran überhaupt Interesse bestehe, sei ohnehin zumindest
zweifelhaft. So habe der Kläger, dem auf sein Drängen am 13.03.2006 ein
Vermittlungsgutschein ausgestellt worden sei, ein erfolgversprechendes Angebot der
privaten Arbeitsvermittlung K S mit der Begründung abgelehnt, eine Beschäftigung in
Bonn komme für ihn nicht Betracht. Im Übrigen werde auf den Widerspruchsbescheid
Bezug genommen.
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Mit Gerichtsbescheid vom 14.02.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die
Ablehnung von Leistungen zur beruflichen Weiterbildung durch die Beklagte erscheine
nicht ermessensfehlerhaft. Abzustellen sei insoweit auf den Zeitpunkt ihrer
Entscheidung. Der bisherige Werdegang des Klägers habe bereits gegen einen
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tatsächlichen Erfolg der vom Kläger gewünschten Maßnahme gesprochen. Denn er
habe schon mehrere Ausbildungen abgebrochen, weil er gemerkt habe, dass diese ihm
nicht lägen. Mit dem Beruf einer Sicherheitsfachkraft habe er sich zuvor auch nicht näher
auseinandergesetzt gehabt. Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten sei es
gerade nicht überwiegend wahrscheinlich gewesen, dass er die angestrebte Maßnahme
erfolgreich absolvieren werde. Selbst bei einem erfolgreichen Abschluss habe zudem
nicht davon ausgegangen werden können, dass der Kläger in den Arbeitsmarkt
eingegliedert werden könne. Zwar habe er für kurze Zeit eine Arbeitsstelle bekommen;
einen dauerhaften Arbeitsplatz und damit die Möglichkeit, ohne Leistungen nach dem
SGB II auszukommen, habe er jedoch nicht erhalten. Zudem komme eine Förderung
nach § 77 Abs. 1 Nr. 2 SGB III nur in Betracht, wenn zuvor eine Beratung durch die
Agentur für Arbeit erfolgt sei; eine solche Beratung lasse sich den Akten jedoch nicht
entnehmen und werde vom Kläger auch nicht behauptet.
Gegen den am 17.02.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19.03.2007
(Montag) Klage erhoben.
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Im Erörterungstermin vom 27.11.2007 hat der Kläger auf Befragen erklärt, er könne nicht
genau sagen, wieviele Monate er seit 2005 als Sicherheitsfachkraft tätig gewesen sei.
Es habe sich um jeweils kurzfristige Beschäftigungen gehandelt; es dürften zwei Monate
sowie zusätzlich elf Wochen gewesen sein. Zu einem Verhandlungstermin sollten die
Mitarbeiterinnen der Beklagten X (die am 11.01.2005 das Gespräch mit ihm geführt hat)
und T geladen werden; er wolle ihnen in die Augen sehen.
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In der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2008 hat die Beklagte den Bescheid aus
Februar 2005 aufgehoben. Dieser Bescheid sei zwar auf einem Briefbogen der
Bundesagentur für Arbeit ergangen, stamme aber tatsächlich von der Beklagten. Der
Kläger hat in der Verhandlung von einer erneuten Tätigkeit für ein
Sicherheitsunternehmen berichtet, die allerdings wiederum nur zu Messezeiten
stattfinde.
