Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19.12.2003

LSG NRW: abfindung, gegenleistung, tod, trennung, grundstück, versicherung, vergleich, unterhaltsleistung, scheidung, wohnung

Landessozialgericht NRW, L 14 RJ 110/02
Datum:
19.12.2003
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 14 RJ 110/02
Vorinstanz:
Sozialgericht Köln, S 11 RJ 341/01
Sachgebiet:
Rentenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln
vom 28. Juni 2002 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin
auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu
erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente gemäß § 243 des 6.
Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) hat.
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Die am 00.00.1963 geschlossene Ehe der Klägerin (geboren 00.00.1940) mit dem
Versicherten Q L (geboren 00.00.1940) wurde durch Urteil des Landgerichts L vom
06.10.1975 aus beiderseitigem Verschulden rechtskräftig geschieden. Ausweislich der
Sitzungsniederschrift des Landgerichts vom 06.10.1975 verzichteten die Klägerin und
ihr früherer Ehemann für Vergangenheit und Zukunft wechselseitig auf Unterhalt und
Unterhaltsbeiträge, auch für den Fall der Not.
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Die Klägerin hat in der Folgezeit nicht wieder geheiratet. Eine neue im Jahre 1977
eingegangene Ehe des Versicherten wurde 1982 wieder geschieden. Danach hat auch
der Versicherte nicht wieder geheiratet. Vielmehr lebte er von 1981 bis 1983 und noch
einmal von 1985 bis 1995 in seinem Haus wieder in einem gemeinsamen Haushalt mit
der Klägerin.
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Am 22.09.2000 verstarb der Versicherte.
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Am 08.03.2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Geschiedenenwitwenrente.
Sie gab u.a. an, zum Zeitpunkt der Scheidung habe der Versicherte ca. 2000,00 DM
monatlich verdient. Sie habe sich im Wesentlichen um die Kinder gekümmert. Zur Zeit
des Todes habe der Versicherte eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von etwa
1500,00 DM bezogen. Sie selbst erhalte seit März 2000 eine Altersrente in Höhe von
etwa 1015,00 DM.
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Mit Bescheid vom 10.07.2001 lehnte die Beklagte die Gewährung einer
Geschiedenenwitwenrente ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die
Klägerin habe vom Versicherten im letzten Jahr vor seinem Tode weder tatsächlichen
Unterhalt erhalten noch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod einen
Anspruch darauf gehabt. In dem vor dem Landgericht L geschlossenen Vergleich habe
sie auf Unterhalt und Unterhaltsbeiträge, auch für den Fall der Not, verzichtet.
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Zur Begründung des am 01.08.2001 erhobenen Widerspruchs wies die Klägerin u.a.
darauf hin, sie habe mit ihrem früheren Ehemann von 1985 bis 1995 wieder in einer
eheähnlichen Gemeinschaft gelebt. Ihr geschiedener Ehemann habe ihr am 14.08.1985
an dem mit zwei Gebäuden bebauten Grundstück in O/X ein lebenslanges
Nießbrauchrecht eingeräumt. In einem der Häuser hätten sie selbst gelebt. Das andere
Haus sei vermietet gewesen. Aufgrund des Nießbrauchs habe sie die monatliche Miete
von zuletzt 900,00 DM erhalten. Dies sei auch nach der Trennung im Jahre 1995 der
Fall gewesen. Im April 2000 habe der geschiedene Ehemann das Grundstück verkauft.
Zuvor habe sie mit Erklärung vom 25.04.2000 der Löschung des Nießbrauchrechtes
gegen eine Abfindung von 125.000,00 DM zugestimmt. Nach ihrer Auffassung habe es
sich bei der Einräumung des Nießbrauchrechts und den daraus resultierenden
Mietzahlungen um Unterhaltszahlungen ihres früheren Ehemannes gehandelt, ohne
dass dieser dazu verpflichtet gewesen sei. In der später erfolgten Kapitalisierung des
Nießbrauchrechts finde sich die Unterhaltsverpflichtung wieder. Die Voraussetzungen
des § 243 Abs. 2 Ziff. 3 SGB VI für die Geschiedenenwitwenrente lägen daher vor.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2001 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten
den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, unabhängig
von dem umfassenden Unterhaltsverzicht habe der verstorbene Versicherte im letzten
Jahr vor dem Tode keinen rentenrechtlich relevanten Unterhalt erbracht. Der
Nießbrauch sei 10 Jahre nach der Scheidung ohne rechtliche Verpflichtung bewilligt
worden. Er stehe in keinem Zusammenhang zu der früheren Ehe, sondern sei für die
Leistung während des neuerlichen Zusammenlebens der früheren Ehepartner
eingeräumt worden. Eine Unterhaltsleistung setze begrifflich Unentgeltlichkeit ihrer
Gewährung voraus. Das Nießbrauchrecht stelle daher keine Unterhaltsgewährung dar,
die zu einem Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente führen könne.