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Der Kläger beantragt,
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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 14.02.2007 aufzuheben und die
Beklagte unter Änderung des mündlich erteilten Bescheides vom 11.01.2005 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2005 zu verurteilen, ihm Leistungen für die von
ihm durchgeführte und finanzierte Qualifizierungsmaßnahme zur Sicherheitsfachkraft (E)
nach dem SGB II zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verweist auf ihren Widerspruchsbescheid sowie auf den angefochtenen
Gerichtsbescheid.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der ebenfalls
beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft L 000 Bezug genommen. Der Inhalt dieser
Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Entscheidungsgründe:
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Gegenstand des Verfahrens ist jedenfalls nach der durch die Beklagte in der
mündlichen Verhandlung vorgenommenen Aufhebung des nicht näher datierten
Bescheides (Schreiben) aus Februar 2005 von vornherein allein der (nach § 33 Abs. 2
Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zulässigerweise mündlich erteilte)
Bescheid vom 11.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2005. Die
mündliche Ablehnung der Erteilung eines sog. Bildungsgutscheins am 11.01.2005
erfüllt dabei sämtliche Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes i.S.v. § 31 Satz 1 SGB
X. Ausweislich des EDV-Vermerks über das Gespräch zwischen der Mitarbeiterin
Watzelt-Schidelko der Beklagten und dem Kläger hat der Kläger an diesem Tag nach
einem Bildungsgutschein für eine Ausbildung bei der E zur Sicherheitsfachkraft gefragt
und damit einen entsprechenden Leistungsantrag gestellt, und die Mitarbeiterin der
Beklagten hat eine Erteilung eines Bildungsgutscheins abgelehnt, da bereits zwei
schulische Maßnahmen vom Kläger abgebrochen worden seien und seine Eignung
sowie Berufsneigung geklärt werden müssten. Damit hat die Beklagte i.S.v. § 35 Satz 1
SGB X eine Einzelfallentscheidung mit unmittelbarer Regelungswirkung für den Kläger
getroffen.
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Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
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Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom
11.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2005 verletzt den Kläger
nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seinen Rechten. Die Beklagte war
vielmehr berechtigt, eine Förderung des Qualifizierungslehrgangs des Klägers zur
Sicherheitsfachkraft als Leistung nach dem SGB II abzulehnen.
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Nach § 16 Abs. 1 (i.d.F. ab 01.01.2005) i.V.m. § 44b Abs. 1 SGB II kann die Beklagte als
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit u.a. alle im Sechsten Abschnitt des Vierten
Kapitels des SGB III geregelten Leistungen erbringen (Satz 1). Soweit das SGB II für die
einzelnen Leistungen keine abweichenden Voraussetzungen regelt, gelten diejenigen
des SGB III (Satz 3). Dementsprechend kann die Beklagte nach § 16 Abs. 1 SGB II
i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III (i.d.F. ab. 01.01.2005) als Leistung der Eingliederung in
Arbeit bei Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung durch Übernahme
der Weiterbildungskosten eine Förderung erbringen, wenn (1.) die Weiterbildung
notwendig ist etwa, um den Geförderten bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern oder
weil bei ihm wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung
anerkannt ist, (2.) vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit
erfolgt ist und (3.) die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung
zugelassen sind. Dem Geförderten wird ggf. nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 77 Abs. 3
SGB III das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Förderung bescheinigt
(Bildungsgutschein; Satz 1). Dieser Bildungsgutschein wird von dem vom Geförderten
ausgewählten Bildungsträger vor Beginn der Maßnahme dem Leistungsträger vorgelegt
(Satz 3).
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Zwar erfüllt der Kläger die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III. Denn
zumindest sein berufliches Schicksal seit Einreise in die Bundesrepublik Deutschland
im Jahre 1999 zeigt, dass er ohne eine Weiterbildung kaum berufliche
Eingliederungschancen hat. Die Qualifizierung zur Sicherheitsfachkraft bei der E ist
darüber hinaus, folgt man den Angaben der Beklagten im Widerspruchsbescheid, auch
eine i.S.v. § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III zugelassene Maßnahme. Ob einer Förderung
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schon entgegensteht, dass der Kläger vor Beginn seiner Maßnahme nicht nach § 77
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III von der Agentur für Arbeit beraten worden ist, erscheint
allerdings fraglich, da wegen des Verweises in § 16 Abs. 1 SGB II u.a. auf § 77 SGB III
insofern auch eine Beratung durch die Beklagte als ausreichend in Betracht kommt (für
eine Beratung durch den Leistungsträger Eicher, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl.
2008, § 16 Rn. 81).
Letzteres kann der Senat allerdings ebenso offen lassen wie die Frage, ob eine solche
Beratung durch die Beklagte schon in den Gesprächen zu sehen ist, die anlässlich der
Vorsprachen des Klägers am 08. und 12.11.2004 sowie am 04. und 11.01.2005 geführt
wurden und die jeweils auch eine mögliche Qualifizierung des Klägers zur
Sicherheitsfachkraft zum Gegenstand hatten.