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Zur Begründung der am 20.12.2001 erhobenen Klage hat die Klägerin ergänzend
vorgetragen, Gegenleistungen für die auf dem Nießbrauchrecht beruhenden
Unterhaltsleistungen seien von ihr nicht erbracht worden. Auf jeden Fall hätten keine
Gegenleistungsverpflichtungen mehr ab 1995 bestanden, nachdem sie sich aufgrund
einer eigenen Krebserkrankung endgültig von ihrem früheren Ehemann getrennt habe
und dieser in die Nähe seines Bruders in X1 gezogen sei. Vor dem Tode ihres früheren
Ehemannes am 22.09.2000 habe sie bis April 2000 die Mietzahlungen erhalten. Für die
Folgezeit sei eine Abfindung des Nießbrauchs durch den o.g. Betrag von 125.000,00
DM erfolgt.
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Zur Stützung ihres Vortrags hat die Klägerin auch auf das Ergebnis eines Zivilprozesses
vor dem Amtsgericht M bzw. dem Landgericht L1 im Jahre 1996 verwiesen, mit dem ihr
verstorbener Ehemann versucht hatte, die Klägerin zur Aufgabe des Nießbrauchrechts
zu veranlassen: Nachdem die Klägerin vom Amtsgericht M in erster Instanz noch
verpflichtet worden war, die tatsächlichen Nutzungen aufgrund des Nießbrauchrechts an
den Versicherten auszukehren, wurde in zweiter Instanz vor dem Landgericht L1 ein
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Vergleich geschlossen, wonach das Nießbrauchrecht zu ihren Gunsten
uneingeschränkt bestehen blieb. In dem Verhandlungsprotokoll des Landgerichts L1
vom 20.02.1998 heißt es darüber hinaus, dass ein Wegfall der Geschäftsgrundlage für
dieses Nießbrauchrecht fraglich erscheine. Auch hieraus ist nach Auffassung der
Klägerin ersichtlich, dass es sich bei den aufgrund des Nießbrauchrechts erhaltenen
monatlichen Beiträgen um einen Unterhalt ohne Verpflichtung zur Erbringung einer
Gegenleistung gehandelt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.07.2001 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 06.12.2001 zu verurteilen, ihr aufgrund ihres Antrags vom
08.03.2001 Geschiedenenwitwenrente aus der Versicherung des Herrn Q L zu
gewähren.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat ihre Entscheidungen weiterhin für zutreffend gehalten und die Auffassung
vertreten, ein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Versicherten habe aufgrund
des Verzichts vor dem Landgericht L nicht bestanden. Unterhaltsleistungen seien auch
nicht erbracht worden. Die aufgrund der Einräumung des Nießbrauchrechts geflossenen
Gelder hätten keinen Unterhalt dargestellt, sie seien vielmehr Gegenleistungen für die
Versorgung des erwerbsunfähigen kranken Versicherten gewesen.
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Mit Urteil vom 28.06.2002 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin
Witwenrente aus der Versicherung ihres geschiedenen Ehemannes Q L zu gewähren.
Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, entgegen der
Ansicht der Beklagten läge auch die - hier einzig streitige - Voraussetzung des § 243
Abs. 2 Nr. 3 SGB VI vor. Zwar habe die Klägerin im letzten Jahr vor dem Tode des
Versicherten wegen des damals vor dem Landgericht L geschlossenen Vergleichs
keinen Anspruch auf Unterhalt gehabt. Tatsächlich habe sie aber Unterhalt von diesem
erhalten. Nach Auffassung des Sozialgerichts seien die aufgrund des Nießbrauchrechts
geleisteten Zahlungen als Unterhalt anzusehen. Einkünfte aus einem Nießbrauchrecht
könnten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts durchaus
Unterhaltsleistungen darstellen (Hinweis auf BSG in SozR 3-2600, § 243 Nr. 5). Dies
gelte jedenfalls dann, wenn die Leistung unabhängig davon erbracht werde, ob der
geschiedene Ehegatte eine Gegenleistung erbringe. Zumindest im letzten Jahr vor dem
Tode des Versicherten seien die aufgrund des Nießbrauchrechts erfolgten Zahlungen
nach Auffassung des Sozialgerichts ohne Gegenleistung seitens der Klägerin erfolgt.
Bedenken könne man insoweit durchaus für die Zeit 1985 bis 1995 äußern. Es sei
nämlich nicht zu verkennen, dass sie mit dem Versicherten zusammen gewohnt und
auch im Rahmen der gemeinsamen Haushaltsführung sicherlich Leistungen erbracht
habe. Zunächst könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass die vom
Versicherten erbrachte Leistung reine Unterhaltsfunktion gehabt habe. Nach der
endgültigen Trennung der Klägerin vom Versicherten habe die Klägerin aber keine
Leistungen etwa für eine gemeinsame Haushaltsführung mehr erbracht. Trotzdem habe
sie aufgrund des Nießbrauchrechts weiterhin ihre monatlichen Zahlungen wie bisher
erhalten. Ein Versuch des Versicherten, diese Leistungen einzustellen, sei letztendlich
gescheitert. Wie sich aus dem Ausgang des Rechtsstreits zwischen der Klägerin und
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dem Versicherten vor dem Landgericht L1 erkennen lasse, könne nicht davon
ausgegangen werden, dass das Nießbrauchrecht für die Versorgung des - sicherlich
gesundheitlich angeschlagenen - Versicherten oder im Hinblick auf eine neue geplante
Eheschließung eingeräumt worden sei. Alsdann sei mit der Trennung im Jahr 1995
tatsächlich die Grundlage für eine weitere Zahlung entfallen. Dadurch, dass auch nach
der Trennung bis zum Verkauf des Grundstücks die Klägerin ihre monatlichen
Zahlungen erhalten habe, ohne dass sie (nunmehr) irgendwelche Leistungen an den
Versicherten erbracht habe, werde nach Auffassung des Sozialgerichts deutlich, dass
es sich hierbei um Unterhaltsleistungen gehandelt habe, die nicht von einer
Gegenleistung abhängig gewesen seien. Diese seien mit 900,00 DM auch mehr als
geringfügig gewesen, d.h. sie hätten mehr als 25 % des Sozialhilfegrundbedarfs
ausgemacht. Schließlich ändere auch die Tatsache nichts am Ergebnis, dass das
Grundstück, aus dem die Klägerin ihr Nießbrauchrecht hergeleitet habe, im April 2000
verkauft worden sei und dann keine monatlichen Zahlungen mehr geflossen seien. Der
Löschung des Nießbrauchrechts habe nämlich eine Abfindung an die Klägerin in Höhe
von 125.000,00 DM gegenüber gestanden. Die Voraussetzungen für die Gewährung
einer Geschiedenenwitwenrente nach § 243 Abs. 2 SGB VI lägen daher nach
Auffassung des Sozialgerichts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das ihr am 09.07.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.07.2002
Berufung eingelegt. Zur Begründung vertritt sie weiterhin die Auffassung, bei dem
Nießbrauch bzw. den damit verbundenen monatlichen Zahlungen habe es sich nicht um
Unterhalt gehandelt. Der Nießbrauch und letztendlich die Abfindungszahlung seien
genauso gut vorstellbar, wenn die Parteien früher nicht miteinander verheiratet gewesen
wären. Zudem könne die Beklagte dem Sozialgericht nicht darin folgen, dass nach der
Löschung des Nießbrauchrechts die an die Klägerin gezahlte Abfindung über das Jahr
2000 und über den Tod des Versicherten hinaus einen Unterhaltsanspruch begründen
könne. Auch die Geschiedenenwitwenrente habe für die Hinterbliebene Lohn- bzw.
Unterhaltsersatzfunktion. Wenn aber die Klägerin in den Genuss einer Abfindung in
dieser Höhe gekommen sei, stelle sich für die Beklagte die Frage, welche entgangene
Unterhaltsleistung nunmehr durch die Geschiedenenwitwenrente ersetzt werden solle.
Ergänzend verweist die Beklagte auf die (allerdings durch den nachfolgenden Vergleich
nicht rechtskräftige) Entscheidung des Amtsgerichts M vom 05. September 1996. Die
darin gemachten Ausführungen bestätigten die Auffassung der Beklagten, dass das
1985 bestellte Nießbrauchrecht eingeräumt worden sei, weil die Klägerin mit ihrem
verstorbenen Ehemann wieder eine Lebensgemeinschaft aufgenommen und dessen
Pflege aufgrund seiner schweren Erkrankung übernommen habe. Da die Klägerin 1985
aus diesen Gründen ihre eigene Wohnung und auch ihre Arbeitsstelle aufgegeben
habe, sei ihr allein aus diesen Gründen das Nießbrauchrecht eingeräumt worden.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28.06.2002 zu ändern und die Klage
abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Klägerin hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und trägt u.a. ergänzend
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vor, ihrem geschiedenen Ehemann sei es zu Recht nicht gelungen, das
Nießbrauchrecht löschen zu lassen, da es sich eben um eine Unterhaltsverbindlichkeit
ihr gegenüber gehandelt habe.
Der Senat hat vom Amtsgericht M die Akten über das Streitverfahren 000 beigezogen.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Klägerin zu den Umständen des
erneuten Zusammenlebens mit ihrem früheren Ehemann nach der Scheidung von 1985
bis 1995 sowie zu der Einräumung des Nießbrauchrechts befragt. Insoweit wird auf die
Sitzungsniederschrift vom 19.12.2003 verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten, den der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie den der
vom Amtsgericht M beigezogenen Prozessakten 000, der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat im
Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klägerin Anspruch auf
Geschiedenenwitwenrente aus der Versicherung ihres früheren Ehemannes hat.
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Von den Voraussetzungen des § 243 Abs. 2 SGB VI ist lediglich die Voraussetzung des
§ 243 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI streitig. Hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen kann daher
zur Vermeidung von Xerholungen gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf
die entsprechenden Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen werden, denen sich
der Senat anschließt.
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Die Klägerin hat auch im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten von diesem
Unterhalt im Sinne des § 243 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI erhalten. Allerdings ist nach
Auffassung des Senats die Unterhaltsleistung nicht erst seit der endgültigen Trennung
der Klägerin von ihrem früheren Ehemann im Jahre 1995 freiwillig und ohne
Gegenleistung erbracht worden, wovon das Sozialgericht ausgegangen ist. Vielmehr
haben die tatsächlichen Unterhaltsleistungen nach Auffassung des Senats bereits mit
der Bestellung des Nießbrauchrechts an dem Grundstück und den darauf beruhenden
Mietzahlungen an die Klägerin im Jahr 1985 begonnen.
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Nach den sehr detaillierten und überzeugenden Angaben der Klägerin in der
mündlichen Verhandlung war ihr verstorbener Ehemann bei der Bestellung des
Nießbrauchrechts im Jahr 1985 noch nicht schwer erkrankt und pflegebedürftig. Er
konnte im Haushalt mithelfen und sich um das große Grundstück kümmern. Die Klägerin
selber konnte in der Folge sogar wieder berufstätig sein. All dies spricht nach
Auffassung des Senats dafür, dass das Nießbrauchrecht nicht als Gegenleistung für
vom Versicherten erwartete Pflegeleistungen der Klägerin eingeräumt wurde. Vielmehr
ist es nachvollziehbar, dass die Klägerin, bevor sie zu ihrem früheren Ehemann nach
O/X zog und ihre Arbeitsstelle in Düsseldorf und ihre Wohnung aufgeben mußte, auf
eine Absicherung durch das Nießbrauchrecht bestanden hat, zumal ein erneutes
Auseinandergehen nicht auszuschließen war. Daraus ergibt sich, dass der frühere
Ehemann den Unterhalt der Klägerin durch die Einräumung des Nießbrauchs
unabhängig von einer Gegenleistung und vom dauerhaften Bestand der
Lebenspartnerschaft sichern wollte. So hat ausweislich der Sitzungsniederschrift des
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Amtsgerichts M vom 15.08.1996 auch die damals vernommene Zeugin Weber
ausgesagt, der Versicherte habe ihr erzählt, das Nießbrauchrecht sei eingeräumt
worden, damit die Klägerin versorgt sei. Die Einräumung des Nießbrauchrechts und die
von der Klägerin daraus empfangenen monatlichen Mietzahlungen bis April 2000 im
Todesjahr des Versicherten sind daher nach Auffassung des Senats als
Unterhaltsleistungen zu werten. Auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG), wonach Einkünfte aus einem Nießbrauchrecht Unterhaltsleistungen darstellen
können, hat bereits das Sozialgericht zutreffend verwiesen.