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Denn die Leistungen nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 77 SGB III stehen, da sie nach
dem Wortlaut des Gesetzes erbracht werden können, im pflichtgemäßen Ermessen der
Beklagten (Eicher, a.a.O., § 16 Rn. 61 unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/1410, S. 21 f. zu
Nr. 4a; Niewald, in: LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 16 Rn. 7). Wenn die Beklagte im
Widerspruchsbescheid insofern auf den Gesichtspunkt abstellt, dass das angestrebte
Bildungsziel eine berufliche Eingliederung als wahrscheinlich erwarten lassen müsse,
wobei die individuelle Eignung, der bisherige Berufsverlauf und die Motivation des
Antragstellers zu berücksichtigen seien, so sind dies erkennbar sachgerechte
Erwägungen, die den mit dem Gesetz verfolgten Eingliederungszweck sichern sollen.
Ohne Ermessensfehler ist es auch, wenn die Beklagte insoweit wegen des Abbruchs
früher geförderter Maßnahmen (Sprachkurs sowie vor allem zweier Ausbildungen als
Elektrotechniker bzw. als Erzieher) durch den Kläger und wegen seiner fehlenden
genaueren Befassung mit dem Beruf der Sicherheitsfachkraft im Interesse einer
sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung von Fördermitteln vor einer erneuten
Förderung direkter Ausbildungsmaßnahmen zunächst eine Eignungsfeststellung bzw.
Berufsfindungsmaßnahme für angezeigt hielt. Soweit der Kläger im Widerspruch eine
Nichtausübung von Ermessen gerügt hat, ist das schon deshalb unbeachtlich, weil
jedenfalls die späteren Ermessenserwägungen im Widerspruchsbescheid nicht
fehlerhaft sind, sondern den Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X an die
Begründung von Ermessensentscheidungen genügen; eine solche Nachholung der
Begründung auch hinsichtlich der Ermessensgesichtspunkte im Widerspruchsbescheid
reicht nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 SGB X aus (vgl. Schütze, in: von Wulffen,
SGB X, 6. Aufl. 2008, § 41 rn. 11). Soweit er im Widerspruch weiter darauf hingewiesen
hat, er habe sich vorab umfassend über den Beruf der Sicherheitsfachkraft informiert,
erscheint dies nicht glaubhaft, da sonst kein Grund bestanden hätte, seine fehlende
Informiertheit im Vermerk über das Gespräch am 11.01.2005 festzuhalten. Der Senat
hält deshalb insgesamt die im Widerspruchsbescheid gezogene Schlussfolgerung der
Beklagten, es habe nicht von einer Eignung der vom Kläger gewünschten
Bildungsmaßnahme und von einer wahrscheinlichen beruflichen Eingliederung
aufgrund der Bewilligung der Maßnahme ausgegangen werden können, weder unter
Ermessensgesichtspunkten noch aus sonstigen Gründen für beanstandungswürdig.
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Soweit der Kläger darauf verweist, er sei im Anschluss an seine Qualifizierung bereits
als Sicherheitsfachkraft beruflich tätig geworden, so ändert dies nichts an der
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Denn die Beklagte konnte diese zum
einen vor Antritt des Qualifizierungslehrgangs naturgemäß nur aufgrund einer Prognose
treffen. Insoweit hat sie nachvollziehbar und ohne Ermessensfehler auf die bisherige
Unstetigkeit des Klägers hinsichtlich zuvor von ihm begonnener, aber abgebrochener
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Bildungsmaßnahmen abgestellt. Im Übrigen hat auch rückschauend die vom Kläger
zwar erfolgreich abgeschlossene Qualifizierung bisher nicht dazu geführt, dass er
nachhaltig in das Berufsleben eingegliedert worden wäre. Seine Tätigkeiten bei
Sicherheitsdiensten waren vielmehr sämtlich kurzfristig und konnten ihn letztlich nicht
von Leistungen nach dem SGB II nachhaltig unabhängig machen.
Einer vom Kläger im Erörterungstermin beantragten Vernehmung zweier
Mitarbeiterinnen der Beklagten bedurfte es nicht. Der Sachverhalt ist in seinen
entscheidungserheblichen Vorgängen vollständig aufgeklärt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
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