Im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten hat die Klägerin allerdings von April 2000
bis September 2000 keine Mietzahlungen mehr erhalten, da das Nießbrauchrecht mit
ihrer Zustimmung gelöscht worden war. Auch insoweit hat das Sozialgericht aber im
Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Löschung des Nießbrauchrechts letztlich die
Abfindung an die Klägerin in Höhe von 125.000,00 DM gegenüber gestanden hat.
Allerdings werden in Rechtsprechung und Literatur einmalige Abfindungszahlungen für
Unterhaltsansprüche, die allgemein und ohne konkreten Bezug zu monatlichen
Unterhaltszahlungen geleistet werden, nicht ohne weiteres als Unterhalt im Sinne von §
243 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI angesehen (vgl. Eicher/Haase/Rauschenbach, SGB VI, Anm. 3
a zu § 243; Gürtner in Kasseler Komm., Rdn. 17 zu § 243, jeweils mit Hinweisen auf die
Rechtsprechung des BSG). Kapitalisierte Unterhalsvorauszahlungen können dagegen
als Unterhalt im Sinne des § 243 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI angesehen werden, wenn in
Anbetracht der Höhe der Vorauszahlung die Annahme gerechtfertigt ist, dass in der
tatsächlichen Unterhaltsgewährung ein Dauerzustand vorgelegen hat, der durch den
Tod des Versicherten beendet worden ist (Urteile des BSG vom 24.11.1976 und
24.11.1978, SozR 2200 § 1265 Nr. 24 und Nr. 36).
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Eine solche kapitalisierte Unterhaltsvorauszahlung liegt nach Auffassung des Senats im
Falle der Klägerin vor. Die Klägerin hat dazu angegeben, dass der Betrag von
125.000,00 DM vermutlich nach dem jährlichen Nutzungswert des Nießbrauchrechts
von 10.000,00 DM und der Lebenserwartung ermittelt worden ist. Dies ist
nachvollziehbar, da der Jahresbetrag von 10.000,00 DM in etwa der monatlichen Miete
von 900,00 DM entspricht und die Klägerin davon ausgehend für viele Jahre ihres zu
erwartenden Lebens abgesichert wurde. Nach dem Urteil des BSG vom 24.11.1978
(s.o.) ist ohnehin nur entscheidend, dass durch den Vorauszahlungsbetrag der
Verbrauch im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten abgedeckt sein mußte. Das
BSG hat in diesem Urteil ausdrücklich ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, ob und wie
eine zusätzliche Vorauszahlung für die Folgezeit schaden könnte. Dem entnimmt der
Senat, dass es entgegen der Auffassung der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung
unerheblich ist, dass angesichts einer Unterhaltsabfindung die Unterhaltsersatzfunktion
der Geschiedenenwitwenrente fraglich wird. Der Senat hat daher keine Bedenken, die
Abfindung des Nießbrauchrechts durch Zahlung von 125.000,00 DM als kapitalisierte
Unterhaltsvorauszahlung für die Monate April 2000 bis September 2000 anzusehen, so
dass die Voraussetzungen des § 243 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI für die
Geschiedenenwitwenrente erfüllt sind. Der verstorbene Versicherte hat der Klägerin
nach alledem durch die Einräumung des Nießbrauchrechts und die darauf beruhenden
Mietzahlungen sowie die anschließende Abfindung des Nießbrauchrechts durch
Zahlung eines Betrages von 125.000,00 DM auch im letzten Jahr vor seinem Tode
Unterhalt geleistet.
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Die Berufung der Beklagten konnte daher keinen Erfolg haben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die dafür erforderlichen
Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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